Kürzung von Pauschalsätzen bei Unterbringung eines behinderten Kindes in einem Heim für betreutes Wohnen
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Adr, vom 15. September 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 6. September 2006 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
In seiner Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 führte der Berufungswerber aus, die
- 1.) Beiträge seiner Gattin im Rahmen der Selbstversicherung an die VGKK stellten Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag dar. Seine Gattin selbst könne mangels Lohnsteuerpflicht keine Arbeitnehmerveranlagung durchführen.
- 2.) Bei den an die Lebenshilfe gleisteten Zahlungen handle es sich nicht um solche für eine Schulausbildung außerhalb des Wohnortes. Sie seien vielmehr für die Tätigkeit eines behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe bezogen werde, in einer Behindertenwerkstätte entrichtet worden. Als Aufwendungen im Sinne des § 5 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen seien sie zusätzlich zum Pauschbetrag nach Abs. 1 leg. cit. in voller Höhe und ohne Abzug "eines Selbstbehaltes" zu gewähren.
Der Berufungswerber wies im weiteren darauf hin, dass die an die Lebenshilfe entrichteten Kosten wie 2.) in den Steuerbescheiden für 2002 und 2003 anerkannt worden seien.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Es führte aus:
- ad 1.) Werbungskosten lägen nur dann vor, wenn ein Zusammenhang mit der eigenen beruflichen Tätigkeit bestehe. Zwischen den Beiträgen der Gattin des Berufungswerbers zur Kranken- und Pensionsversicherung und dessen eigener Berufstätigkeit sei ein solcher nicht zu erkennen. Ein Abzug als Werbungskosten komme daher nicht in Betracht. Verwiesen wurde weiters auf die diesbezügliche Berufungsvorentscheidung betreffend die Einkommensteuer für 2003.
- ad 2.) Es sei unstrittig, dass der Sohn T des Berufungswerbers im Streitjahr an 269 Tagen in einem Wohnheim für betreutes Wohnen untergebracht gewesen sei. Der Freibetrag von 262 € monatlich (vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen), der gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303 idF BGBl. II 1998/91, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten zu gewähren gewesen sei, sei daher gemäß Abs. 2 leg. cit. pro Tag des Aufenthaltes im Internat (Pflegeheim, Behindertenheim) um ein Dreißigstel zu vermindern gewesen. Das Finanzamt stellte rechnerisch den Abzug der Dreißigstelbeträge gemäß § 5 Abs. 3 obgenannter Verordnung (269 x 8,73 = 2.348,37 €) plus des Pflegegeldes (4.242 €) vom Aufwand für betreutes Wohnen und Arbeiten (5.255,01 €) plus Freibetrag gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung (3.144 €) dar. Es ergab sich ein als außergewöhnliche Belastung anzuerkennender Betrag von 1.808,64 €.
In seinem daraufhin eingebrachten Antrag auf Vorlage seiner Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz wandte der Berufungswerber ein:
- ad 1.) Die Beiträge im Rahmen der Selbstversicherung der Gattin seien richtigerweise Sonderausgaben für Personen des begünstigten Personenkreises, nicht aber Werbungskosten.
- ad 2.) Die an die Lebenshilfe Vorarlberg entrichteten Beträge seien nicht solche für die Unterbringung in einem Vollinternat. Der Pauschbetrag verringere sich daher nicht um 1/30 pro Tag des Aufenthaltes. Die genannten Aufwendungen seien für die Tätigkeit des behinderten Kindes, für welches erhöhte Familienbeihilfe bezogen werde, in einer Behindertenwerkstätte bezahlt worden. Es handle sich um Kosten, die zusätzlich zum Pauschale in voller Höhe ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen seien. Er verwies auf § 5 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen. Die Unterbringung im Wohnheim der Lebenshilfe entspreche nicht dem Wesen eines Internats, weil sie nichts mit Ausbildungs- oder Schulmaßnahmen zu tun habe, sondern dem Behinderten helfe, sich sanft vom Elternhaus loszulösen. Für ihn und seine Gattin stelle die Unterbringung ihres Sohnes in dem Wohnheim keine Entlastung, sondern im Gegenteil, eine außergewöhnliche psychische - nicht bloß finanzielle - Belastung dar.
Über die Berufung wurde erwogen:
ad 1.) § 18 Abs. 1 EStG 1988 umschreibt eine Reihe von Ausgaben, die bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen sind, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Zu ihnen gehören etwa die unter Z 2. leg. cit. umschriebenen Beiträge und Versicherungsprämien. In Ergänzung des Abs. 1 bestimmt Abs. 3 leg. cit., dass der Steuerpflichtige derartige Ausgaben auch dann absetzen kann, wenn er sie für seinen nicht dauernd getrennt lebenden Ehepartner gemäß § 106 Abs. 3 EStG 1988 leistet.
Laut Aktenlage war die Ehegattin des Berufungswerbers im Streitjahr geringfügig beschäftigt. Aus einem Schreiben der VGKK geht hervor, dass sie aufgrund ihrer Selbstversicherung 592,29 € an Beiträgen zur Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 19 a ASVG entrichtet hat. Durch ihre Option in das System der gesetzlichen Sozialversicherung wurde die Gattin des Berufungswerbers einem Arbeitnehmer, der Beiträge zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung leistet, gleichgestellt. Es liegen somit Pflichtbeiträge im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 vor. Da es sich bei den in Streit stehenden Beiträgen also ihrem Charakter nach um Werbungskosten handelt, kommt ein Abzug als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 3 EStG 1988 beim Ehepartner nicht in Betracht. Auch die Begleitumstände, dass der Gattin die Möglichkeit einer steuerlichen Geltendmachung fehlt und der Berufungswerber die Beiträge entrichtet hat, vermögen daran nichts zu ändern (vgl. Sailer, Bernold, Mertens, Kranzl, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Band I, Ausgabe 2003, Wien, Selbstverlag, § 18, S 358, unten).
ad 2.) Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 €, vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage) zu berücksichtigen.
Nach Abs. 2 leg. cit. vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag bei Unterbringung in einem Vollinternat pro Tag des Internatsaufenthalts um je ein Dreißigstel.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist, zusätzlich zum gegebenenfalls verminderten Pauschbetrag nach Abs. 1, das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
Strittig ist, ob der Pauschbetrag gemäß § 5 Abs 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. I 2001/416, gemäß Abs. 2 leg. cit. zu kürzen ist und in welcher Höhe die Kosten im Sinne des Abs. 3 leg. cit. in Ansatz zu bringen sind.
Nicht strittig ist, dass der Sohn T des Berufungswerbers an 269 Tagen des Streitjahres in einem Wohnheim für betreutes Wohnen untergebracht war, sowie, dass Pflegegeld in Höhe von 4.242 € bezogen wurde.
Die vom Berufungswerber vertretene Meinung, wonach die Unterbringung eines behinderten Kindes in einem Heim für betreutes Wohnen nicht mit einer Internatsunterbringung gleichzusetzen sei, ist nicht zu teilen. Nach steuerrechtlichem Verständnis der außergewöhnlichen Belastung kommt es nämlich nicht auf die Schul- oder Ausbildungskomponente an, sondern darauf, dass durch die auswärtige Unterbringung bestimmte - sonst naturgemäß im Elternhaus anfallende - Ausgaben für Essen, Wäsche, Zimmerreinigung u.ä. erspart werden. Die Kürzung des Pauschbetrages gemäß Abs. 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen meint nämlich nicht, wie offenbar vom Berufungswerber angenommen, einen Selbstbehalt, sondern eine solche Haushaltsersparnis. Da T unstrittigerweise an 269 Tagen des Streitjahres in einem Wohnheim für betreutes Wohnen untergebracht war, ist somit dem Erfordernis für eine Kürzung der Monatspauschbeträge um ein Dreißigstel pro Tag des Heimaufenthaltes Rechnung getragen.
Vor Berücksichtigung der Aufwendungen für den Besuch der Behindertenwerkstätte, ist somit der pauschale Freibetrag gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen von 262 € monatlich, pro Tag des Heimaufenthaltes um je ein Dreißigstel gemäß Abs. 2 leg. cit. zu kürzen. D. h. :
262 x 12 = | 3.144,00 € |
minus 8,73 x 269 = | - 2.348,37 € |
gekürzter Pauschbetrag | 795,63 € |
Der gekürzte Freibetrag ist um die Kosten für die Behindertenwerkstätte zu erhöhen. Der so ermittelte Betrag ist um das bezogene Pflegegeld zu kürzen:
gekürzter Pauschbetrag | 795,63 € |
Kosten betreutes Wohnen und Arbeiten | 5.255,01 € |
Zwischensumme | 6.050,64 € |
minus Pflegegeld | - 4.242,00 € |
außergewöhnliche Belastung | 1.808,64 € |
Bezüglich vorstehender Berechnung wird verwiesen auf Sailer, Bernold, Mertens, Kranzl, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Band I, Ausgabe 2003, Wien, Selbstverlag, § 34, S 600, Lohnsteuerrichtlinie 862. Vgl. auch Lohnsteuerrichtlinien 864 und 857, sowie das Erkenntnis des VwGH vom 26.9.2000, 99/13/0190.
Der Rechtsnatur des § 34 EStG 1988, wonach nur vermögensmindernde Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, entspricht es, dass Aufwendungen insoweit steuerlich Beachtung finden, als sie vom Steuerpflichtigen endgültig aus Eigenem getragen werden müssen. Daher sind etwa auch ursächlich im Zusammenhang stehende Ersätze wie pflegebedingte Geldleistungen bei Ermittlung der Belastung in Abzug zu bringen (Müller, Freibeträge für behinderte Kinder, SWK 8/1998, S 239 ff) - auch hier handelt es sich nicht um einen im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1988 in Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens des Steuerpflichtigen im Kalenderjahr zu errechnenden Selbstbehalt.
Aus Obenstehendem ist überdies abzuleiten, dass die "außergewöhnliche Belastung" im steuerrechtlichen Sinn - und nur diese ist hier Gegenstand der Erörterung - eine monetäre Belastung meint: Der Steuerpflichtige ist mit anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu vergleichen. Sind seine finanziellen Belastungen solcherart, dass sie über die typischerweise wiederkehrenden Kosten der normalen Lebensführung der Vergleichspersonen hinausgehen, handelt es sich um außergewöhnliche Belastungen im steuerlichen Sinn. Gefühlsmäßige Belastungen, wie sie der Berufungswerber im Zusammenhang mit der Trennung von seinem Sohn zu verarbeiten hat, sprengen naturgemäß den Rahmen der steuerrechtlichen Materie und können darin keine Berücksichtigung finden.
Dem Vorwurf, dass in vorangegangenen Jahren die geltend gemachten Beträge ungekürzt berücksichtigt wurden, hat bereits die Abgabenbehörde I. Instanz unter Hinweis auf Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 3. Auflage, Linde Verlag, Wien 2005, § 114, TZ 9, entgegnet: Die Abgabenbehörde ist nicht gehindert, eine einmal gewählte Vorgangsweise für spätere Zeiträume als rechtswidrig zu beurteilen. Sie ist vielmehr sogar verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen.
Der Berufung war aus den dargestellten Gründen insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Feldkirch, am 6. Februar 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 18 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Mehraufwendungen, behindertes Kind, Pauschalsätze, erhöhte Familienbeihilfe, pflegebedingte Geldleistungen, Internat, Kürzung, Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung, geringfügig beschäftigte Gattin, gesetzliche Sozialversicherung, Werbungskosten, Sonderausgaben, begünstigter Personenkreis |