UFS RV/0199-G/07

UFSRV/0199-G/0731.10.2007

Berufungsergänzung betr. mündliche Verhandlung vor dem gesamten Berufungssenat; Wiederaufnahme des Verfahrens nach Lohnsteuerprüfung iZm einer Selbstanzeige (§ 29 FinStrG); Endgültigerklärung eines vorläufigen ESt-Bescheides

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/15/0300 eingebracht. Mit Erk. v. 28.5.2009 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0511-G/09 erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch N & N Steuerberatungs-GmbH, 8010 Graz, Herdergasse 11, vom 14. Februar 2007, gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 23. Jänner 2007 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2002 (§ 303 Abs. 4 BAO) und Einkommensteuer für das Jahr 2002 (vorläufiger Sachbescheid gem. § 200 Abs. 1 BAO) entschieden:

Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2002 wird als unbegründet abgewiesen.

Der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig erklärt.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) erklärte für das Jahr 2002 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 34.160,- auch einen Verlust aus selbständiger Arbeit als Musiker und Komponist in Höhe von € -20.615,-. Aus dieser Tätigkeit sind im Zeitraum 1998 (Betriebseröffnung) bis zum Streitjahr 2002 Verluste in Höhe von insgesamt rund € 100.000,- (rd. ATS -1.376.000,-) angefallen.

Nach einem für das Streitjahr 2002 vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz bereits durchgeführten Berufungsverfahren (UFS 24.3.2005, RV/0307-G/04 u. RV/0357-G/04), das unter anderem die Frage der Vorläufigkeit des am 11. März 2004 erstmals ergangenen Einkommensteuerbescheides (§ 200 Abs. 1 BAO) zum Gegenstand hatte, wurde vom Finanzamt - soweit es für den Streitfall von Belang ist - das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2002 mit Bescheid vom 23. Jänner 2007 von Amts wegen wieder aufgenommen (§ 303 Abs. 4 BAO). Begründet wurde dies damit, dass beim Bw für diesen Zeitraum ein berichtigter (neuer) Lohnzettel übermittelt worden sei. Im gleich datierten neuen Sachbescheid wurden die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für das Jahr 2002 in berichtigter Höhe von € 322.760,33 angesetzt.

In der dagegen erhobenen Berufung wird zur Wiederaufnahme des Verfahrens zunächst vorgebracht, dass entgegen § 303 Abs. 4 BAO keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen würden. Dies deshalb, weil der Bw wegen nicht korrekter Lohnabrechnungen durch den früheren Dienstgeber mittels Selbstanzeige vom 13. August 2002 (Einschreiben) bekannt gegeben habe, dass er im Kalenderjahr 2002 noch einen der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer unterliegenden Geldbetrag in Höhe von insgesamt € 291,963,11 (S 4.017.500,-) zusätzlich bezogen hat. Die Selbstanzeige und Bekanntgabe dieses Betrages sei damit bereits vor der Ausfertigung des vorläufigen Einkommensteuerbescheides 2002 vom 11. März 2004 erfolgt.

Im Zuge eines beim früheren Dienstgeber laufenden Konkursverfahrens, das in der Folge am 25. Jänner 2007 durch Zwangsausgleich abgeschlossen wurde, habe das Finanzamt zwei Tage vor diesem Zwangsausgleich den Wiederaufnahmebescheid für das Jahr 2002 vom 23. Jänner 2007 erlassen und diese Entscheidung auf Wiederaufnahmegründe iSd § 303 Abs. 4 BAO gestützt. Nach telefonischer Rücksprache vom 27. Jänner 2007 habe der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamtes dem steuerlichen Vertreter dazu angegeben, dass die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2002 mit Bescheid vom 23. Jänner 2007 darauf beruhe, dass im Akt des Bw seit dem Kalenderjahr 2004 ein berichtigter Lohnzettel für das Jahr 2002 aufliege. Der dieser Auskunft entsprechende Lohnzettel, der (unter der Kennzahl 245) einen Betrag von € 288.600,43 ausweist, stelle aber keinen geeigneten Wiederaufnahmegrund dar, da dieser Betrag geringer ist als der mit der Selbstanzeige des Bw vom 13. August 2002 dem Finanzamt zur Kenntnis gebrachte Geldbetrag von € 291.963,11 (S 4.017.500,-). Damit seien in der Zeit vom 11. März 2004 (Ausfertigung des vorläufigen Einkommensteuerbescheides 2002) bis zum 23. Jänner 2007 (Ausfertigung des Wiederaufnahmebescheides 2002) keine Tatsachen neu hervorgekommen, die eine Verfahrenswiederaufnahme begründen. Aus diesem Grund sei der angefochtene Wiederaufnahmebescheid rechtswidrig ergangen.

In Bezug auf den vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheid 2002 (§ 200 Abs. 1 BAO) wird vom Bw begehrt, die Einkommensteuer entsprechend den Ansätzen in der seinerzeit eingereichten Einkommensteuererklärung zu veranlagen und einen endgültigen Bescheid zu erlassen. Im Verlauf des bisherigen Verfahrens wurde gegenüber dem Finanzamt dazu vorgetragen, dass der Bw aus seiner (zunächst nebenberuflich betriebenen) musikalischen Tätigkeit seit dem Jahr 2003 ausschließlich Gewinne erziele und diese Betätigung nach der Beendigung seines Dienstverhältnisses im Jahr 2002 auch seinen Hauptberuf darstelle. Soweit das Finanzamt die Vorläufigkeit des ergangenen Abgabenbescheides auf die Ungewissheit über das Vorliegen einer steuerlich beachtlichen Einkunftsquelle gestützt hat, sei dessen Aufrechterhaltung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr gerechtfertigt. Ergänzend zu diesem Vorbringen wird vom Bw auf jüngere Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.4.2006, 2004/15/0038 und VwGH 17.5.2006, 2001/14/0223) hingewiesen.

Die Berufung wurde der Abgabenbehörde zweiter Instanz ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt.

Mit ergänzender Eingabe an den unabhängigen Finanzsenat vom 23. März 2007 begehrt der Bw, dass mit Rücksicht auf die steuerliche Thematik und die Höhe des Steuerbetrages eine mündliche Berufungsverhandlung abgehalten und die Entscheidung durch alle Mitglieder des Berufungssenates getroffen werden möge.

Über die Berufung wurde erwogen:

Zum ergänzenden Begehren auf mündliche Berufungsverhandlung vor dem gesamten Berufungssenat ist zunächst auszuführen, dass die Entscheidung über Berufungen gemäß § 282 Abs. 1 BAO grundsätzlich dem Referenten obliegt. Die Zuständigkeit des Berufungssenates besteht (ausnahmsweise) nur dann, wenn die antragsberechtigte Partei die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat in der Berufung (§ 250), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) beantragt, oder wenn der Referent eine derartige Entscheidung verlangt.

Zufolge § 284 Abs. 1 BAO hat eine mündliche Verhandlung über eine Berufung stattzufinden, wenn dies in der Berufung (§ 250), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) beantragt wird, oder wenn es der Referent (§ 270 Abs. 3) für erforderlich hält.

Vorliegendenfalls wurde in der Berufung vom 14. Februar 2007 weder die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, noch die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat begehrt. Da dem am 23. März 2007 nachgereichten Schreiben aber keine Qualifikation einer Berufung (oder eines Vorlageantrages) zukommt, vermag die nachgereichte Ergänzung auch keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung oder die Zuständigkeit des gesamten Senates zu erwirken (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, § 282, Tz. 4 u. § 284, Tz. 2 und die dort zitierte Judikatur).

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen (ua.) in jenen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als im Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten. Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde der Sachverhalt im abgeschlossenen Verfahren so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, § 303 Tz 7, Tz 10 u. Tz 14 mwH).

Zur Selbstanzeige des Bw (§ 29 FinStrG) ist dem Akteninhalt zu entnehmen, dass diese über seinen Rechtsanwalt im August 2002 bei der Finanzstrafbehörde 1. Instanz (Finanzamt Graz-Stadt) eingebracht und in Kopie an den damaligen Präsidenten der Finanzlandesdirektion übermittelt worden ist. Darin wurde u.a. eine Abgabenverkürzung aus unrichtigen Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum 1998 bis 2002 in Höhe von insgesamt S 351.000,- angegeben und auf die Übertragung von Prämien aus einer vom früheren Dienstgeber für den Bw einbezahlten Kapitalversicherung in Gesamthöhe von S 3,6 Mio anlässlich der Beendigung seines Dienstverhältnisses (April 2002) hingewiesen. Da eine Berücksichtigung dieses Betrages im Zuge der folgenden Lohnverrechnung nicht stattgefunden habe, stelle sich daher die Frage, ob dieser Betrag steuerlich zutreffend behandelt worden ist (Einschreiben an den FLD-Präsidenten vom 14. August 2002).

Mit Schreiben der Steuerberatungskanzlei an die Amtsleitung des Finanzamtes Graz-Stadt vom 11. Februar 2004 wurde unter Hinweis auf die im Jahr 2002 eingebrachte Selbstanzeige ausgeführt, dass die Finanzbehörde die Frage der Steuerpflicht der Kapitalversicherung des Bw bis dato nicht beantwortet hat. Da die Unsicherheit über die steuerliche Beurteilung dieses Themas den Bw außerordentlich belaste, wird um eine zeitnahe Aufklärung in dieser Angelegenheit ersucht. In weiterer Folge wurde die für den FLD-Präsidenten ausgefertigte Kopie der Selbstanzeige vom 14. August 2002 und die Eingabe vom 11. Februar 2004 an die Amtsleitung des Finanzamtes vom steuerlichen Vertreter am 5. Mai 2004 per Telefax auch an den Sachbearbeiter des Finanzamtes Graz-Stadt (betriebliche Veranlagung) übermittelt und darin ersucht, vor einer etwaigen endgültigen Erledigung mit dem Parteienvertreter Kontakt aufzunehmen.

Daraus tritt bereits zutage, dass die (bei der Finanzstrafsachenstelle) im Jahr 2002 eingereichte Selbstanzeige der für die Einkommensteuerveranlagung zuständigen Organisationseinheit erst nach dem Ergehen des Erstbescheides (vorläufiger Einkommensteuerbescheid 2002 vom 11. März 2004) im Mai 2004 übermittelt wurde und dass der diesem Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unvollständig gewesen ist. Klarheit über die maßgebliche Sachlage (Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) wurde erst im weiteren Verfahrensverlauf aufgrund der beim früheren Dienstgeber des Bw durchgeführten Lohnsteuerprüfung (GPLA-Prüfung) geschaffen. Diese Prüfung begann aktenersichtlich am 12. Juli 2004 und wurde mit Schlussbesprechung vom 19. Oktober 2004 beendet.

Damit sind nach der erfolgten Ausfertigung des vorläufigen Einkommensteuerbescheides vom 11. März 2004 (Erstbescheid) aus der Sicht des hier in Rede stehenden Verfahrens (Einkommensteuerveranlagung) sehr wohl Tatsachen neu hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO aufgrund der späteren Feststellungen des Lohnsteuerprüfers begründet haben (vgl. Ritz, aaO., § 303, Tz. 14). Da die für das Streitjahr 2002 (nach der Schlussbesprechung vom 19. Oktober 2004) berichtigten Lohnzetteldaten dem Sachbearbeiter der betrieblichen Veranlagung im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides noch nicht vorlagen, erweist sich die Wiederaufnahme des Verfahrens somit als berechtigt. Die vom Bw angesprochene betragsmäßige Divergenz zwischen der "bei der Finanzstrafbehörde 1. Instanz" eingebrachten Selbstanzeige und den im (neu ergangenen) Einkommensteuerbescheid vom 23. Jänner 2007 erfassten (berichtigten) Einkünften berührt nicht die nachträglich gewonnene Sachkenntnis im Einkommensteuerverfahren für das Jahr 2002. In Ansehung der sich daraus (unmittelbar) ergebenden steuerlichen Auswirkung hat das Finanzamt sein Ermessen mit dem Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) vor jenem der Rechtsbeständigkeit sowie nach den Grundsätzen von Billigkeit (berechtigtes Parteiinteresse) und Zweckmäßigkeit (öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgaben) iSd § 20 BAO auch gesetzeskonform ausgeübt.

Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, wenn die Ungewissheit beseitigt ist.

Voraussetzung für die Erlassung vorläufiger Bescheide ist eine zeitlich bedingte Ungewissheit über das Vorliegen bzw. den Umfang einer Abgabepflicht, wobei es sich um Ungewissheiten im Tatsachenbereich handeln muss. Vorläufige Bescheide dürfen vor allem dann erlassen werden, wenn in der Zukunft liegende Sachverhalte entscheidungsrelevant sind. So kann nach der Judikatur für die Frage, ob Liebhaberei vorliegt, die Kenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung künftiger Jahre bedeutsam sein (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, § 200, Tz 1 und Tz. 5 mwH).

Zur Frage der vorläufigen Abgabenfestsetzung hat der unabhängige Finanzsenat in der Berufungsentscheidung vom 24. März 2005, RV/307-G/04 und RV/0357-G/04 betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2002 und 2003 (im Fall des Bw) die Auffassung vertreten, dass wegen der kurzen Zeitspanne zwischen der Betriebseröffnung (1998) und dem zuletzt vorgelegenen Streitjahr 2003 - Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit wurden vom Bw erstmals ab dem Jahr 1999 und ein Gewinn ab 2003 erzielt - noch keine endgültige Aussage über das Vorliegen einer Einkunftsquelle oder steuerlich unbeachtlichen Liebhaberei getroffen werden kann. Als Ungewissheit im Tatsachenbereich wurde neben der weiteren Einnahmen- und Ausgabenentwicklung (zB Frage der Minimierung von Aufwendungen) auch die Unsicherheit angesprochen, ob das positive Betriebsergebnis im Jahr 2003 nicht ein bloß zufällig erwirtschafteter Gewinn gewesen ist (sondern eine Trendwende anzeigt).

Zu den vom Bw ins Treffen gebrachten Verwaltungsgerichtshoferkenntnissen ist zunächst auszuführen, dass im Erkenntnis vom 17. Mai 2006, Zl. 2001/14/0223 (Rechtslage vor Inkrafttreten der Liebhabereiverordnung) im Zusammenhang mit der Frage der Verjährung eines nach vorläufiger Abgabenfestsetzung für endgültig erklärten Einkommensteuerbescheides dargelegt wird, dass die Verwaltungsbehörde vorläufige Bescheide zu erlassen hat, wenn noch ungewiss ist, ob eine Liebhaberei oder eine Einkunftsquelle vorliegt (VwGH 24.10.2000, 95/14/0085). Da dies nach dem Ablauf des Beobachtungszeitraumes aber endgültig zu entscheiden ist, beantworte dies zugleich die Frage, wann im Fall einer vorläufigen Bescheiderlassung die Ungewissheit wegfällt und dementsprechend ein endgültiger Bescheid erlassen werden muss.

Nachdem die frühere Rechtsprechung als maßgeblichen Beobachtungszeitraum für die endgültige Beurteilung einer Einkunftsquelle schon beim "gewöhnlichen" Tätigkeiten eine Zeitdauer von etwa acht Jahren als erforderlich angesehen hat (vgl. VwGH 6.11.1984, 84/14/0078, VwGH 25.6.1985, 85/14/0022 und VwGH 18.11.1987, 86/13/0132 zu Einkünften aus Gewerbebetrieb), erscheint die Annahme eines längeren Beobachtungszeitraumes bei künstlerischen (musikalischen) Tätigkeiten, deren wirtschaftliche Entwicklung nicht in gleicher Weise wie bei anderen Erwerbszweigen gestaltbar sein wird, nicht unsachlich (dies erlaubt auch einen besseren Einblick in die Sachlage und damit eine zuverlässigere Beurteilung der Betätigung).

Im gleichfalls vorgebrachten Erkenntnis vom 20. April 2006, Zl. 2004/15/0038, das die Rechtslage zur Liebhabereiverordnung 1993 betrifft, führt der Gerichtshof unter anderem aus, dass die in § 2 Abs. 1 Z 6 LVO angesprochenen Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage einen Hinweis auf die Gewinnerzielungsabsicht von Steuerpflichtigen geben. Dabei gehe es nicht darum, die fragliche Betätigung danach zu untersuchen, ob sie objektiv geeignet ist, Gewinne abzuwerfen, sondern vielmehr darum, ob die einzelnen Maßnahmen darauf gerichtet sind, Erträge zu erhöhen bzw. Aufwendungen zu mindern, und daraus den Schluss zu ermöglichen, dass die subjektive Einstellung des Pflichtigen auf Gewinnerzielung gerichtet ist. Im Rahmen dieses Kriteriums wäre auch dem Umstand Bedeutung beizumessen, dass sich der Pflichtige kontinuierlich an Wettbewerben (für Architekten) beteiligt und damit (in Bezug auf das mögliche Preisgeld) auch eine entsprechende "Initiative" an den Tag gelegt hat.

Damit hat der Bw die Rechtsprechung für sich, die bei typisch erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten (§ 1 Abs. 1 LVO) im Zuge der (Kriterien)Prüfung vor allem darauf abstellt, ob die vom Steuerpflichtigen gesetzten Verbesserungsmaßnahmen ihrer Art nach geeignet sind, eine Ertragssteigerung herbeizuführen. Ob die Maßnahmen tatsächlich zum Erfolg führen, ist dabei nicht entscheidend (vgl. VwGH 23.2.2005, 2002/14/0024). Da in der ho. Berufungsentscheidung vom 24. März 2005 bestimmte Maßnahmen des Bw im Jahr 2003 (insbes. Neuformation der Musikgruppe, Intensivierung von Konzertauftritten, Verlagerung des wirtschaftlichen Engagements auf den musikalischen Erwerbszweig) bereits als Besserungsmaßnahmen iSd § 2 Abs. 1 Z 6 LVO angesehen wurden und die (im Zeitpunkt der ho. Erledigung vorgelegene) Ungewissheit über die wirtschaftliche Entwicklung in den anschließenden Perioden beseitigt werden konnte - im Zeitraum 2003 bis 2005 wurden positive Betriebsergebnisse von rund € 2000,- bis € 4.500,- erzielt -, wäre im Rahmen der neuerlichen Bescheiderlassung (im Jahr 2007) schon für das Jahr 2002 eine endgültige Beurteilung zu treffen gewesen. Der unwidersprochene Wandel von der bisherigen Nebentätigkeit zum Hauptberuf (Strukturverbesserung) dokumentiert die Absicht des Bw auf eine gewinnorientierte Befassung mit seiner Tätigkeit als Musiker, Komponist und Sänger.

Der am 23. Jänner 2007 ergangene vorläufige Einkommensteuerbescheid 2002 war demnach gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig zu erklären. Entgegen dem Berufungsbegehren waren die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aber nicht nach dem früheren Wissensstand (vor Wiederaufnahme des Verfahrens) sondern mit dem vom Finanzamt berichtigten und der Höhe nach unbestrittenen Betrag von € 322.760,33 anzusetzen.

Der Berufung war somit ein teilweiser Erfolg beschieden.

Graz, am 31. Oktober 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 282 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 200 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993

Schlagworte:

Wiederaufnahme des Verfahrens, Lohnsteuerprüfung, GPLA-Prüfung, Selbstanzeige, Lohnzettel, Liebhaberei, Künstler, Musiker, Beobachtungszeitraum, Verbesserungsmaßnahmen, Strukturverbesserung, Endgültigerklärung, endgültiger Bescheid

Verweise:

VwGH 23.02.2005, 2002/14/0024
VwGH 20.04.2006, 2004/15/0038

Stichworte