UFS RV/0256-K/05

UFSRV/0256-K/0514.9.2006

Arbeitslosengeld als Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., Tw., vom 13. Juli 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom 15. Juni 2005 betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum April 2005 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2005 urgierte der Bw. die Zahlung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für April 2005. Im Einzelnen führte der Bw. aus, dass sein Sohn H. beim BFI in S. einen EDV-Grundkurs über das Arbeitsmarktservice besuchte. Seiner Ansicht nach müsste ihm für diesen Monat die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag zustehen.

Das Finanzamt wertete die Eingabe als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und wies das Ansuchen mit Bescheid vom 15. Juni 2005 als unbegründet ab. Im Einzelnen wurde § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zitiert und darauf verwiesen, dass der Kursbesuch am BFI "Grundlagenkurs Word/Excel mit Internet" keine Berufsausbildung darstelle.

Der Kursbestätigung des BFI K. ist Folgendes zu entnehmen:

"Wir bestätigen, dass Herr H.P., geb. am xy, wohnhaft in Tw., den 125-stündigen EDV-Grundlagenkurs Word/Excel mit Internet seit 14.03.2005 in unserem Ausbildungszentrum besucht. Nachstehend folgende Informationen betr. oben genannten Kurs:

Kursende: 15. April 2005 Kurstage: Mo - Fr, 08:00 - 12:30 Uhr Tests: 1x-wöchentlich Gesamtwiederholung (18.03, 25.03, 01.04, 08.04.2005) Abschlussprüfung: 14. April 2005 Da der oben genannte Kurs eine Arbeitsmarktservice-Maßnahme ist, erhält das Kärntner Berufsförderungsinstitut von Herrn P. keinen Kursbeitrag."

Aktenkundig ist eine Mitteilung des Arbeitsmarktservice vom 24. März 2005. Darin wurden das Arbeitslosengeld, die Beihilfe zu den Kursnebenkosten sowie die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes bis voraussichtlich 15. April 2005 bemessen.

Gegen den Bescheid erhob der Bw. Berufung im Schriftsatz vom 13. Juli 2005. Im Einzelnen führte er aus, dass der Kurs vom Arbeitsmarktservice angeordnet worden sei. Das Lehrverhältnis zur Firma G. hätte durch Austritt beendet werden müssen, da die Firma in Konkurs gegangen sei. Sein Sohn hatte an der Beendigung des Lehrverhältnisses kein Verschulden. Die Arbeitsmarktservice-Bezüge wären wegen des Konkurses der Firma notwendig geworden.

Im Rahmen der Erhebungen überprüfte der Unabhängige Finanzsenat die vom Arbeitsmarktservice W. dem Finanzamt übermittelten Daten. Dabei wurde Folgendes festgestellt: die dem Finanzamt vom Arbeitsmarktservice übermittelten Daten (Bezugsbestätigung vom 15. März 2005, Mitteilung über Leistungsanspruch vom 24. März 2005, Bezugsbestätigung vom 29. März 2005), die ursprünglich den Bezug von Arbeitslosengeld und die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes (Beihilfe zu den Kursnebenkosten) bescheinigten, wurden im Laufe des Jahres 2005 geändert. Im Einzelnen bezog H.P. im strittigen Zeitraum weder Arbeitslosengeld noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes (Beihilfe zu den Kursnebenkosten). Vielmehr bevorschusste das Arbeitsmarktservice W. die H.P. zustehende Kündigungsentschädigung (Urlaubsentschädigung). Arbeitslosengeld wurde ausschließlich in der Zeit vom 1. August 2005 bis 11. September 2005 bezogen.

Darüber hinaus bestätigte das Arbeitsmarktservice W., dass H.P. in der Zeit vom 1. Februar 2005 bis 11. September 2005 als arbeitssuchend vorgemerkt war.

Über die Berufung wurde erwogen:

Zunächst wird auf die Berufungsentscheidungen RV/0254-K/05 und RV/255-K/05 verwiesen.

Im Berufungsfall steht folgender Sachverhalt unbestritten fest: Der Sohn des Bw. beendete sein Lehrverhältnis zur Firma G. zum 31. Jänner 2005 durch Austritt, da das Konkursverfahren über die Firma eröffnet wurde. Über Initiative des Arbeitsmarktservice besuchte der Sohn des Bw. in der Zeit vom 14. März 2005 bis 15. April 2005 den EDV-Grundlagenkurs Word/Excel mit Internet beim BFI K.. Während des Kurses bezog H.P. vermeintlich Arbeitslosengeld, eine Beihilfe zu den Kursnebenkosten und eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes.Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Weiter bestimmt § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967, dass ein Familienbeihilfenanspruch auch für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht, wenn sie aa) weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten und bb) bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices als Arbeitsuchende vorgemerkt sind und weder einen Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, haben noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten; das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch eine Bestätigung des Arbeitsmarktservices nachzuweisen.

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch für ein in Abs. 1 genanntes Kind jene Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Im gegenständlichen Fall sind Voraussetzung für den Familienbeihilfenanspruch für den volljährigen Sohn entweder das Absolvieren einer Berufsausbildung oder eine Arbeitsuchendmeldung beim Arbeitsmarktservice ohne Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 oder eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice zu haben, wobei letztere Voraussetzung durch eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice nachzuweisen ist.

In der Zeit vom 14. März 2005 bis 15. April 2005 nahm H. an dem EDV-Kurs teil. Das Arbeitsmarktservice bemaß den Bezug einer Beihilfe nach dem Arbeitsmarktservicegesetz. Bei dem Kurs handelte es sich um einen 125-stündigen EDV-Grundlagenkurs Word/Excel mit Internet.

Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das Gesetz nicht. Unter diesem Begriff sind sicher alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird. Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung jedenfalls mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes (vgl. VwGH vom 18.11.1987, 87/13/0135). An dieser Begriffsumschreibung hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinen Erkenntnissen vom 23.10.1999, 87/14/0031 und vom 7.9.1993, 93/14/0100, festgehalten: Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Eine Ausbildung für einen konkreten Beruf und damit eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 liegt bei obigem Kurs aber nicht vor. Insoweit teilt der Unabhängige Finanzsenat die Ansicht des Finanzamtes.

Zu klären ist im Streitfall aber, ob nicht § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 einen Anspruch auf Familienbeihilfe (KAB) vermittelte. § 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 sieht für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dann einen die Familienbeihilfe vermittelnden Tatbestand vor, wenn sie aa) weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten und bb) als Arbeitssuchende bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vorgemerkt sind und weder ein Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, haben noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten.

Wie bereits in den Berufungsentscheidungen RV/0255-K/05 und RV/0254-K/05 umfassend dargelegt, gab es im Streitfall eine wesentliche Neuerung im Zusammenhang mit der Qualifizierung der Leistungen, die H.P. vom Arbeitsmarktservice bezog. Das Arbeitsmarktservice wies zunächst die an H.P. erbrachten Leistungen als Arbeitslosengeld bzw. Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes (Beihilfe zu den Kursnebenkosten) aus. Tatsächlich leistete das Arbeitsmarktservice aber lediglich einen Vorschuss auf seine Kündigungsentschädigung. Über diese Umstände wurde das Finanzamt nicht verständigt. Lediglich aus den im Februar 2006 dem Finanzressort übermittelten Daten des Arbeitsmarktservice und Telefonaten des Unabhängigen Finanzsenates mit dem Arbeitsmarktservice ergab sich, dass H.P. in der Zeit vom 1. Februar 2005 bis 31. Juli 2005 einen Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung und nicht Arbeitslosengeld oder eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes erhielt. Selbst die Beihilfe zu den Kursnebenkosten wurde laut Auskunft des Arbeitsmarktservice von der Kündigungsentschädigung in Abzug gebracht. Die Grundlage für die Vorschussleistung bildet § 16 Abs. 2 AlVG:

"Ist der Anspruch auf Kündigungsentschädigung strittig, oder wird Kündigungsentschädigung aus sonstigen Gründen nicht bezahlt, wird das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für diesen Zeitraum als Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung gewährt. Wird der Arbeitgeber von der Gewährung des Vorschusses verständigt, so geht der Anspruch des Arbeitslosen auf die fällige Kündigungsentschädigung für denselben Zeitraum auf den Bund zugunsten der Arbeitslosenversicherung in der Höhe des als Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) gewährten Vorschusses über und ist vom Arbeitgeber unbeschadet von Übertragungen, Verpfändungen oder Pfändungen der Kündigungsentschädigung vorrangig zu befriedigen. Das Recht auf gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruches verbleibt jedoch beim Arbeitnehmer. Wird Insolvenz-Ausfallgeld nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl Nr. 324/1977, für die Kündigungsentschädigung beantragt, so gilt das Gleiche hinsichtlich dieses Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld und der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds tritt an die Stelle des Arbeitgebers. Findet der Übergang statt, so ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Bedachtnahme auf Abs. 1 lit. k neu zu bemessen."

Artikel II § 6 Abs. 1 AlVG regelt die Leistungen der Arbeitslosenversicherung: "Als Leistungen der Arbeitslosenversicherung werden gewährt: 1. Arbeitslosengeld; 2. Notstandshilfe; 3. Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung; 4. Weiterbildungsgeld; 5. Altersteilzeitgeld; 6. Übergangsgeld nach Altersteilzeit; 7. Übergangsgeld."

Laut der schriftlicher Mitteilung des Arbeitsmarktservice W. an den Unabhängigen Finanzsenat war H.P. im strittigen Zeitraum als arbeitssuchend gemeldet.

Zusammenfassend ist festzuhalten: H.P. hatte im strittigen Zeitraum das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet, hat weder den Präsenzdienst oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst geleistet, war bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W. als arbeitssuchend gemeldet und hat weder eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 bezogen noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten. Die Vorschüsse auf seine Kündigungsentschädigung sind nicht als Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu qualifizieren.

Arbeitslosengeld iS des § 6 Abs. 1 AlVG erhielt H.P. lediglich in der Zeit vom 1. August bis zum 11. September 2005.

§ 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967 vermittelte im strittigen Zeitraum einen Anspruch auf Familienbeihilfe (KAB). Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Klagenfurt, am 14. September 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 lit. f FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 16 Abs. 2 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977
§ 6 Abs. 1 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977

Schlagworte:

Berufsausbildung, Arbeitsmarktservice, Konkurs des Arbeitgebers, Vorschuss auf die Kündigungsentschädigung

Stichworte