UFS RV/0458-G/05

UFSRV/0458-G/051.2.2006

Studienabbruch und -wechsel wegen Krankheit

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/16/0112 (früher 2006/15/0137) eingebracht. Mit Erk. v. 5.11.2009 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0940-G/09 erledigt.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Herrn Dipl. Ing. G.Z. in XY., vom 10. März 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom 9. Februar 2005 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum 1. November 2002 bis 30. September 2004 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

 

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Gewährung der Familienbeihilfe wurde vom Finanzamt Graz-Stadt die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Tochter des Berufungswerbers (Bw.) mit Bescheid vom 9. Februar 2005 für den Zeitraum November 2002 bis September 2004 mit folgender Begründung rückgefordert:

Ihre Tochter D. hat das Studium an der Akademie für den physiotherapeutischen Dienst am Landeskrankenhaus Graz mit 31.10.2002 abgebrochen und wechselte mit Wintersemester 2002/2003 an die Karl-Franzens-Universität Graz zur Studienrichtung Bakkalaureat Betriebswirtschaft. Wird jedoch das Studium nach dem dritten inskribierten Semester gewechselt, fällt der Anspruch auf Familienbeihilfe weg.
Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) standen Ihnen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für den genannten Zeitraum nicht zu.

Die gegen den Rückforderungsbescheid vom 9. Februar 2005 eingebrachte Berufung begründete der Bw. wie folgt:

Mit Schreiben vom 9.2.2005, übernommen am 15.2.2005, erhielt ich den Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.

Gegen diesen Bescheid erhebe ich fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und begründe dies wie folgt:

Der Abbruch des Studiums an der Akademie für den physiotherapeutischen Dienst am Landeskrankenhaus Graz erfolgte aus rein gesundheitlichen Gründen.

Chronologie des Krankheitsverlaufs:

Ende August 2001 traten bei meiner Tochter permanente Kopfschmerzen mit erhöhter Temperatur auf. Darauf erfolgte der Besuch beim Hausarzt. Diagnose des Arztes: Verdacht auf Hirnhautentzündung, (weiterer Verdacht des Arztes Gehirntumor)

Krankenstand vom 3.9. - 18.9.2001

Am 10.9.2001 erfolgte ein Kopfröntgen, am 21.9.2001 ein Kopf CT.

Anschließend erfolgte die Überweisung zu einem Neurologen. (Befunde ohne Ergebnis!)

21.9.-24.9.2001 Zwangsabzug aus dem Pflichtpraktikum

28.9.-12.10.2001 Krankenstand bzw. Zwangsabbruch des Pflichtpraktikums aufgrund der Krankheit.

Behandlung wegen auftretender Depressionen

Nachdem keine Besserung eintrat und keine Diagnose möglich war erfolgte ein Arztwechsel

Aufgrund des langen Krankheitsverlaufs und des Abbruch des Pflichtpraktikums musste das erste Ausbildungsjahr wiederholt werden.

Auch der neue Arzt findet keine Ursache des Krankheitsverlaufes bzw. welche Krankheit vorliegt.

Es erfolgte Akupunkturtherapie ohne Besserung

Weiterbehandlung der Depressionen

Anfang Mai 2002: Auftreten von Ekzemen vorwiegend an Hüfte und Hals

Mitte Mai 2002 Überweisung an Allergieambulanz LKH Graz.

Allergie-Tests ohne bestimmte Diagnose bzgl. der Ekzeme

Juli 2002 Diagnose: Borreliose

Antibiotika - Behandlung folgend

Weitere Krankenstände im Ausbildungsjahr 2001/2002 großteils wegen der oben genannten Symptome.

September 2002 - weiterer Krankenstand

31.10.2002 - Abbruch der Ausbildung

Die entsprechenden Befunde bzw. Krankenstandsbestätigungen können auf Wunsch jederzeit nachgereicht werden.

Auf Grund des obigen Sachverhaltes ersuche ich um Behebung des Bescheides vom 9.2.2005 und um Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für meine Tochter für den Zeitraum November 2002 bis einschließlich September 2004.

Das Finanzamt erließ mit 2. Juni 2005 eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte zusammenfassend aus, dass gemäß § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz (StudFG) kein günstiger Studienerfolg vorliegt, wenn der Studierende das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) wechselt.
Da die Tochter nach ihrem zweiten Ausbildungsjahr einen Wechsel des Studiums vorgenommen hat, stand die Familienbeihilfe gem. § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 nicht zu.

Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2005 beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte als Begründung Folgendes aus:

Gegen die mir am Montag, dem 6.6.2005 zugestellte Berufungsvorentscheidung beantrage ich innerhalb offener Frist die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Als Gründe für meine Berufung gegen die Berufungsvorentscheidung vom 2.6.2005 führe ich an, dass ausschließlich die in meiner Berufung vom 7.3.2005 beschriebene Erkrankung und deren Verlauf sowohl den Abbruch des Studiums meiner Tochter an der Akademie für den physiotherapeutischen Dienst am Landeskrankenhaus Graz verursacht hat als auch für den Wechsel des Studiums kausal war, da eine Weiterführung ihrer ursprünglich angestrebten Ausbildung krankheitsbedingt nicht mehr möglich war.

Eine entsprechende Bestätigung hiefür sowie ärztliche Bestätigungen werde ich sofort nach Vorliegen nachreichen, wobei ich bitte, mir dafür eine Frist bis 29.Juli 2005 einzuräumen.

Aus den angeführten Gründen erfolgte der Wechsel in der Ausbildung und dem gemäß der Verlust der Anspruchsberechtigung für die Familienbeihilfe krankheitsbedingt und daher unverschuldet, sodass der vom Gesetzgeber des Familienlastenausgleichsgesetzes mit dem Verweis auf das Studienförderungsgesetz ohne Berücksichtigung dieses Umstandes gezogene Schluss, meine Tochter hätte ihr Studium nicht ernsthaftig und zielstrebig betrieben, sodass keine Berufsausbildung anzunehmen wäre, nicht nachvollzogen werden kann und im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz auch nicht verfassungskonform sein kann.

Beispielsweise wird in § 19 des Studienförderungsgesetzes die Anspruchsdauer bei Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verlängert, wobei wichtige Gründe ua., die durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesene Krankheit des Studierenden und jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis sind, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Gleiches muss umso mehr im Fall meiner Tochter gelten, die krankheitsbedingt sogar zur Wahl einer anderen Ausbildung gezwungen wurde.

Ich ersuche daher um Abänderung der Entscheidung dahingehend, dass die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für meine Tochter für den Zeitraum November 2002 bis einschließlich September 2004 gewährt bzw. die von mir bereits im Abzugswege bis jetzt geleisteten Rückzahlungen rückerstattet werden.

Der Bw reichte mit Schreiben vom 21. Juli 2005 die im Vorlageantrag angeführten Unterlagen (Austrittserklärung, Fehlstundenbestätigung, Krankenstandsbestätigungen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, Honorarnote Dr. Pnieß für Akupunkturbehandlung, Befund des Diagnostikzentrums Graz, Befund Dr. Lerch, Befund der Univ. Klinik für Dermatologie und Venerologie) nach.

Das Finanzamt Graz-Stadt legte die Berufung mit Bericht vom 19. Juli 2005 zur Entscheidung an den unabhängigen Finanzsenat vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 26 leg. cit. gilt gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, (StudFG 1992) genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 StudFG 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 17 Abs. 1 StudFG 1992 liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn der Studierende

1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder

2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder

3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

Nach Abs. 2 des zitierten Gesetzes gelten u.a. nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1:

1. Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind,

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden.

Ein Studienwechsel liegt vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetz fallendes Studium beginnt. Der Begriff Studienwechsel bedeutet somit den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde.

Im gegenständlichen Berufungsfall hat die Tochter des Bw. ab dem Wintersemester 2001 die Ausbildung zur MTA für den physiotherapeutischen Dienst am LKH Graz begonnen. Nach Vollendung ihres zweiten Ausbildungsjahres brach sie am 31. Oktober 2002 diese Ausbildung ab und studiert seither an der Karl-Franzens-Universität in Graz die Studienrichtung Bakkalaureat Betriebswirtschaft.

Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass ein Studienwechsel nach dem 2. Ausbildungsjahr erfolgt ist.
Strittig ist, ob die Krankheit der Tochter, wie vom Bw. im Vorlageantrag angeführt, eine Studienzeitüberschreitung im Sinne des § 19 StuFG rechtfertigt, bzw. dass Gleiches umso mehr gelten muss, weil die Tochter krankheitsbedingt sogar zur Wahl einer anderen Ausbildung gezwungen wurde.

Nach den im Akt vorliegenden Krankenstandsbestätigungen von der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse war die Tochter des Bw. im Sommersemester 2001 25 Tage und im Wintersemester 2001/02 36 Tage im Krankenstand. Die Fehlstunden waren laut Bestätigung der Akademie für Oktober 2000 bis September 2001 mit 235 und von Oktober 2001 bis einschließlich September 2002 mit 223 sowie im Oktober 2002 mit 64 angegeben.

In den Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967, ist zu RZ 20 (Verlängerungstatbestände), unter 20.2 Folgendes ausgeführt:

Eine Verlängerung der Studienzeit erfolgt nur semesterweise, wobei eine Verlängerung nur möglich ist, wenn das "Auslandsstudium" (bzw. eine Krankheit) pro Semester innerhalb der Vorlesungszeit mindestens drei Monate lang ununterbrochen angedauert hat.
Als Nachweis für eine krankheitsbedingte vollständige Studienbehinderung ist grundsätzlich eine schlüssige ärztliche Bestätigung notwendig.

Diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall nicht zu und wird auch vom zuständigen Direktor der Akademie für den physiotherapeutischen Dienst, Herrn Günther Mitteregger, nicht bestätigt.

In einem Telefonat vom 11. Jänner 2006 gab er vielmehr an, dass die Anzahl der Fehlstunden nicht ausreichen, um eine Wiederholung der Klasse zu rechtfertigen. Er erklärte auch, dass der Bw. eine Bestätigung erwirken wollte, die erklären sollte, dass ein positiver Jahresabschluss mit der Anzahl der Fehlstunden nicht möglich sei.

Gemäß § 19 Abs. 5 StudFG 1992 bewirkt das Vorliegen eines wichtigen Grundes nur die Verlängerung der Anspruchdauer, ohne von der Verpflichtung zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges im Sinne der §§ 20 bis 25 zu entheben.

Vom unabhängigen Finanzsenat kann daher im vorliegenden Fall kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis erkannt werden, welches eine gerechtfertigte Verlängerung des Studiums im Sinne des § 19 Abs. 5 StudFG 1992 und somit auch eine Verlängerung des Familienbeihilfenbezuges, um ein Semester zur Folge hätte, bzw. von einem zwingenden Studienwechsel im Sinne des § 17 Abs. 2 Stud FG 1992 ausgegangen werden.

Die Berufung war, wie im Spruch angeführt, vollinhaltlich abzuweisen.

Graz, am 1. Februar 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 17 Abs. 1 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992
§ 19 Abs. 5 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992

Schlagworte:

Studienwechsel, Studienzeitverlängerung, Krankheit, wichtiger Grund

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