Doppelte Haushaltsführung - Zumutbarkeit der täglichen Heimfahrt
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des A, vertreten durch Mag. Manfred Vogrin WTH & SteuerberatungsGmbH, 8650 Kindberg, Hauptstraße 13, vom 4. Jänner 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag, vertreten durch Mag. Alexander Maicovski, vom 14. Dezember 2005 betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für das Jahr 2004 nach der am 8. April 2008 in 8018 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Den Berufungen wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen. Diese bilden einen Bestandteil des Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Für das Streitjahr machte der Bw. Betriebsausgaben für doppelte Haushaltsführung im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 10.284,62 Euro sowie damit in Zusammenhang stehende Vorsteuern in Höhe von 6.396,45 Euro geltend. Der Bw. gab dazu an, die tägliche Heimfahrt nach X (einfache Wegstrecke rund 120 Kilometer) sei ihm ebenso wenig zumutbar gewesen wie die Übersiedlung nach Wien, weil das Ende seiner Geschäftsführertätigkeit bereits für 30. März 2005 geplant gewesen sei. Er habe daher in Wien eine Eigentumswohnung erworben.
Die vom Bw. geltend gemachten Betriebsausgaben setzten sich zusammen aus der AfA von den Anschaffungskosten für die Wohnung in Höhe von 4.449,77 Euro, der AfA von den Kosten für die Einrichtung der Wohnung in Höhe von 4.124,30 Euro und den laufenden Betriebskosten in Höhe von 1.710,55 Euro. Die Vorsteuern betrafen die Einrichtung der Wohnung (6.001,72 Euro) sowie die laufenden Betriebskosten (394,73 Euro).
Vom Finanzamt wurden die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung bei der Veranlagung der Umsatz- und Einkommensteuer der Streitjahre steuerlich nicht berücksichtigt, weil die Wohnung erst kurz vor dem Pensionsantritt des Bw. angeschafft worden sei, obwohl er die Geschäftsführertätigkeit bereits seit mehreren Jahren ausgeübt habe. Die berufliche Veranlassung für die Anschaffung der Wohnung sei daher durch private Gründe überlagert worden.
In den gegenständlichen Berufungen wurde ausgeführt, der Bw. sei seit dem Jahr 1999 Geschäftsführer der G GmbH und der G GmbH & Co KG sowie der H GmbH und seit 1. September 2001 auch Geschäftsführer der S GmbH, alle mit Sitz in Wien, gewesen. Die operative Geschäftsführung der M GmbH mit Sitz in X habe der Bw. bereits im Dezember 2000 seinen Söhnen übertragen, weil diese Tätigkeit mit seinen Verpflichtungen in Wien nicht vereinbar gewesen sei. Im Rahmen seiner Geschäftsführungstätigkeit für die G GmbH und die G GmbH & Co KG sei dem Bw. bis Mai 2003 ein Quartier zur Verfügung gestellt worden, weil ein tägliches Pendeln zwischen X und Wien unzweckmäßig, vor allem aber unzumutbar gewesen sei. Die wöchentliche Arbeitszeit des Bw. habe 50 bis 60 Stunden betragen. Aufgrund einer schon im Jahr 2001 absehbaren Sitzverlegung und Liegenschaftsveräußerung der G GmbH und der G GmbH & Co KG habe sich der Bw. zum Kauf einer Eigentumswohnung entschlossen. Der Kauf dieser Wohnung sei im ursächlichen Zusammenhang mit den Geschäftsführungstätigkeiten gestanden und wäre ohne berufliche Verpflichtung in Wien nicht erfolgt. Das verbindliche Kaufanbot für die Wohnung sei im März 2001 erfolgt. Mit der Fertigstellung der Wohnung sei im August 2003 gerechnet worden. Die Zeit zwischen Mai 2003 und dem tatsächlichen Bezug der Wohnung im September 2003 habe der Bw. in einem Hotel überbrückt. Für das Vorliegen von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung sei es nach Ansicht des Bw. unerheblich, ob der Erwerb der Wohnung erst kurz vor dem Pensionsantritt erfolgt sei. Entscheidend sei vielmehr, ob die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zumutbar gewesen sei oder nicht. Da die tägliche Fahrzeit bei guter Verkehrslage für die Strecke X - Wien und zurück rund drei Stunden betrage (ca. 115 Kilometer in einer Richtung), sich die Verkehrssituation auf der Südautobahn im Großraum Wien immer weiter verschärft habe (kilometerlange Staus aufgrund einiger Dauerbaustellen) und die Fahrzeit daher häufig auch vier bis viereinhalb Stunden betragen habe, sei die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz jedenfalls unzumutbar gewesen. Die Aufwendungen für den Erwerb und die Nutzung der Eigentumswohnung seien daher betrieblich veranlasst gewesen. Die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen im Vergleich zu den Aufwendungen für die Miete eines gleichwertigen Quartiers stelle sich nicht, weil der Steuerpflichtige in der Wahl seiner Mittel frei sei. Im vorliegenden Fall seien für die doppelte Haushaltsführung Aufwendungen in Höhe von insgesamt 10.284,62 Euro als Betriebsausgaben geltend gemacht worden. Pro Monat sei das ein Betrag von 857 Euro, ein Vergleichswert, mit dem der Bw. als Mieter einer Wohnung jedenfalls zu rechnen gehabt hätte. Der vom Finanzamt vorgebrachten Begründung, für die Anschaffung der Wohnung seien überwiegend private Gründe ausschlaggebend gewesen, weil die Wohnung erst kurz vor dem Pensionsantritt des Bw. erworben worden sei, werde entgegnet, dass jedes Veranlagungsjahr für sich zu beurteilen sei, weshalb von der Pensionierung des Bw. im Jahr 2005 keine Rückschlüsse auf das Fehlen der betrieblichen Notwendigkeit der Anschaffung einer Wohnung in den Jahren davor gezogen werden könne. Die steuerlichen Folgen, die sich aus der Beendigung der Geschäftsführungstätigkeiten ergeben, seien ohnedies in den Steuererklärungen für das Jahr 2005 berücksichtigt worden.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.1.2000, 96/15/0205, VwGH 25.2.2003, 99/14/0340 und VwGH 27.5.2003, 2001/14/0121) seien die Aufwendungen für einen zweiten Wohnsitz als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn der zweite Wohnsitz beruflich bedingt sei. Ein beruflich bedingter Doppelwohnsitz liege vor, wenn der Steuerpflichtige an beiden Orten beruflich tätig sei oder beide Ehegatten an verschiedenen Orten beruflich tätig seien und eine tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz nicht zumutbar sei (auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung), wenn die Wohnung ausschließlich oder fast ausschließlich als Unterkunft auf betrieblich veranlassten Reisen verwendet werde und private Zwecke praktisch ausgeschlossen seien oder wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit mit bis zu vier oder fünf Jahren befristet sei. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes sei nur dann beruflich veranlasst, wenn dem Abgabepflichtigen weder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort noch - infolge der Entfernung - die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zugemutet werden könne.
Zur Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz führte das Finanzamt aus, im vorliegenden Fall betrage die Fahrstrecke zwischen dem Familienwohnsitz in X und der Arbeitsstätte in Wien laut Abfrage verschiedener Routenplaner ca. 110 Kilometer, wobei als Fahrzeit mit dem PKW pro Strecke zwischen einer Stunde und drei Minuten und einer Stunde und zehn Minuten angegeben werde. Zwar handle es sich um eine stark frequentierte Strecke, auf der die mit Hilfe der Routenplaner errechnete Fahrzeit nicht immer eingehalten werden könne, doch sei auch zu berücksichtigen, dass ca. 90% der Fahrstrecke aus Schnellstraßen und Autobahnen bestehe, die in der Regel ein zügiges Vorankommen ermöglichen, weshalb die Zurücklegung der Strecke in etwas mehr als einer Stunde möglich sei. Das Finanzamt vertrete daher die Ansicht, dass die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zumutbar sei, weshalb der Berufung schon aus diesem Grund nicht Folge gegeben werden könne. In diesem Zusammenhang verwies das Finanzamt auch auf die Verwaltungspraxis, wonach erst ab einer Entfernung von 120 Kilometer zwischen Familienwohnsitz und Arbeitsstätte eine tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar sei. Weiters verwies das Finanzamt nochmals auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.2.2003, 99/14/0430, mit dem die Beschwerde eines Rechtsanwaltes, der gemeint habe, aufgrund der Notwendigkeit, Überstunden zu leisten, sowie aufgrund der längeren Fahrzeiten bei schlechten Witterungsverhältnissen sei ihm die tägliche Rückkehr an seinen Familienwohnsitz nicht zumutbar, abgewiesen worden sei.
Weiters führte das Finanzamt aus, den Ausführungen des Abgabepflichtigen, der Kauf der Eigentumswohnung in Wien sei im ursächlichen Zusammenhang mit seiner Geschäftsführertätigkeit gestanden und für die Beurteilung der betrieblichen Notwendigkeit des Wohnungskaufs seien nur die Verhältnisse des Jahres 2004 und nicht die Tatsache seines Pensionsantrittes im Jahr 2005 heranzuziehen, könne nicht gefolgt werden. Die vom Bw. erworbene Wohnung habe eine Größe von rund 60m². Zu prüfen sei, ob nicht die berufliche Veranlassung für die Anschaffung dieser Wohnung durch private Gründe, wie etwa eine private Vermögensanlage oder eine künftige Wohnversorgung für Angehörige, überlagert werde. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt habe (vgl. VwGH 14.1.1992, 91/14/0198) seien Aufwendungen für eine Kleinwohnung (in diesem Fall handelte es sich um eine Garconniere mit einer Wohnfläche von 34m²) Betriebsausgaben, wenn die Wohnung ausschließlich oder fast ausschließlich als Unterkunft auf betrieblich veranlassten Reisen verwendet werde; private Zwecke für das Halten der Wohnung müssten praktisch ausscheiden. Eine private Vermögensanlage werde allerdings nicht anzunehmen sein, wenn die ausschließlich als Unterkunft auf betrieblich veranlassten Reisen oder als Büro verwendete eigene Wohnung auf längere Sicht geringere Aufwendungen verursache als eine Fremdunterkunft. Aus diesen Ausführungen sei ersichtlich, dass die Würdigung "auf längere Sicht" zu erfolgen habe. Im Hinblick auf die Einbeziehung künftiger Entwicklungen verwies das Finanzamt auch auf das Erkenntnis VwGH 26.11.1996, 95/14/0124, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausführte, dass die Verlegung des Wohnsitzes dann nicht zumutbar sei, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet sei. Nach Erreichen des 60. Lebensjahres sei einem Arbeitnehmer die Verlegung des Wohnsitzes daher nicht mehr zumutbar, wenn von vornherein feststehe, dass er die Berufstätigkeit - wie dies der allgemeinen Übung entspreche - spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen werde. Da der Bw. laut seinen Ausführungen in den Beilagen zu den Steuererklärungen für das Jahr 2004 geplant habe, seine Geschäftsführertätigkeit mit 30. März 2005 zu beenden, sei ihm eine Übersiedlung nach Wien im Jahr 2004 nicht mehr zumutbar gewesen. Der Bw. habe im Zeitpunkt der Anschaffung der Eigentumswohnung daher bereits gewusst, dass er diese nur mehr rund eineinhalb Jahre beruflich nutzen werde. Der Bw. habe bisher jedoch nicht dargelegt, warum ihm für die letzten eineinhalb Jahre vor seiner Pensionierung das Quartier als Geschäftsführer nicht mehr zur Verfügung gestellt worden sei bzw. warum er in dieser Zeit nicht weiterhin (wie in der Zeit vom Mai 2003 bis September 2003) im Hotel gewohnt oder für diese Zeit eine Wohnung gemietet habe. Wären für die Anschaffung der Wohnung tatsächlich (fast) ausschließlich betriebliche Gründe maßgebend gewesen, hätte die Wohnung mit Pensionsantritt (und somit Wegfall der beruflich bedingten Notwendigkeit) aufgegeben werden müssen. Es widerspreche aber der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Eigentumswohnung nach eineinhalb Jahre wieder veräußert werde. Für die Anschaffung der Wohnung habe die - von der Judikatur verlangte - ausschließliche berufliche Veranlassung gefehlt. Der Ankauf sei vielmehr aus Gründen erfolgt, die in der privaten Sphäre des Bw. gelegen seien, weshalb die Aufwendungen für die Anschaffung der Wohnung nicht als Werbungskosten abzugsfähig seien.
Im Vorlageantrag brachten der Bw. bzw. sein steuerlicher Vertreter zunächst vor, die Abgabenbehörde habe ihre Verpflichtung zur Erforschung aller tatsächlichen Verhältnisse nur unzureichend wahrgenommen und den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt. Ergänzend zur Berufung wurde ausgeführt, dass die vom Bw. wahrzunehmenden Geschäftsführungstätigkeiten ein hohes Maß an zeitlicher Disziplin und Pünktlichkeit verlangten. Um vereinbarte Termine ohne Zeitverlust wahrnehmen zu können, hätte der Bw. über die ohnehin schon langen Fahrzeiten hinaus zusätzliche Pufferzeiten einrechnen müssen, woraus sich bei täglicher Hin- und Rückfahrt ganz offenkundig und nachvollziehbar unzumutbare Verhältnisse ergeben hätten. Familienwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen sei das Eigenheim in X. Die Entfernung zum Beschäftigungsort in Wien habe 113 Kilometer betragen, wobei im Streitjahr weder die Semmeringschnellstraße noch der Ausbau der Strecke von Vösendorf zum Autobahnknoten Inzersdorf fertig gestellt gewesen seien. Allein die Fahrzeit über die Semmeringpassstraße habe um mindestens zehn bis fünfzehn Minuten länger gedauert (im Winter bedingt durch Witterung und Schitourismus noch um einiges mehr). Der Ausbau der Strecke von Vösendorf zum Autobahnknoten Inzersdorf sei im berufungsgegenständlichen Zeitraum erfolgt, weshalb der Zeitverlust auf dieser Strecke regelmäßig 30 bis 60 Minuten betragen habe.
Bei den Geschäftsführerbezügen des Bw. habe es sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit gehandelt. Die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung seien im Rahmen der Erzielung dieser Einkünfte angefallen, weshalb es sich um Betriebsausgaben gehandelt habe. Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung fallen jedoch häufig im Rahmen von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an. Da die in Literatur und Judikatur dazu getroffenen Aussagen von der Art der Einkünfte unabhängig seien, werde auch auf diese - im Zusammenhang mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit getroffenen - Aussagen sowie auf die entsprechenden Ausführungen in den Lohnsteuerrichtlinien Bezug genommen. Die zentrale Aussage zur doppelten Haushaltsführung werde in Rz 341 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 getroffen. Die Frage, ob anzuerkennende Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung vorliegen, sei somit in erster Linie danach zu beurteilen, ob eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz zumutbar sei. Liege diesbezüglich eine Unzumutbarkeit vor, sei die Erfüllung nur einer der beiden weiteren Bedingungen - in diesem Fall sei dies die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung - für die Anerkennung der Aufwendungen ausreichend. Die Verlegung des Familienwohnsitzes sei jedenfalls unzumutbar, wenn wie im vorliegenden Fall mit Gewissheit anzunehmen sei, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet sein werde, weil der Bw. spätestens mit Erreichung seines 65. Lebensjahres die Pension zu beanspruchen beabsichtigte. Die Frage, ob die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes privat veranlasst gewesen sei, stellt sich in diesem Fall nicht mehr. Im Übrigen habe weder ein eigener Bedarf nach privater Wohnversorgung noch ein solcher für Angehörige bestanden. Die Wohnung sei von der Bezugsfertigkeit bis zur Pensionierung ausschließlich betrieblich genutzt worden. Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 24.10.2002, 99/15/0147) können Aufwendungen für die eigene Wohnung in so einem Fall zu Betriebsausgaben führen.
Die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz sei nach den Ausführungen in den Lohnsteuerrichtlinien jedenfalls unzumutbar, wenn der Beschäftigungsort mehr als 120 km vom Familienwohnsitz entfernt sei. In begründeten Einzelfällen könne Unzumutbarkeit auch bei einer kürzeren Wegstrecke anzunehmen sein. Das Finanzamt habe die Berufung schon aufgrund der um sieben Kilometer unterschrittenen 120 Kilometer Grenze abgewiesen, ohne das Vorliegen der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles zu prüfen. Bereits in der Berufung sei auf die im Streitjahr bestehenden besonderen Stausituationen auf der Autobahn zwischen Guntramsdorf und dem Autobahnknoten Inzersdorf hingewiesen worden. Die vom Finanzamt herangezogenen Routenplaner seien nicht geeignet, die individuelle Verkehrssituation zu berücksichtigen und seien daher bestenfalls für die Ermittlung der Wegstrecke, nicht aber für die Ermittlung der Fahrzeit geeignet. Die Routenplaner verfügen überdies nicht über historische Daten, weshalb sie nur die jeweils aktuellsten Verbindungen (und Fahrzeiten) liefern. Wie bereits ausgeführt, sei im Streitjahr die Verbindung von Spital am Semmering bis Mariaschutz noch nicht dem Verkehr übergeben gewesen. Der Bundesstraßenanteil habe über die Semmeringpassstraße noch um 15 km mehr betragen und habe durch drei Ortsgebiete geführt. Die Geschwindigkeit sei über weite Teile mit 50 bis 60 Kilometer pro Stunde beschränkt gewesen und die einspurige Straße habe den gesamten Berufs- und Schwerverkehr aufnehmen müssen. Mit der Fertigstellung der Semmeringschnellstraße habe sich die Strecke um rund drei Kilometer und die Fahrzeit um rund 15 Minuten verkürzt. Auf der Strecke von X nach Wien habe es im Streitjahr somit zumindest zwei wesentliche Behinderungen gegeben, die ein zügiges Vorankommen (wie in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt) verhindert haben und für die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz sprechen. Das seien die Semmeringpassstraße und - noch wesentlicher - die umfangreichen Bauarbeiten zwischen den Autobahnknoten Vösendorf und Inzersdorf gewesen. Die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Familienwohnsitz sei anhand der tatsächlichen Fahrzeiten zu beurteilen. Der Bw. sei am 23. Mai 2006 von X nach Wien auf genau der Strecke gefahren, auf der er auch im Streitjahr gefahren sei. Er habe für diese Strecke unter idealen Bedingungen und unter Einhaltung aller Geschwindigkeitsbeschränkungen eine Stunde und 27 Minuten benötigt. Unter Berücksichtigung eines regelmäßig zu verbuchenden, vorsichtig geschätzten staubedingten Zeitverlustes von nur 15 Minuten auf der Strecke Vösendorf - Inzersdorf werde die Fahrzeit von 1,5 Stunden um elf Minuten überschritten. Die Unzumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt zwischen Beschäftigungsort und Familienwohnsitz ergebe sich daher einerseits aufgrund der Fahrzeit von regelmäßig mehr als 1,5 Stunden in einer Richtung und andererseits aufgrund der Möglichkeit geschäftsschädigender Folgen wegen ständiger Verspätungen. Die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung seien daher in voller Höhe anzuerkennen.
Das Finanzamt entgegnete dem Vorwurf, es habe die materielle Wahrheit nur unzureichend erforscht bzw. das Parteiengehör verletzt, damit, dass die Abgabenbehörde zunächst nur die berufliche Veranlassung der Anschaffung der Eigentumswohnung in Zweifel gezogen habe. Zur Klärung dieser Frage sei der Bw. mit Vorhalt vom 17. November 2005 aufgefordert worden, den Kaufvertrag und die Rechnungen (auch für die Einrichtung) vorzulegen sowie bekannt zu geben, welche Nutzung der Wohnung nach Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Bw. im Jahr 2005 geplant sei. Der Bw. habe die angeforderten Unterlagen vorgelegt und bekannt gegeben, dass die Wohnung nach seiner Pensionierung privat genutzt werde. Das Finanzamt vertrat aufgrund der vorgelegten Unterlagen die Ansicht, dass die Anschaffung der Wohnung nicht aus beruflichen Gründen erfolgt sei. In der Berufung sei auf die Ausführungen betreffend die private Veranlassung für den Kauf der Wohnung nur kurz eingegangen worden, während als Hauptargument für das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz genannt worden sei. Die Gründe für die Unzumutbarkeit seien vom Bw. in der Berufung klar dargelegt und ausführlich begründet worden, weshalb eine zusätzliche (mündliche) Befragung des Bw. keine neuen Erkenntnisse erwarten habe lassen. Der Sachverhalt sei vom Finanzamt vor Erlassung der Berufungsvorentscheidung daher als ausreichend erhoben angesehen worden.
In der am 8. April 2008 abgehaltenen Berufungsverhandlung führte der steuerliche Vertreter des Bw. zunächst ergänzend aus, dass der gegenständliche Fall betreffend die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz ein Grenzfall sowohl hinsichtlich der Entfernung (113 Kilometer) als auch hinsichtlich der Fahrzeit sei. Zu bedenken sei auch, dass dem Bw., wenn er die Wohnmöglichkeit in Wien nicht gehabt hätte, jedenfalls höhere Aufwendungen erwachsen wären, entweder für eine Hotelunterkunft oder in Form von höheren Fahrtaufwendungen für die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz. Der Bw. brachte dazu vor, er sei von 1999 bis 2005 in Wien tätig gewesen. In dieser Zeit habe zweieinhalb Jahre hindurch eine Baustelle im Bereich Vösendorf bestanden, weshalb seine Fahrzeit (im Streitjahr) regelmäßig rund zwei Stunden betragen habe. Meist sei er gezwungen gewesen, pünktlich um 9:00 Uhr zu Besprechungen in Wien zu sein und hätte die Stadt um etwa 17:00 Uhr wieder verlassen können. Er wäre somit regelmäßig in den Hauptverkehrszeiten unterwegs gewesen. Das Quartier, das ihm von der G GmbH bzw. von der G GmbH & Co KG zur Verfügung gestellt worden sei, habe er nur bis Mai 2003 benutzen können, weil sich dieses Quartier in der HD Straße befunden habe, wo die G GmbH bzw. die G GmbH & Co KG einen Standort gehabt haben, den sie im Jahr 2003 aufgeben haben müssen. Am neuen Standort in der P Straße habe keine Möglichkeit mehr bestanden, für ihn ein Quartier bereitzustellen. Weiters brachte der Bw. vor, dass er ursprünglich geplant gehabt habe, bis zum Jahr 2008 (bis zu seinem 65. Lebensjahr) in Wien als Geschäftsführer tätig zu sein. Aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmen habe er seine Tätigkeit aber bereits im Jahr 2005 beenden müssen. Derzeit habe er die Absicht, die Eigentumswohnung in Wien zu verkaufen, weil er sie privat nicht benötige und nur laufend Betriebskosten anfielen.
Der Vertreter des Finanzamtes brachte in der Berufungsverhandlung vor, dass die Beurteilung der Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (in diesem Zusammenhang verwies er auf das bereits in der Berufungsvorentscheidung zitierte Erkenntnis VwGH 25.2.2003, 99/14/0349) und des Unabhängigen Finanzsenates bei einer Strecke bis zu 120 Kilometer in typisierender Betrachtungsweise zu erfolgen habe. Auf der Strecke nach Wien gebe es immer Baustellen, weshalb diese keine zu berücksichtigende Besonderheit darstellten. Wesentlich für die Entscheidung des Finanzamtes sei gewesen, dass die Strecke von X nach Wien (auch schon im Streitjahr) zum größten Teil aus Autobahnen und Schnellstraßen bestanden habe. Auf den Einwand der Referentin, dass im Berufungsverfahren vorgebracht worden sei, dass die Semmeringschnellstraße im Streitjahr noch nicht ausgebaut gewesen sei und die Fahrt über die Semmeringpassstraße selbst bei guten Bedingungen um etwa zehn bis 15 Minuten länger gedauert habe als die vom Finanzamt mit Hilfe der Routenplaner ermittelte Fahrzeit, erwiderte der Vertreter des Finanzamtes, dass die tägliche Rückkehr des Bw. an seinen Familienwohnsitz dennoch zumutbar gewesen sei. Weiters brachte der Vertreter des Finanzamtes vor, dass bei der Geltendmachung von Kosten für eine doppelte Haushaltsführung selbst bei einer Mietwohnung die Angemessenheit der Aufwendungen zu überprüfen sei, umso mehr sei dies bei der Anschaffung einer Eigentumswohnung der Fall. Im Zeitpunkt der Anschaffung der Wohnung sei der Zeitraum ihrer Nutzung jedenfalls absehbar gewesen und die Wohnung sei auch für eine private Nutzung geeignet gewesen. Die Anschaffung der Wohnung sei nach Ansicht des Finanzamtes daher nicht betrieblich bedingt gewesen.
Der steuerliche Vertreter des Bw. entgegnete, dass der Bw. ursprünglich geplant gehabt habe, die Wohnung in Wien bis zum Jahr 2008 zu nutzen. Wenn man den Aufwendungen für die Wohnung Hotelkosten von zumindest 70 Euro pro Nacht gegenüberstelle, sei die Anschaffung der Wohnung jedenfalls wirtschaftlicher gewesen. Auf den Einwand der Referentin, ob auch die Miete einer Wohnung in Betracht gezogen worden sei, gab der steuerliche Vertreter des Bw. an, dies sei nicht der Fall gewesen. Ohne seine berufliche Tätigkeit in Wien hätte sich der Bw. die Wohnung jedenfalls nicht angeschafft. Der Bw. ergänzte in diesem Zusammenhang, dass für ihn bei der Anschaffung gerade dieser Wohnung deren verkehrsgünstige Lage entscheidend gewesen sei. Ob er in dieser Gegend auch eine passende Mietwohnung gefunden hätte, könne er heute nicht mehr sagen.
Der Vertreter des Finanzamtes entgegnete, dass der Bw. bisher stets vorgebracht habe, er habe geplant, seine Geschäftsführertätigkeit in Wien im Jahr 2005 zu beenden. Das Jahr 2008 als geplantes Ende dieser Tätigkeit sei heute erstmals genannt worden. Der Bw. bzw. sein steuerlicher Vertreter erwiderten, im Zeitpunkt der Anschaffung der Eigentumswohnung im Jahr 2001 habe der Bw. noch geplant gehabt, seine Tätigkeit in Wien bis zum Jahr 2008 fortzusetzen. Erst aufgrund späterer Entwicklungen im Unternehmen habe sich die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit bereits im Jahr 2005 ergeben.
Schließlich brachte der Vertreter des Finanzamtes vor, laut Rechtsprechung seien im Fall der doppelten Haushaltsführung nur die Aufwendungen für eine Kleinwohnung steuerlich zu berücksichtigen. Überdies habe der Bw. die Frage, warum er nicht eine Wohnung gemietet habe, bisher nicht beantwortet. Diesen Ausführungen entgegnete der steuerliche Vertreter des Bw., dass für die Anschaffung der konkreten Wohnung - wie bereits ausgeführt worden sei - deren örtliche Lage entscheidend gewesen sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Dasselbe gilt nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind demnach grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind (vgl. VwGH 23.5.2000, 95/14/0096, mwN).
Der Bw. war von 1999 bis 2005 in Wien als Geschäftsführer tätig. Seinen Familienwohnsitz in X hatte er während dieser Zeit beibehalten. Im Streitjahr vollendete der Bw. sein 62. Lebensjahr. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. VwGH 26.7.2007, 2006/15/0047). Es kommt somit nicht darauf an, ob in einem früheren Zeitraum, insbesondere bei Eingehen der Beschäftigung am neuen Beschäftigungsort, die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung gegeben war. Die Verlegung des Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht zumutbar, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet ist. Nach Erreichen des 60. Lebensjahres ist einem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes somit nicht mehr zumutbar, wenn feststeht, dass er die Berufstätigkeit spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres einstellen wird (vgl. VwGH 26.11.1996, 95/14/0124). Unabhängig davon, ob der Bw. im Zeitpunkt des Eingehens seiner Geschäftsführertätigkeit in Wien im Jahr 1999 die Absicht hatte, diese Tätigkeit bis zum Jahr 2008 (bis zur Erreichung seines 65. Lebensjahres) oder nur bis zum Jahr 2005 (wie zunächst vorgebracht wurde) fortzuführen, war die Verlegung des Familienwohnsitzes im Streitjahr aufgrund des Alters des Bw. jedenfalls unzumutbar.
Strittig ist, ob die tägliche Rückkehr des Bw. vom Beschäftigungsort an den Familienwohnsitz wegen der Entfernung im Streitjahr zumutbar war oder nicht. Die Strecke von X bis zum Ort der Beschäftigung des Bw. in Wien betrug im Streitjahr (vor dem Ausbau der Semmeringschnellstraße) 113 Kilometer. Das Finanzamt meinte nach Abfrage verschiedener Routenplaner, für diese Strecke benötige man (bei guten Wetter- und Straßenverhältnissen) höchstens eine Stunde und zehn Minuten. Eine Fahrzeit von etwas mehr als einer Stunde sei dem Bw. zumutbar. Das Finanzamt berücksichtigte bei seiner Argumentation jedoch den berechtigten Einwand des Bw. nicht, wonach im Streitjahr die Semmeringpassstraße noch nicht ausgebaut war. Daher war im Streitjahr nicht nur die Strecke um drei Kilometer länger, sondern auch Fahrzeit dauerte um zumindest zehn bis 15 Minuten länger als dies laut Abfrage der Routenplaner durch das Finanzamt der Fall war. Die Fahrzeit betrug im Streitjahr somit selbst bei guten Wetter- und Straßenverhältnissen jedenfalls knapp eineinhalb Stunden. Dabei sind die Verzögerungen, die sich aufgrund der im Streitjahr durchgehend bestehenden Baustelle im Bereich Vösendorf - Inzersdorf ergeben haben noch ebenso wenig berücksichtigt wie die auf dieser Strecke notorisch auftretenden Verzögerungen aufgrund von Verkehrsüberlastung und Unfällen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Bw. die Strecke jeweils zur Zeit des höchsten Verkehrsaufkommens hätte befahren müssen, weil er üblicherweise pünktlich um 9:00 Uhr in Wien sein musste. Darüber hinaus hätte der Bw. die Semmeringpassstraße benützen müssen, auf der Beeinträchtigungen durch Schlechtwetter in höherem Ausmaß gegeben gewesen wären als dies bei Fahrten (ausschließlich) im Flachland der Fall gewesen wäre. Angesichts dieser Umstände kann die tägliche Rückkehr des Bw. an seinen Familienwohnsitz nicht mehr als zumutbar angesehen werden. Die alleinige Tatsache, dass der Bw. den größten Teil der Strecke auf Autobahnen und Schnellstraßen zurücklegen hätte können, kann am Vorliegen der Unzumutbarkeit nichts ändern.
Auch nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis VwGH 8.2.2007, 2004/15/0102 reicht die bloße Angabe der Entfernung des Beschäftigungsortes vom Familienwohnsitz nicht aus, um die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr begründen zu können. Vielmehr sind die Art und Beschaffenheit der Wegstrecke, das Erfordernis, pünktlich am Arbeitsort eintreffen zu müssen, der Beginn und das Ende der Arbeitszeit, die "amtsbekannten" Verkehrsverhältnisse sowie einzukalkulierende andere Verzögerungen auf der zurückzulegenden Strecke zu berücksichtigen. Ebenso führte der Unabhängige Finanzsenat (vgl. UFS 6.4.2006, RV/0087-W/06) aus, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz nicht nur die Entfernung, sondern auch die Fahrzeit entscheidend ist. Der dem vom Finanzamt zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 25.2.2003, 99/14/0340) zugrunde liegende Fall ist mit dem vorliegenden insofern nicht vergleichbar als der Bw. in dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall nur eine Strecke von 86 Kilometer zurückzulegen hatte, die er unbestrittenermaßen in einer Zeit von rund einer Stunde bewältigen konnte.
Dem Einwand des Finanzamtes, nach der Verwaltungspraxis (Lohnsteuerrichtlinien 2002, Rz 342) sei die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr erst anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt sei und nur in begründeten Einzelfällen sei auch bei einer kürzeren Wegstrecke Unzumutbarkeit anzunehmen, ist entgegen zu halten, dass es sich bei den Lohnsteuerrichtlinien 2002 mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt um keine beachtliche Rechtsquelle handelt (vgl. VwGH 25.10.2000, 99/13/0016).
Da somit sowohl die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als auch die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz für den Bw. unzumutbar waren, sind die Aufwendungen des Bw. für die doppelte Haushaltsführung im Streitjahr dem Grunde nach als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Die Höhe der für den Zweitwohnsitz des Bw. im Streitjahr angefallenen und als Betriebsausgaben geltend gemachten Kosten betrug 10.284,62 Euro. Dieser Betrag setzte sich aus der AfA für die Anschaffung der Wohnung, aus der AfA für die Anschaffung der Einrichtungsgegenstände und aus den laufenden Betriebsausgaben zusammen.
Das Finanzamt wandte ein, abgesehen davon, dass dem Bw. die tägliche Rückkehr an seinen Familienwohnsitz zumutbar gewesen sei, sei nicht glaubwürdig, dass für die Anschaffung einer Eigentumswohnung durch den Bw. am Beschäftigungsort nur wenige Jahre vor seinem Pensionsantritt betriebliche Gründe ausschlaggebend gewesen seien. Der Bw. habe weder ausgeführt, warum ihm das Quartier in Wien ab Mai 2003 nicht mehr zur Verfügung gestellt worden sei, noch dargelegt, warum er für die bis zu seiner Pensionierung verbleibende Zeit nicht ein Hotelzimmer genommen oder eine Wohnung gemietet habe. Die Wohnungsaufwendungen seien daher auch aus diesem Grund nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.
In der mündlichen Berufungsverhandlung legte der Bw. ua. dar, dass er das Quartier, das ihm die G GmbH bzw. die G GmbH & Co KG in den ersten Jahren seiner Tätigkeit in Wien zur Verfügung gestellt habe, nicht bis zu seiner Pensionierung habe nutzen können, weil der Betriebsstandort, an dem sich das Quartier befunden habe, aufgegeben werden habe müssen. In der Zeit bis zum Bezug seiner Wohnung wohnte der Bw. in einem Hotel.
Diese Ausführungen sind glaubwürdig. Da dem Bw. die tägliche Rückkehr an seinen Familienwohnsitz nicht zumutbar war, war er ab Mai 2003 daher gezwungen, selbst für eine Unterkunft in Wien zu sorgen.
Berechtigt ist in diesem Zusammenhang der Einwand des Finanzamtes, dass er Bw. offenbar nicht einmal versucht hatte, für die bis zu seiner Pensionierung noch verbleibende Zeit eine geeignete Mietwohnung zu finden. Daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die Aufwendungen für die Wohnung des Bw. am Beschäftigungsort überhaupt nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, weil die Anschaffung der Wohnung durch private Gründe überlagert worden sei. Abgesehen davon, dass es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine private Vermögensanlage des Bw. oder für eine künftige Wohnversorgung von Angehörigen des Bw. gibt, führte selbst das Finanzamt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nochmals VwGH 14.1.1992, 91/14/0198) aus, dass eine private Vermögensanlage nicht anzunehmen sei, wenn die als Unterkunft verwendete eigene Wohnung auf längere Sicht geringere Aufwendungen verursache als eine Fremdunterkunft. Das Finanzamt führte in der Folge jedoch nicht aus, ob bzw. inwieweit die Unterbringung des Bw. in einem Hotel bzw. in einer Mietwohnung finanziell günstiger gewesen wäre als die Anschaffung der Eigentumswohnung.
Der vom Bw. im Streitjahr tatsächlich aufgewendete Betrag entspricht einem Monatsbetrag von 857 Euro. Der Bw. meinte, mit diesem Betrag hätte er als Mieter einer Wohnung in Wien jedenfalls auch zu rechnen gehabt. Dieser Ansicht ist aus folgenden Gründen zuzustimmen:
In der Entscheidung UFS 14.3.2007, RV/2330-W/07, führte der Unabhängige Finanzsenat aus, der Bundesfinanzhof (vgl. BFH 9.8.2007, VI R 23/05 und VI R10/06) habe zu der mit Österreich vergleichbaren deutschen Rechtslage entschieden, die notwendigen Mehraufwendungen für eine Wohnung am Beschäftigungsort seien im Rahmen der doppelten Haushaltsführung mit den Kosten für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60m² bei Ansatz eines ortsüblichen Durchschnittsmietzinses zu beschränken. Wie der Unabhängige Finanzsenat weiter ausführte, sei davon auszugehen, dass auch in Österreich mit einer durchschnittlich ausgestatteten 60m² Wohnung mit einem ortsüblichen Durchschnittsmietzins jedenfalls das Wohnbedürfnis einer einzelnen Person an ihrem Beschäftigungsort zweckentsprechend erfüllt werde. Die dafür anfallenden Kosten seien als die unvermeidbaren Mehraufwendungen anzusehen, die dem Steuerpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen müsse. Da es nur auf die Kosten ankomme, sei die tatsächliche Größe der Wohnung unbeachtlich.
Diese Grundsätze können auf den gegenständlichen Fall übertragen werden. Die Monatsmiete pro Quadratmeter Nutzfläche wurde im oa. Fall für die in diesem Fall ebenfalls in Wien gelegene Wohnung für das Jahr 2006 mit 9,74 Euro geschätzt. Dieser Wert wurde anhand einer Aufstellung auf www.Immobilien.net betreffend Angebotsnettomieten für das 4. Quartal des Jahres 2006 ermittelt.
Geht man für das Jahr 2004 von einer um rund 10% niedrigeren Nettomiete aus, so ergibt sich für eine 60m² Wohnung ein Betrag von rund 526 Euro (monatliche Nettomiete) bzw. von rund 6.311 Euro (jährliche Nettomiete). Der vom Bw. für das Streitjahr als Betriebsausgabe geltend gemachte Betrag an AfA für die von ihm angeschaffte Eigentumswohnung betrug hingegen nur rund 4.450 Euro. Die Aufwendungen für die Einrichtung der Wohnung (AfA) sowie für die Betriebskosten wären auch bei einer Mietwohnung (neben der Nettomiete) angefallen. Da die vom Bw. als Unterkunft am Beschäftigungsort verwendete eigene Wohnung somit geringere Aufwendungen verursacht hatte als eine Fremdunterkunft, waren die vom Bw. geltend gemachten Aufwendungen als Betriebsausgaben anzuerkennen.
Dass die Aufwendungen für ein Hotelzimmer geringer gewesen wären als jene für die eigene Wohnung ist angesichts des vom Bw. genannten, durchaus realistischen Betrages von rund 70 Euro für eine Hotelübernachtung auszuschließen.
Da der Bw. - wie bereits ausgeführt wurde - auch bei der Miete einer Wohnung Aufwendungen für die Einrichtung und die Betriebskosten zu tragen gehabt hätte, sind die mit diesen Aufwendungen im Zusammenhang stehenden, vom Bw. tatsächlich bezahlten Vorsteuern ebenfalls steuerlich anzuerkennen.
Beilage: 2 Berechnungsblätter
Graz, am 28. April 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | doppelte Haushaltsführung, Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz, zweckentsprechende Wohnung |
Verweise: | VwGH 23.05.2000, 95/14/0096 |