BFH VI R 31/08

BFHVI R 31/085.3.2009

Amtlicher Leitsatz:

Notwendige Mehraufwendungen eines Arbeitnehmers wegen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung können auch dann einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden, wenn der Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und eine bereits vorhandene oder neu eingerichtete Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen als Zweithaushalt genutzt wird.

Doppelter Haushalt hilft auch in Wegverlegungsfällen sparen

Neues Recht schuf der BFH durch 2 Urteile in Sachen "doppelte Haushaltsführung": Nach einer — aus privaten Gründen vorgenommenen — Wegverlegung des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort gehören jetzt auch die Mehraufwendungen durch einen dadurch bewirkten 2. Wohnsitz zu den steuerlich abziehbaren Werbungskosten. Der BFH revidierte seine bisherige entgegenstehende Auffassung und hält es nicht mehr für steuerschädlich, dass nun am bisherigen Beschäftigungsort eine Zweitwohnung unterhalten wird. Auch dabei handele es sich um eine "beruflich begründete doppelte Haushaltsführung". Denn der berufliche Anlass liege darin, dass der Arbeitnehmer die Zweitwohnung nutze, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Dabei könne es sich bei der Zweitwohnung auch um die bisherige Familienwohnung handeln. Denn auch diese werde dann aus beruflichen Motiven unterhalten.

Quelle: Wolfgang Büser

Normen

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1, 2 EStG
§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FGO

FG Niedersachsen - 30.11.2006 - AZ: 1 K 387/04
FG Niedersachsen - 30.11.2006 - AZ: 1 K 340/05
BFH - 15.01.2008 - AZ: VI S 5/07

 

Gründe

I.

Streitig ist die Berücksichtigung der Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute, wurden in den Streitjahren (2002, 2004) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger bezog in den Streitjahren eine Rente, die Klägerin war als Sekretärin nichtselbständig beschäftigt, ihre Arbeitsstelle war in X. Die Kläger lebten zunächst in der Nähe von X, in Z, erwarben 1996 ein Wohngrundstück in A und zogen im Februar 1997 dorthin. Die Klägerin behielt ihren Arbeitsplatz im 195 km entfernten X bei. Sie mietete ein Appartement in X, in dem sie sich einen zweiten Haushalt einrichtete und von dort aus ihre Arbeitsstelle aufsuchte.

Mit den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragten die Kläger u.a., die Aufwendungen für das Appartement in X als Kosten der doppelten Haushaltsführung in Höhe von 4 113 EUR in 2002 und in Höhe von 4 310 EUR in 2004 zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2002 berücksichtigte zwar der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Aufwendungen für Familienheimfahrten, ließ jedoch den Abzug der Mietkosten als Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht zu. Bei der Einkommensteuerveranlagung für 2004 hatte das FA im Einkommensteuerbescheid zunächst die als doppelte Haushaltsführung geltend gemachten Aufwendungen berücksichtigt, sie in der Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2005 dann aber nicht mehr zum Abzug zugelassen.

Das Finanzgericht (FG) wies die auf Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung gerichtete Klage ab. Es nahm zur Begründung auf seine zwischen denselben Beteiligten ergangene Entscheidung vom 13. Dezember 2005, den Veranlagungszeitraum 2001 betreffend, Bezug.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts sowie unzureichende Aufklärung des Sachverhalts.

Sie beantragen,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 30. November 2006 1 K 387/04, 1 K 340/05 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 11. Oktober 2005 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 30. Juni 2005 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer für 2002 bzw. 2004 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten für die Kosten einer doppelten Haushaltsführung herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

Im Streitfall scheidet eine Berücksichtigung der als Kosten einer doppelten Haushaltsführung geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin nicht schon mit der Begründung aus, dass der Hausstand der Kläger vom Beschäftigungsort der Klägerin wegverlegt worden sei.

#Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings noch keine abschließende Beurteilung, ob und in welcher Höhe Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen sind.

1.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2645), die nach § 52 Abs. 23b EStG i.d.F. des StÄndG 2003 und nach § 52 Abs. 23d EStG i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 3076) auch in den Streitjahren anzuwenden ist, gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG konkretisiert den allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Nur die Aufwendungen aus Anlass einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung sind deshalb zu erfassen.

2.

Der Senat hält nach erneuter Prüfung nicht mehr an seiner Rechtsprechung fest, nach der in den sog. Wegverlegungsfällen ein Abzug von Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten ausscheidet.

Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn aus beruflicher Veranlassung in einer Wohnung am Beschäftigungsort ein zweiter (doppelter) Haushalt zum Hausstand des Steuerpflichtigen hinzutritt. Der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn ihn der Steuerpflichtige nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können. Der so beruflich veranlasste Zweithaushalt am Beschäftigungsort qualifiziert auch die doppelte Haushaltsführung selbst als eine aus beruflichem Anlass begründete i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG. Dies gilt selbst dann, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und eine bereits vorhandene oder neu eingerichtete Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen als Zweithaushalt nutzt. Denn auch dann findet die nunmehr doppelte Haushaltsführung ihre berufliche Veranlassung darin, dass ein weiterer Haushalt in einer Wohnung am Beschäftigungsort aus beruflichen Motiven begründet wird. Nur die Kosten dieser Wohnung am Beschäftigungsort sind als Werbungskosten abziehbar; die Aufwendungen der wegverlegten Hauptwohnung gehören zu den nicht abziehbaren Lebenshaltungskosten.

Zur weiteren Begründung verweist der Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die beiden zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Urteile vom 5. März 2009 VI R 23/07 und VI R 58/06.

3.

Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --aus seiner Sicht zu Recht-- noch keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe der Klägerin tatsächlich notwendige Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in den beiden Streitjahren entstanden waren. Das wird das FG im zweiten Rechtsgang im Anschluss an die Nachholung der erforderlichen Feststellungen zu prüfen haben. Dabei wird auch zu beachten sein, dass Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nur insoweit notwendig i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind, wie sie den durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820, m.w.N.; VI R 23/05, BFHE 218, 376).

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