Ein nach Abschluss des Verfahrens erstelltes Sachverständigengutachten ist kein neu hervorgekommenes Beweismittel
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/13/0062 eingebracht. Mit Erk. v. 20.10.2009 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Johann Juster, 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom 5. Juni 2007 betreffend Abweisung von Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 1 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt mit Bescheid vom 22. März 2005 einen Antrag der Berufungswerberin (Bw). auf Gewährung von (erhöhter) Familienbeihilfe abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Ferner hat der unabhängige Finanzsenat eine Berufung der Bw. gegen einen weiteren Bescheid des Finanzamtes mit Berufungsentscheidung vom 30. Juni 2006 als unbegründet abgewiesen. Der steuerliche Vertreter brachte dagegen eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein, über die bis dato noch nicht entschieden ist.
Nunmehr stellte der steuerliche Vertreter am 21. Mai 2007 Anträge auf Wiederaufnahme dieser Verfahren und begründete diese wie folgt:
"Für die 1986 geborene Wiederaufnahmswerberin A.B. wurde, wie dem Finanzamt bereits bekannt und wie auch aktenkundig ist, DSA S. zur Sachwalterin bestellt. Der von der genannten Sachwalterin zu besorgende Kreis von Angelegenheiten umfasst unter anderem die Vertretung der Wiederaufnahmswerberin vor Ämtern, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie finanzielle Angelegenheiten der Wiederaufnahmswerberin. Die vorgenannte Sachwalterin wiederum hat Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, mit der Einbringung des vorliegenden Wiederaufnahmsantrags sowie der Vertretung der Betroffenen im daran anschließenden Verfahren beauftragt und dazu auch bevollmächtigt. Der genannte Anwalt beruft sich nach § 8 Abs. 1 Rechtsanwaltsordnung auf die ihm erteilte Vollmacht.
Die genannte Wiederaufnahmswerberin beantragt mit dem vorliegenden Wiederaufnahmsantrag die Wiederaufnahme des mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom 30.6.2006, GZ RV/0693-W/06, abgeschlossenen Verfahrens betreffend Familienbeihilfe. Dazu wird von der Wiederaufnahmswerberin folgendes vorgebracht und geltend gemacht.
Nach § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens unter anderem stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Nach § 303 Abs. 2 BAO ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von 3 Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Der vorliegende Antrag ist somit beim Finanzamt Waldviertel in Zwettl einzubringen, nachdem dieses Finanzamt im abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Dem abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme mit dem vorliegenden Antrag begehrt wird, lag ein für die Wiederaufnahmswerberin gestellter Antrag deren Sachwalterin vom 11.1.2006 zugrunde, welcher Antrag am 12.1.2006 beim Finanzamt Waldviertel in Zwettl eingelangt ist. Das dortige Ansuchen der Wiederaufnahmswerberin wurde allerdings mit Bescheid des Finanzamts Waldviertel vom 14.3.2006 abgewiesen. Gegen diesen abweisenden Bescheid des Finanzamts Waldviertel hat die Wiederaufnahmswerberin, vertreten durch ihre Sachwalterin, fristgerecht Berufung erhoben. Über diese Berufung wurde mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom 30.6.2006, GZ RV/0693-W/06, dahingehend entschieden, dass die Berufung als unbegründet abgewiesen wurde und der Unabhängige Finanzsenat den bei ihm angefochtenen Bescheid des Finanzamts erster Instanz bestätigt hat. Es wurde ausgesprochen, dass der angefochtene Bescheid unverändert bleibe.
Die vorgenannte Berufungsentscheidung wurde zwar von der Wiederaufnahmswerberin fristgerecht mit Beschwerde nach Artikel 131 Abs. 1 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft und wurde die diesbezügliche Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof zu Zahl 2006/15/0309 protokolliert, dies ändert allerdings nichts daran, dass das Verfahren, dessen Wiederaufnahme die Wiederaufnahmswerberin mit dem vorliegenden Antrag begehrt, im Sinn des § 303 Abs. 1 BAO als abgeschlossen gilt. Eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde stellt nämlich kein ordentliches Rechtsmittel im Sinn des § 303 Abs. 1 BAO dar. Der Wiederaufnahmsantrag ist somit zulässig. Lediglich der Vollständigkeit halber und zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass die vorgenannte von der Wiederaufnahmswerberin gegen die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof natürlich voll inhaltlich aufrecht gehalten wird.
Angaben nach § 303 a Abs. 1 BAO:
1. Die Wiederaufnahmswerberin hat das Verfahren, dessen Wiederaufnahme mit dem vorliegenden Antrag begehrt wird, bereits genau bezeichnet.
2. Geltend gemacht wird der Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit. b BAO. Dazu wird folgendes ausgeführt.
Nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) haben auch Personen, welche bereits volljährig sind, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie. wegen einer voll Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu schaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden. Für jedes erheblich behinderte Kind erhöht sich die Familienbeihilfe, Ein Kind gilt dann als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als 3 Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 von 100 betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Wie der Begründung der vorgenannten Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom 30.6.2006 entnommen werden kann, stützt sich die vorgenannte Entscheidung im wesentlichen auf zwei Gutachten, zum einen auf das vom 14.1.2005 und zum anderen auf das vom 7.3.2006, wobei in beiden Fällen zwar ein Behinderungsgrad von 50 von 100 für die voraussichtliche Dauer von mehr als 3 Jahren festgestellt, allerdings hätten beide Gutachten ergeben, dass die Betroffene voraussichtlich nicht dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Als wesentliche Feststellung wurde somit offensichtlich von der Berufungsbehörde zugrunde gelegt, dass die Betroffene nicht voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Berufungsbehörde hat offensichtlich deshalb den bei ihr bekämpften Bescheid des Finanzamts Waldviertel bestätigt.
Die Wiederaufnahmswerberin bringt allerdings nunmehr das im Prozess zwischen der Wiederaufnahmswerberin als klagende Partei einerseits und der PVA als beklagte Partei andererseits wegen Invaliditätspension erstattete neurologisch-psychiatrische Gutachten des dortigen SV Dr. C. ON 7 vom 20.3.2007 in Fotokopie in Vorlage. Aus diesem Gutachten ergibt sich allerdings folgendes Relevantes:
Wegen der Intelligenzminderung mit der im Gutachten beschriebenen hohen Neigung zur Unselbstständigkeit und Unverlässlichkeit sei bei jeder Tätigkeit der Wiederaufnahmswerberin ein besonderes Entgegenkommen eines potentiellen Arbeitgebers notwendig. Es sei nicht vorstellbar, dass die Wiederaufnahmswerberin am freien Arbeitsmarkt tätig sei. Dieser Zustand sei allerdings nie anders gewesen. Er sei ins Erwerbsleben eingebracht. Mit einer wesentlichen Änderung in gegenständlicher Hinsicht sei nicht zu rechnen. Das alles ergibt sich aus dem bereits zitierten Gutachten des SV Dr. C..
Daraus allerdings wiederum ergibt sich eindeutig, dass die Wiederaufnahmswerberin bereits von Anbeginn an jedenfalls aufgrund eines Umstands bzw. einer geistigen Behinderung, die bei ihr bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahrs eingetreten war, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Schon allein deshalb hat allerdings die Wiederaufnahmswerberin nicht nur Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe, sondern auch der erhöhten Familienbeihilfe, dies nicht zuletzt auch deshalb, da, wie sich bereits aus den der Berufungsbehörde vorliegenden Gutachten ergibt, dass bei ihr eine Behinderung von 50 von 100 vorliegt.
Es gibt somit ein Beweismittel, welches im Vergleich zu dem abgeschlossenen Verfahren, dessen Wiederaufnahme mit dem vorliegenden Antrag begehrt wird, neu hervorgekommen ist und welches im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Wiederaufnahmswerberin nicht geltend gemacht werden konnte. Die Wiederaufnahmswerberin hatte überhaupt keine Gelegenheit, dieses Gutachten im Verfahren, welches wiederaufgenommen werden soll, zu verwenden, da dieses Gutachten das Datum 20.3.2007 trägt und erst am 30.4.2007 bei der Geschäftsführung des Sachwaltervereins eingelangt ist, wie dem auf dem Gutachten angebrachten Eingangsstempel zu entnehmen ist. Dieses Beweismittel ist allerdings geeignet und zwar aus den bereits dargestellten Gründen, einen im Spruch anders lautenden Bescheid, als den der im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangen ist, herbeizuführen. Wie bereits dargestellt, ergibt sich nämlich aus dem Gutachten des SV Dr. C. ON 7 vom 20.3.2007, dass die Wiederaufnahmswerberin aufgrund einer geistigen Behinderung, die bei ihr auch bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahrs eingetreten ist, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Schon allein deshalb, allerdings auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass im Verfahren, welches wiederaufgenommen werden soll, festgestellt wurde, dass die Behinderung 50 von 100 beträgt, hat die Wiederaufnahmswerberin nicht nur Anspruch auf Familienbeihilfe, sondern auch auf erhöhte Familienbeihilfe und zwar jedenfalls für den gesamten Zeitraum, über den im Verfahren, welches wiederaufgenommen werden soll, abgesprochen wurde. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Wiederaufnahme berechtigt und auch vorzunehmen.
3. Wie bereits dargestellt, trifft die Partei, nämlich die Wiederaufnahmswerberin, überhaupt kein Verschulden, dass das vorgenannte Beweismittel nicht bereits im abgeschlossenen Verfahren verwendet werden konnte. Das Gutachten des SV Dr. C. trägt das Datum 20.3.2007 und ist am 30.4.2007, wie dem auf dem Gutachten angebrachten Stempel entnommen werden kann, bei der Geschäftsführung des Sachwalterschaftsvereins eingelangt. Demgegenüber datiert die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom 30.6.2006 und der damals beim Finanzsenat bekämpfte Bescheid des Finanzamts Waldviertel mit 14.3.2006. Das Gutachten konnte somit früher nicht verwendet werden, es ist allerdings deshalb von Relevanz, da der SV, wie bereits dargestellt, davon ausgeht, dass der Zustand bereits seit jeher gegeben war, er formuliert, dass der Zustand nie anders gewesen sei, er sei ins Erwerbsleben eingebracht.
4. Wie ebenfalls bereits dargestellt, datiert das Gutachten des SV Dr. C., weiches als Wiederaufnahmsgrund geltend gemacht wird, mit 20.3.2007, ist am 26.3.2007 beim LG Krems als ASG eingelangt und am 30.4.2007 bei der Geschäftsführung des Sachwalterschaftsvereins. All das ergibt sich aus dem vorgelegten Gutachten und den darauf angebrachten Eingangsstempeln. Es wurde daher auch die 3-monatige Frist des § 303 Abs. 2 BAO eindeutig gewahrt, der vorliegende Antrag wurde am 21.5.2007 persönlich beim Finanzamt Waldviertel überreicht.
Beweis: das in Fotokopie angeschlossene Gutachten des SV Dr. C. vom 20.3.2007; Akt ... des LG Krems als ASG; Akt Steuernummer ... des Finanzamts Waldviertel.
Die Wiederaufnahmswerberin stellt folgende
ANTRÄGE:
1. Die Behörde möge die Wiederaufnahme des mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzamts vom 30.6.2006, GZ RV/0693-W/06, abgeschlossenen Verfahrens betreffend Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für die Wiederaufnahmswerberin, Steuernummer ... des Finanzamts Waldviertel mit Bescheid bewilligen und gleichzeitig sowohl den genannten Berufungsbescheid (die Berufungsentscheidung) des Unabhängigen Finanzsenats als auch den Bescheid des Finanzamts Waldviertel vom 14.3.2006, Steuernummer ... aufheben.
2. Im wiederaufgenommenen Verfahren möge die Behörde die von der Sachwalterin der Wiederaufnahmswerberin gestellten Anträge/den von ihr gestellten Antrag vom 16.1.2006 beim Finanzamt Waldviertel am 12.1.2006 eingelangt, stattgeben und der Wiederaufnahmswerberin sowohl die Familienbeihilfe als auch die erhöhte Familienbeihilfe jeweils ab dem frühest möglichen Zeitpunkt und jeweils im gesetzlichen Ausmaß zahlen und gewähren.
Die Wiederaufnahmswerberin bringt gleichzeitig den an sie ergangenen Abweisungsbescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005 in Fotokopie in Vorlage. Dazu wird vorgebracht, dass die genannte Wiederaufnahmswerberin auch die Wiederaufnahme des mit dem genannten Abweisungsbescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005, Steuernummer ... abgeschlossenen Verfahrens mit dem vorliegenden Schriftsatz begehrt. Dazu wird von der Wiederaufnahmswerberin zusätzlich folgendes vorgebracht und geltend gemacht:
Für die Wiederaufnahmswerberin war bereits am 19.10.2004 ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt worden. Dies geschah mit dem genannten Bescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass bei volljährigen. Kindern nur dann Anspruch auf erhöhte Familienbeilhilfe bestehe, wenn das Kind voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, dies durch eine entsprechende Bescheinigung nachgewiesen werde. Auch nach der Meinung dieses Finanzamts sei die Betroffene voraussichtlich nicht dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Gegen den damaligen -Bescheid wurde, soweit derzeit erkennbar, kein Rechtsmittel erhoben. Es ist somit allerdings auch zulässig, die Wiederaufnahme des damals mit dem Abweisungsbescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs abgeschlossenen Verfahrens zu begehren. Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann nach § 303 Abs. 3 BAO der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auch bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist. Für die Abgabenerhebung betreffend die Wiederaufnahmswerberin ist nunmehr das Finanzamt Waldviertel in Zwettl zuständig, nachdem der Wohnort der Wiederaufnahmswerberin G, 3910 Zwettl ist. Die Zuständigkeit des Finanzamts Waldviertel auch für diesen Wiederaufnahmsantrag ist somit aufgrund der vorgenannten Gesetzesbestimmung gegeben.
Angaben nach § 303 a Abs. 1 BAO für diesen Wiederaufnahmsantrag:
1. Das Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt wird, wurde bereits genau bezeichnet.
2. Auch der Bescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005 gründet sich darauf, dass bei der Wiederaufnahmswerberin kein Zustand vorliege, der sie dauernd außer Stande setze, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Auch diesbezüglich beruft sich die Wiederaufnahmswerberin auf das in Fotokopie angeschlossene Gutachten des SV Dr. C. ON 7 vom 20.3.2007. Die Wiederaufnahmswerberin verweist in diesem Zusammenhang auf Punkt 2. ihres Antrags auf Wiederaufnahme des mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom 30.6.2006 abgeschlossenen Verfahrens und wiederholt alle von ihr dort gemachten Angaben. Es wird vor allem nochmals hervorgehoben, dass sich aus dem Gutachten des SV Dr. C. ON 7 ergibt, dass nicht vorstellbar sei, dass die Betroffene am freien Arbeitsmarkt tätig sei, dieser Zustand sei nie anders gewesen, er sei ins Erwerbsleben eingebracht. Dieses Gutachten wurde in einem Prozess wegen Invaliditätspension aufgrund gerichtlichen Auftrags erstattet, der Prozess wird beim LG Krems als ASG zu ... zwischen der Wiederaufnahmswerberin als Klägerin und der PVA als beklagte Partei geführt. Es liegt somit ein neues Beweismittel vor bzw, ist ein neues Beweismittel hervorgekommen, dass im abgeschlossenen Verfahren überhaupt nicht verwendet werden konnte, wobei die Wiederaufnahmswerberin daran überhaupt kein Verschulden trifft, da. der Bescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs das Datum 22.3.2005 trägt, während der SV Dr. C. erst jetzt ein Gutachten erstattet hat, sein Gutachten trägt das Datum 20.3.2007. Ausgehend von den Ausführungen des SV Dr. C. im Gutachten ON 7 vom 20.3.2007 ergibt sich allerdings auch, dass die Wiederaufnahmswerberin aufgrund einer geistigen Behinderung, die bei ihr bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahrs eingetreten ist, dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sodass sie schon allein deshalb nicht nur Anspruch auf Familienbeihilfe, sondern auch auf erhöhte Familienbeilhilfe hat, zumal auch festgestellt ist, dass bei ihr eine Behinderung von 50 von 100 und zwar. für einen Dauerzeitraum von voraussichtlich mehr als 3 Jahren gegeben ist. Auch schon allein deshalb hat die Wiederaufnahmswerberin, was nunmehr durch das Gutachten des SV Dr. C. ON 7 bewiesen ist, Anspruch auf Familienbeihilfe und auch auf erhöhte Familienbeihilfe.
Es wird somit auch diesbezüglich der Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs. 1 lit. b BAO geltend gemacht.
3. Dass die Wiederaufnahmswerberin überhaupt kein Verschulden trifft, dass das Beweismittel nicht bereits im abgeschlossenen Verfahren verwendet werden konnte, wurde bereits dargestellt und verweist hier die Wiederaufnahmswerberin auf die entsprechenden Angaben in Punkt 2.
4. Das Gutachten des SV Dr. C. ON 7 trägt das Datum 20.3.2007. Das Gutachten ist am 26.3.2007 beim LG Krems als ASG eingelangt und erst am 30.4.2007 bei der Geschäftsführung des Sachwalterschaftsvereins. Das ist den auf dem in Fotokopie angeschlossenen Gutachten angebrachten Eingangsstempeln zu entnehmen. Die Frist des § 303 Abs. 2 BAO werde daher jedenfalls eingehalten. Der vorliegende Antrag auf Wiederaufnahme wurde am 21.5.2007 beim Finanzamt Waldviertel in Zwettl persönlich überreicht.
Beweis: in Fotokopie angeschlossenes Gutachten des SV Dr. C. vom 20.3.2007; Akt ... des LG Krems als ASG; Akt ... der Wiederaufnahmswerberin und zwar sowohl der Akt beim Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs als auch der Akt beim Finanzamt Waldviertel; in Fotokopie angeschlossener Bescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005.
Die Wiederaufnahmswerberin stellt folgende
ANTRÄGE:
1. Die Behörde möge die Wiederaufnahme des mit Bescheid des Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005, Versicherungsnummer ..., abgeschlossenen Verfahrens betreffend (erhöhte) Familienbeilhilfe für die Wiederaufnahmswerberin mit Bescheid bewilligen und gleichzeitig den vorgenannten Bescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs aufheben.
2. Im wiederaufgenommenen Verfahren möge die Behörde dem für die Wiederaufnahmswerberin gestellten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe stattgeben und der Wiederaufnahmswerberin die Familienbeihilfe und auch die erhöhte Familienbeihilfe ab dem frühest möglichen Zeitpunkt und zwar jeweils im gesetzlichen Ausmaß zahlen und gewähren."
Den Wiederaufnahmsanträgen war das bereits mehrfach erwähnte in einem Prozess wegen Invaliditätspension erstattete Gutachten vom 20.3.2007 des Sachverständigen Dr. C. beigeschlossen, das die in den Anträgen zitierte Aussage enthält, es sei nicht vorstellbar, dass die Bw. am freien Arbeitsmarkt tätig sei, dieser Zustand sei nie anders gewesen, er sei ins Erwerbsleben eingebracht.
Das Finanzamt wies die Anträge mit Bescheid vom 5. Juni 2007 mit der Begründung ab, ein nach Rechtskraft erstelltes Sachverständigengutachten sei kein "neu hervorgekommenes" Beweismittel. Wiederaufnahmsgründe seien nur zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorgekommen seien. Später entstandene Umstände seien keine Wiederaufnahmsgründe.
Der steuerliche Vertreter brachte dagegen fristgerecht folgende Berufung ein:
"...Nach den Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) haben auch Personen, welche bereits volljährig sind, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahrs oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und sich in keiner Anstaltspflege befinden. Für jedes erheblich behinderte Kind erhöht sich die Familienbeihilfe. Ein Kind gilt dann als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als 3 Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 von 100 betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, dass voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die Antragstellerin bringt hiermit das im Prozess zwischen ihr als klagende Partei einerseits und der PVA als beklagte Partei andererseits wegen Invaliditätspension erstattete neurologisch-psychiatrische Gutachten des dortigen SV Dr. C. ON 7 vom 20.3.2007 zweifach in Fotokopie in Vorlage. Aus diesem Gutachten ergibt sich folgendes Relevantes:
Wegen der Intelligenzminderung mit der im Gutachten beschriebenen hohen Neigung zur Unselbstständigkeit und Unverlässlichkeit sei bei jeder Tätigkeit der Antragstellerin ein besonderes Entgegenkommen eines potentiellen Arbeitgebers notwendig. Es sei nicht vorstellbar, dass die Antragstellerin am freien Arbeitsmarkt tätig sei. Dieser Zustand sei allerdings nie anders gewesen. Er sei ins Erwerbsleben eingebracht. Mit einer wesentlichen Änderung in gegenständlicher Hinsicht sei nicht zu rechnen. Das alles ergibt sich aus dem bereits zitierten Gutachten des SV Dr. C. vom 20.3.2007.
Daraus allerdings wiederum ergibt sich eindeutig, dass die Antragstellerin bereits von Anbeginn an jedenfalls aufgrund eines Umstands bzw. einer geistigen Behinderung, die bei ihr bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahrs eingetreten war, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Schon allein deshalb hat allerdings die Antragstellerin nicht nur Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe, sondern auch des Erhöhungsbetrags zur Familienbeihilfe (Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe), dies nicht zuletzt auch deshalb, da bei ihr, wie auch den Vorgutachten entnommen werden kann, eine Behinderung von 50 von 100 vorliegt, allerdings auch schon allein deshalb, da die Antragstellerin, wie sich aus dem Gutachten des SV Dr. C. vom 20.3.2007 ergibt, dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, da seiner Meinung nach nicht vorstellbar sei, dass die Antragstellerin am freien Arbeitsmarkt tätig sei, dieser Zustand allerdings auch nie anders gewesen sei, sondern bereits ins Erwerbsleben eingebracht sei.
Die Antragstellerin stellt daher ausdrücklich die
ANTRÄGE,
ihr sowohl die Familienbeihilfe als auch den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe (die erhöhte Familienbeihilfe) jeweils ab dem 1.6.2002, in eventu jeweils ab dem gesetzlich frühest möglichen Zeitpunkt und zwar jeweils im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen und zu gewähren.
Der vorliegenden Antragstellung können auch weder der Bescheid des Finanzamts Amstetten Melk Scheibbs vom 22.3.2005 noch der Bescheid des Finanzamts Waldviertel vom 14.3.2006 noch die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats, GZ RV/0693-W/06 vom 30.6.2006, entgegenstehen, da nunmehr durch das vorgenannte Gutachten des SV Dr. C., welches Gutachten allerdings in dem Vorverfahren nicht vorgelegen hat, der Beweis erbracht ist bzw. die Tatsachen nachgewiesen und bewiesen sind, dass eben die Antragstellerin bereits von Beginn an dauernd außer Stande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, somit bei ihr diese Unmöglichkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahrs gegeben war, dies ergibt sich alles aus dem bereits zitierten Gutachten des SV Dr. C. und seinen Schlussfolgerungen in diesem Gutachten.
Die Antragstellerin hält allerdings der Vollständigkeit halber ausdrücklich fest, dass sie sowohl ihre gegen den vorgenannten Berufungsbescheid des Unabhängigen Finanzsenats vom 30.6.2006 erhobene Beschwerde nach Artikel 131 Abs. 1 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof als auch ihre mit der am 21.5.2007 beim Finanzamt Waldviertel überreichten Eingabe gestellten Wiederaufnahmsanträge jeweils voll inhaltlich aufrecht hält und sie sich vor allem auch vorbehält, den Abweisungsbescheid des Finanzamts Waldviertel vom 5.6.2007 (Abweisung der Wiederaufnahmsanträge vom 21.5.2007) mit Rechtsmittel zu bekämpfen.
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Rechtsgrundlagen:
§ 303 Abs. 1 BAO lautet: "Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."
Sachverhaltsmäßig steht fest, dass die Bw. ihre Anträge ausschließlich auf die Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO stützt; bei dem Sachverständigengutachten vom 20. März 2007 handle es sich um ein Beweismittel, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens bewirken müsse.
Rechtlich folgt daraus:
Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe. Ein Wiederaufnahmeantrag nach der genannten Bestimmung kann somit nur auf solche Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber erst nachträglich möglich wurde. Es müssen also neu hervorgekommene Tatsachen bzw. neu hervorgekommene Beweismittel vorliegen, von denen aber nur dann die Rede sein kann, wenn die Tatsachen oder Beweismittel zur Zeit des nunmehr abgeschlossenen Verfahrens bereits existent waren, aber im Verfahren nicht berücksichtigt worden sind. Die nach der Bescheiderlassung neu entstandenen Tatsachen oder später zu Stande gekommenen Beweismittel bilden als solche hingegen keine taugliche Grundlage für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (ständige Rechtsprechung; sh. zB VwGH 22.11.2006, 2006/15/0173 mwN).
Obwohl das Finanzamt im Abweisungsbescheid knapp, aber doch ausreichend dargelegt hat, dass nach Abschluss des Verfahrens entstandene Umstände eben nicht "neu hervorgekommen" iSd § 303 Abs. 1 BAO sind, hält die Bw. - wiewohl steuerlich vertreten - in der über weite Passagen mit den Anträgen identen Berufung an ihrer Rechtsansicht fest.
Dem ist zu entgegnen, dass die Verfahren, hinsichtlich derer die Wiederaufnahme beantragt wird, mit Bescheid des Finanzamtes vom 22. März 2005 und mit Berufungsentscheidung vom 30. Juni 2006, GZ. RV/0693-W/06, abgeschlossen wurden. Daraus folgt, dass es sich bei dem erst nach Wirksamwerden der zitierten Bescheide verfassten Sachverständigengutachten nicht um ein Beweismittel handelt, das bei Abschluss des Verfahrens bereits existent gewesen ist, sondern um ein solches, das erst nachträglich, nämlich am 20. März 2007, neu erstellt wurde. Damit liegt ein "novum productum" vor, das zur Wiederaufnahme des Verfahrens nicht tauglich ist.
Wien, am 19. November 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Neuerungstatbestand, nova producta, nova reperta |
Verweise: |