Aufwendungen für Fahrten zur Heilbehandlung sind mit dem Kfz-Freibetrag für Körperbehinderte nicht abgegolten
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0094 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. 23.1.2013 als unbegründet abgewiesen.
Anmerkungen:
Abweichend LStR 2002, Rz'en 848 u. 851
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., Adr.1, vom 15. Oktober 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom 19. September 2007 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 entschieden:
Der mit Niederschrift vom 19. Februar 2009 betragsmäßig eingeschränkten bzw. abgeänderten Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
In seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2006 gab der Berufungswerber (Bw.) u.a. bekannt, dass auf Grund eines durchgeführten medizinischen Beweisverfahrens vom Bundessozialamt, Landesstelle Kärnten, ab 17. September 2003, zufolge seiner Gesundheitsschädigungen der Grad der Behinderung (GdB) mit einem Gesamtausmaß von 80 % bescheidmäßig festgesetzt worden war. Aktenkundig sei auch die Tatsache, dass der vom Landesinvalidenamt für Kärnten auf den Namen des Bw. am 19. Jänner 1993 mit der Ausweisnummer 123 ausgestellte Behindertenpass am 24. März 2004 vom ursprünglichen 70%igen GdB auf 80 v.H. abgeändert bzw. berichtigt worden war. Ebenso zeige sich, dass der Bw. über einen Parkausweis für Behinderte (Ausweis Nr.: 456) verfüge und dass er im Kalenderjahr 2006 als gehbehinderte Person zur Fortbewegung sein eigenes Kraftfahrzeug benützt habe. Aus dem Titel seiner Behinderungen begehrte der Bw. den Behindertenfreibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 für den GdB von 80 %, den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung (Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit), den pauschalen Freibetrag für ein Kraftfahrzeug wegen (Geh-)Behinderung und weiters nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung im Ausmaß getätigter Aufwendungen für Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien sowie Fahrtkosten in diesem Zusammenhang (KZ 476: € 2.148,54) als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
In einer Beilage zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Kalenderjahr 2006 schlüsselte der Bw. den unter der KZ 476 als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwandsbetrag in Höhe von € 2.148,54 in einer 36 Positionen umfassende Aufstellung detailliert auf, wobei sich der diesbezüglich geltend gemachte Gesamtbetrag aus Fahrtkosten von € 1.367,06, Honorarkosten von € 387,00, Arzneimittelkosten und Rezeptgebühren von € 31,75, Behandlungsbeitragskosten (BVA) und Aufenthaltskostenbeiträge von € 297,78 sowie Selbstbehaltskosten von € 64,95 zusammensetze.
Mit Veranlagungsbescheid vom 19. September 2007 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer des Kalenderjahres 2006 abweichend von der Erklärung des Bw. fest. Das Finanzamt anerkannte im Zuge der Berechnung der Einkommensteuer den vom Bw. unter dem Titel Heilbehandlung geltend gemachten Aufwandsbetrag für Fahrtkosten in Höhe von € 1.367,06 nicht als außergewöhnliche Belastung an.
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2007 erhob der Bw. fristgerecht gegen den Einkommensteuerbescheid für 2006 Berufung. Begründend wies der Bw. darin darauf hin, dass vom Finanzamt als Grund für die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von € 1.367,06 aus dem Titel der Heilbehandlung ein Verweis auf die Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 2002, Punkt 12.5.2.4, Gehbehinderung, RZ 847, angegeben worden sei, und demnach für Körperbehinderte die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen würden eine pauschale Abgeltung der Fahrtkosten sowie die Abgeltung von Mehraufwendungen für Behindertenvorrichtungen (mtl. Freibetrag von € 153,00) vorgesehen sei. Dagegen wendete der Bw. jedoch ein, dass die von ihm geltend gemachten Fahrtkosten als zusätzliche Kosten im Zusammenhang von Heilbehandlungen gesehen werden müssten, welche ihm bei ambulanten Behandlungen und Therapien bei Ärzten, Krankenhäusern, Orthopäden und bei der Beschaffung von Heilmitteln und Medikamenten erwachsen seien. Er stelle daher den Antrag die in Rede stehenden Fahrtkosten in Höhe von € 1.367,06 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Soferne eine positive Erledigung seines Begehrens von der ersten Instanz nicht möglich erscheine, ersuche er die gegenständliche Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat vorzulegen.
Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom 5. November 2007 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte darin aus, dass im anerkannten Pauschbetrag von € 1.836,00 (= € 153,00 x 12 für Kfz-Nutzung wegen Gehbehinderung) auch der geltend gemachte Aufwandsbetrag für Fahrtkosten für Heilbehandlungen von € 1.367,06 enthalten sei und demnach nicht gesondert zu berücksichtigen wäre. Der monatliche Pauschbetrag von € 153,00 für das eigene Kfz würde nämlich sämtliche Mehraufwendungen, die durch die Benützung dieses Kfz entstehen abdecken. Die Berücksichtigung tatsächlicher Kfz-Aufwendungen sei daher nicht möglich. Auch hielt das Finanzamt dem Bw. wiederholt vor, dass wie aus den LStR 2002 (siehe RZ 848 und 851 laut Beilage zur BVE) hervorgehe, im Falle der Inanspruchnahme des Freibetrages von € 153,00 monatlich keine zusätzlichen Kfz-Fahrtkosten geltend gemacht werden könnten. Der Pauschbetrag von € 153,00 monatlich sei unter Einbeziehung der Kfz-Kosten, die bei Fahrten mit dem Kfz in Zusammenhang mit der Heilbehandlung entstehen würden, ermittelt worden. Würde man den Standpunkt des Bw. folgen, so würde dies zu einer Doppelberücksichtigung von Kfz-Mehrkosten führen.
Mit Schreiben vom 26. November 2007 begehrte der Bw. die Vorlage der gegenständlichen Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat.
Im Vorlagebericht vom 8. Februar 2008 an den Unabhängigen Finanzsenat stellte das Finanzamt den Antrag, das Berufungsbegehren des Bw. als unbegründet abzuweisen und verwies dabei ergänzend auf die getätigten Abweisungsgründe laut der Berufungsvorentscheidung vom 5. November 2007.
Im Rahmen des am 19. Februar 2009 beim Unabhängigen Finanzsenat abgeführten Erörterungsgespräches vermochte der Bw. durch Vorlage geeigneter Unterlagen glaubhaft darzulegen, dass mit Ausnahme der Fahrt laut Position 36 alle anderen Fahrten laut der vorgelegten Auflistung mit Maßnahmen einer Heilbehandlung (zB. Arztbesuche, Spitalsaufenthalte, Therapien) im Zusammenhang gestanden seien. Auf Grund dieser Feststellung schränkte der Bw. sein Berufungsbegehren bezüglich der in Rede stehenden Fahrtkosten auch auf den Betrag von € 1.358,34 ein. Einvernehmlich konnte niederschriftlich folglich auch festgehalten werden, dass eine weitere Beweisaufnahme durch die Verfahrensparteien zum besprochenen Streitpunkt nicht erforderlich sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Im vorliegenden Fall geht es um Klärung der Fragen, ob dem dauernd gehbehinderten Bw., der zur Fortbewegung auf sein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen war, zufolge der Zuerkennung des pauschalen Freibetrages nach § 3 Abs. 1 der Verordnung (VO) des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996, idF BGBl. II Nr. 91/1998 und BGBl. II Nr. 416/2001), bereits alle behinderungsbedingten Mehraufwendungen für Fahrten mit diesem Kraftfahrzeug als steuerlich abgegolten anzusehen sind und folglich die vom Bw. geltend gemachten Kfz-Fahrtkosten (€ 1.385,34), welche diesem nachweislich im Zusammenhang mit Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne der Regelung des § 4 der VO erwachsen waren, wie das Finanzamt vermeint, nicht als zusätzliche außergewöhnliche Belastungen des Streitjahres 2006 zu werten sind.
Auf Grund der Inhalte des vorgelegten Verwaltungsaktes wird zum Streitbegehren nachstehender Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
- Evident ist, dass dem Bw. vom Bundessozialamt, Landesstelle Kärnten, mit Bescheid vom 15. Jänner 2004, Zahl: 000, ab 17. September 2003, zufolge seiner Gesundheitsschädigungen ein Grad der Behinderung mit einem Gesamtausmaß von 80 v.H. bescheinigt worden ist. Aus dem ärztlichen Begutachtungsverfahren (Beiblatt) geht u.a. auch hervor, dass der Bw. dauernd gehbehindert (Gesundheitsschädigung lt. lfd. Nr. 2) ist.
- Für den Bw. wurde vom Landesinvalidenamt für Kärnten am 19. Jänner 1993 (Ausweisnummer: 123) ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. und den amtlichen Vermerken: "Der Inhaber des Passes besitzt einen Ausweis nach § 29 b der Straßenverkehrsordnung", "Der Inhaber des Passes ist gehbehindert" und "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar" ausgestellt. Im Behindertenpass wurde mit Vermerk vom 24. März 2004 der Grad der Behinderung auf 80 v.H. berichtigt.
- Der Bw. verfügt über einen "Parkausweis für Behinderte" mit der Ausweis Nr.: 456.
- Der Bw. benutzte im Kalenderjahr 2006 zur Fortbewegung sein eigenes Kraftfahrzeug (unbestrittene Angabe des Bw.).
- Fest steht, dass der Bw. im Kalenderjahr 2006 die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung eines Freibetrages nach § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996, idF BGBl. II Nr. 91/1998 und BGBl. II Nr. 416/2001) erfüllte und vom Finanzamt folgerichtig den entsprechenden Freibetrag im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung berücksichtigt bekam.
- Unstrittig ist auch die Tatsachenfeststellung, dass die vom Bw. geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von € 1.385,34 des Kalenderjahres 2006 nachweislich ihren Veranlassungszusammenhang bzw. ihre Wurzel in der Durch- und Abführung von Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. Nr. 303/1996, idF BGBl. II Nr. 91/1998 und BGBl. II Nr. 416/2001) haben (siehe Niederschrift über das Erörterungsgespräch vor dem Unabhängigen Finanzsenat vom 19. Februar 2009).
Zur rechtlichen Beurteilung einer "außergewöhnlichen Belastung" sind nachstehende gesetzliche Bestimmungen maßgebend:
Nach § 34 Abs. 1, erster Satz, EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
§ 34 Abs. 6 leg. cit. lautet:
"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Aufwendungen zur ...
- Kosten einer ...
- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
§ 35 EStG 1988 in der ab 1. Jänner 2005 geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 180/2004) lautet:
"§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3) oder
- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für eine Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(3) Es wird jährlich gewährt
bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von | ein Freibetrag von Euro |
25% bis 34% | 75 |
35% bis 44% | 99 |
45% bis 54% | 243 |
55% bis 64% | 294 |
65% bis 74% | 363 |
75% bis 84% | 435 |
85% bis 94% | 507 |
ab 95% | 726 |
(4) Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach Abs. 3, dann ist
dieser Freibetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Freibetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.
(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
(6) Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn von zwei oder mehreren Arbeitgebern, steht der Freibetrag nur einmal zu.
(7) Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen."
Die auf die §§ 34 und 35 EStG 1988 gestützte Verordnung (VO) des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996, idF BGBl. II Nr. 91/1998 und BGBl. II Nr. 416/2001, ordnet - auszugsweise - Folgendes an:
"§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen - durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, - bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des
(Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) oder
- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
§ 2 (1) Als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis ...
§ 3 (1) Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, dass ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 153 Euro [2.100 S] monatlich zu berücksichtigen. Die Körperbehinderung ist durch eine Bescheinigung gemäß § 29 b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 Abs. 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 nachzuweisen.
(2) Bei einem Gehbehinderten mit einer mindestens 50%igen Erwerbsminderung, der über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt, sind die Aufwendungen für Taxifahrten bis zu einem Betrag von monatlich 153 Euro [2.100 S] zu berücksichtigen.
§ 4. (idF BGBl. II Nr. 91/1998) Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. "
Der Verordnungsgeber hat in § 1 der VO ausdrücklich die Anspruchsanordnung dafür getroffen, dass zur Abgeltung von außergewöhnlichen Belastungen, die durch eine eigene Körperbehinderung (einschließlich geistiger Behinderung) oder durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners oder Kindes entstehen, die in den §§ 2 bis 4 dieser VO genannten Mehraufwendungen als Steuerfreibeträge zu berücksichtigen sind. Grundgedanke dieser Vorschrift ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates, dass Aufwendungen der Lebensführung, die ihrer Art und Höhe nach für körperbehinderte Personen atypisch sind und denen sich der Steuerpflichtige nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 2 EStG 1988), die persönliche Leistungsfähigkeit mindern und daher steuerlich berücksichtigt werden müssen. Und ebenso hat der Verordnungsgeber in den in Rede stehenden §§ 3 Abs. 1 und 4 der VO (VO-Text in Fettdruck hervorgehoben) zwei von einander getrennt zu behandelnde "Sonderbestimmungen mit Regelungsinhalten" geschaffen, die jeweils für sich betrachtet besondere Tatbestände und Begünstigungen als außergewöhnliche Belastung definieren, um eben notwendige und angemessene Mehraufwendungen (§ 34 Abs. 2 EStG 1988) von körperbehinderten Personen steuerlich berücksichtigen zu können, die nicht auf die typischen Kosten der allgemeinen Lebensführung entfallen. Auch liegt es im alleinigen Ermessen des Verordnungsgebers steuerliche Begünstigungen (angemessene Freibeträge unter Beachtung des § 34 Abs. 2 EStG 1988) für körperbehinderte Personen, wie auch in der gegenständlichen VO geschehen, entsprechend behinderungsbedingter Mehraufwendungen nach den Erfahrungen der Praxis (§ 35 Abs. 7 EStG 1988) variantenreich zu gestalten und auch nebeneinander einzusetzen.
In dem der Verordnungsgeber für die Zuerkennung von Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung in Form einer außergewöhnlichen Belastung bestimmte Sachverhalte, Tatbestände und Freibeträge (Begünstigungen) für rechtserheblich erklärte ist für eine Auslegung des Verordnungswortlautes in wirtschaftlicher Betrachtungsweise, wie vom Finanzamt ins Treffen geführt, kein Spielraum gegeben.
Der vom Bw. getätigte Berufungseinwand, dass der monatliche Pauschbetrag von € 153,00 seiner gesetzlichen Zweckwidmung nach nicht die Funktion habe, die Kosten der mit einer Körperbehinderung verbundenen Heilbehandlungskosten (inklusive Fahrtkosten) abzudecken, ist berechtigt und wird auch vom Unabhängigen Finanzsenat geteilt. Dies auch deshalb, da weder die auf das Streitbegehren anzuwendenden Norminhalte der §§ 34 und 35 EStG 1988 noch die zitierten und in Rede stehenden Verordnungsinhalte (VO-Text in Fettdruck hervorgehoben) selbst eine (einschränkende) An- bzw. Bemerkung darüber enthalten, dass im Falle der Zuerkennung eines Freibetrages nach § 3 Abs. 1 der VO (mtl. € 153,00) allfällige tatsächlich nachgewiesene Fahrtkosten im Zusammenhang einer Heilbehandlung iSd § 4 der VO bereits zur Gänze als abgegolten anzusehen oder etwa vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen wären.
Bei gesetzes- und verfassungskonformen Verständnis der VO kann der Regelungsinhalt nach § 3 Abs. 1 der VO vielmehr nur so verstanden werden, dass durch den Pauschbetrag von monatlich € 153,00 einem Steuerpflichtigen, der wegen seiner Körperbehinderung zur Fortbewegung auf sein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, jener angemessene (geschätzte) Mehraufwand (§ 34 Abs. 2 EStG 1988) als außergewöhnliche Belastung abgegolten werden solle, der ihm durch die nicht berufliche Mehrbenützung - also sämtliche Privatfahrten - des Pkws gegenüber gesunden Abgabepflichtigen entsteht. Demzufolge ist die Zuerkennung des Pauschbetrages nach § 3 Abs. 1 der VO auch nicht vom tatsächlichen Nachweis eines Kraftfahrzeug(mehr)aufwandes resultierend aus "krankheitsbedingten Privatfahrleistungen" abhängig und auch nicht an den Nachweis eines tatsächlichen Mehraufwandes für besondere Behindertenvorrichtungen des Pkws gebunden.
Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Rechtsüberlegungen zu den §§ 1 und 3 Abs. 1 der VO ist dem Bw. daher beizustimmen, wenn er sinngemäß die Ansicht vertritt, dass die in Rede stehenden Fahrtaufwendungen (€ 1.358,34) im Zusammenhang mit Heilbehandlungsmaßnahmen den Tatbestand des § 4 der VO sehr wohl erfüllen und im nachgewiesenen behinderungsbedingten Ausmaß als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind. Zweifelsohne erwachsen auch bei erheblich gehbehinderten Personen, die sich sowohl krankheits- als auch behinderungsbedingt einer "Heilbehandlung iSd § 4 der VO" unterziehen müssen durch den kausalen Zusammenhang dieser erforderlichen (notwendigen) Fahrten nicht regelmäßig anfallende Mehraufwendungen. Überdies würde es nach Meinung des Unabhängigen Finanzsenates auch eine unsachliche Differenzierung mit der Folge einer klaren Benachteiligung darstellen, einer gehbehinderten Person, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benötigt, zumal dieser ja die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist, einen nachgewiesenen und nicht regelmäßigen anfallenden Mehraufwand (Fahrtkostenaufwand) im Zusammenhang einer Heilbehandlung zu versagen, hingegen einer nicht gehbehinderten Person einen derartigen und ebenso nicht regelmäßigen anfallenden Mehraufwand (Fahrtkostenaufwand zufolge Benützung des eigenen Pkws) jedoch als außergewöhnliche Belastung iSd § 4 der VO zu gewähren.
In Anbetracht der vorstehend angeführten Überlegungen vermag der Unabhängige Finanzsenat die Argumentationslinie und Rechtsauffassung des Finanzamtes, die sich auch an den diesbezüglichen Ausführungen in den LStR 2002, Rz'en 848 und 851 orientieren mag, dass mit der Gewährung des Pauschbetrages von € 1.836,00 (= € 153 x 12 gemäß § 3 Abs. 1 der VO) auch der in Streit stehende Aufwandsbetrag für Fahrtkosten (€ 1.358,34) im Zusammenhang mit Heilbehandlungen nach § 4 der VO als außergewöhnliche Belastung abgegolten sei, nicht zu teilen.
Auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage ergibt sich für den Unabhängigen Finanzsenat, dass dem Bw. die behinderungsbedingt nachweislich im Zusammenhang mit Heilbehandlungsmaßnahmen erwachsenen und geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von € 1.358,34 gemäß § 4 der VO als außergewöhnliche Belastung - ohne Abzug eines Selbstbehaltes - zu berücksichtigen sind.
Aus den dargelegten rechtlichen Schlussfolgerungen war der Berufung Folge zu geben, wobei das Ergebnis der Neuberechnung der Einkommensteuer 2006 dem beigeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen ist.
Es war daher, wie im Spruch ausgeführt, zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Klagenfurt, am 20. März 2009
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Körperbehinderung, Gehbehinderung, Kraftfahrzeug, Kfz-Aufwendungen, Fahrtkosten, Heilbehandlung, Heilbehandlungsmaßnahmen |