Kosten für den Freikauf vom türkischen Wehrdienst - Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen?
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., Gde X, W-Straße xx, vom 4. August 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 14. Juli 2010 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw.) bezog im Berufungsjahr nichtselbständige Einkünfte als S bei der Fa. T GmbH in Gde X, K-Straße yy.
Mit elektronisch eingereichter Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009 begehrte der Bw. ua. unter dem Titel "Sonstige Werbungskosten, die nicht unter die oben angeführten Werbungskosten fallen (zB Betriebsratsumlage)" die Berücksichtigung von 5.131,00 € als Werbungskosten.
Im Rahmen eines Vorhalteverfahrens (vgl. Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom 23. Juni 2010, wonach der Bw. ersucht wurde, die gesamten beantragten Werbungskosten anhand einer Aufstellung und belegmäßig nachzuweisen; weiters wurde er danach befragt, ob Kostenersätze im Zusammenhang mit den geltend gemachten Werbungskosten durch den Arbeitgeber und, wenn ja, in welcher Höhe gewährt wurden) brachte der Bw. mit Schreiben vom 7. Juli 2010 samt diverser Beilagen vor, dass er eine Überweisung von 5.130,00 € tätigen habe müssen, damit er in der Türkei nicht den gesamten Militärdienst absolvieren müsse und stattdessen in Österreich seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen und steuerpflichtige Einnahmen erzielen könne. Gemäß § 16 EStG seien Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Damit er seine Einnahmen in Österreich erhalten könne, sei er gezwungen gewesen, diesen Betrag in die Türkei zu überweisen, um sich vom Militärdienst - größtenteils - freizustellen. Die Alternative sei gewesen, den Dienst in der Türkei zu absolvieren. Dadurch hätte er jedoch mit allergrößter Wahrscheinlichkeit seine Anstellung und damit seine steuerpflichtigen Einnahmen verloren. Somit seien die Voraussetzungen zur Geltendmachung dieser Kosten (als Werbungskosten) gegeben.
Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung des Bw. für das Jahr 2009 (vgl. den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Juli 2010) ließ das Finanzamt die als Werbungskosten geltend gemachten Kosten betreffend den Freikauf vom türkischen Wehrdienst unberücksichtigt. Begründend führte es dazu aus, dass derartige Zahlungen primär nicht durch die berufliche Tätigkeit, sondern durch persönliche Interessen veranlasst seien.
Mit Schriftsatz vom 4. August 2010 erhob der Bw. gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Juli 2010 Berufung und brachte dazu im Wesentlichen Folgendes vor: ""Im Jahre 2009 habe ich Ausgaben von 5.131,00 € tätigen müssen, damit ich in der Türkei nicht den gesamten Militärdienst absolvieren muss und stattdessen in Österreich meiner beruflichen Tätigkeit nachgehen kann und somit in Österreich steuerpflichtige Einnahmen erziele. In der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 2009 ist angeführt, dass Ablösen zum Zweck der Erlangung der Ableistung des Militärdienstes primär nicht durch die berufliche Tätigkeit, sondern durch persönliche Interessen veranlasst sind. Daher sei eine Berücksichtigung als Werbungskosten ausgeschlossen. Dem kann ich grundsätzlich zustimmen. Es ist tatsächlich so, dass der "Freikauf" vom Militärdienst durch persönliche Interessen (mit-)veranlasst ist. Ich habe es nach mehreren fehlgeschlagenen Anläufen - geschafft, in Österreich eine Arbeitsstelle zu bekommen, die es mir erlaubt, meine Familie und mich zu ernähren und zu versorgen. Falls ich in der Türkei den Militärdienst vollständig ableisten müsste, würde ich höchstwahrscheinlich meine Anstellung verlieren. Was das für eine Familie bedeuten würden, wenn der Gatte und Vater arbeitslos ist, muss nicht näher erläutert werden. Soweit ist tatsächlich ein persönliches Interesse an dem "Freikauf" vorhanden. Diese Art von persönlichem Interesse ist aber auch bei sehr vielen anderen Ausgaben, die zweifelsfrei als Werbungskosten abziehbar sind, gegeben. So sind zum Beispiel Aus- bzw. Fortbildungskosten als Werbungskosten abzugsfähig. Alle Investitionen in eine gesicherte berufliche Zukunft, in ein Streben nach einer höher und besseren Position im Unternehmen, oder auch nur im Streben nach dem Erhalt der Stelle sind privat mit veranlasst, da eine sichere berufliche Position eine Grundlage für eine gesunde private Situation darstellt. Tatsache ist, dass ich diese Kosten auf mich nehmen musste, damit ich in der Zukunft in Österreich steuerpflichtige Einnahmen erwirtschaften kann. Gemäß § 16 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Damit ich meine Einnahmen in Österreich sichern und erhalten kann, war ich gezwungen, diesen Betrag in die Türkei zu überweisen um mich vom Militärdienst - größtenteils freistellen zu lassen. In den Lohnsteuerrichtlinien ist unter der Rz 223 der Werbungskostenbegriff erläutert: Werbungskosten eines Arbeitnehmers sind Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben - objektiv im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und - subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und - nicht unter ein steuerliches Abzugsverbot fallen. Der objektive Zusammenhang der geltend gemachten Werbungskosten mit meinen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ist - so denke ich - zweifelsfrei gegeben. Wenn ich nicht in Österreich wäre, würde ich keine nichtselbständige Tätigkeit ausüben können bzw. ich würde meine Arbeitsstelle mit größter Wahrscheinlichkeit verlieren. Auch das subjektive Merkmal ist jedenfalls gegeben. Diese Zahlung habe ich tätigen müssen, damit ich meine in Österreich steuerpflichtigen Einnahmen sichern bzw. erhalten kann. Auch die dritte Voraussetzung, das Nichtzutreffen eines steuerlichen Abzugsverbotes, ist gegeben. Die von mir geleisteten Ausgaben finden im § 20 EStG angeführten nichtabzugsfähigen Aufwendungen und Ausgaben keine Deckung. Es sind weder Ausgaben für den Haushalt bzw. Unterhalt noch Aufwendungen der Lebensführung. Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass diese Kosten gemäß § 16 EStG als Werbungskosten abzugsfähig sind. Ich ersuche das Finanzamt Feldkirch meiner Berufung vollinhaltlich statt zu geben.""
Nach Ergehen der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 12. August 2010, auf deren ausführliche Begründung an dieser Stelle verwiesen wird, beantragte der Bw. - so auch schon im Berufungsschriftsatz - mit Anbringen (FinanzOnline) vom 14. September 2010, die gegenständliche Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen, wodurch die Berufung wiederum als unerledigt galt. In diesem Vorlageantrag bzw. im nach einem entsprechenden Mängelbehebungsverfahren eingelangten Schreiben vom 14. Oktober 2010 brachte der Bw. in Erwiderung auf die gegenständliche Berufungsvorentscheidung noch Folgendes vor: ""Sowohl in der Rechtsprechung als auch in den Lohnsteuerrichtlinien wird von einem "kausalen Werbungskostenbegriff' ausgegangen. Werbungskosten sind "Wertabgänge", die durch die auf die Erzielung außerbetrieblicher Einkünfte ausgerichtete Tätigkeit veranlasst ist (E 31.01.2001, 99/13/0245, 2001,528). Es genügt ein "wirtschaftlicher Zusammenhang" zwischen den Aufwendungen und der Tätigkeit; ein notwendiger Wirkungszusammenhang mit verschiedenen Einkommenskomponenten ist nicht erforderlich (E 10.5.2001, 98/15/0030, 2002, 869). Meines Erachtens ist sowohl ein objektiver als auch ein subjektiver Zusammenhang der geleisteten Zahlungen mit meinen in Österreich erwirtschafteten und versteuerten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gegeben. Die Deutung des Begriffes "objektiv" des Finanzamtes kann ich nicht nachvollziehen. Der Begriff soll aussagen, dass solche Ausgaben einen jeden Arbeitnehmer bei der Ausübung eben dieser außerbetrieblichen Tätigkeit treffen. Da österreichische oder deutsche Staatsangehörige diese Möglichkeit des "Freikaufes" nicht haben, solle der objektive Zusammenhang mit meiner Tätigkeit fehlen? Das kann nicht sein. Wenn wir das Beispiel "Pendlerpauschale" anschauen, das ja grundsätzlich als Werbungskosten absetzbar ist, ist es auch nicht der Fall, dass jeder Arbeitnehmer diese Werbungskosten absetzen kann. Dazu bedarf es einiger Voraussetzungen, wie zB die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte. Wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen, werden die Kosten, die bei der Fahrt zwischen Wohnungen und Arbeitsstätte entstehen, auch nicht als Werbungskosten berücksichtigt. Bei dem dieser Berufung zu Grunde liegenden Sachverhalt gilt dasselbe. Nachdem die Voraussetzungen für den "Freikauf' für österreichische und deutsche Staatsangehörige fehlen und dadurch auch keine Kosten anfallen, können sie auch keine Werbungskosten abziehen. Es ist bei diesen Kosten, wie auch bei vielen anderen Kosten so, dass tatsächlich auch private Überlegungen bei der Entscheidung eine Rolle spielen. Bei jedem Kurs, den ein Dienstnehmer für "seine Firma" macht, ist es das gleiche. Man denkt sich: "Durch diese Fortbildung wird mein (privates und berufliches) Wissen verbessert. Dadurch steige ich vielleicht in der Hierarchie in der Firma. Dann bekomme ich einen besseren Gehalt, usw." Trotzdem, dass diese Entscheidungen privat (mit)veranlasst sind, werden die anfallenden Kosten als Werbungskosten akzeptiert. Noch ein Stufe weiter geht es bei den Krankenversicherungsbeiträgen. Diese Beiträge sind beinahe ausschließlich privat veranlasst und trotzdem sind diese Beiträge sogar im EStG als Werbungskosten angeführt. Jede Tätigkeit eines Menschen hat Auswirkungen auf den privaten und auch auf den beruflichen Bereich. So ist es auch bei meinem "Freikauf". Selbstverständlich ist es so, dass der "Freikauf" auch persönlich (mit)veranlasst war. Wer möchte schon gerne die Arbeitsstelle verlieren und eine junge Familie dadurch ohne Ernährung dastehen lassen bzw. Bezieher von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und ähnlichem sein und dadurch der Republik Österreich Kosten verursachen? Ich habe den kostspieligen Weg gewählt und mich entschieden, zur Erhaltung meiner Einnahmen diese Kosten auf mich zu nehmen. Aus diesen Gründen stelle ich den Antrag, die geltend gemachten Kosten als Werbungskosten anzuerkennen. Falls der UFS meinem Antrag, diese Kosten als Werbungskosten anzuerkennen nicht stattgibt, stelle ich alternativ den Antrag, diese Kosten als außergewöhnliche Belastung in Abzug zu bringen. Sämtliche Voraussetzungen dazu sind gegeben. Die Außergewöhnlichkeit besteht darin, dass diese Kosten nicht die Mehrzahl der Steuerpflichtigen in Österreich treffen. Die Zwangsläufigkeit besteht darin, dass ich - um den Lebensunterhalt zu verdienen - tatsächlich diese Belastung nicht verhindern konnte. Ich konnte mich diesen Ausgaben daher aus rechtlichen bzw. sittlichen Gründen nicht entziehen, da ich eine Unterhaltspflicht gegenüber meiner Frau und meinem Sohn, der 2009 geboren wurde, habe. Dieser Unterhaltspflicht kann ich - wie gesagt - nur nachkommen, wenn ich meiner Erwerbstätigkeit weiter nachgehen kann.""
Das Finanzamt legte in der Folge die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (Unabhängiger Finanzsenat) zur Entscheidung vor.
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung erwogen:
Nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind "Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen" Werbungskosten. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen.
Werbungskosten eines Dienstnehmers sind Aufwendungen oder Ausgaben, die beruflich veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen oder Ausgaben - objektiv in Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit stehen und - subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen geleistet werden oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen und - nicht unter ein Abzugsverbot des § 20 EStG 1988 fallen.
Der Abgabepflichtige, der Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt wissen will, hat das Vorliegen dieser Aufwendungen grundsätzlich entsprechend nachzuweisen. Er hat dem Finanzamt über Verlangen die geltend gemachten Werbungskosten nachzuweisen oder, wenn dies nicht zumutbar ist, wenigstens glaubhaft zu machen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften ua. "Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung" nicht abgezogen werden, "selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen".
Im Hinblick auf die vom Bw. als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für die (teilweise) Befreiung vom türkischen Militärdienst ergibt sich nunmehr Folgendes:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Entscheidungen vom 30. Mai 1989, 86/14/0139, bzw. vom 22. Dezember 1989, 89/13/0235, im Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit von Ablösen für die Befreiung vom türkischen Militärdienst als Betriebsausgaben ua. Nachstehendes ausgeführt: "Die Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes ist eine höchstpersönliche. Ablösen zum Zweck der Erlassung dieser Leistungsverpflichtung sind somit primär nicht durch den Betrieb des Steuerpflichtigen, sondern durch dessen persönliche Umstände veranlasst. Die strittigen Ablösen wurden daher nicht wegen der Führung eines Betriebes, sondern wegen der bestehenden Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes bezahlt. Der Gerichtshof übersieht nicht, dass der Beschwerdeführer erst durch Zahlung der Ablösen in die Lage versetzt wurde, Einkünfte zu erzielen, sodass die Ablösen zur Förderung seiner Tätigkeit gedient haben. Nichtsdestoweniger stellen diese Aufwendungen im Sinn des § 20 Abs. 1 Z 2 EStG nichtabzugsfähige Kosten der Lebensführung und somit keine Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG dar. Bei dieser Sach- und Rechtslage gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz ins Leere, weil die Ablösen in einem solchen Maß durch die private Lebensführung veranlasst waren, dass diese Umstände gegenüber dem betrieblichen Anlass nicht in den Hintergrund treten (vgl. BFH vom 20. Dezember 1985, VI R 45/84, BStBI 1986, II, S 459). An dieser Beurteilung ändert es nichts, dass der Beschwerdeführer seine betriebliche Tätigkeit in Österreich nur ausüben kann (konnte), weil er sich vom türkischen Militärdienst befreien ließ."
Angesichts dieser höchstgerichtlichen Entscheidungen ist - die Begriffe "Werbungskosten" und "Betriebsausgaben" sind im Übrigen als inhaltsgleich anzusehen; danach ist allein maßgeblich, ob der Aufwand durch die Einkünfteerzielung bzw. berufliche Tätigkeit "veranlasst" ist - dem Finanzamt beizupflichten, wenn es die im konkreten Fall getätigten Ablösezahlungen zum Zwecke der (teilweisen) Erlassung der (höchstpersönlichen) Verpflichtung zur Ableistung des türkischen Militärdienstes als in erster Linie auf die Lebensführung gerichtete Aufwendungen nicht als Werbungskosten, sondern als nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 qualifiziert hat; dies selbst dann, wenn diese Zahlungen den Bw. in die Lage versetzten, im Inland steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen, oder er bei Ableistung des Wehrdienstes seinen Arbeitsplatz verlieren würde (vgl. dazu auch Doralt, EStG13, § 16 Tz 220, bzw. Doralt/Kofler, EStG11, § 20 Tz 163; Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 EStG 1988 allgemein, Rz 5.2, bzw. § 4 Abs. 4 EStG 1988 allgemein, Rz 36; Jakom/Lenneis EStG, 2010, § 16, Rz 56).
Im Hinblick auf das Alternativvorbringen des Bw., die strittigen Aufwendungen für die (teilweise) Befreiung vom türkischen Militärdienst als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ist Folgendes zu sagen:
Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG 1988 setzt grundsätzlich voraus: - Unbeschränkte Steuerpflicht sowie - eine Belastung des Einkommens.
Die Belastung - darf nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben darstellen, - muss außergewöhnlich sein, - muss zwangsläufig erwachsen, - muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen und - darf nicht unter ein Abzugsverbot fallen.
Alle Voraussetzungen müssen zugleich gegeben sein. Liegt daher beispielsweise das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht vor, so erübrigt sich eine Prüfung der Außergewöhnlichkeit.
Vorab wird auf die obgenannte Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 20. Dezember 1985, VI R 45/84, BStBI 1986, II, S 459, verwiesen, wonach im Hinblick auf die strittigen Aufwendungen zum Freikauf vom Militärdienst im Ausland auch der Abzug als außergewöhnliche Belastungen versagt wurde.
Eine Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen (vgl. Hofstätter/Reichel, a.a.O., § 34 Abs. 2 bis 5 EStG 1988, Tz 3). Die Belastung muss nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach vom Begriff der Zwangsläufigkeit umfasst sein. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. dazu Doralt, EStG11, § 34 Tz 36).
Nach übereinstimmender Ansicht von herrschender Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus der genannten Bestimmung eindeutig, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 EStG 1988 ebenso wenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die unmittelbare Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. zB VwGH 26.9.2000, 99/13/0158; VwGH 19.12.2000, 99/14/0294).
Tatsächliche Gründe im obigen Sinne sind solche, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst treffen (zB eigene Krankheitskosten, Aufwendungen infolge Körperbehinderung).
Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann aus dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen erwachsen. Rechtliche Gründe sind solche, die dem Steuerpflichtigen eine außergewöhnliche Belastung auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung auferlegen (zB Krankheitskosten unterhaltsberechtigter Personen). Erwächst die Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen.
Ebenso wie die Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann eine solche aus sittlichen Gründen nur aus dem Verhältnis zu anderen Personen erwachsen. Eine sittliche Verpflichtung kommt in erster Linie gegenüber nahen Angehörigen in Betracht, soweit nicht ohnehin hinsichtlich dieses Personenkreises eine rechtliche Verpflichtung besteht. Eine allgemeine sittliche Pflicht, Dritten beizustehen, besteht nicht.
Der Unabhängige Finanzsenat räumt ein, dass die Unterstützung der Familie durch den Bw. jedenfalls positiv zu werten und auch aus Sicht der Allgemeinheit begrüßenswert ist. Eine sittliche Zwangsläufigkeit - gegenständlich kämen nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ohnehin nur sittliche Gründe in Betracht - liegt damit aber noch nicht vor. Die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt nämlich voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme eines Aufwandes nicht entziehen kann. Dabei ist nicht das persönliche Pflichtgefühl des Einzelnen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen entscheidend. Es reicht daher nicht aus, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich, wünschenswert bzw. lobenswert ist oder von der Sittenordnung gutgeheißen wird, es muss vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten (vgl. dazu Doralt, EStG11, § 34 Tzen 36 ff; Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2008, Seiten 543 f). Auch wenn verständliche Gründe den Bw. dazu veranlasst haben, eine Ablösezahlung zum Zwecke der (teilweisen) Erlassung der Verpflichtung zur Ableistung des ausländischen Militärdienstes zu leisten und er damit möglicherweise auch den Verlust seines derzeitigen Arbeitsplatzes und eine damit verbundene schlechte wirtschaftliche Situation seiner jungen Familie vermieden hat, fehlt dieser Zahlung das Merkmal der Zwangsläufigkeit. Abgesehen davon, dass sich das diesbezügliche Vorbringen des Bw. in einer bloßen Behauptung erschöpfte, er auch nicht konkret dargelegt hat, dass die in Rede stehende Zahlung unmittelbar zur Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage seiner Familie erforderlich war, war diese Zahlung eindeutig Folge eines freiwilligen Entschlusses des Bw. Dass sich der Bw. dazu subjektiv verpflichtet gefühlt hat, ist unerheblich. Der Bw. hätte sich - objektiv gesehen - der hier strittigen Zahlung durchaus ohne öffentliche Missbilligung entziehen können.
Da die strittigen Kosten weder aus rechtlichen, sittlichen noch tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden sind, kommt ihre Berücksichtigung nach § 34 EStG 1988 nicht in Betracht.
Aus den dargelegten Gründen war die Berufung daher als unbegründet abzuweisen.
Feldkirch, am 10. Dezember 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH, 86/14/0139 |