UFS RV/0306-F/10

UFSRV/0306-F/1015.9.2010

Zufluss von Nachzahlungen im Insolvenzverfahren

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw,Adresse, gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom 18. Mai 2010 betreffend Einkommensteuer 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Am Datum wurde mit Beschluss des Landesgerichtes A, Zl., über das Unternehmen der B, bei der der Berufungswerber (Bw) zum damaligen Zeitpunkt nichtselbständig tätig war, der Konkurs eröffnet.

Das Finanzamt hat am 18. März 2009 einen Einkommensteuerbescheid für 2008 erlassen, in dem die 2008 von der B, die von der IAF-Service GmbH gemeldeten steuerpflichtigen Bezüge (12.447,87 € bzw. 2.124,14 €) sowie (auf Grund der Kontrollrechnung gem. § 3 Abs. 2 EStG 1988) das vom 27.12. bis 31.12.2008 bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von 128,75 € als steuerpflichtige Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erfasst wurden.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2010 hat das Finanzamt sodann mit der Begründung, es sei ein berichtigter oder neuer Lohnzettel übermittelt worden, amtswegig die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt und in dem mit selbem Datum ausgefertigten Einkommensteuerbescheid 2008 zusätzlich zu den ursprünglich erfassten Bezügen von der IAF-Service GmbH für 2008 nachgemeldete Bezüge (Insolvenz-Entgelte) in Höhe von 1.402,02 € als Einnahmen bei den nichtselbständigen Einkünften angesetzt.

In der gegen den Einkommensteuerbescheid fristgerecht erhoben Berufung vertrat der Bw den Standpunkt, die Einkünfte seien nach dem Zuflussprinzip zu versteuern. Am 18.11.2008 sei sein Arbeitgeber, die B, xx, in Konkurs gegangen. Er habe vom Insolvenzfonds im Jahre 2008 insgesamt 2.124,14 € steuerpflichtige Bezüge (KZ 245) ausbezahlt erhalten. Diese seien mit einem früheren Bescheid ordnungsgemäß nachversteuert worden.

Im Verlauf des Jahres 2009 habe er vom Insolvenzfonds 1.402,02 € an steuerpflichtigen Bezügen (KZ 245) erhalten. Er bitte, diese Bezüge im Jahr 2009 zu versteuern, da er bis Sommer 2009 arbeitslos gewesen sei und dann den Zivildienst abgeleistet habe.

Das Finanzamt hat die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Juni 2010 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, gem. § 19 Abs. 1 EStG 1988 würden u.a. Nachzahlungen im Insolvenzverfahren in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch bestehe. Der Anspruch auf die im Jahr 2009 erhaltenen Zahlungen sei im Jahr 2008 (zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung im November 2008) entstanden.

Mit Schreiben vom 12.7.2010 hat der Abgabepflichtige den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. In der Begründung wurde vorgebracht, er sei im Jahr 2009 bis in den Sommer arbeitslos gewesen. Die 2009 ausbezahlten Insolvenzentschädigungen seien Kündigungsentschädigungen für das Jahr 2009 gewesen. Es bedeute für ihn eine unzumutbare Härte, wenn diese Gelder im Jahr 2008 versteuert werden würden. Es liege als Arbeiter eines Unternehmens nicht in seinem Ermessen, zu welchem Zeitpunkt ein Konkursantrag gestellt werde. Die Versteuerung der 2009 zugeflossenen Gelder im Jahr 2008 erhöhe sein Jahreseinkommen 2008 unzulässig. Durch seine Arbeitslosigkeit bis in den Sommer 2009 sei es für ihn notwendig, die im Jahre 2009 vom Insolvenzfonds erhaltenen Bezüge auch im Jahr 2009 zu versteuern.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im gegenständlichen Fall ist strittig, welchem Kalenderjahr (2008 oder 2009) die von der IAF-Service GmbH gemeldeten steuerpflichtigen Bezüge in Höhe von 1.402,02 € steuerlich zuzuordnen und demnach, in welchem Veranlagungsjahr sie der Besteuerung zu unterziehen sind. Der Bw geht davon aus, dass diese erst im Veranlagungsjahr 2009 zu erfassen seien, da es sich um Kündigungsentschädigungen für das Jahr 2009 handle und er diese Bezüge erst 2009 erhalten habe.

Sachverhaltsmäßig ist davon auszugehen, dass am Datum über das Vermögen der ehemaligen Dienstgeberin des Bw (B) der Konkurs eröffnet wurde. Der Bw hat Ansprüche aus der Beendigung seines Dienstverhältnisses im Konkursverfahren der Dienstgeberin angemeldet.

Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben nach § 1 Abs. 1 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) ua. Arbeitnehmer für die nach Abs. 2 gesicherten Ansprüche, wenn u.a. über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet wird. Gesichert sind nach § 1 Abs. 2 IESG aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, und zwar u.a. Entgeltansprüche, insbesondere auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Z 1) und Schadenersatzansprüche (Z 2).

Der Begriff "Entgeltansprüche" ist im arbeitsrechtlichen Sinn zu verstehen; er umfasst alle Leistungen des Arbeitgebers, die dieser dem Arbeitnehmer für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt und umfasst daher auch die als Entgelt aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu qualifizierenden Ansprüche auf Kündigungsentschädigung (OGH 8 ObS 276/99t) und Urlaubsentschädigung (OGH 16.11.1988, 9 ObS 12/88).

Gemäß § 19 Abs. 1 3. Satz EStG 1988 in der seit 1. Jänner 2006 in Geltung stehenden Fassung AbgÄG 2005, BGBl. I 2005/161) gelten Nachzahlungen im Insolvenzverfahren in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht. Die Regelung gilt für Konkurse, die nach dem 31.12.2005 eröffnet wurden (§ 124b Z 130 idF. AbgÄG 2005). Sie stellt eine Ausnahme vom im ersten Satz des § 19 Abs. 1 EStG 1988 bestimmten Grundsatz, dass Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, dar. Bis 31.12.2005 wurden Insolvenz-Ausfallgelder nach der allgemeinen Zuflussregel (§ 19 Abs. 1 erster Satz) erfasst.

Aus den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum AbgÄG 2005 (1187 der Beilagen XXII. GP zu Z 9 und 27 (§§ 19 und 124 b Z 130 EStG 1988) ergibt sich der mit der Gesetzesänderung verfolgte Zweck wie folgt:

"Die Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld erfolgt in vielen Fällen nicht in dem Kalenderjahr, in dem die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers eingetreten ist. Dies führt auf Grund der Progressionswirkung teilweise zu erheblichen Nachzahlungen, wenn die Arbeitnehmer im Folgejahr bei einem neuen Arbeitgeber beschäftigt sind und neben den laufenden Bezügen auch die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren zu versteuern haben, während im Insolvenzjahr nur geringe oder keine steuerpflichtigen Einkünfte vorliegen. Die Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren sollen daher - wie bereits bisher Pensionsnachzahlungen - dem Kalenderjahr zugeordnet werden, in dem der Anspruch entstanden ist (Anmerkung der Referentin: Fettdruck dient der Hervorhebung der Textstelle, im Original nicht hervorgehoben).

Der Anspruch auf Beendigungsansprüche, das sind solche, für deren Entstehen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses maßgebliche Voraussetzung ist, entsteht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu OGH 30.8.2007, 8 ObS 14/07 b mit weiteren Nachweisen). Darunter fallen insbes. die Abfertigung, Urlaubsersatzleistungen (Urlaubsentschädigung bzw. Urlaubsabfindung) sowie der Schadenersatz wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsentschädigung ist ein Schadenersatz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, der dafür zusteht, dass das Arbeitsverhältnis durch Verschulden des Arbeitgebers vorzeitig beendet wurde. Auch im Falle eines berechtigten Austritts kann die Kündigungsentschädigung geltend gemacht werden.

Ist der Gemeinschuldner Arbeitgeber und ist das Arbeitsverhältnis bereits angetreten, so kann es nach § 25 Abs. 1 KO vom Arbeitnehmer durch vorzeitigen Austritt, wobei die Konkurseröffnung als wichtiger Grund gilt, gelöst werden. Wird das Arbeitsverhältnis nach § 25 Abs. 1 KO gelöst, so kann der Arbeitnehmer gemäß § 25 Abs. 2 KO den Ersatz des verursachten Schadens als Konkursforderung verlangen. Tritt ein Arbeitnehmer nach Konkurseröffnung wegen Nichtzahlung des Entgeltes aus, bevor ihn der Masseverwalter noch nach § 25 Abs. 1 Z 1 KO kündigen konnte, ist er nicht anders zu behandeln als bei zulässiger Kündigung durch den Masseverwalter; ihm steht daher bis zur fiktiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses Kündigungsentschädigung, für den Zeitraum danach Schadenersatz nach § 25 Abs. 2 KO zu (vgl. dazu Berufungsentscheidung (BE des UFS, RV/0355-I/08).

Da betagte Forderungen im Konkurs (§ 14 Abs. 2 KO) und im Einklang damit auch der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für solche Forderungen als fällig gelten (§ 3 IESG), wird eine den Zeitraum von drei Monaten übersteigende Kündigungsentschädigung (§ 1162b ABGB) im Konkurs trotz des Umstandes, dass ihre (endgültige) Bezifferung wegen der ungewissen zukünftigen Entwicklung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers noch gar nicht möglich ist (diese ergibt erst, ob und wieviel er sich anrechnen lassen muss), sofort "fällig".

Da der Anspruch auf die strittigen Bezüge (1.402,02 €) bereits mit der Beendigung des Dienstverhältnisses im Jahr 2008 entstanden ist, sind sie, auch wenn die Zahlung an den Bw erst 2009 erfolgt ist, gemäß der Zuflussfiktion des § 19 Abs. 1 Satz 3 EStG 1988 idF AbgÄG 2005 bereits im Berufungsjahr 2008 als steuerpflichtige Einnahmen zu erfassen (vgl. BE des UFS, Außenstelle Innsbruck, RV/0355-I/08).

Soweit der Bw vorbringt, es handle sich bei diesen Bezügen um Kündigungsentschädigungen für 2009 ist zu sagen, dass die in Bescheinigungen bzw. Bescheiden der IAF-Service GmbH ausgewiesenen "Anspruchszeiträume" lediglich der Berechnung der Höhe der bereits zum Zeitpunkt des Austrittes bestehenden Leistungsansprüche dient (vgl. BE des UFS, RV/0355-I/08).

Zum Einwand des Bw, die Besteuerung des 2009 erhaltenen Betrages im Veranlagungsjahr 2008 würde eine unzumutbare Härte darstellen, ist zu sagen, dass der Unabhängige Finanzsenat an im Rechtsbestand befindliche Gesetze gebunden ist. In der Entscheidungsfindung kann nicht darauf Bedacht genommen werden, ob die (mit AbgÄG 2005) gesetzlich angeordnete Zuflussfiktion des § 19 Abs. 1 3. Satz EStG 1988 allenfalls zu einem anderen als dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnis führt. Es liegt auch nicht im Ermessen der Referentin des Unabhängigen Finanzsenates die Zahlung aus den vom Bw angeführten Gründen dem Folgejahr zuzuordnen. Die Beantwortung der Frage, in welchem Veranlagungsjahr eine Nachzahlung im Insolvenzverfahren steuerlich zuzurechnen ist, hängt daher ausschließlich davon ab, in welchem Kalenderjahr der Anspruch auf Insolvenz-Entgelte (welcher Art auch immer) entstanden ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am 15. September 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 19 Abs. 1 Satz 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 124b Z 130 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Abs. 1 IESG, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977
§ 25 Abs. 1 KO, Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 1162b ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811

Schlagworte:

Insolvenz-Entgelte, Zufluss, Besteuerung

Verweise:

OGH, 9ObS12/88
OGH, 8ObS14/07b
UFS, RV/0355-I/08

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