UFS RV/0755-L/06

UFSRV/0755-L/0620.8.2008

Berichtigung bei Eingabefehlern in die automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0280 eingebracht. Mit Erk. v. 20.5.2010 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Stremitzer & Winkler Steuerberatung GmbH, 4020 Linz, Volksgartenstraße 26, vom 30. März 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr, vertreten durch HR Gottfried Buchroithner, vom 9. März 2006 betreffend Einkommensteuer 2002 (Berichtigung gemäß § 293 BAO zum Bescheid vom 28. Jänner 2004) entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:

 

Bemessungsgrundlage

Abgabe

Jahr

Art

Höhe

Art

Höhe

2002

Einkommen

136.750,60 €

festgesetzte Einkommensteuer

60.445,43 €

Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe sind dem als Anlage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) hat am 28. Oktober 2003 die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 beim Finanzamt eingebracht. Darin erklärte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Kennziffer 359) in Höhe von 137.295,60 €. Bei den außergewöhnlichen Belastungen führten er an, dass er den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen Zuckerkrankheit, Tuberkulose, Zöliakie oder Aids beansprucht. Weiters gab er die nicht regelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung (Kennziffer 476) mit 338,00 € an. Aus der Beilage zur Einkommensteuererklärung für 2002 geht folgende Aufstellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hervor:

 

EUR

Laufendes Gehalt Jänner bis April 2002 9.393,16 EUR pm

37.572,64

Laufendes Gehalt von Mai bis Dezember 2002 9.646,78 EUR pm

77.174,24

Tantiemenakonto 3.124,93 EUR pm

37.499,16

Pflichtbeiträge ASVG für laufende Bezüge (Dienstnehmer- und Dienstgeberanteil)

-14.950,44

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (KZ 245)

137.295,60

Zusätzlich seien zwei Sonderzahlungen (Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration) in Höhe von je 9.646,78 EUR zugeflossen. Die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge belaufen sich auf 2.426,34 EUR (Dienstnehmer- und Dienstgeberanteil), sodass die mit festen Satz von 6 % zu versteuernden Bezüge innerhalb des Jahressechstels 16.867,22 EUR betragen.

Das Finanzamt hat im Zuge der automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 folgende Eingaben veranlasst (siehe Spalte Korrektur):

Grundlagen

Kennziffer

erklärter Betrag

Korrektur

Alleinverdiener

 

Ja

 

Anzahl Kinder FB

 

2

 

Werbungsk. ohne Pauschbetrag

279

 

17.376,78

Eink. nsA. ohne LSt-Abzug

359

137.295,60

Löschung

Summe 1-7 oder 1-3 u.5-7

777

137.295,60

Löschung

Personenversicherungen

455

3.462,00

 

Kirchenbeitrag

458

75,00

 

Steuerpflichtiger

   

Diät

 

Zucker

 

tatsächliche Kosten

439

338,00

 

Währung Grenzgänger

 

(EUR)

 

Bruttobezüge § 67(11) EStG

350

 

152.246,04

sonstige Bezüge § 67 EStG

351

 

19.293,56

Daraus ergibt sich, dass die Eingaben unter den Kennziffern 279, 359, 777, 350 und 351 abweichend von der Abgabenerklärung vom Finanzamt veranlasst wurden. Mit dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 vom 28. Jänner 2004 wurde die Einkommensteuer mit 49.677,06 € festgesetzt. Die Berechnung der Bemessungsgrundlagen wurde wie folgt dargestellt:

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

  

Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug

132.952,48 €

 

Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag

-17.376,78 €

 

Pauschbetrag für Werbungskosten

-132,00 €

115.443,70 €

Gesamtbetrag der Einkünfte

 

115.443,70 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):

  

Kirchenbeitrag

 

-75,00 €

Außergewöhnliche Belastungen:

  

Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 (4) EStG 1988)

 

-840,00 €

Selbstbehalt

 

840,00 €

Tatsächliche Kosten aus der eigenen Behinderung

 

-338,00 €

Einkommen

 

115.030,70 €

In der Begründung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 wurde ausgeführt, dass die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, nicht berücksichtigt werden konnten, da sie den Selbstbehalt in Höhe von 12.119,60 € nicht übersteigen.

Das Finanzamt hat im Zuge der automationsunterstützten Erstellung des gemäß § 293 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 9. März 2006 (angefochtener Bescheid) folgende Eingaben veranlasst (siehe Spalte Korrektur):

Grundlagen

Kennziffer

Erstbescheid

Korrektur

Alleinverdiener

 

Ja

 

Anzahl Kinder FB

 

2

 

Werbungsk. ohne Pauschbetrag

279

17.376,78

Löschung

Personenversicherungen

455

3.462,00

 

Kirchenbeitrag

458

75,00

 

Andere AG Bel

735

 

338,00

Steuerpflichtiger

   

Diät

 

Zucker

 

tatsächliche Kosten

439

338,00

Löschung

Währung Grenzgänger

 

(EUR)

 

Bruttobezüge § 67(11) EStG

350

152.246,04

171.539,60

sonstige Bezüge § 67 EStG

351

19.293,56

 

Pflichtbeitr. laufender Lohn

357

 

14.950,44

Pflichtbeitr. Sonderzahlungen

347

 

2.426,34

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, nicht berücksichtigt werden konnten, da sie den Selbstbehalt in Höhe von 13.856,02 € nicht übersteigen. Da kein Grad der Behinderung ( ab 25% ) vorliege, wären sämtliche außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt zu berücksichtigen.

Dazu wurde in der Berufung ausgeführt, dass es sich im gegenständlichen Fall um keinen Fehler handelt, der von der Bestimmung des § 293 BAO erfasst sei. Das Finanzamt hätte Berechnungen angestellt, die auf eine abweichende rechtliche Beurteilung zurückzuführen sei. Schreib- und Rechenfehler seien typischerweise auf ein einmaliges einfaches Versehen zurückzuführen. Im konkreten Fall mangle es am Merkmal der Offenkundigkeit. § 293 biete keinesfalls die Rechtsgrundlage für Bescheidänderungen, die sich aus einer abweichenden rechtlichen Würdigung Beurteilung eines Sachverhaltes ergeben bzw. auf eine irrige Rechtsansicht der Behörde zurückzuführen sind. Ebenso seien inhaltliche Fehler, die der Behörde bei der Willensbildung unterlaufen seien, nicht berichtigungsfähig. Die Berichtigung in drei aufeinander folgenden Jahren sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass es sich um eine rechtlich abweichende Beurteilung der Behörde handelt, die aber als Ergebnis des Denkprozesses anzusehen sei. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Beständigkeit eines bekannt gegebenen Verwaltungsaktes ist eine wesentliche Position des Abgabenverfahrensrechtes, die gebiete, die Bestimmung über die Berichtigung offenkundiger Unrichtigkeiten auf Grund von Schreib- und Rechenfehlern und ähnlichen Versehen einschränken und eng auszulegen. Der Berichtigungsbescheid enthalte keine Begründung dafür, worin die Fehlerhaftigkeit liegt und auf Grund welcher Denkprozesse in drei aufeinander folgenden Jahren ein Fehler entstanden ist, der nun zu einer Berichtigung mit unerwarteten Steuernachforderungen führt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 20. Juni 2006 wurde die gegenständliche Berufung als unbegründet abgewiesen. In der dazu ergangenen gesonderten Begründung vom 19. Juni 2006 führte das Finanzamt aus, dass durch die Novellierung 1980 des § 293 Abs. 1 BAO dem Umstand Rechnung getragen wurde, dass auch bei Unterstützung durch eine automatisierte Datenverarbeitungsanlage Fehler unterlaufen können, durch die bewirkt wird, dass der Bescheid anders lautet, als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat. Zweifelsfrei lägen im gegenständlichen Fall beim doppelten Abzug der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und bei der Berücksichtigung von tatsächlichen Kosten ohne Behinderung vor.

Im Vorlageantrag vom 7. Juli 2006 räumte der Bw. ein, dass grundsätzliche der materiellen Richtigkeit von Bescheiden vorrangige Bedeutung zukommt. Ergänzend führte er aus, dass außer Streit stehe, dass kein Schreib- oder Rechenfehler vorliege. Aus der Sicht des Bw. handle es sich eindeutig um keinen EDV-Fehler und darüber hinaus lasse sich die nunmehrige Abgabennachforderung in Höhe von 10.937,37 € nicht mit doppelten Sozialversicherungskosten und außergewöhnlichen Belastungen erklären. Im berichtigten Einkommensteuerbescheid seien die Sozialversicherungskosten mit 14.950,44 € in Abzug gebracht worden. Bei einer Progression von 50 % könne die doppelte Berücksichtigung maximal eine Steuerminderung von 7.475,22 € bewirken. Auch die im ursprünglichen Bescheid abgezogenen außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 338,00 € können nicht die Ursache der Änderung darstellen. Daraus folge, dass die Behörde offenkundig im Zuge der ersten Erledigung Berechnungen angestellt und Würdigungen angestellt hätte, die nunmehr nicht aufrechterhalten werden. Derartige Änderungen könnten nicht auf der Rechtsgrundlage des § 293 BAO durchgeführt werden.

Die Berufung wurde am 3. August 2006 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Finanzsenat hat dem Bw. im Vorhalt vom 23. Juli 2008 die Vorgänge um die Eingabe der Berechnungsgrundlagen für die Einkommensteuer 2002 in EDV-Anlage, welche die Abgabenberechnung durchführt, zur Kenntnis gebracht und Folgendes zusätzlich ausgeführt:

"Das Finanzamt hat im Zuge der automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 Daten aus den Beilagen zur Einkommensteuererklärung in das elektronische Eingabeverfahren übertragen. Dabei sind folgende Fehler unterlaufen:

1 ) Additionsfehler bei der Ermittlung der Bruttobezüge:

In Kennzahl 350 wurden die vom Bw. angeführten Bruttobezüge ohne die Sonderzahlungen eingetragen. Bei der Bescheiderstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 wurden lediglich folgende Beträge addiert:

Laufendes Gehalt Jänner bis April 2002 9.393,16 EUR pm

37.572,64

Laufendes Gehalt von Mai bis Dezember 2002 9.646,78 EUR pm

77.174,24

Tantiemenakonto 3.124,93 EUR pm

37.499,16

Nicht dazugezählt wurden jedoch die zwei Sonderzahlungen in Höhe von je 9.646,78 EUR.

Die damit zusammenhängende Korrektur bei der Erstellung des angefochtenen Bescheides erfolgte daher wie folgt:

Grundlagen

Kennzahl

Erstbescheid

Korrektur

Bruttobezüge § 67(11) EStG

350

152.246,04

171.539,60

2) Eintrag der Sozialversicherungsbeiträge unter der falschen Kennzahl:

Dem Finanzamt ist bei der Eingabe der Werbungskosten im Zuge der Übertragung der Daten aus den Erklärungsbeilagen in das elektronische Eingabeverfahren zur automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 der Fehler unterlaufen, dass sowohl die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung für die laufenden Bezüge, als auch jene Sozialversicherungsbeiträge, die auf die Sonderzahlungen entfallen sind, addiert wurden und unter der Kennzahl 279 eingetragen wurden. Diese Kennzahl ist jedoch für Werbungskosten ohne Anrechnung auf das Werbungskostenpauschale (§ 16 Abs. 3 EStG 1988) vorgesehen. Für die genannten Sozialversicherungsbeiträge sind eigene Kennzahlen (357, 347) vorgesehen. Im Zuge der Erstellung des angefochtenen Bescheides kam es daher zu folgenden Korrekturen:

Grundlagen

Kennzahl

Erstbescheid

Korrektur

Werbungsk. ohne Pauschbetrag

279

17.376,78

Löschung

Pflichtbeitr. laufender Lohn

357

 

14.950,44

Pflichtbeitr. Sonderzahlungen

347

 

2.426,34

3) Übernahme eines Fehlers aus der Abgabenerklärung im Zuge der Bescheiderstellung:

Bei der Erfassung der Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen hat das Finanzamt bei der automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 die Daten aus der Einkommensteuererklärung für 2002 ungeprüft in das elektronische Eingabeverfahren übertragen. Erst im Zuge der Erstellung des angefochtenen Bescheides wurde die Kennzahl 439 korrigiert und statt dessen der dort angeführte Betrag (338,00 €) unter Kennzahl 735 eingetragen. Die ursprüngliche Eingabe unter Kennzahl 439 beruht somit auf einer fehlerhaften Angabe in der Einkommensteuererklärung. Im Zuge der Erstellung des angefochtenen Bescheides kam es daher zu folgenden Korrekturen:

Grundlagen

Kennzahl

Erstbescheid

Korrektur

Andere AG Bel

735

 

338,00

Steuerpflichtiger

   

tatsächliche Kosten

439

338,00

Löschung

4) Streitpunkt im Berufungsverfahren: Unstrittig ist, dass die vom Finanzamt im angefochtenen Bescheid durchgeführten Berichtigungen zu einem einkommensteuerrechtlich korrekten Spruch des Einkommensteuerbescheides für 2002 geführt haben.

Bestritten wird lediglich die Berechtigung des Finanzamtes zur Durchführung dieser Berichtigung nach § 293 BAO.

5) Ermessen und Parteiengehör:

Bei der in § 293 BAO vorgesehenen Ermessensübung ist vor allem darauf Bedacht zu nehmen, ob sich aus der Berichtigung für die Partei wesentliche Auswirkungen ergeben (286 BlgNR 15. GP , 4). Bei den unter Punkt 1 und 2 aufgezeigten Fehlern handelt es sich jedenfalls um wesentliche Fehler mit entsprechender Auswirkung bei der automationsunterstützt erfolgten Berechnung der Einkommensteuer für 2002. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sind Fehler mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu beseitigen (VwGH 4.6.1986, 85/13/0076). Sollten neben den im Berufungsverfahren vorgebrachten berechtigten Interessen weitere Gründe für die Aufrechterhaltung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 in der Fassung vom 28. Jänner 2004 sprechen, werden Sie ersucht diese bis 14. August 2008 darzulegen."

Dazu wurde in der Stellungnahme vom 1. August 2008 vorgebracht, dass die Veranlagungspflicht für den Bw. erstmals im Jahr 2002 durch die Begründung eines Dienstverhältnisses zu einem deutschen Arbeitgeber (D. International GmbH) entstanden ist. Mit der Begründung dieses Arbeitsverhältnisses seien dem Bw. neben der Geschäftsführung für die wirtschaftlich erfolgreiche österreichische Df. & W. GmbH auch Aufgaben im Rahmen des sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen X.-Bau-Konzerns übertragen worden. Der Bw. musste mit der Neugestaltung der vertraglichen Beziehungen die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge im Jahr 2002 zur Gänze selbst an die Gebietskrankenkasse abführen und diese seien daher von den zugeflossenen Einkünften in Abzug gebracht worden. Sämtliche Berechnungsunterlagen seien in einer Beilage zur Steuererklärung ausführlich dargelegt worden. Darüber hinaus sei nach Ergehen des Steuerbescheides die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung telefonisch beim Finanzamt hinterfragt und als Ergebnis der Diskussion die korrekte Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens bestätigt worden. In weiterer Folge hätte das Finanzamt auch bei der Veranlagung der Jahre 2003 und 2004 die Eingaben in der dargestellten Form vorgenommen, sodass dies ein weiterer Beleg dafür sei, dass es sich nicht um einen einfachen Schreib- oder Rechenfehler im Sinne des § 293 BAO gehandelt hat. Im März 2006 hätte das Finanzamt sodann zusammengeballt geänderte Bescheide für die Jahre 2002, 2003 und 2004 erlassen. Die Nachforderungen für die Jahre 2003 und 2004 in Höhe von 11.983,01 € sowie 27.545,34 € zuzüglich Anspruchszinsen seien auf Grund der Rechtsgrundlage des § 299 BAO erhoben worden. Lediglich für das Jahr 2002 sei die Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen. Das Finanzamt hätte die Änderung des Bescheides auf § 293 BAO gestützt. Die für den Bw. überraschenden Nachforderungen seien auf einen Rechtsirrtum des Finanzamtes zurückzuführen und die aus einem Verschulden des Finanzamtes zusammengeballte Nachforderung für drei Veranlagungsjahre als unbillig anzusehen. Im besonders gelagerten Fall sollte daher das Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit stärker ins Gewicht fallen als die Beseitigung von Fehlern mit allen Mitteln.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 293 der Bundesabgabenordnung (BAO) kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.

§ 293 soll die Möglichkeit schaffen, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestehen. Rechenfehler sind zB Additionsfehler (vgl. VwGH 18.10.1984, 83/16/0130 ). Schreib- und Rechenfehler iSd § 293 Abs 1 müssen nicht offenbar sein (Ritz, BAO³, § 293 Tz. 5).

Andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende Unrichtigkeiten sind Fehler, die Schreib- und Rechenfehlern sehr nahe kommen, also Fehler in der Ausdrucksweise, nicht hingegen Fehler im Bereich des Zustandekommens und der Gestaltung des Bescheidwillens. Solche Unrichtigkeiten liegen vor, wenn "erkennbar eine Formulierung dem erschließbaren Gestaltungswillen nicht entspricht" (vgl. VwGH 28.9.1983, 82/13/0111, 82/13/0186). Die Unrichtigkeit muss nicht aus dem Bescheid selbst ersichtlich sein. Erkenntnisquelle kann insbesondere auch der Akteninhalt sein (vgl VwGH 25.3.1994, 92/17/0133).

Ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten sind zB Fehler, die sich daraus ergeben, dass ein Finanzamt den Programmablauf, den sie mit einer bestimmten Eintragung in einem Eingabebogen auslöst, nicht kennt (vgl. VwGH 13.10.1982, 82/13/0122; 26.5.2004, 2002/14/0015). Ein solcher Fehler kann auch eine auf einem Eingabebogen bei einer falschen Kennziffer erfolgte Eintragung sein.

Nicht nach § 293 berichtigbar sind Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen (vgl. VwGH 26.3.1993, 90/17/0224; 24.4.1996, 92/15/0128) . Daher sind unrichtige rechtliche Beurteilungen und Fehler der Beweiswürdigung keiner Berichtigung gem § 293 zugänglich (vgl. VwGH 25.3.1994, 92/17/0133 ) , ebenso nicht durch Übersehen von Aktenteilen entstandene Fehler (vgl. Stoll, BAO, 2818).

Nur Fehler der Behörde sind berichtigbar. Übernimmt die Behörde Rechen- oder Schreibfehler der Partei etwa aus Abgabenerklärungen, so ist dies nicht gemäß § 293 BAO berichtigbar (vgl. VwGH 23.2.1989, 88/16/0220).

1) Fehler bei der Ermittlung der Bruttobezüge:

In Kennziffer 350 wurden die vom Bw. angeführten Bruttobezüge ohne die Sonderzahlungen eingetragen. Bei der Bescheiderstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 wurden lediglich folgende Beträge addiert:

Laufendes Gehalt Jänner bis April 2002 9.393,16 EUR pm

37.572,64

Laufendes Gehalt von Mai bis Dezember 2002 9.646,78 EUR pm

77.174,24

Tantiemenakonto 3.124,93 EUR pm

37.499,16

Nicht dazugezählt wurden jedoch die zwei Sonderzahlungen in Höhe von je 9.646,78 EUR.

Dass der Wille des Finanzamtes dahin ging, die Sonderzahlungen bei der Berechnung der Einkommensteuer nicht zu berücksichtigen, ist nicht anzunehmen. Das bescheiderstellende Organ des Finanzamtes hat nämlich folgende Eingaben getätigt:

Bruttobezüge § 67(11) EStG

350

152.246,04

sonstige Bezüge § 67 EStG

351

19.293,56

Damit ist klar ersichtlich, dass das der Behördenwille des Finanzamtes dahin ging, auch die sonstigen Bezüge einkommensteuerrechtlich zu erfassen. Der Fehler bestand darin, dass diese sonstigen Bezüge nicht nur unter der Kennziffer 351 sondern zusammen mit den laufenden Bezügen auch unter der Kennziffer 350 zu erfassen sind.

Damit liegt jedoch ein bloßer Eingabefehler bei der automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides 2002 vom 28. Jänner 2004 und nicht eine unrichtige Willensbildung des Finanzamtes vor. Dieser Eingabefehler ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ein Fehler, der einerseits auf einer unrichtigen Addition beruht (hinzuzuzählende Beträge wurden beim Eintrag in die Kennziffer vergessen) und andererseits auch eine ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeit darstellt. Bei einer händischen Berechnung wäre es nämlich nicht dazu gekommen, dass vom um die Sonderzahlung verminderten Bruttobezug (152.246,04 €) nochmals die sonstigen Bezüge in Höhe von 19.293,56 € subtrahiert werden. Ein derartiger Vorgang wurde jedoch ausgelöst, als unter der Kennziffer 350 der um die Sonderzahlungen verminderte Bruttobezug eingegeben wird. Dass eine derartige eklatant falsche Berechnung dem Behördenwillen entsprach, ist aus der Aktenlage nicht zu entnehmen. Vielmehr ist das Finanzamt offenbar davon ausgegangen, dass in diesem Punkt eine aus den vorgelegten Unterlagen erschließbare Eingabe erfolgt, zumal in der Begründung des Einkommensteuerbescheides 2002 vom 28. Jänner 2004 nichts abweichendes dargestellt wurde. Damit liegt nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates in der unrichtigen Eingabe in der Kennziffer 350 des elektronischen Eingabeverfahrens ein nach § 293 BAO berichtigbarer Fehler vor. Der Umstand, dass es in nachfolgenden Veranlagungsjahren zu ähnlichen Unrichtigkeiten gekommen ist, sagt noch nichts über den tatsächlichen Grund für die falsche Abgabenberechnung aus. Zu beurteilen ist das Zustandekommen der jeweiligen Fehler im jeweiligen Verfahren. Auch die Wahl des Verfahrenstitels, mit dem in den Nachfolgejahren die Fehler beseitigt wurden, ist für die Beurteilung der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation ohne Belang. Es liegt in der Natur der Sache, dass Fehler iSd. § 293 BAO zu unrichtigen Sprüchen führen und daher auch Aufhebungsgrund iSd. § 299 BAO sein können. Aus der Wahl des jeweiligen Verfahrenstitels zur Berichtigung eines Fehlers kann noch nicht abgeleitet werden, ob der Fehler auf einer Willensbildung im Zuge der Bescheiderstellung oder auf einen Grund iSd. § 293 BAO beruht.

2) Eintrag der Sozialversicherungsbeiträge unter der falschen Kennziffer:

Dem Finanzamt ist bei der Eingabe der Werbungskosten im Zuge der Übertragung der Daten aus den Erklärungsbeilagen in das elektronische Eingabeverfahren zur automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 der Fehler unterlaufen, dass sowohl die Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung für die laufenden Bezüge, als auch jene Sozialversicherungsbeiträge, die auf die Sonderzahlungen entfallen sind, addiert wurden und unter der Kennziffer 279 eingetragen wurden. Diese Kennziffer ist für Werbungskosten ohne Anrechnung auf das Werbungskostenpauschale (§ 16 Abs. 3 EStG 1988) vorgesehen. Für die genannten Sozialversicherungsbeiträge sind jedoch eigene Kennziffern (357, 347) vorgesehen.

Grundsätzlich handelt es sich bei den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung iSd. § 16 Abs. 1 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988) um Werbungskosten, die gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag abzusetzen sind. Die Eingabe der auf die Sonderzahlungen entfallenden Sozialversicherungsbeiträge unter der Kennziffer 279 bewirkt aber, dass diese Sozialversicherungsbeiträge nur von den laufenden Bezügen abgezogen werden. Ein Hinweis, dass eine derartige Berücksichtigung bei der Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 beabsichtigt war, ergibt sich aus der Aktenlage nicht. Auch die Begründung des berichtigten Bescheid lässt diesbezüglich nichts erkennen. Vielmehr wurde offenbar bei der Eingabe der Bescheidgrundlagen nicht erkannt, dass die selbst entrichteten Sozialversicherungsbeiträge nicht unter der Kennziffer 279 sondern unter den Kennziffern 357 (Pflichtbeiträge laufender Lohn) und 347 (Pflichtbeiträge Sonderzahlungen) einzugeben sind. Auf Grund der Programmierung der EDV-Anlage erfolgt dann eine entsprechende Zuordnung bei der Berechnung der Einkommensteuer. So ist die Programmierung dahingehend erfolgt, dass die unter Kennziffer 347 eingegebenen Beträge gemäß § 67 Abs. 12 EStG 1988 von den Bezügen in Abzug gebracht werden, die mit dem festen Steuersatz versteuert werden, während die unter Kennziffer 357 eingegebenen Beträge vom laufenden Lohn abgezogen werden. Wenn das bescheiderstellende Organ des Finanzamtes bei der Eingabe der Bemessungsgrundlagen in das elektronische Datenverarbeitungssystem bei der Wahl der richtigen Kennziffer einen Fehler begangen hat, so ist dies eine Unrichtigkeit, die ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruht und somit ein Berichtigungsgrund nach § 293 BAO (vgl. Ritz, BAO³, § 293 Tz. 7). Zur Frage der behördlichen Willensbildung wird auf die Ausführungen zu Punkt 1 verwiesen.

3) Übernahme eines Fehlers aus der Abgabenerklärung im Zuge der Bescheiderstellung:

Bei der Erfassung der Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen hat das Finanzamt bei der automationsunterstützten Erstellung des Einkommensteuerbescheides für 2002 vom 28. Jänner 2004 die Daten aus der Einkommensteuererklärung für 2002 ungeprüft in das elektronische Eingabeverfahren übertragen. Erst im Zuge der Erstellung des angefochtenen Bescheides wurde die Kennziffer 439 korrigiert und statt dessen der dort angeführte Betrag (338,00 €) unter Kennziffer 735 eingetragen.

Nur Fehler der Behörde sind berichtigbar. Übernimmt die Behörde Rechen- oder Schreibfehler der Partei etwa aus Abgabenerklärungen, so ist dies nicht gemäß § 293 BAO berichtigbar (vgl. VwGH 23.2.1989, 88/16/0220). Diesbezüglich ist daher die Berufung des Bw. berechtigt und es hat die Abänderung des angefochtenen Bescheides zu erfolgen.

4) Ermessen

Nach § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Die maßgebenden Kriterien für die Übung des Ermessens ergeben sich primär aus der Ermessen einräumenden Bestimmung. Diese Kriterien sind aus dem Zweck der Norm erschließbar. Dies ist im Falle des § 293 BAO die Beseitigung von Fehlern und das Erzielen eines insgesamt richtigen Besteuerungsergebnisses. Auch ist vor allem darauf Bedacht zu nehmen, ob sich aus der Berichtigung für die Partei wesentliche Auswirkungen ergeben (286 BlgNR 15. GP , 4). Daher werden in richtiger Ermessensübung im Allgemeinen nur sich geringfügig auswirkende Fehler nicht berichtigt werden (vgl. Ritz, BAO³, § 293 Tz. 10). Fehler sind mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu beseitigen (vgl. VwGH 4.6.1986, 85/13/0076 ). Die Ermessensübung hat sich vor allem am Zweck der Norm zu orientieren (VwGH 21.12.1990, 90/17/0344-0381; Orientierung an der Intention des Gesetzgebers, VwGH 31.3.1998, 93/13/0130) . Daher ist zB für Berichtigungen gemäß § 293 BAO insbesondere der Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu beachten (vgl. Ritz, BAO³, § 20 Tz. 8).

Im gegenständlichen Fall stützt der Bw. seine berechtigten Interessen auf sein das Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit. Weiters führt er an, dass der Fehler ausschließlich von der Behörde verschuldet wurde. Zudem sei die Nachforderung überraschend und er hätte auch Grund einer telefonischen Nachfrage auf das ursprüngliche Bescheidergebnis vertraut.

Zu diesen Einwendungen ist festzuhalten, dass § 293 BAO ausschließlich die Beseitigung von Behördenfehlern vorsieht. Es ergibt sich somit bereits aus dem Zweck der Norm, dass für die nach § 293 BAO berichtigbaren Fehler nicht vom Bw. sondern ausschließlich die Behörde verantwortlich sein kann. Dieser Umstand steht einer Berichtigung schon auf Grund des Zweckes der Norm nicht entgegen. Sofern der Bw. durch die Nachforderung überrascht wurde, insbesondere weil er das Bescheidergebnis telefonisch hinterfragt haben soll, ist ihm ein berechtigtes Interesse zuzugestehen. Dem steht jedoch das Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) gegenüber. Die nach § 293 BAO berichtigbaren Fehler haben eine nicht unbedeutende steuerliche Auswirkung. So wurde der Abgabenberechnung auf Grund eines Additions- und Eingabefehlers ein um 19.293,56 € zu geringer Bruttobezug angesetzt und wegen eines Eingabefehlers die auf die Sonderzahlungen entfallenden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.426,34 € anstatt von den mit einem fixen Steuersatz zu versteuernden Sonderzahlungen von den nach dem Einkommensteuertarif zu besteuernden laufenden Bezügen abgezogen. Es handelt sich daher nicht um eine bloß geringe Abweichung von der richtigen Besteuerung, sodass nach dem Zweck des § 293 BAO dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber den berechtigten Interessen des Bw. der Vorrang einzuräumen ist.

Anhang: 1 Berechnungsblatt

Linz, am 20. August 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Berichtigung, Datenverarbeitungsanlage, Bescheiderstellung, Behördenfehler, Kennziffer, Kennzahl, Willensbildung, Wahl des Verfahrenstitels

Stichworte