UFS RV/0355-I/08

UFSRV/0355-I/0830.9.2008

Zeitpunkt des Zuflusses von Nachzahlungen im Insolvenzverfahren

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Berufungswerbers, vom 12. Juni 2008 gegen den Bescheid des Finanzamtes, vertreten durch Finanzanwalt, vom 2. Juni 2008 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2006 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber war bei der Arbeitgeberin (seit 17. August 1987) beschäftigt. Am 14. Dezember 2006 wurde über die Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet (Landesgericht Innsbruck, GZ). Der Berufungswerber trat in Folge gemäß § 25 KO zum 22. Dezember 2006 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Bezüge des Berufungswerbers wurden von der Arbeitgeberin bis 31. Oktober 2006, die offenen laufenden Bezüge des Zeitraumes 1. November bis 14. Dezember 2006 sowie die gesamten Beendigungsansprüche (Abfertigung, Ersatzleistung Urlaubsentgelt und Kündigungsentschädigung) von der IAF Service GmbH (Insolvenz-Ausfallgeld aus den Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) abgerechnet und ausbezahlt. Der Berufungswerber meldete seine Ansprüche im Konkursverfahren der Arbeitgeberin als Konkursforderungen an.

In Folge der am 20. Februar 2008 bei der Abgabenbehörde eingelangten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2006 erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2006 (mit Ausfertigungsdatum 2. Juni 2008), in welchem ua. die von der IAF Service GmbH bezogenen Bezüge der Einkommensteuer unterworfen wurden. In der hiergegen fristgerecht erhobenen Berufung vom 12. Juni 2008 begehrte der Berufungswerber die steuerliche Erfassung der von der IAF Service GmbH erhaltenen Insolvenzgelder im Jahr des Anspruchsbestehens und nicht im Jahr des Zuflusses, da die Insolvenz seines Arbeitgebers nach dem 31. Dezember 2005 eröffnet worden wäre. Die Steuerbemessungsgrundlage des Jahres 2006 sei daher um die Kündigungsentschädigung 1.1. bis 30.6.2007 und die Urlaubsersatzleistung zu reduzieren, da der Anspruch für 2007 bestanden hätte.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom 7. Juli 2008 begründete das Finanzamt ua. damit, gemäß § 67 Abs. 10 EStG sind Kündigungsentschädigungen und Ersatzleistungen Urlaubsentgelt in einem Insolvenzverfahren den laufenden Bezügen des Kalendermonates zuzurechnen und gemeinsam nach dem Monatstarif zu versteuern. Da die laufenden Bezüge das Kalenderjahr 2006 betreffen würden, seien diese Bezüge dem Kalenderjahr 2006 zuzurechnen. Die Abrechnung der gesamten Bezüge sei daher im Jahr 2006 zu Recht erfolgt. Der Berufungswerber begehrte mit Schreiben vom 10. Juli 2008 die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, welchem Kalenderjahr die streitgegenständlichen Zahlungen des Insolvenz-Ausfallgeldes (Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistungen) steuerlich zuzurechnen sind. Der Berufungswerber ordnet diese dem Jahr 2007 zu, da diese Zahlungen Kündigungsentschädigungen für den Zeitraum 1. Jänner bis 30. Juni 2007 und Urlaubsersatzleistungen 2007 betreffen würden; das Finanzamt hingegen unterwirft die Zahlungen der Einkommensteuer 2006, da Kündigungsentschädigungen und Ersatzleistungen Urlaubsentgelt in einem Insolvenzverfahren den laufenden Bezügen des Kalendermonates zuzurechnen und gemeinsam nach dem Monatstarif zu versteuern seien.

Gemäß § 19 Abs. 1 EStG idF AbgÄG 2005, BGBl. I 2005/161 ab 1. Jänner 2006, sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird, sowie Nachzahlungen im Insolvenzverfahren gelten in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht.

Für Nachzahlungen des Insolvenz-Ausfallgeldes besteht sohin die Sonderregelung, dass diese nicht im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, sondern in dem Zeitpunkt, für den der Anspruch besteht, als Einkünfte zu erfassen sind. Die Zurechnung dieser Nachzahlungen zu dem Jahr, für das der Anspruch besteht, gilt für Konkurse, die nach dem 31. Dezember 2005 eröffnet wurden (§ 124b Z 130 EStG idF AbgÄG 2005; Jakom/Baldauf, EStG § 19 Rz. 4, 26; Doralt, EStG10 (1.1.2006), § 19 Tz. 30/1ff).

Nachdem im vorliegenden Fall die Konkurseröffnung zum 14. Dezember 2006 vorgenommen wurde, ist somit entscheidungswesentlich, in welchem Jahr der Anspruch des Berufungswerbers gegenüber der IAF-Service GmbH (Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) begründet wurde.

Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben nach § 1 Abs.1 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) ua. Arbeitnehmer für die nach Abs. 2 gesicherten Ansprüche, wenn ua. über das Vermögen des Arbeitgebers im Inland der Konkurs eröffnet wird. Gesichert sind nach § 1 Abs. 2 IESG aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, und zwar ua. Entgeltansprüche, insbesondere auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Z. 1) und Schadenersatzansprüche (Z. 2).

Der Begriff "Entgeltansprüche" ist im arbeitsrechtlichen Sinn zu verstehen; er umfasst alle Leistungen des Arbeitgebers, die dieser dem Arbeitnehmer für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft gewährt und daher auch die als Entgelt aus der Beendigung des Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden Ansprüche auf Kündigungsentschädigung (OGH 8 ObS 276/99 t RdW 2000/401, 434) und Urlaubsentschädigung (OGH 16.11.1988 SZ 61/244). Insolvenz-Ausfallgeld gebührt nach § 3a Abs. 2 IESG im Fall der Eröffnung des Konkurses für Ansprüche auf laufendes Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen ua. bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn es ua. nach § 25 Konkursordnung (KO) gelöst wird. Nach § 3 Abs. 1 IESG gelten betagte Forderungen als fällig.

Ist der Gemeinschuldner Arbeitgeber und ist das Arbeitsverhältnis bereits angetreten, so kann es nach § 25 Abs. 1 KO vom Arbeitnehmer durch vorzeitigen Austritt, wobei die Konkurseröffnung als wichtiger Grund gilt, gelöst werden. Wird das Arbeitsverhältnis nach § 25 Abs. 1 KO gelöst, so kann der Arbeitnehmer gemäß § 25 Abs. 2 KO den Ersatz des verursachten Schadens als Konkursforderung verlangen. Tritt ein Arbeitnehmer nach Konkurseröffnung wegen Nichtzahlung des Entgeltes aus, bevor ihn der Masseverwalter noch nach § 25 Abs. 1 Z 1 KO kündigen konnte, ist er nicht anders zu behandeln als bei zulässiger Kündigung durch den Masseverwalter; ihm steht daher bis zur fiktiven Beendigung des Arbeitsverhältnisses Kündigungsentschädigung, für den Zeitraum danach Schadenersatz nach § 25 Abs. 2 KO zu (siehe ua. OGH 26.3.1997, 9 ObA 2276/96p; OGH 13.1.1998, 8 ObS 294/97m; OGH 18.5.1998, 8 ObS 3/98v; OGH 11.2.1999, 8 ObS 222/98z; OGH 24.6.1999, 8 ObA 298/98a).

§ 29 Angestelltengesetz (AngG) ist auch für den Fall eines gerechtfertigten Austritts nach § 25 KO anzuwenden (OGH 29.4.1980 Arb 9871; OGH 29.9.1981 EvBL 1982/8, OGH 17.11.1987 RdW 1988, 137). Nach § 29 Abs. 2 AngG kann ein Angestellter bei einem unverschuldeten vorzeitigen Austritt, unbeschadet eines weitergehenden Schadenersatzes, die ihm nach § 29 Abs. 1 AngG zustehenden vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragzeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen, soweit der Zeitraum nach Abs. 1 nicht drei Monate übersteigt, ohne Abzug sofort, den Rest zur vereinbarten oder gesetzlichen (§ 15 AngG) Zeit fordern. Da betagte Forderungen im Konkurs (§ 14 Abs. 2 KO) und im Einklang damit auch der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld für solche Forderungen als fällig gelten (§ 3 IESG), wird eine den Zeitraum von drei Monaten übersteigende Kündigungsentschädigung (§ 1162b ABGB; § 29 Abs. 2 AngG) im Konkurs trotz des Umstandes, dass ihre (endgültige) Bezifferung wegen der ungewissen zukünftigen Entwicklung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers noch gar nicht möglich ist (diese ergibt erst, ob und wieviel er sich anrechnen lassen muss), sofort "fällig" (OGH 25.1.1989, 9 ObS 15/88).

Bei einem berechtigten vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO besteht in Verbindung mit § 9 Urlaubsgesetz (UrlG) ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung. Entsteht während der fiktiven Kündigungsfrist ein neuer Urlaubsanspruch, so ist dieser bei der Berechnung der Ersatzansprüche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (OGH 17.11.1987 RdW 1988, 137).

Beendigungsansprüche entstehen mit (arbeitsrechtlichem) Ende des Dienstverhältnisses. Dieses ist maßgeblich für die Zuordnung von Urlaubsersatzleistungen, Abfertigungen und Kündigungsentschädigungen (Exl in SWK, Insolvenz und Steuern, 4. VI B. Lohnsteuerliche Fragen in der Insolvenz, Seite 87).

Aus obigen rechtlichen Ausführungen ergibt sich somit, dass der Anspruch des Berufungswerbers auf Insolvenz-Ausfallgeld-Zahlungen der IAF-Service GmbH (aus Mitteln des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds) zum Zeitpunkt seiner Austrittserklärung und somit bei Beendigung des Dienstverhältnisses bei der Arbeitgeberin zum 22. Dezember 2006 begründet wurde. Dem Berufungswerber kam somit ab diesem Zeitpunkt sein Recht auf Zahlung von Kündigungsentschädigungen sowie der hiermit verbundenen Urlaubsentschädigungen für den Zeitraum vom 23. Dezember 2006 bis 30. Juni 2007 (§ 20 Abs. 2 AngG) zu. Da gemäß § 19 Abs. 1 EStG Nachzahlungen im Insolvenzverfahren im Kalenderjahr des Anspruches als zugeflossen gelten, wurden vom Finanzamt im bekämpften Bescheid obige Zahlungen zu Recht dem Jahr der Anspruchsbegründung, sohin dem Jahr 2006 zugerechnet und in diesem Jahr der Einkommensteuer unterworfen .

Die Einwendungen des Berufungswerbers, die strittigen Zahlungen würden Zeiträume nach dem 31. Dezember 2006 betreffen und seien somit dem Kalenderjahr 2007 zuzurechnen, kann daher der Berufung zu keinem Erfolg verhelfen, dienen die in den vorgelegten Bescheiden der IAF-Service GmbH vom 25. Mai und 23. Juli 2007 ausgewiesenen "Anspruchszeiträume" doch lediglich der Berechnung der Höhe der bereits seit dem Zeitpunkt des Austrittes bestehenden Leistungsansprüche des Abgabepflichtigen. Wie oben dargelegt stellt der Zeitpunkt des Einnahmenzuflusses nach § 19 Abs. 1 EStG nicht auf den zu ersetzenden Anspruchsgrund und -zeitraum (Kündigungsfrist), sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anspruchsbegründung (Beendigung des Dienstverhältnisses) ab.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 30. September 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 19 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 IESG, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977

Schlagworte:

Zufluss, Anspruch, Insolvenz, Konkurs, Nachzahlung, Insolvenzverfahren, Kalenderjahr, bezogen, Bezug, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung

Stichworte