VwGH 2006/16/0098

VwGH2006/16/009829.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz vom 23. Mai 2006, Zl. RV/0701- L/05, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: D S), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §280;
BAO §295a;
NEUFÖG 1999 §4;
BAO §280;
BAO §295a;
NEUFÖG 1999 §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Dem Beschwerdefall liegt ein Übergabsvertrag vom 25. März 2004 zu Grunde, nach dem der Mitbeteiligte von seinem Vater ein als Einzelunternehmen geführtes Sägewerk samt - teilweise im Miteigentum der Mutter des Mitbeteiligten stehender - Liegenschaften übertragen erhielt. Gemäß Punkt 19 des Vertrages handle es sich um einen Betriebsübergang nach dem Neugründungs-Förderungsgesetz (NeuFöG).

In der an das beschwerdeführende Finanzamt gerichteten Abgabenerklärung gemäß § 10 GrEStG vom 18. Mai 2004 findet sich kein Hinweis auf eine Befreiung nach dem NeuFöG; in Punkt "7. Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung" wird auf § 15a ErbStG verwiesen.

Das beschwerdeführende Finanzamt schrieb dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 auf Basis einer Gegenleistung von EUR 96.821,63 Grunderwerbsteuer in der Höhe von EUR 1.936,42 vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, dass er mit Wirkung 31. Jänner 2004 den Betrieb von seinem Vater übernommen habe. In dem dem beschwerdeführenden Finanzamt übermittelten Übergabsvertrag sei unter Punkt 19 angeführt, dass es sich um eine Betriebsübertragung nach dem Neugründungs-Förderungsgesetz handle. Der Berufung sei eine Erklärung der Wirtschaftskammer Oberösterreich beigelegt, dass die Voraussetzungen vorlägen. Von der Festsetzung einer Grunderwerbsteuer sei daher Abstand zu nehmen.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2005 vom beschwerdeführenden Finanzamt als unbegründet abgewiesen, weil die Vorlage der Erklärung gemäß § 4 Abs. 1 NeuFöG eine materielle Befreiungsvoraussetzung darstelle und die Vorlage im Wege der Berufung bzw. der Hinweis auf das NeuFöG im Vertrag keinen Ersatz dafür darstelle.

In dem dagegen gerichteten Vorlageantrag vom 15. Juli 2005 wird vorgebracht, dass der vertragsverfassende Rechtsanwalt erklärt habe, die Erklärung nach dem NeuFöG dem Finanzamt vorgelegt zu haben. Das Formular sei der Grunderwerbsteuererklärung beigelegt worden.

Mit dem angefochten Bescheid hat die belangte Behörde den Bescheid des beschwerdeführenden Finanzamtes vom 12. Oktober 2004 dahin abgeändert, dass dem Mitbeteiligten anstelle von EUR 1.936,42 Grunderwerbsteuer in der Höhe von EUR 436,43 vorgeschrieben werde.

In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder, stellte die von ihr als maßgebend erachtete Rechtslage dar und führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst aus, die ordnungsgemäß und im Sinne des § 4 Abs. 1 NeuFöG vollständig ausgefüllte Erklärung (gegebenenfalls samt Bestätigung der Beratung) sei materielle Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Begünstigung. Im vorliegenden Fall habe der Mitbeteiligte erst im Berufungsverfahren den vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck NeuFö 3 dem unabhängigen Finanzsenat vorgelegt. Da für die Inanspruchnahme der Begünstigung die ordnungsgemäße und vollständige Vorlage der Erklärung NeuFö 3 eine materielle Voraussetzung darstelle, könne durch spätere Nachreichung einer Erklärung ein solcher Mangel nicht mehr saniert werden. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2003, BGBl. I Nr. 124/2003, sei jedoch die Bestimmung des § 295a BAO eingeführt worden. Danach könne ein Bescheid auf Antrag oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintrete, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches habe. § 4 Abs. 4 NeuFöG sei eine spezielle Rückwirkungsnorm, weil sie eine rückwirkende Berücksichtigung von nachträglich vorgelegten amtlichen Vordrucken für den Fall vorsehe, dass die Vorlage nicht möglich gewesen sei, weil der amtliche Vordruck zum Zeitpunkt der Neugründung oder Betriebsübertragung noch nicht aufgelegt gewesen sei. Da ein solcher Fall nicht vorliege, seien jene Sachverhalte, bei denen eine Vorlage des vollständig ausgefüllten Formblattes aus anderen Gründen unterblieben sei, nach den Kriterien des § 295a BAO zu beurteilen. Im NeuFöG sei die Anwendung dieser Bestimmung nicht ausgeschlossen, dem § 295a BAO werde durch eine speziellere Bestimmung nicht derogiert. § 4 Abs. 1 NeuFöG enthalte keine Befristung zur Vorlage der geforderten Erklärungen, weshalb auf amtliche Vordrucke, die die geforderten Erklärungen enthielten, auch im Berufungsverfahren Bedacht zu nehmen sei. Da sich der Mitbeteiligte vor der Übernahme des Betriebes nicht in vergleichbarer Art beherrschend betrieblich betätigt habe, sondern lediglich eine Berufsausbildung absolviert bzw. im Zuge eines Dienstverhältnisses im väterlichen Betrieb gearbeitet habe, stehe die bisherige Tätigkeit der Anwendung der begünstigenden Bestimmungen des NeuFöG nicht entgegen. Für die zum Betriebsvermögen zählenden Grundstücke, für die die Gegenleistung EUR 96.821,63 betrage, gelte hinsichtlich eines Betrages von EUR 75.000,-- die Steuerbefreiung des § 5a Abs. 2 Z. 2 NeuFöG. Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sei daher nur der diesen Betrag übersteigende Betrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Z. 2 NeuFöG wird zur Förderung der Neugründung von Betrieben (nach § 5a NeuFöG auch bei Betriebsübertragung) Grunderwerbsteuer für die Einbringung von Grundstücken auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage unmittelbar im Zusammenhang mit der Neugründung der Gesellschaft, soweit Gesellschaftsrechte oder Anteile am Vermögen der Gesellschaft als Gegenleistung gewährt werden, nicht erhoben.

§ 4 NeuFöG in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2002 lautet:

"§ 4. Die Wirkungen nach § 1 treten unter den Voraussetzungen der Abs. 1 bis 4 ein.

(1) Die Wirkungen nach § 1 Z 1 bis 6 treten nur dann ein, wenn der Betriebsinhaber bei den in Betracht kommenden Behörden einen amtlichen Vordruck vorlegt, in dem die Neugründung erklärt wird. Auf dem amtlichen Vordruck sind zu erklären:

  1. 1. das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2,
  2. 2. der Kalendermonat nach § 3,
  3. 3. jene Abgaben, Gebühren und Beiträge, bei denen die Wirkungen

    nach § 1 Z 1 bis 6 eintreten sollen.

(2) Die Wirkungen nach § 1 Z 7 treten nur dann ein, wenn der Betriebsinhaber ein amtliches Formular im Sinne des Abs. 1 erstellt.

(3) Auf dem amtlichen Vordruck muss in den Fällen des Abs. 1 und 2 bestätigt sein, dass die Erklärung der Neugründung unter Inanspruchnahme der Beratung jener gesetzlichen Berufsvertretung, der der Betriebsinhaber zuzurechnen ist, erstellt worden ist. Betrifft die Neugründung ein freies Gewerbe, so hat die entsprechend dem vorhergehenden Satz zuständige gesetzliche Berufsvertretung auch zu bestätigen, dass der Betriebsinhaber über grundlegende unternehmerische Kenntnisse verfügt. Kann der Betriebsinhaber keiner gesetzlichen Berufsvertretung zugerechnet werden, ist eine Beratung durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Anspruch zu nehmen. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, das Verfahren der Bestätigung sowie die Voraussetzungen, unter denen in Bagatellfällen ein solches Verfahren unterbleiben kann, mit Verordnung festzulegen.

(4) Konnten die Wirkungen des § 1 zunächst nur deshalb nicht eintreten, weil der amtliche Vordruck zur Erklärung der Neugründung noch nicht aufgelegt war, so treten bei nachträglicher Vorlage (Abs. 1) oder bei Ausstellung (Abs. 2) des amtlichen Vordrucks die Wirkungen des § 1 nachträglich (rückwirkend) ein. Abgaben und Gebühren im Sinne des § 1 Z 1 bis 6 sind in einem solchen Fall zu erstatten."

Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass wegen der Vorlage des amtlichen Vordruckes erst im Berufungsverfahren nach den Bestimmungen des NeuFöG keine Gebührenfreiheit eingetreten ist. Außer im Fall des § 4 Abs. 4 NeuFöG - der hier nicht vorliegt - muss nämlich der amtliche Vordruck "bei der Behörde" vorgelegt werden; das ist jene Behörde, die die Amtshandlung vollzieht bzw. bei der die dort beschriebenen Abgaben anfallen (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 2003, Zl. 2000/16/0362). Diese Behörde ist im vorliegenden Fall das beschwerdeführende Finanzamt.

Auch das NeuFöG selbst lässt in seiner Gesamtheit erkennen, dass die begünstigenden Wirkungen dieses Gesetzes nur bei Erfüllung bestimmter formeller Voraussetzungen - vgl. etwa die Vorlage eines Vordrucks als materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal (§ 4 NeuFöG) - eintreten (vgl. das Erkenntnis vom 4. Dezember 2003, Zl. 2003/16/0472). Die spätere Schaffung der Voraussetzungen wäre nur in dem im § 4 Abs. 4 NeuFöG beschriebenen Fall zulässig (vgl. das Erkenntnis vom 26. Juni 2003, Zl. 2000/16/0362).

Die belangte Behörde vertrat jedoch die Auffassung, die Anwendung des § 295a BAO saniere die nach dem NeuFöG verspätete Vorlage des amtlichen Vordruckes, weil nach § 295a BAO auch nachträgliche Änderungen zu berücksichtigen seien; eine solche sei die Vorlage des Formulares im Berufungsverfahren gewesen.

§ 295a BAO, eingeführt durch das Abgabenänderungsgesetz 2003, BGBl. I Nr. 124/2003, lautet:

"Ein Bescheid kann auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat."

Dazu wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (GP XXII RV 238 S 38) Folgendes ausgeführt:

"Im Unterschied zu § 175 Abs. 1 Z. 2 (deutsche) Abgabenordnung enthält die BAO keinen Verfahrenstitel zur Berücksichtigung rückwirkender Ereignisse. Gemeint sind Ereignisse, von denen sich aus Abgabenvorschriften eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt. Dies gilt beispielsweise für die (nachträgliche) Entrichtung ausländischer Quellensteuern, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen auf österreichische Abgaben anzurechnen sind. Diesfalls ist zweifelhaft, mit welchem Verfahrensmangel eine nachträgliche Berücksichtigung erfolgen kann (vgl. z.B. Ritz BAO-Kommentar, 2. Auflage, Wien 1999, § 295 Tz 25).

Eine legistische Lösung dieser Zweifelsfrage bzw. eine Schließung dieser Regelungslücke erscheint zweckmäßig (vgl. z.B. Schuch in Gassner/Lang/Lechner (HRSG), die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 59).

Ein weiteres Beispiel für ein solches 'rückwirkendes' Ereignis ist der Ersatz von grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung anzusehenden Aufwendungen (z.B. von Arzthonoraren) in einem der Verausgabung der Beträge folgenden Jahr. Ein solcher Kostenersatz führt nachträglich dazu, dass die Beträge nicht mehr nach § 34 EStG 1988 abziehbar wären (vgl. z.B. Doralt, Einkommensteuergesetz-Kommentar, 4. Auflage (Loseblatt), § 34 Tz 25 und 26).

Der neue Verfahrenstitel soll im Ermessen liegen. Dies ermöglicht vor allem, dass geringfügige Abänderungen von Bescheiden unterbleiben dürfen.

§ 295a BAO ermöglicht Durchbrechungen der Rechtskraft nur hinsichtlich der abgabenrechtlichen Folgen des betreffenden rückwirkenden Ereignisses. 'Verböserungen' in anderen Bereichen sind somit durch Abänderungen gemäß § 295a BAO nicht zulässig.

Das Antragsrecht der Partei stellt sicher, dass die Abgabenbehörde über ein auf Berücksichtigung rückwirkender Ereignisse gerichtetes Anbringen der Partei stets mit Bescheid absprechen muss."

Gemäß § 280 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge, die der Abgabenbehörde im Laufe des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gelangen, Bedacht zu nehmen, auch wenn dadurch das Berufungsbegehren geändert oder ergänzt wird.

Ein abändernder Bescheid nach § 295a BAO ist jeweils von der Abgabenbehörde erster Instanz zu erlassen, auch wenn der abzuändernde Bescheid von der Abgabenbehörde zweiter Instanz erlassen worden ist (vgl. Ritz, BAO-Kommentar3, Tz 44 zu § 295a, unter Hinweis auf Ellinger/Iro/Krammer/Sutter/Urtz, BAO Kommentar (Loseblatt), Anmerkung 11 zu § 295a). Wird ein Antrag auf Abänderung eines Bescheids nach § 295a vor der Beendigung des Verfahrens über eine gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gestellt, so kann seine Erledigung durch eine Berufungsvorentscheidung oder durch die Berufungsentscheidung erfolgen (vgl. § 280 BAO und Ellinger u.a., aaO).

Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde, tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich - aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften - eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt; gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Entscheidungen sind in der Regel keine Ereignisse im vorgenannten Sinn, es sei denn, dass eine Entscheidung Tatbestandselement ist, die die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Entscheidung zum Gegenstand hat oder gegebenenfalls ein (anderes) Tatbestandselement ändert (vgl. Ellinger u.a., aaO, Anmerkung 13 zu § 295a).

Bei der Vorlage des amtlichen Vordruckes (§ 4 NeuFöG) bei der Behörde gemeinsam mit dem Befreiungsantrag handelt sich um ein materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal für die Befreiung. Dieses muss, wie die übrigen vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für

die Befreiung, im Zeitpunkt der -

rechtzeitigen - Antragstellung vorliegen. Eine spätere Vorlage kann den Tatbestand daher nicht mehr erfüllen, weil dieser eben die rechtzeitige Vorlage verlangt. Die Vorlage des amtlichen Vordruckes im Berufungsverfahren bedeutet demnach keine für die Befreiung relevante nachträgliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung von rechtlichen Gegebenheiten; dadurch wird der Befreiungstatbestand nicht (mehr) erfüllt. § 295 a BAO dient nicht der Korrektur von fehlenden formalen Tatbestandselementen.

Im Beschwerdefall lag demnach ein Ereignis im Sinne des § 295a BAO nicht vor, weshalb die belangte Behörde diese Bestimmung zu Unrecht angewendet hat.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 29. März 2007

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