Vorsteuererstattung mit verspäteter Vorlage der Originalrechnungen
Anmerkungen:
Mit dieser Berufungsentscheidung wird die bisherige Entscheidungspraxis aufgegeben, wonach die Vorlage von Originalrechnungen im Vorsteuererstattungsverfahren auch noch nach der Ausschlussfrist des 30. Juni des Folgejahres in bestimmten Fällen als zulässig erachtet wurde (wenn mit Mängelbehebungsauftrag vorgegangen wurde, UFS RV/0509-G/05; wenn im Zuge des Rechtsmittelverfahrens erstmals Originalrechnungen nachgereicht wurden, UFS RV/0452-G/05).
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) hat über die Berufung der Berufungswerberin, vertreten durch Steuerberatung, vom 22. November 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 29. Oktober 2007 betreffend Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer für das Jahr 2006 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) ist eine in Deutschland ansässige Firma, die internationale Transporte durchführt. Mit Antrag vom 21.06.2007, beim Finanzamt eingelangt am 26.06.2007, beantragte sie die Erstattung der Vorsteuer aus in Österreich in Rechnung gestellten Betankungen und legte die Tankrechnungen zum Teil im Original, teilweise in Kopie vor.
Das Finanzamt erstattete nur den Betrag, der mittels vorgelegter Originalrechnungen nachgewiesen worden war, die Rechnungskopien wurden nicht anerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung BGBl. 279/1995 es grundsätzlich erforderlich sei, dass dem Erstattungsantrag die Rechnungen bzw. Belege im Original gleich beigefügt würden. Zur Wahrung der Antragsfrist seien diese Originaldokumente jedoch spätestens innerhalb der Sechsmonatsfrist vorzulegen bzw. an die Vergütungsbehörde zu übermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 18.1.2007, V R 23/05 bzw. Art. 3 lit. a Satz 1 und Art. 4 lit. a der 8.MwSt-RL und Art. 3 Abs. 2 der 13. MwSt-RL).
Dagegen brachte die Bw. das Rechtsmittel der Berufung ein und übersendete in der Anlage die fehlenden Originalbelege. Leider sei sie trotz fristgemäßen Eingangs des Antrages nicht auf ihren Fehler aufmerksam gemacht worden. Da die Bw. erst mit Posteingang am 14.11.2007 durch das Schreiben des Zustellbevollmächtigten erfahren habe, welche Rechnungen nicht im Original vorgelegen seien, könnten diese erst jetzt nachgereicht werden. Es werde gebeten, den Fehler zu entschuldigen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 15.02.2008 wurde die Berufung im Wesentlichen unter Wiederholung der Begründung des Erstbescheides abgewiesen und ausgeführt, dass das Finanzamt kein Wahlrecht habe, die zu einem späteren Zeitpunkt eingereichten Originalbelege anzuerkennen und insofern an die Vorgaben in der Verordnung BGBl. 279/1995 gebunden sei.
Die Bw. brachte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein und führte ergänzend unter Schilderung des Verfahrensablaufes aus: Der Vorsteuererstattungsantrag für das Jahr sei zeitgerecht eingebracht worden. Im Gegensatz zum Sachverhalt der UFS-Entscheidung vom 25.08.2006 (RV/0617-G/05), wo der Bw. innerhalb der in der Verordnung BGBl. 279/1995 festgesetzten Frist, 30. Juni des Folgejahres, gar keine Belege eingereicht habe, seien hier lediglich die Belege nicht innerhalb der Frist im Original übermittelt worden. In der zitierten Entscheidung führe der UFS an, dass das Finanzamt durch das Fehlen der Belege nicht in der Lage gewesen sei, sich ein Bild über den Bestand oder Nichtbestand des Erstattungsanspruches zu machen. Es sei wegen des Fehlens der für die Durchführung eines Steuervergütungsverfahrens zwingend notwendigen Rechnungen nicht möglich, ein ordnungsgemäßes Erstattungsverfahren in Gang zu setzen.
Im vorliegenden Fall habe die Bw. sehr wohl die Rechnungen zeitgemäß beigelegt, jedoch etliche davon vorerst nicht im Original. Selbst der UFS verweise daher auch indirekt auf das Ergehen eines Ergänzungsauftrages. Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigten Formgebrechen von Eingaben an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie habe dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gelte. Würden die Mängel rechtzeitig behoben, gelte die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht. Lägen die entsprechenden Voraussetzungen vor, sei die Behörde verpflichtet, mit Mängelbehebungsauftrag vorzugehen (kein Ermessen, vgl. VwGH 27.04.1981, 17/2599/79). Da im vorliegenden Fall trotz eines fristgerechten Antrags kein Mängelbehebungsauftrag erging, sei die Vorlage im Rechtsmittelverfahren noch ausreichend. Im Übrigen habe das Ziel der 8.EG-Richtlinie darin bestanden, bestimmte Formen der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung zu bekämpfen und zu verhindern, dass ein nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger die Rechnung oder das Einfuhrdokument für weitere Anträge verwenden könne. Diese Gefahr sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die Originalrechnungen im Wege des Berufungsverfahrens vorgelegt worden seien. Hätte daher die Behörde dem § 85 Abs. 2 BAO entsprechend einen Mängelbehebungsauftrag erlassen, wären ebenfalls im Zuge desselben die Originalbelege vorgelegt worden und wäre diesbezüglich die Gefahr eines Steuerbetruges "auszuschließen" gewesen.
Im Übrigen sei auch in der UFS-Entscheidung vom 28.6.2007, RV/0432-G/05, dargelegt, dass in einem ähnlichen Verfahren Rechnungen und Unterlagen, die im Zuge der Erlassung der Berufungsvorentscheidung dem Finanzamt im Original vorgelegen waren, als zum Vorsteuerabzug ausreichend angesehen worden. Ebenso sei für die mit dem Vorlageantrag (also nach der Frist) nachgereichten Originalrechnungen die Vorsteuer ebenfalls gewährt worden.
Daraus sei abzuleiten, dass offenbar dem Grunde nach aus Sicht der Finanzverwaltung und des UFS im vorliegenden Fall ein Vorsteuerabzug zustehen müsste. Es könne wohl nicht sein, dass in zwei vergleichbaren Fällen einmal noch eine "Sanierung" im Rechtsmittelverfahren möglich sei und diese im gegenständlichen Fall verwehrt werde.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wurde, BGBl. Nr. 279/1995 (in der Folge: Verordnung) ist die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2 und 3 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum u.a. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 in Österreich ausgeführt hat. § 3 Abs. 1 der Verordnung (Verfahren) lautet: Der Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz-Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.
Diese Bestimmung beruht auf der Richtlinienvorgabe des Art. 3 der Achten Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (79/1072/EWG ) - dessen lit. a bestimmt, dass ein Steuerpflichtiger, der im Inland keine Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, einen Antrag nach dem in Anhang A angeführten Muster zu stellen hat, dem die Originale der Rechnungen und Einfuhrdokumente beizufügen sind. Nach Art. 7 der zitierten Richtlinie ist der Antrag spätestens sechs Monate nach Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer fällig geworden ist, zu stellen.
Der BFH hatte im Urteil vom 18.1.2007, V R 23/05 (vgl. dazu auch UR 9/2007, S. 353 ff) einen dem berufungsgegenständlichen Fall vergleichbaren Fall zu entscheiden (Ein schweizer Unternehmen hatte mit 30.06.2000 bzw. 29.06.2001 jeweils einen Vorsteuervergütungsantrag bei der zuständigen deutschen Finanzbehörde noch innerhalb der Frist eingebracht und dem Antrag lediglich die Rechnungen in Kopie beigelegt. Die Originale der Belege wurden erstmals nach der Frist (30. Juni des Folgejahres) im Rechtsmittelverfahren vorgelegt. Unter Berufung auf die (mit § 3 Abs. 1 der Verordnung BGBl. 279/1995 vergleichbare und vom Wortlaut her sogar weniger restriktive) deutsche Rechtslage hat der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass sich die Pflicht des Antragstellers, die Vorsteuerbeträge bereits mit dem Vergütungsantrag durch Vorlage der Rechnungen im Original nachzuweisen, schon aus den gesetzlichen Bestimmungen ableiten lasse. Diese Auslegung sei laut BFH auch gemeinschaftsrechtlich geboten und ergebe sich aus Art. 3 lit. a Satz 1 der Achten Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (79/1072/EWG ).
Im Lichte dieser Entscheidung des deutschen BFH und der damit vorliegenden aktuellen Auslegung der Richtlinienbestimmung durch ein Höchstgericht (vgl. dazu ausführlich die Erwägungen im Urteil Rz. 29 bis 36) lässt sich die in Österreich zum Teil praktizierte Vorgangsweise der Finanzverwaltung und des UFS, wonach es als zulässig erachtet wurde, die Originalbelege in bestimmten Fällen auch noch nach der Ausschlussfrist des 30. Juni des Folgejahres vorzulegen, um zur Vorsteuererstattung zu gelangen, nicht mehr aufrechterhalten.
Die Verordnung bestimmt klar und unmissverständlich, dass die Anträge spätestens bis 30. Juni des Folgejahres zu stellen sind. Hierbei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine nicht verlängerbare - EU-weit einzuhaltende - Ausschlussfrist (vgl. BFH, Urteil vom 23.10.2003, V R 48/01; BFH, Urteil vom 21.10.1999, V R 75/98; VwGH 25.4.2002, 2000/15/0032). Mit dem Wortlaut der Verordnung "die Rechnungen sind im Original dem Erstattungsantrag beizufügen" wird der zeitliche Rahmen zur Vorlage der Originalrechnungen dahingehend festgelegt, als die Vorlage der Originalrechnungen innerhalb der Ausschlussfrist zur Vorlage des Antragsformulars zu geschehen hat, um noch als rechtzeitige Vorlage zu gelten (vgl. dazu auch VwGH zum Wortlaut des § 108e Abs. 4 EStG 1988 "ist anzuschließen" vom 21.9.2006, 2004/15/0104).
Gem. § 85 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde bei Formgebrechen von Eingaben wie auch dem Fehlen einer Unterschrift dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt. Formgebrechen sind solche Gestaltungen, die gesetzlich normierten Vorschriften widersprechen, wenn diese Vorschriften die formelle Behandlung eines Anbringens sicherstellen oder die Erledigung für die Behörde erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen sollen (vgl. VwGH 30.1.2003, 2000/15/0013; 28.6.2001, 2001/16/0178; Ritz, BAO-Kommentar³, § 85 Tz 11).
Dem Vergütungsantrag sind die Rechnungen im Original beizufügen. Hierbei handelt es sich aber nicht bloß um eine Formvorschrift, sondern um eine materiell-rechtliche Voraussetzung im Vorsteuererstattungsverfahren. Ein Antrag ohne Originalbelege ist nicht bloß mangelhaft im Sinne eines Formgebrechens wie etwa das Fehlen einer Unterschrift, sondern es mangelt an der materiell-rechtlichen Voraussetzung eines wesentlichen von der Verordnung vorausgesetzten Tatbestandsmerkmals. Das Erfordernis der Vorlage der Originalrechnungen innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist dient nicht bloß der formellen Behandlung des Vorsteuererstattungsantrages oder soll diese erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen, sondern sind die Originale als unabdingbarer Teil eines vollständigen Antrages zu werten und (innerhalb der Ausschlussfrist) vorzulegen. Die Vorlage der Originalrechnungen dient auch dazu, dass die zuständige Behörde diese mit ihrem Sichtvermerk versieht, damit die Rechnungen nicht für einen weiteren Antrag dienen können (vgl. Art. 7 Abs. 3 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG ). Missbrauch und Steuerbetrugsfälle sollen auf diese Weise ausgeschaltet werden. Würde ein späteres Nachreichen von Originalrechnungen anerkannt werden, ist nicht auszuschließen, dass diese Rechnungen auch für einen weiteren Antrag dienen können bzw. dienen konnten. Es sind durchaus Fälle denkbar, dass trotz der Verpflichtung zur Anbringung eines Sichtvermerkes dieser nur ungenügend angebracht bzw. übersehen wird. Eine nicht verlängerbare Einreichfrist für die Originalbelege in allen Fällen schließt Missbrauchsfälle durch Mehrfachverwendung von Belegen jedenfalls weitestgehend aus.
Die Verpflichtung zur Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens außerhalb des Anwendungsbereiches des § 85 Abs. 2 BAO ist nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen wie bei (inhaltlichen) Mängeln eines Wiederaufnahmeantrages, Wiedereinsetzungsantrages, oder einer unvollständigen Berufung vorgesehen (vgl. §§ 303a Abs. 2, 309a Abs. 2, 275 BAO). Für "mangelhafte" bzw. unvollständige Vorsteuererstattungsanträge gibt es keine diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Bestimmung.
Diese Sichtweise ist auch durch die Erwägungen des VwGH zum NeuFöG begründbar. In seinem Erkenntnis vom 29.3.2007, 2006/16/0098, stellt der VwGH fest, dass der gemäß § 4 Abs. 1 NeuFöG vorzulegende amtliche Vordruck bei der Behörde gemeinsam mit dem Befreiungsantrag ein materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal für die Befreiung darstelle. Dieses müsse wie die übrigen vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Befreiung im Zeitpunkt der - rechtzeitigen - Antragstellung vorliegen. Eine spätere Vorlage könne den Tatbestand nicht mehr erfüllen, weil dieser eben die rechtzeitige Vorlage verlange. Eine diesbezügliche Vorlage im Berufungsverfahren reiche nicht. Die Notwendigkeit eines Mängelbehebungsverfahrens in diesem konkreten Fall verlangte der VwGH nicht.
Auch die Erstattungsverordnung lässt im Lichte der Richtlinienbestimmungen in ihrer Gesamtheit erkennen, dass eine Vorsteuererstattung nur bei Erfüllung ganz konkreter und rechtzeitig zu erfüllender Voraussetzungen ermöglicht werden soll. Das Erstattungsverfahren ist als ein durch Förmlichkeit und Strenge geprägtes Nachweisverfahren, als vereinfachtes Verfahren konzipiert, in dem der Aspekt der zügigen und sicheren Handhabung überwiegt (vgl. dazu die wiedergegebenen Argumente des vorlegenden Gerichtes in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 12.2.1998 "Société générale", Rechtssache C-361/96 , CELEX-Nr. 61996C0361, Rn. 16 und Urteil des EuGH vom 11.6.1998, C-361/96 , Rn. 19, CELEX-Nr. 61996J0361). Das dient nicht zuletzt auch dazu, den administrativen Aufwand für die zuständige Behörde im Hinblick auf ein verwaltungsökonomisches Verfahren zu optimieren. Ein "Massenverfahren", das zigtausende Antragstellungen pro Jahr mit sich bringt, ist nur dann vernünftig administrierbar, wenn die Verfahrensvorgaben seitens der Antragsteller eingehalten werden. Die rechtzeitige Vorlage der Originalrechnungen ist die notwendige Basis für eine zügige Bearbeitung. Als verfahrenserschwerend kommen im Erstattungsverfahren zudem oftmals Sprachbarrieren und Zustellungsprobleme im Ausland hinzu. Außerdem bedingen Kontaktaufnahmen mit ausländischen Unternehmen erhöhte Kosten mit erhöhtem Personalbedarf. Die Einhaltung der nötigen Formvorschriften und das Bestehen darauf sind für eine sparsame Verwaltungsführung im Bereich des Vorsteuererstattungsverfahrens daher unumgänglich und durch die Richtlinienbestimmung vorgegeben. Dazu kommt, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung sämtliche antragsrelevanten Originalbelege ohnehin bereits vorliegen müssen (bis zur Ausschlussfrist des 30. Juni des Folgejahres, somit jedenfalls seit zumindest einem halben Jahr), da ein Vorsteueranspruch nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 das Vorliegen einer Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 voraussetzt.
Die Vorgaben des Erstattungsverfahrens sind EU-weit durch die Richtlinien vorgegeben, bestimmt und publik gemacht. Die Ausfüllhinweise zum Vergütungsantrag enthalten den ausdrücklichen Hinweis auf die Ausschlussfrist und die Notwendigkeit der Vorlage der Originalbelege. Unternehmen, die sich dieses Verfahrens bedienen, ist die Einhaltung der Formstrenge und Vorgaben unter Anwendung der nötigen Sorgfalt zumutbar. Insbesondere sind die Vorgaben für alle Antragsteller (seit Jahren) insoweit gleich. Bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen ermöglicht § 308 BAO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer Frist.
Würde man bei nicht rechtzeitiger Vorlage der Originalbelege ein Mängelbehebungsverfahren zulassen, würde damit die gesetzlich bestimmte und durch die Höchstgerichte bestätigte Ausschlussfrist gewissermaßen ausgehebelt werden. Ein Antragsteller, der gerade noch ein Antragsformular innerhalb der Frist ohne jegliche Belege einreicht, um das Mängelbehebungsverfahren zur Sichtung und Vervollständigung der Belege abzuwarten, würde besser gestellt werden als ein Antragsteller, der den Antrag zwar ordnungsgemäß mit Originalbelegen aber z.B. um einen Tag verspätet einreicht.
Die Ausschlussfrist dient auch dazu, um nach Ablauf der Frist den finanziellen Bedeckungsbedarf des Staates feststellen zu können (vgl. in diesem Sinne VwGH 21.9.2006, 2004/15/0104 zur Frist im Zusammenhang mit der Investitionszuwachsprämie). Der Staat soll bis 30. Juni des Folgejahres in die Lage versetzt werden, die Vorsteuererstattungsansprüche ausländischer Unternehmer für das Vorjahr weitestgehend zu überblicken. Dies würde durch eine Ausdehnung der Frist aufgrund eines Mängelbehebungsverfahrens de facto unterlaufen.
Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben ist eine spruchgemäße Entscheidung - wie der BFH in seinem o.a. Urteil ausführt - jedenfalls geboten und müsste die Vorgangsweise eines Staates, der eine spätere Einreichung der Originalbelege akzeptiert auch unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsverzerrung auf Bedenken stoßen. Ein Staat, der die vorgegebene Frist de facto nicht in voller Strenge vollzieht, ist als Staat, in dem unternehmensbezogene Vorleistungen in Anspruch genommen werden können, unter Umständen attraktiver als ein Staat, der sich diesbezüglich strikt an die Richtlinienvorgaben hält.
An der Entscheidung vermag auch der Umstand, dass im berufungsgegenständlichen Fall innerhalb der Frist zumindest die Kopien der Rechnungen vorgelegt wurden, nichts zu ändern, da Kopien eben keine Originale sind und sich im Hinblick auf das Erfordernis der Anbringung eines Sichtvermerkes zur Vermeidung von Mehrfacheingaben als ungenügend erweisen. Beim gegebenen Sachverhalt liegt weiters kein vergleichbarer Ausnahmefall wie im EuGH-Verfahren zu Rs C-361/96 ("Société générale") vom 11.6.1998 vor. Die Originale sind nicht außerhalb des Einflussbereiches des Unternehmens abhanden gekommen, sondern wurden verspätet vorgelegt. Für die verpflichtende Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens nach § 85 Abs. 2 BAO lagen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor. Die von der Bw. zitierte Entscheidung des VwGH vom 27.4.1981, 17/2599/79, betraf die burgenländische LAO und das Fehlen einer Unterschrift. Für das berufungsgegenständliche Verfahren lässt sich daraus somit nichts gewinnen.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 25. Juni 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 3 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
Schlagworte: | Vorsteuererstattungsverfahren, Vorsteuererstattungsantrag, Vorsteuererstattung, Originalrechnungen, Rechnungen im Original, Antragsfrist, Originalbelege, Mängelbehebung, Mängelbehebungsverfahren |
Verweise: | VwGH 25.04.2002, 2000/15/0032 |