Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., vom 30. Juli 2009 gegen die Bescheide des Finanzamtes Oststeiermark vom 9. Juli 2009 betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 18. Juni 2009 gemäß § 299 BAO und Einkommensteuer 2008 (Berufungsvorentscheidung) entschieden:
Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 299 BAO wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 (Berufungsvorentscheidung gem. § 276 BAO) wird als unbegründet abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Die Fälligkeit des mit der Entscheidung fest gesetzten Mehrbetrages der Abgabe ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) erklärte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 einen Verlust aus Gewerbebetrieb und beantragte die Anerkennung der Aufwendungen für seinen Sohn in Höhe von 1.562,20 Euro (Vitamine) und seine Tochter in Höhe von 493,35 Euro als außergewöhnliche Belastungen.
Die Veranlagung erfolgte mit Bescheid vom 27. Mai 2009 erklärungsgemäß. Dagegen richtete sich der Bw. mit dem Rechtsmittel der Berufung mit der Begründung, er habe im Jahr 2008 für seinen Sohn 1.562,20 Euro für Vitamine ausgegeben. Ihm sei ein Selbstbehalt von 1.249,10 verrechnet worden. Bei einer Behinderung ab 25% stehe gemäß Steuerbuch 2009 eine außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage bei seinem Sohn laut Beilage 30%.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 18. Juni 2009 wurde der Berufung statt gegeben.
In der Folge wurde diese Berufungsvorentscheidung mit Bescheid vom 9. Juli 2009 aufgehoben und mit dem gemäß § 299 (2) BAO gleichzeitig erlassenen Einkommensteuerbescheid wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Null festgesetzt und die als außergewöhnliche Belastung beantragten Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel zur Gänze nicht anerkannt. Dies unter Hinweis auf die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 5. Juni 2009, RV/0080-G/08, die Jahre 2002-2006 betreffend. Darin hat der Unabhängige Finanzsenat die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit des Bw. als Amwayberater eine Tätigkeit darstellt, bei der die Vermutung nahe liegt, dass nach den Umständen des Einzelfalles damit zu rechnen sei, dass sie vor dem Erzielen eines Gesamtgewinnes aufgeben wird.
Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen für Vitaminpräparate wurden als Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung gewertet.
Dagegen wandte sich der Bw. mit Berufung und führte die Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO betreffend aus, dass die beantragten außergewöhnlichen Belastungen für seinen Sohn und seine Tochter (Therapiekosten und Fahrtkosten) nichts mit der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates betreffend 2002 bis 2006 zu tun hätten.
In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 (Berufungsvorentscheidung) brachte er vor, dass der Gesamtgrad der Behinderung laut fachärztlichen Sachverständigengutachten 30% betrage. An Behandlung und Therapie bestätige der ärztliche Sachverständige Bioresonanz, Nahrungsergänzungsmittel und Vitamine.
In einem weiteren Schreiben wies der Bw. nochmals darauf hin, dass bei einer Behinderung ab 25% eine außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zustehe und bekräftigte die fachärztliche Verordnung der verabreichten Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Gemäß § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Der aufhebende Bescheid und der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid sind rechtlich zwei Bescheide, die jeder für sich einer Berufung zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können. Werden beide Bescheide angefochten, so ist zunächst über die Berufung gegen den Aufhebungsbescheid zu entscheiden.
Der Bw. wendet sich gegen die Aufhebung mit der Begründung, die vom Finanzamt zitierte Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates beziehe sich nicht auf die von ihm beantragten Aufwendungen.
Dem ist jedoch zu entgegnen, dass in der Berufungsentscheidung vom 5. Juni 2009, RV/0080-G/08, ausführlich begründet wurde, weshalb die vom Bw. ausgeübte Tätigkeit eine steuerlich nicht beachtliche Einkunftsquelle darstellt und die Aufwendungen für Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel keine anzuerkennende außergewöhnliche Belastung darstellen. Da der zugrunde liegende Sachverhalt keine Änderung zu den vorangegangenen Jahren erfahren hat, konnte das Finanzamt zu Recht davon ausgehen, dass der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht.
Gemäß § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Diese Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.
Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob die vom Bw. beantragten Aufwendungen in Höhe von 1.562 Euro für das Nahrungsergänzungsmittel Nutrilite als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner Judikatur nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (VwGH 23.6.1996, 95/15/0018).
Bloße Wünsche und Vorstellungen des Betroffenen über medizinische Auswirkungen bilden keine ausreichende Grundlage für den Nachweis der Zwangsläufigkeit eines Aufwandes (VwGH 24.6.2004, 2001/15/0109).
Aber auch Kosten für Mittel bzw. Behandlungsformen aus dem Bereich der Alternativmedizin können Kosten der Heilbehandlung und damit eine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn diese Aufwendungen medizinisch indiziert sind, als solche, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit vorgenommen wurden (vgl. UFS vom 24.5.2011, RV/0462-L/11).
Im Allgemeinen erweist sich eine im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes erstellt ärztliche Verordnung als geeigneter Nachweis für die medizinische Notwendigkeit einer Maßnahme.
Wie in der den Bw. betreffenden Berufungsentscheidung des UFS vom 5. Juni 2009, RV/0080-G/08, ausgeführt, errechnen sich laut eigener Angaben des Bw. die von ihm geltend gemachten Kosten in Höhe von 1.562 Euro aus anteilsmäßig jeweils 2 Stück der für seine Familie benötigten Vitaminpräparaten.
Das in dieser Entscheidung bereits besprochene Schreiben der Kinderärztin vom 15.2.2008 stellt lediglich eine im Nachhinein erstellte Empfehlung und keinesfalls eine ärztliche Verordnung im Rahmen eines Behandlungsplanes dar.
Dieser Entscheidung liegt somit ein identer Sachverhalt wie in der Entscheidung vom 5. Juni 2009 zugrunde, weshalb auf die dortigen weiteren Ausführungen verwiesen werden kann.
Der Bw. irrt, wenn er vermeint, die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (BSB-Bescheinigung), könnte die fehlende ärztliche Verordnung ersetzen. Darin wird bloß unter Wiedergabe der Behandlung und der Befunde (obgenannte Empfehlung) der Gesamtgrad der Behinderung als Folge der Augenerkrankung zum Untersuchungszeitpunkt festgestellt.
Die mit dieser Erkrankung im Zusammenhang stehenden Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel können nur dann als außergewöhnliche Belastung zum Abzug gebracht werden, wenn die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind. Wie bereits ausgeführt, stellen Aufwendungen für Medikamente grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung dar. Auf Kosten für eine alternative Behandlungstherapie trifft dies jedoch nur dann zu, wenn ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung nachgewiesen wird (vgl. UFS vom 24.5.2011, RV/0339-K/08).
Wie bereits ausgeführt, fehlen im vorliegenden Fall gerade diese unabdingbaren Voraussetzungen
Zusätzlich rügt der Bw. in seiner Berufung, dass im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 9. Juli 2009 der Pauschalbetrag von 75 Euro nach § 35 (3) EStG 1988 nicht zum Ansatz gebracht worden sei.
Dem ist jedoch zu entgegnen, dass der Freibetrag wegen Behinderung eines Kindes gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 75 Euro sehr wohl im besagten Bescheid berücksichtigt wurde.
Vom Bw. wurden auch als außergewöhnliche Belastung die Kosten für die kieferorthopädischen Behandlung seiner Tochter abzüglich der Kostenerstattung durch die BVA und die Fahrtkosten jeweils zur kieferorthopädischen Behandlung und zur Physiotherapie im Gesamtbetrag von 493,35 Euro geltend gemacht. Diese wurden im Bescheid vom 9. Juli 2009 als Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 behandelt und ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen.
Die vom Bw. für seine Tochter geltend gemachten Aufwendungen stellen grundsätzlich Krankheitskosten dar, die jedoch erst nach Abzug des Selbstbehaltes als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden können. Im vorliegenden Fall verbleibt jedoch kein den Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 übersteigender Betrag.
Bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Graz, am 19. September 2011
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 23.06.1996, 95/15/0018 |