Kapitalertragsteuer: finanzmathematische Berechnung der Stückzinsen von Nullkuponanleihen mit langer Laufzeit; KEST-Pflicht bei Depotentnahme, Vertrauensschutz
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B183/04 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28.2.2005 abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/13/0060, 0072 eingebracht. Mit Erk. v. 4.6.2008 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/2028-W/08 erledigt.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 23. Bezirk betreffend Haftungs- und Abgabenbescheide vom 13. August 2002 betreffend Kapitalertragsteuer Jänner 1997 bis September 1998 entschieden:
Die Berufung wird hinsichtlich der Monate Jänner 1997 bis September 1998, als unbegründet abgewiesen. Die Höhe der Kapitalertragsteuer, für die die Bw. zu Haftung herangezogen wird, bleibt unverändert und beträgt:
Jän-Juni 97 | 266.091,99 € | das entspricht | 3.661.505,64 ATS |
Juli 97 | 76.239,60 € | das entspricht | 1.049.079,73 ATS |
Aug-Okt 97 | 115.654,35 € | das entspricht | 1.591.438,50 ATS |
November 97 | 64.769,71 € | das entspricht | 891.250,68 ATS |
Dezember 97 | 51.376,17 € | das entspricht | 706.951,56 ATS |
Jänner 98 | 39.350,36 € | das entspricht | 541.472,77 ATS |
Februar 98 | 49.674,94 € | das entspricht | 683.542,06 ATS |
März 98 | 57.183,94 € | das entspricht | 786.868,22 ATS |
April 98 | 43.763,40 € | das entspricht | 602.197,46 ATS |
Mai-Sept 98 | 329.537,09 € | das entspricht | 4.534.529,21 ATS |
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Ab dem Jahr 2000 wurden vom Finanzamt für den 23. Bezirk im Hinblick auf ungewöhnlich hohe Kapitalertragsteuergutschriften in den Kapitalertragsteueranmeldungen mehrerer Banken Prüfungen gemäß § 151 BAO veranlasst. Dabei stellte sich heraus, dass diese hohen Gutschriften im Zusammenhang mit dem Verkauf von bestimmten Nullkuponanleihen (Zero-Bonds) standen.
Ein Zero Bond stellt eine Anleiheform dar, die eine Nominalverzinsung von null aufweist. Anstatt der jährlichen Zinszahlungen fällt der gesamte Zahlungsstrom, bestehend aus Kapitaltilgung und Zinserträgen, am Ende der Laufzeit an. Die gesamte Verzinsung kommt in der begebenen Anleihe in einem hohen Disagio zum Ausdruck, wobei das Nominale mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzins abgezinst wird (Schiestl, Nullkuponanleihen in Österreich, ÖBA 1991, 114).
Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabewert und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe gehört gemäß § 27 Abs 2 Z 2 EStG 1988 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Bei einem kapitalertragsteuerpflichtigen Eigentümer der Anleihe ist von diesem Unterschiedsbetrag gemäß den §§ 95 f EStG 1988 von der als kuponauszahlender Stelle agierenden Bank Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen.
Wird eine Nullkuponanleihe vor dem Ende der Laufzeit veräußert, so werden im Kaufpreis auch anteilige Kapitalerträge abgegolten. Von diesen Kapitalerträgen wird im Hinblick auf § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 ein Kapitalertragsteuerabzug beim Veräußerer vorgenommen, sofern die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Österreich vorliegen.
Für den Erwerber der Nullkuponanleihe stellen die vom Veräußerer verrechneten anteiligen Kapitalerträge einen vorweggenommenen Kapitalertrag dar. Dies ergibt sich daraus, dass der zur Kuponfälligkeit erhaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der bisher angefallenen Zinsen vorbelastet ist. Der Erwerber erhält daher eine Kapitalertragsteuergutschrift. Da am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe Kapitalertragsteuer für den gesamten Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabepreis und Einlösungswert anfällt, soll durch diese Gutschrift erreicht werden, dass die Steuerbelastung nur den Kapitalerträgen jenes Zeitraumes entspricht, in dem ein Steuerpflichtiger die Nullkuponanleihe auch tatsächlich gehalten hat. Der Erwerber erhält die Kapitalertragsteuergutschrift allerdings nach der Verwaltungspraxis auch dann, wenn der Veräußerer in Österreich nicht kapitalertragsteuerpflichtig ist und daher bei ihm kein Kapitalertragsteuerabzug erfolgt ist.
Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Kapitalertragsteuer auf 22% bei Einlagen bei Banken und Forderungswertpapieren ab 1.1.1993 gestattete das Bundesministerium für Finanzen im Hinblick auf die Abgrenzung der Zinsen für Zeiträume vor und nach dem 1.1.1993 mit Erlass vom 12. Februar 1993, GZ. 14 0602/1-IV/14/93, Pkt. 5. (1) bzw. Pkt. 4. 5 (2), für die Ermittlung des Kapitalertragsteuerabzuges einfachheitshalber die Berechnung des monatlichen Kapitalertrages in Form einer linearen Verteilung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Ausgabewert und dem Einlösungswert auf die gesamte Laufzeit. Bei kurzen Laufzeiten der Anleihen und kleinen Zinssätzen sind dabei die Unterschiede zu einer exakteren kalkulatorischen Berechnung nur gering.
Bei diesen hochverzinsten und langfristigen Nullkuponanleihen führt die lineare Verteilung der Zinsen auf die gesamte Laufzeit zu hohen Abweichungen zu einer kalkulatorischen Berechnung der einzubehaltenen oder zu erstattenden Kapitalertragsteuer.
Dadurch hatten die Erwerber der Papiere nur mehr die (meist geringe) Differenz auf den Kaufpreis aufzuzahlen, bei einer der Wertpapiere, einer langfristigen Zlotyanleihe führt dies sogar dazu, dass der Erwerber des Papiers eine Gutschrift erhält, die höher ist als der Kaufpreis. Da die Papiere von den Banken im Ausland besorgt wurden, kam es aber andererseits in diesen Fällen zu keinem korrespondierenden Kapitalertragsteuerabzug.
In weiterer Folge wurden in vielen Fällen die erworbenen Wertpapiere aus den Depots der Bank entnommen, wobei bei der Entnahme von der Bank keine Kapitalertragsteuer den Kunden angelastet wurde.
Einige Banken dürften bei Verkäufen von Nullkuponanleihen, gestützt auf eine seitens des Bundesministeriums für Finanzen erteilte Anfragebeantwortung, dass auch eine exakte Berechnung der zeitanteiligen Kapitalerträge möglich ist und die im Erlass dargestellte vereinfachende Abgrenzung hinter eine angestrebte genaue Berechnung zurückzutreten hat (vgl. BMF vom 23.7.1996 zitiert in Schönstein, KESt und Zero-Bonds, SWK 14/2001, 404), die Stückzinsen finanzmathmatisch berechnet haben. Dies wurde offenbar von einigen Kunden dazu genutzt, den sich aus den beiden unterschiedlichen Berechnungsweisen ergebenden Differenzbetrag zu lukrieren, indem sie Wertpapiere bei einer linear abrechnenden Bank kauften, die Papiere aus dem Depot entnahmen und bei einer finanzmathematisch abrechnenden Bank wieder verkauften. Weiters wurden wahrscheinlich Wertpapiere nach der Depotentnahme ins Ausland verbracht und dort steuerfrei verkauft und verblieb dadurch die beim Kauf erhaltene Kapitalertragsteuergutschrift dem Kunden als endgültiger Vorteil.
Im Zuge der Prüfung bei der Bw. über die Voranmeldungszeiträume Jänner 1997 bis September 1998 wurde von der Betriebsprüfung bei folgenden hochverzinsten und langfristigen Nullkuponanleihen die Ermittlung der Kapitalertragsteuer abweichend von der linearen Ermittlung durch die Bw. aufgrund einer kalkulatorischen Berechnungsmethode ermittelt.
Als Begründung wurde angeführt, dass die vereinfachende Ermittlung gemäß Punkt 5.1. des Erlasses des BMF vom 12. Februar 1993, Z 14 0602/1/1-IV/14/93 nicht anwendbar sei, weil die so ermittelten rechnerischen Zinsen im Ergebnis unverhältnismäßig hoch von den tatsächlichen wirtschaftlichen Zinsen abweichen (zwischen 31% und 95% gegenüber der finanzmathematischen Ermittlung).
Wertpapierkennnummer | Wertpapierbezeichnung | Währung | Laufzeit in Jahren | Kürzung in % rund |
405371 | British Gas IntI Finance | USD | 30 | 67% |
4072285 | Baden Wuerthemberg L-Finance NV | DEM | 20 | 48% |
477847 | Euro DM Securitieis | DEM | 40 | 61% |
417479 | Ontario Prov. Gen Strip | CAD | 37 | 85% |
190776 | European BK Recon&Dev. | ZAR | 20 | 78% |
477846 | Euro DM Securities | DEM | 35 | 52% |
191407 | Swedish Exp. Credit | ZAR | 20 | 79% |
196405 | Int. BK Recon&Dev. | ZAR | 31 | 94% |
190777 | European BK Recon&Dev. | ZAR | 30 | 90% |
196473 | European BK Recon&Dev. | ZAR | 30 | 89% |
190696 | Int. BK Recon&Develop | ZAR | 30 | 78% |
191999 | Nordic Investment Bank | ZAR | 30 | 89% |
134708 | Europ. Investment Bank | USD | 30 | 67% |
401647 | New South Wales Treas. | AUD | 30 | 31% |
19448 | Electricity Supply Comm | ZAR | 35 | 91% |
230525 | Intl Bk Recon & Develop | PLN | 30 | 95% |
Mit Bescheiden vom 13. August 2002 setzte das Finanzamt für den 23. Bezirk die sich aufgrund der von den Erklärungen der Bw. abweichenden finanzmathematischen Berechnung der Erwerbe und Verkäufe von Wertpapieren resultierende Kapitalertragsteuer für
Jän-Juni 97 | mit | 266.091,99 € | das entspricht | 3.661.505,64 ATS |
Juli 97 | mit | 76.239,60 € | das entspricht | 1.049.079,73 ATS |
Aug-Okt 97 | mit | 115.654,35 € | das entspricht | 1.591.438,50 ATS |
November 97 | mit | 64.769,71 € | das entspricht | 891.250,68 ATS |
Dezember 97 | mit | 51.376,17 € | das entspricht | 706.951,56 ATS |
Jänner 98 | mit | 39.350,36 € | das entspricht | 541.472,77 ATS |
Februar 98 | mit | 49.674,94 € | das entspricht | 683.542,06 ATS |
März 98 | mit | 57.183,94 € | das entspricht | 786.868,22 ATS |
April 98 | mit | 43.763,40 € | das entspricht | 602.197,46 ATS |
Mai-Sept 98 | mit | 329.537,09 € | das entspricht | 4.534.529,21 ATS |
fest und zog die Bw. dafür zur Haftung heran. Hinsichtlich der genaue Zusammensetzung der Beträge und ihre Verteilung auf Käufe, Verkäufe und Ausfolgungen(Entnahmen) wird auf die Darstellung in Niederschrift der Betriebsprüfung vom 7. August 2002 verwiesen.
Dagegen erhob die Bw. mit Schreiben vom 4. Oktober 2002 Berufung und beantragte die Aufhebung der Bescheide.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2002 trat Ing. Mag. S der Berufung gemäß § 257 BAO bei.
Mit Schreiben vom 17. März schränkte die Bw. die Berufung hinsichtlich der Monate Jänner bis Dezember 1997, sowie März bis September 1998, betragsmäßig ein.
Zusammengefasst bringt die Bw. folgendes vor:
1. Heranziehung zur Haftung
Ob die Abgabenbehörde jemanden zur Haftung heranziehe oder nicht, sei eine Frage des Ermessens (vgl VwGH 23.1.1997, 95/15/0173; 24.2.1997, 96/17/0066). Im Falle des Ermessens dürfe die Behörde nicht willkürlich vorgehen, sondern müsse die im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertungen beachten. Wenn sich die Behörde nicht von den Intentionen des Gesetzes leiten lasse, liege Ermessensmissbrauch vor (Ritz, BAO-Kommentar, 2. Auflage, 1999, § 20 Rz 10). Zu beachten sei im konkreten Fall, dass bei der Erhebung der Kapitalertragsteuer Aufgaben auf die Banken überwälzt würden, die sonst von der Abgabenbehörde erledigt werden müssten. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs habe klargelegt, dass eine derartige Übertragung von sonst hoheitlich ausgeübten Aufgaben auf Dritte zulässig sei, jedoch nicht ohne Grenzen. Der Gesetzgeber könne derartige Aufgaben nur dann auf Dritte übertragen, denen dann auch die Haftung zukomme, wenn dafür eine sachliche Rechtfertigung bestehe. Weiters sei zu beachten dass die konkreten Folgen einer bestimmten Haftungsbestimmung nicht unverhältnismäßig sein dürften (VfSlg 14.380/1995; VfGH 15.3.2000, G 141-150/99).Selbst dann wenn eine Haftung dem Grund nach sachlich gerechtfertigt sei, müsse daher eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges bestehen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht als verhältnismäßig - und daher mit dem Gleichheitsgrundsatz als unvereinbar - anzusehen, wenn eine Bank dann zur Haftung herangezogen werde, wenn sie eine Rechtsauffassung vertrete, die sich im Rahmen des Auslegungsspielraumes bewege. Die Abgabenbehörde habe dann eben im Rahmen ihrer Ermessensübung zur Kenntnis zu nehmen, dass jede im Rahmen des Interpretationsspielraumes befindliche Auslegung hinzunehmen sei. Es dürfe nicht zur Inanspruchnahme zur Haftung nur deshalb kommen, weil der zur Einhebung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer verpflichtete Steuerpflichtige eine Rechtsauffassung vertrete, die sich - wie sich nachträglich herausstellt habe - von der Rechtsauffassung der Abgabenbehörde unterscheide. Ein von der Behörde selbst ermöglichter Auslegungsspielraum (vgl Pkt 4.3 Abs 2 der KEStR, AÖF1993/158) dürfe keineswegs zulasten des Haftungspflichtigen gehen. Dies wäre unverhältnismäßig und daher gleichheitswidrig.
Die von Lehre und Rechtsprechung im Bereich des Grundsatzes von Treu und Glauben als maßgeblich erachteten Gesichtspunkte würden insbesonders im Fall der Normierung von Steuereinbehaltungs- und Abfuhrpflichten durch formal am Steuerschuldverhältnis nicht Beteiligte dazu zwingen, in den Fällen, in denen man dem Gesetz verschiedene Interpretationen entnehmen könne und die Behörde auch noch eine dieser Interpretationen ausdrücklich als zulässig erkläre und der Abgabepflichtige (Haftungspflichtige) sich daran orientiere und die von der Behörde als zulässig angesehene Vorgangsweise wähle, dies auch zu akzeptieren.
Die im Bereich des Grundsatzes von Treu und Glauben zum Tragen kommenden Überlegungen hätten insbesonders im Bereich der interpretationsfähigen Vorschriften und bei Ermessenvorschriften Bedeutung. Treu und Glauben habe daher vor allem dann Bedeutung, wenn ein Auslegungsspielraum verbleibe bzw. gleichwertige Handlungsalternativen zur Verfügung stünden. Dieser Auslegungsspielraum sei durch die Grundsätze von Treu und Glauben zu füllen. Angewendet auf den konkreten Fall bedeute dies, dass dann, wenn man - gestützt auf den bloßen Wortlaut des Gesetzes -einen Auslegungsspielraum sieht, ob die lineare Methode oder eine der finanzmathematischen Methoden zur Abgrenzung heranzuziehen ist, jene Auslegung als dem Gesetz entsprechend anzusehen sei, die von der Verwaltung nahegelegt wurde und an der sich der Steuerpflichtige orientiert habe. Wenn daher sowohl die Einkommensteuer-Richtlinien 1984 als auch die Kapitalertragsteuerrichtlinien ausdrücklich die lineare Methode als dem Gesetz entsprechend ansehen, könne dem Steuerpflichtigen nicht entgegengetreten werden, wenn er sich an diesem Verständnis orientiere. Wenn aber die von der Verwaltung früher vertretene Auffassung nicht rechtswidrig sei, sondern sich im Rahmen des Auslegungsspielraumes bewege, dann liegt noch umso mehr eine Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben vor, wenn die Behörde von einer einmal vertretenen und dem Haftungspflichtigen bekanntgegebenen Auffassung wiederum abgehe. Dies gelte umsomehr, als es im konkreten Fall nicht um die Erfüllung der eigenen Steuerpflichten gehe, sondern der Steuergläubiger die Einhebung der Steuer an einen am Steuerschuldverhältnis grundsätzlich nicht Beteiligten "ausgelagert" habe und die Einbehaltungs- und Abfuhrverpflichtung mit einer Haftungsbestimmung gesichert habe. Der Haftungspflichtige sei daher im besonderen dem Risiko eines Interpretationsirrtums ausgesetzt und daher auf die durch den Gesetzgeber oder die Verwaltung vorgenommene Interpretation angewiesen. Um sein Haftungsrisiko zu begrenzen, sei der Steuergläubiger verpflichtet, dem Haftungspflichtigen Leitlinien für Auslegung der von ihm anzuwendenden abgabenrechtlichen Bestimmungen zu geben. Unterlasse er dies, würde der Haftungspflichtige einem unverhältnismäßig hohen - und damit verfassungsrechtlich verpönten - Haftungsrisiko ausgesetzt sein. Gleiches gelte für eine Änderung einer bekanntgegebenen Interpretation; eine derartige Änderung sei aus diesen Gründen nur für zukünftige Zeiträume zulässig.
Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Judikatur in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass das Vertrauen in die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen durch den Gleichheitsgrundsatz geschützt sei (vgl. insb. Richard Novak, Vertrauensschutz und Verfassungsrecht, in: Korinek (Hg), FS Karl Wenger 1983, 159ff, insb. 174ff und die dort gegebenen Hinweise). So habe der Gerichtshof etwa in Fällen, in denen eine Steuerbehörde von einer über mehrere Jahre vertretenen Rechtsauffassung, an die sich die Steuerpflichtigen in der Folge gehalten hätten, ohne triftige Gründe abgewichen sei, eine Verletzung von Treu und Glauben festgestellt und erkannt, dass dies den Bescheid mit Willkür belaste (VfSlg. 6258/1970 und 8725/1980).
In seinem Erk vom 30. 1. 1980, B 29/77, habe der VfGH folgendes ausgesprochen: Wenn eine Behörde ein bestimmtes geschäftliches Verhalten durch Jahre hindurch in Übereinstimmung mit dem Steuerpflichtigen in vertretbarer Weise beurteilt habe und nachfolgend ein und derselbe Vorgang, wenn auch in vertretbarer Weise, anders beurteilt werde, so dürfe der Wechsel zu dieser anderen vertretbaren Beurteilungsweise dennoch nicht zu einer Doppelbesteuerung führen, da hiedurch Treu und Glauben verletzt werde. Durch die hiedurch bewirkte Doppelbesteuerung verstoße der angefochtene Bescheid gegen den Gleichheitssatz (VfSlg 8725/80, VfSlg. 6258/1978 und die dort zitierte Vorjudikatur). Dieser Grundsatz gelte nach Ansicht der Bw. im konkreten Fall umsomehr als eine rückwirkende Änderung in der Gesetzesauslegung des Haftungspflichtigen mit dem Durchsetzungsrisiko seines Regressanspruches gegenüber dem Abgabepflichtigen belaste, da er in der Vergangenheit keine ausreichenden Vorkehrungen zur Sicherung seines Regressanspruches setzen konnte. Eine rückwirkende Änderung der Verwaltungspraxis berge damit für den Haftungspflichtigen das Risiko, dass bei ihm die Steuerbelastung verbleibe, sodass es letztlich zu einer den Haftungspflichtigen treffenden Steuerbelastung kommen könne. Eine derartige Steuerbelastung bei einer Person, die vom Gesetzgeber nicht als Steuerschuldner vorgesehen sei, verletze das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht und damit den Gleichheitsgrundsatz.
So widerspreche es zB dem auch von den Verwaltungsbehörden - auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes - zu beachtenden Prinzip von Treu und Glauben, wenn die Behörde eine Eingabe als (grob) mangelhaft erachte, obgleich sich der Einschreiter eines von ihr selbst aufgelegten und von ihm ordnungsgemäß ausgefüllten Formulars bedient habe (vgl VfGH 1. 7. 1993, B 2069/92). Daraus lasse sich ableiten, dass man auch im konkreten Fall die Behörde dem zur Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer Verpflichteten nicht ein rechtswidriges Verhalten unterstellen könne, wenn dieser Steuereinbehalt und diese Steuerabfuhr entsprechend von Richtlinien der sachlich zuständigen Oberbehörde vorgenommen habe. Die Behörde könne den Normunterworfenen nicht unter Berufung auf geänderte Richtlinien für die Vergangenheit zur Haftung heranziehen, weil er in der Vergangenheit die ursprünglichen und nicht die neuen geänderten - im Zeitpunkt des Steuereinbehalts noch gar nicht bekannten - Richtlinien beachtet habe.
Der Verfassungsgerichtshof habe weiters in ständiger Rechtsprechung betont, dass der Gesetzgeber durch den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz gehalten sei, dem Vertrauensschutz bei seinen Regelungen Beachtung zu schenken. Er habe daher wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass gesetzliche Vorschriften, die rückwirkend belastend in Rechtspositionen eingreifen, mit dem Gleichheitssatz in Konflikt kommen, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden und nicht etwa besondere Umstände diese Rückwirkung verlangen. Ob und inwieweit im Ergebnis ein sachlich nicht gerechtfertigter und damit gleichheitswidriger Eingriff vorliege hänge nach dieser Judikatur daher vom Ausmaß des Eingriffes und vom Gewicht der für die Rückwirkung sprechenden Gründe ab (VfSlg. 12.416/1990; vgl. auch VfSlg. 12.485/1990, 12.688/1991, 12.944/1991, 15.060/1997 u.a.). Dieser für den Gesetzgeber geltende Grundsatz müsse auch für die Gesetzesvollziehung insoweit gelten als rückwirkend durch eine geänderte Gesetzesinterpretation belastend in Rechtspositionen eingegriffen werde. Aus Sicht des Normunterworfenen, der sich im Vertrauen auf eine Rechtslage bzw. Vollziehungspraxis eingerichtet habe, liege in beiden Fällen - rückwirkende Änderung der Rechtslage bzw. Verwaltungspraxis, die Grundlage seines Handels waren - ein gleichheitswidriger Eingriff in sein Vertrauen in eine bestehende Rechtlage vor. Genauso wie eine bestimmte Verwaltungspraxis bzw. Anwendungspraxis eine Vertrauensbildung hinsichtlich einer bestimmten Auslegung verhindern könne, sodass dem Gesetzgeber ohne Verletzung des Vertrauensschutzes die Möglichkeit zu einer "klarstellenden" Regelung ermöglicht werde (vgl zB VfSlg 12 241/89; 12 890/91), könne eine bestimmte veröffentlichte Anwendungspraxis einen Vertrauensschutz begründen.
Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, für die Einhebung von Abgaben - möge diese auch eine Staatsaufgabe sein und gern § 11 F-VG grundsätzlich den Verwaltungsbehörden obliegen - Mitwirkungspflichten Dritter vorzusehen. Der VfGH habe wiederholt ausgesprochen, dass derartige Mitwirkungspflichten nicht nur dem Steuerschuldner selbst auferlegt werden dürfen, sondern auch Personen, die formal am Steuerschuldverhältnis unbeteiligt sind. Allerdings bedürfe eine Regelung, die am Steuerschuldverhältnis formal unbeteiligte Dritte nicht nur zur Mitwirkung bei der Einhebung der Abgaben des eigentlichen Steuerschuldners verpflichte, sondern ihnen praktisch sämtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit dieser Abgabeneinhebung auferlege (und zwar derart, dass der Primärschuldner von der Abgabenbehörde gegen seinen Willen praktisch nicht in Anspruch genommen werden kann), jedenfalls dann einer sachlichen Rechtfertigung, wenn es sich um eine (Personen-)Steuer handle, deren unbestrittenes Ziel die wirtschaftliche Belastung des eigentlichen Steuerschuldners sei. Eine solche Regelung sei nur dann sachgerecht, wenn zwischen dem Steuerschuldner und dem Entrichtungspflichtigen eine qualifizierte Beziehung rechtlicher oder wirtschaftlicher Art bestehe, die es ihrem Inhalt nach rechtfertige, gerade diesem Entrichtungspflichtigen die Verpflichtung zum Abzug und zur Abfuhr der Steuer aufzuerlegen (sei es, dass die zum Steuerschuldner bestehende rechtliche oder wirtschaftliche Beziehung gleichzeitig das steuerschuldbegründende Ereignis ist, sei es, dass die dem Steuertatbestand entsprechenden Bemessungsgrundlagen über ihn laufen oder er zu ihnen zumindest leicht Zugang hat und es daher legitim erscheint, ihn bei der Weiterleitung oder auch beim Empfang dieser Mittel mit Abzugs- und Abfuhrpflichten zu belasten. Daraus folge auch, dass eine Regelung, die den Dritten erheblichen Aufwand für die Beschaffung der für eine ordnungsmäßige Steuerabfuhr erforderlichen Daten und/oder aufwendige Vorkehrungen zur Erlangung der für die Steuerabfuhr benötigten Mittel abverlangt, nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein könne (vgl VfGH 15. 3. 2000, G 141/99-G 150/99).
Weiters vertrete der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass daher bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen (VfSlg. 8395/1978 und die dort genannten Beispiele aus der Vorjudikatur sowie VfSlg. 8813/1980, 9226/1981, 10158/1984, 11499/1987 und 13785/1994). Ob eine Norm diesem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspreche, richte sich aber nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl. VfSlg. 8209/1977, 9883/1983, 12947/1991). Bei Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung seien daher alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden könne, wozu das Gesetz die Verwaltungsbehörde ermächtigt, verletze die Regelung die in Art 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. VfSlg. 8395/1978 und die dort genannte Vorjudikatur sowie 11499/1987). Der Gesetzeswortlaut lasse im konkreten Fall mehrere Interpretationsmöglichkeiten offen. Sollten im Rahmen der Vollziehung eines derartigen Gesetzes die Vollzugsbehörden eine bestimmte Auslegung vertreten und diese den Einbehaltungs- und Abfuhrverpflichteten im Interesse der Minimierung ihrer Haftungsrisken bekannt geben, führe dies für den Normunterworfenen zu einem Vertrauenstatbestand.
Im Erkenntnis VfSlg. 3130/1956 habe der Verfassungsgerichtshof aus dem rechtsstaatlichen Prinzip abgeleitet, dass der Inhalt eines Gesetzes der breiten Öffentlichkeit in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen sei, weil der Normunterworfene die Möglichkeit haben müsse, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspreche zum Beispiel eine Vorschrift nicht, zu deren Sinnermittlung subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und geradezu archivarischer Fleiß von Nöten sei. Eine derartige Regelung widerspreche in mehrfacher Hinsicht dem Legalitätsgebot (Art 18 B-VG), aus dem nach ständiger Rechsprechung des VfGH auch ein Klarheits- und Verständnisgebot von Rechtsvorschriften erfließe, wenn eine Steuerbemessungsgrundlage für den für eine fremde Steuerschuld Haftenden nicht aus dem Gesetz entnommen werden könne, sondern der Gesetzeswortlaut vielmehr mehrere Interpretationsmöglichkeiten offen lasse.. Im Lichte der Rsp des VfGH würde in einem derartigen Fall eine verfassungswidrige Regelung vorliegen, die selbst mit akribischem Fleiß, Sorgfalt, Sachkenntnis und einer gewissen Freude an der Lösung von Denksportaufgaben nicht in ihrem Regelungsgehalt erkennbar bzw. eindeutig interpretierbar werde.
Die Möglichkeit zivilrechtlicher Regressforderungen habe der Gerichtshof für sich allein dabei nicht als sachliche Rechtfertigung für abgabenrechtliche Haftungen angesehen (VfSlg 11.771/1988, 29. 6. 1988, G 249/87). Der Gerichtshof habe darüber hinaus aber auch wiederholt betont, dass selbst bei Unbedenklichkeit einer Haftung dem Grunde nach eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges gegeben sein müsse. Als entscheidend habe der Gerichtshof es in diesem Zusammenhang erachtet, ob es dem Haftenden möglich sei, den Umfang der Haftung abzuschätzen und mit Hilfe von Vertragsgestaltungen für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen (vgl etwa VfSlg 11.921/1988, 5. 12. 1988, G 82, 83/88). Ein vergleichbarer Grundgedanke liege dem E VfSlg 10.403/1985, 12. 3. 1985, G 2/85 (Wiener WohnungsabgabeG) zugrunde, in dem der GH es für unsachlich erachtet habe, dem Vertreter des Grundstückseigentümers die Pflicht zur Auskunftserteilung betreffend den Liegenschaftsbestand und seine Veränderungen und damit die Verpflichtung zur Ermittlung der für die Steuererhebung maßgebenden Tatsachen aufzuerlegen.
Damit sei die Normierung einer Haftungspflicht für einen formal am Steuerschuldverhältnis nicht Beteiligten insbesonders auch davon abhängig, dass für diesen ein leichter Zugang zu den für den Steuereinbehalt und die Steuerabfuhr erforderlichen Daten (insb Bemessungsgrundlage) besteht. Dies sei dann nicht gegeben, wenn nachträglich für abgelaufene Zeiträume geänderte Bemessungsgrundlagen gelten sollten, und sich die Haftungsinanspruchnahme ausschließlich daraus ergebe.
Ermessensentscheidungen seien zu begründen (vgl E 24. 1. 1996, 95/13/0136). Dabei wären der Sinn des Gesetzes sowie gern § 20 BAO Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe zu berücksichtigen und im Rahmen der Bescheidbegründung gegeneinander abzuwägen (vgl E 9. 7. 1997, 96/13/0185). Eine derartige Begründung enthielten die angefochtenen Bescheide nicht. Insbesonders gingen die Bescheidbegründungen nicht darauf ein, inwieweit die Bw. als Haftende in der Lage gewesen sein sollte, Pkt 5.1 des Erlasses des BMF vom 12. 2. 1993 nicht zu beachten, "weil die so ermittelten rechnerischen Zinsen im Ergebnis unverhältnismäßig hoch von den tatsächlichen wirtschaftlichen Zinsen abweichen". Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass die KESt-Abrechnung unmittelbar an den betreffenden Sachverhalt (zB Erwerb eines Wertpapiers) anknüpfe und dies im Rahmen eines Massengeschäfts aus wirtschaftlichen Gründen so automatisiert wie möglich abgewickelt werden müsse. Der Haftungspflichtige sei nicht in der Lage jeweils Überlegungen darüber anzustellen, ob im Einzelfall die entsprechenden Richtlinien zu einem von den wirtschaftlichen Zinsen abweichenden Ergebnis führen, wenn die Richtlinien derartige Abweichungen durch das Zulassen einer Vereinfachungsmethode ausdrücklich in Kauf nehmen würden. Auch sei für den Haftungspflichtigen aus den vom BMF veröffentlichten Leitlinien nicht erkennbar, wann ein derartiges Abweichen "unverhältnismäßig hoch" sei. Wenn daher im nachhinein Haftungsbescheide unter Berufung auf eine geänderte Rechtsmeinung bzw Einschränkung der Vereinfachungsmethoden erlassen würden, sei eine derartige Vorgangsweise für den Haftungspflichtigen, der bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer auf das Gesetz und dazu ergangene Erläuterungen, wie sie sich im Zeitpunkt der Vornahme der Steuerberechnung darstellten, angewiesen sei, unbillig iSd § 20 BAO.
Dass etwa die Haftungsinanspruchnahme wegen Zahlungsunfähigkeit der Steuerschuldner (Primärschuldner) erforderlich gewesen sei, werde in den angefochtenen Bescheiden nicht dargelegt.
2. Art der KESt-Berechnung
In der Praxis sei für die Abgrenzung von Zinserträgen für Nullkupon-Anleihen die lineare Berechnungsmethode verwendet worden. Die für die KESt-Berechnung verwendeten Programme stützten sich auf die vom BMF ermöglichte vereinfachte Ermittlung der KESt-Bemessungsgrundlage. Bei der Bw. sei eine auf einer finanzmathematischen Berechnung beruhenden Umstellung des EDV-Systems im August 2000 (wiederum beruhend auf die absehbare Änderung der Verwaltungspraxis) erfolgt. Seit der Umstellung sei es für die Bw. daher nicht mehr möglich, einzelne Transaktionen linear abzurechnen. Ebenso sei es vor der Umstellung nicht möglich gewesen, im EDV-System für einzelne Wertpapiere oder einzelne Transaktionen willkürlich eine andere als die lineare Berechnungsmethode anzuwenden.
Dieser Umstand sei auch deswegen von Bedeutung, weil durch das Abgaben-Rechtsmittel-Reform-Gesetz, BGBl I 2002/97, ausgegeben am 24. 6. 2002 ohne besondere Inkrafttretensbestimmung, in § 117 BAO folgende Regelung eingefügt worden sei.
"§ 117. Liegt eine in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder in als Richtlinien bezeichneten Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen vertretene Rechtsauslegung dem Bescheid einer Abgabenbehörde, der Selbstberechnung von Abgaben, einer Abgabenentrichtung in Wertzeichen (Stempelmarken), einer Abgabenerklärung oder der Unterlassung der Einreichung einer solchen zu Grunde, so darf eine spätere Änderung dieser Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der betroffenen Partei berücksichtigt werden. "
Die Bestimmung sei mit 25. 6. 2002 in Kraft getreten.
Die Erläuternden Bemerkungen führten zu neuen Bestimmung u.a. folgendes aus:
"Nach derzeitiger Rechtslage (§ 307 Abs. 2 BAO) besteht lediglich bei Wiederaufnahme des Verfahrens ein Schutz der Partei vor Verböserungen, die sich insbesondere aus Änderungen der Rechtsprechung ergeben könnten. Ein solcher Vertrauensschutz soll nicht nur bei Wiederaufnahme, sondern generell bei allen Abänderungen (zB gemäß § 295 BAO) und Aufhebungen (zB gemäß § 299 BAO) gelten. Dieses Vertrauen der Partei soll etwa auch im Zusammenhang mit Selbstberechnungen und mit der Einreichung von Abgabenerklärungen geschützt werden. BAO schützt das Vertrauen der Partei in Rechtsauslegungen der Höchstgerichte unabhängig davon, ob der Bescheid in der Begründung auf die Judikatur hinweist. Entscheidend ist, ob die dem erstmals beispielsweise über die Abgabe absprechenden Bescheid zugrunde gelegte Rechtsansicht im Ergebnis mit der (vor seiner Erlassung ergangenen) Rechtsprechung übereinstimmt; dies unabhängig davon, ob die Partei oder die Abgabenbehörde diese Judikatur kennen.
Das Abstellen auf die formale Bezeichnung als "Richtlinie" vermeidet (im Unterschied zum derzeitigen § 307 Abs. 2 BAO) Zweifel, was ein allgemeiner Erlass ist (bzw. wann eine bloße Einzelerledigung vorliegt). Dies dient der Rechtssicherheit. Die Bezeichnung als "Richtlinie" hat nichts mit dem Umfang des Erlasses zu tun. In Hinkunft werden somit auch Erlässe, die nur wenige Seiten umfassen, als Richtlinien zu bezeichnen sein.
Ebenso wie der bisherige § 307 Abs. 2 BAO normiert §117 BAO keine Bindung an Judikatur oder an Erlässe. Lediglich "rückwirkende" Konsequenzen aus (für die Partei nachteiligen) Änderungen der Judikatur oder als Richtlinien bezeichneter Erlässe werden vermieden."
Es sei somit die Intention des Gesetzgebers, den Schutz des Abgabe- und Abfuhrpflichtigen zu erweitern. Diese Intention erzwinge es, den Text von Normen und "Richtlinien" so auszulegen, dass dieser Schutz auch tatsächlich erreicht werde.
Damit ergebe sich für den konkreten Fall folgendes.
Die Bw. habe sich in den dem Berufungsverfahren zugrundeliegenden Fällen auf die Aussagen des BMF in Pkt 4.3 iVm Pkt 5.1 der Richtlinien zur Erhebung der Kapitalertragsteuer von Kapitalerträgen aus Einlagen und Forderungswertpapieren, vom 12. 2. 1993, AÖF 1993/158, gestützt und die Stückzinsenberechnung linear vorgenommen.
Wenn sich nun der angefochtene Bescheid erkennbar auf Rz 6186 der Änderung der Einkommensteuerrichtlinien bei der Besteuerung von Kapitalanlagen vom 12. Juni 2001, AÖF 2001/145, stützt, sei eine von § 117 BAO verpönte Rückwirkung gegeben.
Auf Grund von hohen Abweichungen sei für die Berechnung der Stückzinsen für hochverzinste und langfristige Nullkuponanleihen in USD, ZAR, PLN, AUD, CAD und der daraus abgeleiteten Kapitalertragsteuergutschriften die vereinfachende lineare Ermittlung gemäß Punkt 5.1 des Erlasses des BM f. Finanzen v. 12.2.1993, Z 14 0602/1/1 -IV/14/93 nicht anwendbar, da die so ermittelten rechnerischen Zinsen im Ergebnis unverhältnismäßig hoch von den tatsächlichen wirtschaftlichen Zinsen abweichen (siehe auch Rz 6186 der EStR). Die Abweichungen würden zwischen 31% und 95% gegenüber der finanzmathematischen Ermittlung betragen. Bei dieser dem Bescheid zugrunde gelegten Rechtsansicht handle es sich um eine in Rz 6186 EStR 2000 erstmals in einer Richtlinie des BMF getroffene Aussage. Die für den abgefochtenen Bescheiden zugrundliegenden Anmeldungszeiträumen enthielten die Kapitalertragsteuer-Richtlinien keine derartige Aussage.
Da die Abgabenbehörde im konkreten Fall die angefochtenen Bescheide am 13. August erlassen habe, sei für diese Entscheidungen (seit 25. 6. 2002) § 117 BAO anzuwenden.
Die Abgabenbehörde habe grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen (vgl zB VwGH 26. 4. 1993, 91/10/02529. Eine Änderung der Rechtslage wäre nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Änderung als Folge einer Übergangsregelung nicht zurückwirkt bzw anzuwenden wäre (VwGH 8. 4. 1991, 89/15/0111). Auch der Grundsatz der Zeitbezogenheit (Rechtslage im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts), dem im materiellen Steuerrecht Bedeutung zukomme, spiele im konkreten Fall keine Rolle.
Damit sei der allgemeine Grundsatz gültig, dass die Abgabenbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide geltende Recht anzuwenden habe. Die Abgabenbehörde sei verpflichtet, auf eingetretene Rechtsänderungen Bedacht zu nehmen (vgl VfSlg 1770/1949 und 2136/1951, 2792/1955, 6944/1972 siehe insb die umfangreichen Rechtsprechungshinweise in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, E 299 ff zu § 66 AVG).
3. KESt-Pflicht bei Entnahme von Wertpapieren aus Wertpapierdepots
Hinsichtlich des Entstehens einer KESt-Schuld im Zeitpunkt der Depotentnahme führt die Bw. folgendes aus:
Eine wesentliche Frage bilde im konkreten Fall die Auslegung der Bestimmung des § 95 Abs 4 Z 3 EStG 1988, wonach bei Kapitalerträgen bei Forderungswertpapieren im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge und im Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons eine Verpflichtung zum Abzug der Kapitalertragsteuer entsteht. Dabei fingiere der Gesetzgesetzgeber die "Meldung" des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen als Veräußerung. Nach Quantschnigg/Schuch, Rz 9.3 zu § 95 solle der Begriff "Meldung" im Sinn eines "Kenntniserlangens" durch die Bank verstanden werden. Abschnitt 4.4 der Kapitalertragsteuerrichtlinien interpretiere diese Bestimmung so, dass der Wegfall der Voraussetzungen für die Abzugspflicht oder für die Befreiung von der Abzugspflicht (Änderung der Grundlagen für den Steuerabzug) bzw die Meldung hierüber als Veräußerung des Wertpapiers gilt. Insbesondere sei dies in folgenden Fällen gegeben: Eintritt in die oder Austritt aus der unbeschränkten Steuerpflicht, Wegfall oder Begründung einer kuponauszahlenden Stelle im Inland, Abgabe einer Optionserklärung. Die Annahme einer Veräußerung des Wertpapiers bewirke in diesen Fällen eine zeitanteilige Erhebung der Kapitalertragsteuer.
Letztlich sei zu berücksichtigen, dass bei Forderungswertpapieren die Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug an das Vorliegen einer kuponauszahlenden Stelle im Inland anknüpft (§ 93 Abs 3 letzter Satz EStG). § 95 Abs 3 Z 2 EStG normiere die Bank, die an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt, als kuponauszahlende Stelle. Es sei grundsätzlich so, dass der Begriff der kuponauszahlenden Stelle nicht mit dem Depot identisch sei. Wenn daher die Abgabenbehörde I. Instanz behaupte, dass die Entnahme aus dem Depot eine KEST-Pflicht begründe, dann sei dieses Ergebnis nicht aus dem Gesetz abzuleiten. Nur dann, wenn es anlässlich der Beendigung der kuponauszahlenden Stelle zu einem Zufließen von anteiligen Kapitalerträgen kommt, könne eine KESt-Pflicht ausgelöst werden.
Unterstelle man, dass mit Entnahme aus dem Depot die bisher depotführende Bank gleichzeitig auch ihre Funktion als kuponauszahlende Stelle hinsichtlich der entnommenen Wertpapiere verliert (was nicht zwingend ist und von der bescheiderlassenen Behörde nicht einmal behauptet wurde), stelle sich weiters die Frage, ob diese Beendigung der Funktion als kuponauszahlende Stelle zu einer fiktiven Veräußerung iSd § 95 Abs 4 Z 3 EStG führt. § 95 Abs 4 Z 3 EStG spreche allgemein von "Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen". Nachdem die Kapitalertragsteuerpflicht an das Bestehen einer kuponauszahlenden Stelle anknüpfe, könne die Begründung einer derartigen kuponauszahlenden Stelle oder der Wegfall einer derartigen kuponauszahlenden Stelle in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Kapitalertragsteuerrichtlinien jedenfalls als eine fiktive Veräußerung anzusehen sein.
Gehe man daher grundsätzlich davon aus, dass eine fiktive Veräußerung iSd § 95 Abs 4 Z 3 EStG vorliege, werde aber für eine tatsächliche KESt-Pflicht zusätzlich verlangt, dass es zu einem "Zufließen (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich dieser Veräußerung" kommt.
Auf Grundlage des Erkenntnisses des VwGH vom 5.7.1994, 91/14/0064, sei dies aber nicht der Fall.
Für die Verpflichtung zur Vornahme eines Steuerabzuges sei nämlich jedenfalls Voraussetzung, dass es zu einem Zufließen von Kapitalerträgen iSd § 19 EStG aus Anlass der (fiktiven) Veräußerung komme. Aufgrund der zitierten Entscheidung des VwGH sei davon auszugehen, dass es bei Veräußerung eines Wertpapiers zu keinem Zufluss von anteiligen Kapitalerträgen aus Anlass dieser Veräußerung kommt. Nach der zitierten Entscheidung trete nämlich der anteilige Zufluss an den Veräußerer erst in dem Zeitpunkt ein, in dem auch der Zufluss beim Rechtsnachfolger erfolgt. Aus der Sicht des Kapitalertragsteuerabzuges stelle sich aber die Frage, ob sich aus § 95 Abs 4 Z 3 EStG nicht ein anderer Zuflusszeitpunkt ableiten lasse. Diese Bestimmung enthalte eine Zuflussfiktion für Zwecke der Kapitalertragsteuer. Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren würden für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer die Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit oder im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers als zugeflossen gelten .
Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren sehe somit der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Fälligkeit oder den Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge iSd § 19 EStG aus Anlass der Veräußerung als maßgeblichen Zeitpunkt für den Kapitalertragsteuerabzug an. Der Zufluss für Zwecke der Kapitalertragsteuer setze damit voraus, dass in einem Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung des Wertpapiers ein Zufluss von Kapitalerträgen iSd § 19 EStG stattfinde. Nach der zitierten Rechtsprechung sei dies allerdings nicht der Fall. Nach dieser Rechtsprechung sei nämlich nicht der Zufluss des für die Übertragung der Zinsanwartschaft erhaltenen Abtretungspreises beim Abtretenden, sondern der Zufluss des Zinsertrages beim Übernehmer für die zeitliche Erfassung iSd § 19 EStG maßgebend. Erst der Zufluss beim Erwerber bewirke auch den Zufluss beim Veräußerer des Wertpapiers. Das Entgelt aus der Abtretung der Forderung auf den anteiligen Zinsertrag (Stückzinsen) werde nicht als Kapitalertrag angesehen, sodass es im Zeitpunkt der Veräußerung des Wertpapiers auch zu keinem Zufließen anteiliger Kapitalerträge iSd § 19 EStG komme, was aber § 95 Abs 4 Z 3 EStG ausdrücklich verlange. Der Zufluss bei Fälligkeit der Kapitalerträge erfolge aber nicht anlässlich einer Wertpapierübertragung, sondern unabhängig von einer solchen. Durch den ausdrücklichen Verweis auf § 19 EStG, würden die Zuflussgrundsätze nach dieser Bestimmung auch für KESt-Zwecke gelten. Ein unterschiedlicher Zuflussbegriff sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Im Gegenteil: Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 19 EStG in § 95 Abs 4 Z 3 EStG sei vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber einen identen Zuflussbegriff verwendet (vgl demgegenüber die davon abweichenden Zuflussfiktionen in § 95 Abs 4 Z l und Z 2 EStG).
Wenn nun daher bei einer Veräußerung eines Wertpapiers kein Zufluss von anteiligen Kapitalerträgen nach den Grundsätzen des § 19 EStG stattfinde weil der Zufluss unabhängig von der Wertpapierübertragung erst bei Kuponfälligkeit (bei Nullkuponanleihen: bei Endfälligkeit) eintrete, dann könne dies erst recht nicht bei einer fiktiven Veräußerung der Fall sein. Tatsächliche und fiktive Veräußerung seien nämlich nach dem Gesetzeswortlaut gleich zu behandeln. Entfalle aber nun bei einer tatsächlichen Veräußerung die Annahme eines Zuflusses, komme auch bei einer fiktiven Veräußerung ein derartiger nicht in Betracht. Damit bestehe keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kapitalertragsteuer.
Die Bw. sei daher der Ansicht, dass die Heranziehung zur Haftung ermessenswidrig sei bzw ein Kapitalertragsteueranspruch dem Grunde nach nicht bestehe.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 93 Abs. 4 Z. 2 EStG 1988 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 unterliegen Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und den im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, soweit sie 2% des Wertpapiernominales übersteigen, einem Kapitalertragsteuerabzug.
Dieser Kapitalertragsteuerabzug ist bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 von der kuponauszahlenden Stelle, das ist das Kreditinstitut, das die Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung eines Forderungswertpapiers auszahlt, vorzunehmen.
Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer als zugeflossen im Zeitpunkt der Fälligkeit und im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons..
Gemäß § 96 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 hat bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren der zum Abzug Verpflichtete, die in einem Kalendermonat einbehaltenen Steuerbeträge abzüglich gutgeschriebener Beträge spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonats abzuführen.
Der zum Abzug Verpflichtete haftet gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.
Gemäß § 95 Abs. 5 ist dem Empfänger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer nur ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder 2. der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies nicht dem Finanzamt unverzüglich mitteilt.
Stellt sich heraus, dass die vom Haftungspflichtigen vorgenommene Selbstberechnung der Kapitalertragsteuer unrichtig ist, so ist gemäß § 202 Abs 1 BAO unter sinngemäßer Anwendung von § 201 BAO ein Abgabenbescheid zu erlassen und die Kapitalertragsteuer festzusetzen
1. Lineare oder finanzmathematische Stückzinsenberechnung
Strittig ist im gegenständlichen Fall zunächst, ob bei einem Verkauf eines Wertpapiers vor dem Ende der Laufzeit die im Kaufpreis abgegoltenen Kapitalerträge(Stückzinsen) nach einer linearen oder nach einer finanzmathematischen Berechnungsmethode als Basis für den Kapitalertragsteuerabzug zu ermitteln sind bzw. ob, wie die Bw. meint, beide Berechnungsarten nebeneinander zulässig sind.
Wie bereits erwähnt, gehen Verwaltungspraxis und Lehre (vgl. Doralt Einkommensteuer Kommentar, Bd. II Tz 53 zu § 95) davon aus, dass der Erwerber eines Forderungswertpapiers aufgrund der im Kaufpreis enthaltenen anteiligen Kapitalerträge eine Kapitalertragsteuergutschrift erhält, wobei dies auch dann erfolgt, wenn anlässlich des Erwerbsvorganges keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wird. Es wird dies als ein Fall des § 95 Abs. 6 EStG 1988 angesehen.
Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug sind die erzielten Kapitalerträge. Wird nun ein endfälliges Wertpapier vor Ablauf der Laufzeit veräußert, ergibt sich das Erfordernis der Ermittlung kalkulatorischer Zinsen für den Zeitraum des Wertpapierbesitzes. Dabei handelt es sich aber um ein Problem der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen somit also um eine Frage der Sachverhaltsermittlung.
Wenn in weiterer Folge von kalkulatorischen Zinsen gesprochen wird, ist damit auch ein kalkulatorisch zu ermittelnder Unterschiedsbetrag im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gemeint.
Der Ausgabekurs einer Nullkuponanleihe ist nicht beliebig festgesetzt, sondern ergibt sich aus der Anwendung des jeweiligen Marktzinssatzes über die Laufzeit der Anleihe. Dies entspricht auch der allgemein anerkannten Definition der Nullkuponanleihe, nach der die Verzinsung dieser Wertpapiere durch ein hohes Disagio zum Ausdruck kommt , wobei der Nominalbetrag über die Laufzeit mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzinssatz abgezinst wird (Moritz in SWK 2001, S. 361f mit den dort angeführten Verweisen). Die Berechnung von Abzinsungen erfolgt herkömmlich nach finanzmathematischen Methoden.
Dass bei der Berechnung von Zinserträgen grundsätzlich finanzmathematische Methoden verwendet werden ist allgemein bekannt und dem Bankengeschäft - hier im besonderen dem Wertpapiergeschäft - geradezu immanent. Auch aus der Rechtsprechung ergibt sich eindeutig eine Anwendung von finanzmathematischen Methoden. So judizierte der VwGH bereits mit Erkenntnis vom 8. Juli 1960, 292/58, Slg 2271/F, dass bei der Verteilung von Kapitalzahlungen auf mehrere Jahre eine Zerlegung in einen steuerfreien Tilgungsanteil und steuerpflichtigen Zinsanteil zu erfolgen hat, wobei die Zinsen durch Errechnung des Barwertes der gesamten Teilbeträge mit Hilfe der Rentenformel (Berechnung von Zinseszinsen) zu ermitteln sind
Das Abgabenrecht knüpft daher auch im Bereich des Kapitalertragsteuerabzuges bei Forderungswertpapieren an diesen wirtschaftlich geprägten Begriff des Kapital(Zins) ertrages an. Die kalkulatorischen Zinsen für den Kapitalertragsteuerabzug sind daher grundsätzlich nach finanzmathematischen Methoden zu ermitteln.
Dem Einwand, systematische und teleologische Gründe würden für eine lineare Verteilung der Zinsen sprechen, ist entgegenzuhalten, dass spezielle bzw. ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen über die Ermittlung von Zinserträgen für Forderungswertpapiere - im besonderen von Stückzinsen bei vorzeitigen Verkäufen, wie sie beispielsweise §§ 7 und 8 EStG für den Bereich der Absetzung für Abnutzung vorsehen, nicht bestehen.
Die Bw. stützt ihre Ansicht, dass die kalkulatorischen Zinsen durch eine lineare Verteilung auf die Laufzeit des Wertpapiers zu ermitteln seien auf . Pkt. 4. 5 (2) bzw Pkt. 5.1. (1) des Erlasses des BMF vom 12. Februar 1993, GZ. 14 0602/1-IV/14/93 (KESt-Richtlinien).
Pkt. 4.5 (2) lautet:
Wird ein Wertpapier vor dem Ende der Laufzeit verkauft, dann ist für den zeitanteiligen Kapitalertrag des Veräußerers im Zeitpunkt der Veräußerung Abzugspflicht gegeben. Es bestehen keine Bedenken, wenn der zeitanteilige Kapitalertrag unter sinngemäßer Anwendung der in Pkt. 5.1 dargestellten Formel ermittelt wird. ........
Pkt. 5.1 (1) lautet:
Der Abzugspflicht von 22% unterliegen erst Kapitalerträge, die als Entgelt für die Überlassung von Kapital für die Zeit ab 1.1.1993 anzusehen sind. Bei Kapitalerträgen aus Einlagen, die mit 31.12.1992 abgeschlossen werden, besteht erst für die Kapitalerträge aus Abschlüssen nach dem 31.12.1992 eine Abzugspflicht von 22%. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern kann der auf die Zeit ab dem 1.1.1993 anfallende Kapitalertrag einfachheitshalber nach folgender Formel berechnet werden:
Einlösungswert abzüglich Ausgabewert | = monatlicher Kapitalertrag |
Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung |
........................
Während des gesamten berufungsgegenständlichen Zeitraumes sei diese Regelung in Kraft gewesen. Weiters wurde auf die Argumente von Schönstein, SWK 2001 S 403, 571 verwiesen, wonach Abgrenzungsfragen nach den Grundsätzen der Zinsertragsteuerrichtlinie zu lösen seien.
Die Zinsertragsteuerrichtlinien vom 15. Dezember 1983, Z 13 950/1-IV/13/83 sahen unter VII. Übergangsbestimmungen Pkt. 15. (1) folgendes vor.
Der Zinsertragsteuer unterliegen im Bereich der Zinserträge aus Einlagen bei Kreditunternehmungen sowie sonstigen Forderungen gegenüber Kreditunternehmungen nur Kapitalerträge, die als Entgelt für die Zurverfügungstellung von Kapital nach dem 31. Dezember 1983 anzusehen sind. Bei Zinserträgen aus Spareinlagen sowie aus Sichteinlagen wird es dabei zu keinen Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern errechnet sich der auf Zeiträume nach dem 31. Dezember 1983 entfallende Zinsertrag nach folgender Formel:
Einlösungswert abzüglich Ausgabewert | = monatlicher Zinsertrag x Anzahl der vollen Kalendermonate 1.1.1984 bis zum Auflösungszeitpunkt = steuerpflichtiger Zinsertrag |
Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung |
Nach den Einkommensteuerrichtlinien 2000 liegen beim Veräußerer Kapitaleinkünfte in Höhe der Differenz zwischen dem Ausgabewert und dem "inneren Wert" der Anleihe im Veräußerungszeitpunkt vor; dieser "innere Wert" errechne sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises mit dem Renditezinssatz. Wenn sich keine wesentlichen Abweichungen zu dem durch Aufzinsung des Ausgabepreises ermittelten Zinsertrag ergeben, bestünden keine Bedenken, den anteiligen Zinsertrag nach der "linearen" Formel zu berechnen (EStR 2000 Rz 6186). Mit Erlass des BM für Finanzen AÖF Nr. 145/2001 wurde diese Aussage in der Rz 6186 der Einkommensteuerrichtlinien 2000 dahingehend geändert bzw. ergänzt, dass keine Bedenken bestehen, wenn anlässlich von steuerpflichtigen Vorgängen, die vor dem 1. Februar 2001 gelegen sind, der innere Wert nach der linearen Methode pauschal berechnet werde. Diese Art der Schätzung sei jedoch nur zulässig, wenn keine wesentliche Abweichung zum Ergebnis nach der Zinseszinsformel bestehe und somit das Schätzungsergebnis dem tatsächlichen Ergebnis nahe komme. Als wesentliche Abweichung sei eine Abweichung um mehr als 25 %, mindestens aber um 10.000 S anzusehen.
Wie bereits dem Text der KESt-Richtlinien 1993 zu entnehmen ist, handelt es sich dabei um eine im Zuge der Erhöhung der Kapitalertragsteuer von 10 % auf 22% auf Einlagen bei Banken und Forderungspapiere ab 1.1.1993 vom BMF getroffene Maßnahme zur Vereinfachung der Abgrenzung der Zinserträge. Die lineare Abgrenzung war unter den damaligen EDV-Verhältnissen die einzige Möglichkeit, dass alle - auch kleinere Kreditinstitute - den damals übertragenen Steuereinbehaltungsaufgaben nachkommen konnten. Sie entspricht aber nicht der wirtschaftlich getreuen Abbildung der auf die einzelnen Zeiträume entfallenden Zinsenanteile und ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Die Argumentation Schönsteins in diesem Zusammenhang, dass in den Gesetzesmaterialien bei der Einführung der Kapitalertragsteuer hinsichtlich der Abgrenzung zeitlicher Natur bei Forderungswertpapieren auf die Grundsätze der Zinsertragsteuerrichtlinien verwiesen werde, (diese enthalten dieselbe Formel wie nun die KESt-Richtlinien - nämlich eine lineare Berechnung) und solcherart die zwingende Anwendung einer linearen Abgrenzungsmethode in den Bereich der Kapitalertragsteuer übergegangen sei und eine finanzmathematische Abgrenzung ausschließe, wird nicht geteilt. Gesetzesmaterialien sind zwar grundsätzlich zu einer teleologisch/historischen Interpretation einer gesetzlichen Regelung heranzuziehen. Gegenständlich handelt es sich aber auch bei dieser Formel um eine durch die damaligen Gegebenheiten bedingte technisch-pragmatische Erleichterung bei der Umsetzung des Gesetzes aus der aber für die Frage der richtigen Ermittlung kalkulatorischer Zinsen nichts gewonnen werden kann. Auf die obigen Ausführungen zum wirtschaftlich geprägten Begriff des Kapital(Zins)ertrages wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Im Übrigen spricht gegen eine lineare Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen auch, dass -folgte man der Ansicht der Bw.- ein originärer Erwerber einer der berufungsgegenständlichen Nullkuponanleihen beim einem Verkauf vor dem Ende der Laufzeit in vielen Fällen mit einem unverhältnismäßig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichenden Kapitalertragsteuerabzug endgültig belastet würde.
Dass eine lineare Berechnung einfacher durchzuführen ist, als eine finanzmathematische Berechnung liegt in der Natur der Sache. Die im Kaufpreis der Nullkuponanleihen enthaltene "Zinskomponente" muss für Zwecke der Kapitalertragsteuer(gutschriften) berechnet bzw. geschätzt werden. Jede Schätzung muss zum Ziel haben, ein Näherungsergebnis zu erreichen, das der Wirklichkeit weitest möglich entspricht (Stoll, BAO, Band 2, S. 1905). Dazu ist eine geeignete Schätzungsmethode zu wählen. Eine finanzmathematische Methode ist zweifellos zur Ermittlung der im Kaufpreis von Nullkuponanleihen enthaltenen Zinsen geeignet. Vereinfachend wird in vielen Fällen auch die lineare Methode zu einem Näherungswert führen, der dem Marktwert noch soweit entspricht, dass die Schätzung rechtmäßig bleibt. Bei den hier strittigen Berechnungen ist dies angesichts der aufgezeigten Differenzen zu einer (genaueren) finanzmathematischen Methode jedoch nicht mehr der Fall. Dieser Umstand erlaubt es aber nicht, auch dann eine von den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichende lineare Berechnung aus Vereinfachungsgründen vorzunehmen, wenn dies in den einzelnen Abgabengesetzen nicht vorgesehen ist.
Grundsätzliches Ziel einer Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen (Ritz ², Bundesabgabenordnung Rz 3 zu § 184 BAO). Selbst wenn eine vereinfachte lineare Berechnung in vielen Fällen den Anforderungen an eine Schätzung entsprechen mag, kann den Ausführungen in den KESt-Richtlinien 1993 kein Anspruch auf deren Anwendung dann unterstellt werden, wenn daraus, wie dies für den Berufungsfall aus den oben dargestellten Tabellen hervorgeht, absolut realitätsfremde Ergebnisse resultieren.
Bei den erheblichen Differenzen zwischen den Berechnungsmethoden (insgesamt betragen die nach der Linearmethode ermittelten KEST-Gutschriften ein vielfaches der nach finanzmathematischen Kriterien ermittelten Beträge) kann wohl nicht angenommen werden, dass die lineare Methode vom Gesetzgeber generell gewollt und deshalb wie von der Bw. vorgebracht "unstrittigen" Gesetzesinhalt darstellt.
Seitens des BM für Finanzen wurde in einer Anfragebeantwortung die Auskunft erteilt, dass eine exakte Berechnung der zeitanteiligen Kapitalerträge möglich ist und die im Erlass dargestellte vereinfachende Abgrenzung hinter eine angestrebte genaue Berechnung zurückzutreten hat (vgl. BMF vom 23.7.1996 zitiert in Schönstein, KESt und Zero-Bonds, SWK 14/2001, 404). Daraus ist zu ersehen, dass auch nach Ansicht des BM für Finanzen die zeitanteiligen Kapitalerträge nach einer finanzmathematische Methode zu ermitteln sind.
Wenn die Bw. einen Verstoß gegen Treu und Glauben darin sieht, dass das Finanzamt von einer Berechnungsmethode abgeht, an der sich der Steuerpflichtige orientiert hat , weil diese von der Finanzverwaltung in Punkt 5.1.(1) bzw. 4. 5. (2) des Erlasses des BMF vom 12. Februar 1993, GZ. 14 0602/1-IV/14/93 "nahegelegt" worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der Judikatur der Grundsatz von Treu und Glauben nicht allgemein das Vertrauen eines Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung schützt. Die Abgabenbehörde ist vielmehr verpflichtet, von einer nicht dem Gesetz entsprechenden Verwaltungsübung abzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof schützt das Vertrauen in die Richtigkeit von allgemeinen Verwaltungsanweisungen, wie zB. Richtlinien oder Erlässe nicht. Erlässe der Finanzverwaltung begründen keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen. Allgemeinen Verwaltungsanweisungen wie z.B. Richtlinien oder Erlässen, kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden, wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und dem Finanzamt voraussetzt, bei dem allein sich eine Vertrauenssituation bilden kann. (VwGH 8. 9 1992, 87/14/0091; VwGH 22. 9. 1999, 97/15/0005).
Ergänzend sei auf das Erkenntnis des VwGH vom 26. Juli 2000, 97/14/0040, verwiesen, wonach eine für Vorjahre vorgenommene rechtliche Beurteilung, die sich zu Gunsten des Abgabepflichtigen ausgewirkt hat, bei diesem zwar die Hoffnung wecken kann, die Abgabenbehörde werde diese Beurteilung auch in Folgejahren beibehalten, sie schafft aber kein schutzwürdiges Vertrauen, die Behörde werde diese Beurteilung - wenn sie sich als unrichtig herausstellt - auch für Folgezeiträume beibehalten.
Die Formulierung in den KESt-Richtlinien 1993, dass "keine Bedenken" gegen eine lineare Abgrenzung bestünden, impliziert nach Ansicht der Berufungsbehörde kein Anhalten bzw. keine Aufforderung des Steuerpflichtigen zu einer bestimmten Vorgangsweise, zumal die Vereinfachungsbestimmung in den unter Punkt 5. zusammengefassten "Übergangsbestimmungen" offenkundig administrative Erleichterungen in der Übergangsphase bezweckte.
Vielmehr ist aus der von den Richtlinien verwendeten Formulierung abzuleiten, dass die lineare Methode nur dann keine Bedenken auslöst, wenn sich bei ihrer Anwendung eine sachgerechte Schätzung der Gutschriftszinsen ergibt, andernfalls ist sie von vornherein (auch nach der Intention des Richtlinienverfassers) nicht zulässig und ihre (diesfalls unrichtige) Verwendung kann auch nicht als "nahegelegt" angesehen werden.
Wenn - wie bei den gegenständlichen Konstellationen - die lineare Verteilungsmethode zu einem wirtschaftlich völlig realitätsfremden Resultat führt und die Abrechnung des Erwerbes selbst einem fachlich nicht versierten Anleihe-Käufer unplausibel erscheinen musste , kann sich erst recht eine Bank (die Bw.) mit ihren einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bank- und Wertpapiergeschäft nicht auf die Bindungswirkung von Richtlinienaussagen stützen, um eine Rückforderung von offensichtlich sachlich nicht gerechtfertigten KESt-Gutschriften zu vermeiden. Darüber hinaus weist die Finanzverwaltung in der Einleitung zu den KESt-Richlinien 1993 ausdrücklich darauf hin, dass mit den Ausführungen in den Richtlinien keine über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Rechte und Pflichten begründet werden.
Der Umstand, dass seitens der Banken Anfragen an das BMF zur Berechnung gestellt wurden, legt überdies den Schluss nahe, dass nicht von allen Banken bzw. in allen Fällen die lineare Methode angewendet wurde bzw. werden sollte, sondern bei Transaktionen, wo es für den Kunden von Vorteil war, eine finanzmathematische Ermittlung in Erwägung gezogen bzw. sogar der Vorzug eingeräumt wurde.
In Anbetracht dieser Umstände stellt das Vorgehen des Finanzamtes, in den berufungsgegenständlichen Fällen anstatt der linearen Berechnung von Stückzinsen eine finanzmathematische Berechnung vorzunehmen, keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben gegenüber der Bw. dar.
2. Steuerpflicht von Entnahmen aus dem Depot
Strittig ist weiters, ob die Entnahme (von Nullkuponanleihen) aus dem Bankdepot als Veräußerung im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 gilt und als solche Kapitalertragsteuerpflicht begründet. Die gesetzliche Fiktion der Veräußerung des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 knüpft an die Meldung von Umständen an, welche die Abzugspflicht beenden oder begründen.
Die kuponauszahlende Stelle wird begründet, indem ein inländisches Kreditinstitut das Forderungswertpapier oder den Zinskupon verwahrt oder verwaltet (und dementsprechend das Kreditinstitut die Kapitalerträge an den Investor auszahlt oder gutschreibt; Doralt, Einkommensteuergesetz, Band II, Tz 9 zu § 95). Dem gemäß muss die Entnahme des Wertpapiers aus dem Depot dieses Kreditinstitutes als Beendigung seiner Stellung als kuponauszahlende Stelle - bezogen auf das entnommene Wertpapier - gesehen werden. Zwar setzt das Entstehen einer Kapitalertragsteuerpflicht nicht notwendig voraus, dass das Wertpapier auf einem inländischen Depot hinterlegt ist, weil der Begriff der kuponauszahlenden Stelle allein durch das Kriterium der Auszahlung von Kapitalerträgen charakterisiert ist (§ 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988). Das Gesetz fingiert aber eine Veräußerung des Wertpapiers bei der Meldung von Umständen, die eine Änderung der Grundlagen für den Steuerabzug bewirken. Die Entnahme eines (endfälligen) Wertpapiers aus dem Depot der (inländischen) Bank ist ein solcher Umstand (so im Ergebnis auch Doralt, Einkommensteuergesetz, Band II, Tz 39 zu § 95; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 9.3 zu § 95). Denn mit Beendigung der Depotführung ist das (inländische) Kreditinstitut nicht mehr in der Lage, die Gutschrift bzw. Auszahlung von Kapitalerträgen aus diesem Wertpapier und die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer wahrzunehmen. Der weitere Verbleib des Wertpapieres entzieht sich jeglicher Kontrolle. Dass es dem Inhaber unbenommen bleibt, die Anleihe am Ende der Laufzeit bei eben jenem Kreditinstitut einzulösen, aus dessen Depot sie zuvor entnommen worden ist, ändert nichts daran, dass dessen Status als kuponauszahlende Stelle mit der Entnahme endete (und bei Einlösung der Anleihe allenfalls neu begründet wird). Das Tatbestandsmerkmal der "Meldung" kann im Sinne eines bloßen "Kenntniserlangens" durch die depotführende Bank verstanden werden (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 9.3 zu § 95) und ist bei der Entnahme von Wertpapieren aus dem Bankdepot naturgemäß erfüllt.
Soweit die Schönsteins in seinen Ausführungen in SWK 1988 A I 318 die Auffassung vertritt, die Bestimmung des § 95 Abs. 4 Z 3 1. Satz sei als Ausnahmebestimmung jedenfalls eng auszulegen, so ist dazu darauf hinzuweisen, dass mit der Novelle BGBl. Nr. 12/1993 der Begriff "insbesondere" in den Klammerausdruck eingefügt wurde. Nach den Erläuternden Bemerkungen sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, dass die Begründung der Abzugspflicht in Ausnahmefällen auch aus anderen Gründen als dem Widerruf der Befreiungserklärung denkbar ist. Nach dem Gesetzeszweck besteht somit kein Zweifel an der Einbeziehung anderer Formen der Beendigung der Abzugspflicht in die Veräußerungsfiktion. Die Auffassung Schönsteins ist daher jedenfalls nach dieser Novellierung überholt.
Liegt demnach in den Fällen der Entnahme von Nullkuponanleihen aus dem Depot der Bw. eine (fiktive) Veräußerung im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 vor, so bleibt noch zu klären, ob zum Zeitpunkt ("anlässlich") der Veräußerung ein Zufluss von Kapitalerträgen stattfindet. In dem von der Bw. zitierten Erkenntnis vom 5.7.1994, 91/14/0064, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Fall der Veräußerung einer echten stillen Beteiligung die Auffassung vertreten, dass die vom Erwerber mit dem Kaufpreis abgelösten Gewinnanteile dem Veräußerer nicht mit Erhalt des Kaufpreises (als Surrogatzahlung für die Kapitalerträge), sondern erst in jenem Zeitpunkt zufließen, in dem der Inhaber des Handelsgewerbes die Gewinnauszahlung (an den Erwerber) vornimmt. In der Kaufvereinbarung sei nämlich hinsichtlich der Kapitalerträge eine Vorausverfügung des Veräußerers zu Gunsten des Erwerbers der Beteiligung gelegen. Einnahmen aus der Abtretung von Forderungen auf den Kapitalertrag sind nach dieser Rechtsprechung keine Kapitalerträge im Sinne des § 27 Abs. 1 EStG 1988 (Zorn, Einkünftezurechnung bei Abtretung einer stillen Beteiligung, RdW 1994, 290; Aktuelle einkommensteuerliche Probleme im Bereich der Kapitalveranlagungen, ÖStZ 2003, 164). In der Literatur ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zum Teil auch auf Kritik gestoßen (Doralt, Einkommensteuergesetz, Band I, Tz 21 zu § 19; Mühlehner, KeSt-Pflicht für Stückzinsen?, RdW 1997, 746). Nach Zorn, aaO, wird allerdings der Begriff "Kapitalertrag" im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 (für Zwecke der Erhebung der Kapitalertragsteuer) weiter zu verstehen sein als der Kapitalertrag im Sinne des § 27 EStG (ÖStZ 2003, 166). Aus Praktikabilitätsgründen müsse die Kapitalertragsteuer bei den Stückzinsen anknüpfen, weil die Beziehung des Veräußerers zur kuponauszahlenden Stelle mit der Veräußerung des Wertpapieres beendet ist (RdW 1994, 292).
Dieser Ansicht wird zu folgen sein. Sie hat auch den Wortlaut des § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 für sich, dem zufolge als kuponauszahlende Stelle jenes Kreditinstitut in Betracht kommt, das anteilige Kapitalerträge "anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers" auszahlt. Der Verweis des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 auf die Zuflussgrundsätze des § 19 ist demnach so zu verstehen, dass im Falle der Veräußerung des Wertpapiers die (anteiligen) Kapitalerträge - für Zwecke des KESt-Abzuges - mit der Kaufpreiszahlung als zugeflossen gelten; in den Fällen der vom Gesetz fingierten Veräußerung ist auch ein solcher Zahlungsfluss nicht erforderlich. Die aus dem VwGH-Erkenntnis vom 5.7.1994 abgeleitete Interpretation der Bw., der zufolge eine KESt-Pflicht für Kapitalerträge aus Nullkuponanleihen erst bei der Einlösung der Wertpapiere eintreten könnte, würde nicht nur der Bestimmung des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 jeglichen Anwendungsbereich nehmen; konsequent weiter gedacht dürfte diese Rechtsansicht auch die im angefochtenen Bescheid gewährten KESt-Gutschriften bei Erwerb der Anleihen nicht mehr zulassen, weil rückgängig gemachte (anteilige) Kapitalerträge beim Erwerb einer Anleihe nicht denkbar sind, wenn der gesamte Kapitalertrag (der Anteil des Veräußerers und jener des Erwerbers) erst mit der Einlösung anfällt. Im Ergebnis wäre daraus für die Bw. nichts gewonnen.
3. Haftungsinanspruchnahme
Die Bw verneint zunächst die Anwendbarkeit der Haftungsbestimmung des § 95 Abs. 2 EStG dem Grunde nach.
Eine Haftungsinanspruchnahme ist zwar nach herrschender Ansicht in das Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde gestellt (Ritz, Bundesabgabenordnung, 2. Auflage, Rz 5 zu § 7 BAO und der dort zitierten Judikatur und Literatur), die Kapitalertragsteuer stellt aber- wie die Lohnsteuer - eine Abzugssteuer dar, und darf dem Schuldner nur ausnahmsweise in den gesetzlich vorgesehenen Fällen des § 95 Abs. 5 EStG 1988 direkt vorgeschrieben werden.
Im Bereich der Kapitalertragsteuer und Lohnsteuer hat der Gesetzgeber spezielle Haftungsnormen festgelegt, welche durch die besondere Nahebeziehung zwischen dem eigentlichen Schuldner und dem Haftenden sachlich gerechtfertigt erscheinen. Durch die Anordnung in § 95 Abs. 5 EStG 1988 und § 83 Abs. 2 EStG 1988, dass der eigentliche Schuldner zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nur in bestimmten Ausnahmefällen als Schuldner herangezogen werden darf, hat der Gesetzgeber die Vorranghaftung des Einbehaltungs- und Abzugsverpflichteten ausdrücklich begründet (Stoll, Ermessen im Steuerrecht, S. 378).
§ 95 Abs. 5 EStG 1988 sieht die unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge nur ausnahmsweise in den Fällen vor, wenn
- der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
- der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.
Nach dem Wortlaut der Bestimmung liegt keiner dieser Fälle vor. Eine Inanspruchnahme des Empfängers der Kapitalerträge für unrichtige KESt-Gutschriften ist nämlich in § 95 Abs. 5 EStG 1988 nicht vorgesehen. Eine analoge Ausdehnung auf diese Fälle einer unrichtigen KESt-Gutschrift erscheint im Hinblick auf die Formulierung "ausnahmsweise" gegenständlich nicht zulässig.
Die Bw. sieht in ihrer Heranziehung zur Haftung einen Ermessensmissbrauch, weil sie als zur Haftung herangezogener Steuerpflichtiger nicht ausschließlich aus eigener Beurteilung zu der von ihr vertretenen Rechtsauffassung kam, sondern deshalb, weil diese Rechtsauffassung von der Abgabenbehörde ausdrücklich als zutreffend erachtet und von ihr geradezu nahegelegt wurde.
Dagegen ist einzuwenden, dass die Bestimmung des § 95 Abs. 2 EStG 1988 eine spezielle Haftungsnorm ist und dem Finanzamt diesbezüglich kein Ermessen eingeräumt ist. Diesbezüglich wird auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988, Rz 2 zu § 95, verwiesen, wo ausgeführt wird: "Liegen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Inanspruchnahme nicht vor, so ist die Heranziehung des Haftenden nicht etwa in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Der zum Abzug Verpflichtete haftet zwingend und jedenfalls für die KESt."
Aber selbst wenn der Behörde diesfalls ein Ermessen für die Heranziehung zur Haftung eingeräumt wäre, läge der von der Bw. behauptete Ermessensmissbrauch nicht vor.
Gegen die Argumentation der Bw. ist zunächst einzuwenden, dass dann, wenn - wie bei den gegenständlichen Konstellationen - die lineare Verteilungsmethode zu einem wirtschaftlich völlig realitätsfremden Resultat führt und die Abrechnung des Erwerbes selbst einem fachlich nicht versierten Anleihe-Käufer unplausibel erscheinen musste, sich erst recht eine Bank mit ihren einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bank- und Wertpapiergeschäft nicht auf das Vertrauen auf die Bindungswirkung von Richtlinienaussagen zurückziehen darf. Dies auch unter Berücksichtigung der von der Bw. aufgezeigten Umstände hinsichtlich der Verhandlungen von Bankenvertretern mit dem BMF.
Die Heranziehung der Bw. zur Haftung erscheint nicht unbillig, weil
- sie verpflichtet war die Kapitalertragsteuer richtig zu berechnen
- sie, auch wenn die Initiative wohl überwiegend von den Kunden ausgegangen ist, die unrichtige Gutschrift verhindern hätte können,
- ihr bzw. den handelnden Bankbedienstete die besonderen Umstände bezüglich der gegenständlichen Wertpapiere auffallen mussten bzw. auch aufgefallen sind.
Im Hinblick auf die Einbringlichkeit ist die Heranziehung der Bw. zur Haftung zweckmäßiger als die Heranziehung der Kunden der Bw.
Die Bw. stützt ihre Behauptung, die konkreten Folgen der Haftungsbestimmung des § 95 Abs. 2 EStG 1988 seien unverhältnismäßig, unter anderem auf das Erkenntnis des VfGH vom 15. 3. 2000, G 141/99. In diesem Erkenntnis wurde die Verfassungswidrigkeit der Einhebung und Haftung für die Spekulationsertragsteuer und die Inpflichtnahme einer Person vor allem deshalb als verfassungswidrig erachtet, weil die den Steuertatbestand auslösenden Sachverhalte teilweise außerhalb der Interessens- und Einflusssphäre des Abfuhr- und Haftungsverpflichteten gelegen sind, weshalb die erforderliche qualifizierte rechtliche und wirtschaftliche Beziehung zwischen dem Primärschuldner und Haftenden verneint und daher die Auferlegung der Abfuhr- und Haftungsverpflichtung als nicht sachgerecht erachtet wurde. Diese Sachlage ist jedoch mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei den hier strittigen Wertpapiertransaktionen um klassische Effektengeschäfte einer Bank handelt, bei denen die Bank fast immer selbst Veräußerer der Wertpapiere ist, indem sie entweder als Eigenhändlerin oder als Kommissionärin eingeschaltet ist und daher zwangsläufig über die für die gesetzeskonforme KESt-Gutschrift für Stückzinsen erforderlichen Daten verfügt. Der in der oben angeführten VfGH-Judikatur geforderte qualifizierte rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Primärschuldner und dem Haftungspflichtigen liegt daher nach Ansicht der Berufungsbehörde zweifellos vor. Das Missverhältnis zwischen den linear berechneten KESt-Gutschriften und den Wertpapierkaufpreisen sowie das sich daraus ergebende Rückforderungsrisiko musste einer mit dem Wertpapiergeschäft vertrauten und als Verkäuferin oder Kommissionärin eingebundenen fachkundigen Bank auffallen und geht in diesem Fall nicht "zu Lasten" eines "Unkundigen". Es erscheint daher keinesfalls unsachlich, wenn Banken in diesem Zusammenhang auch entsprechende Verpflichtungen in Form von Haftungen treffen.
Die Haftung ist nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht nur dem Grunde nach unbedenklich, sondern auch das Erfordernis der adäquaten Begrenzung des Haftungsumfanges ist als erfüllt anzusehen, weil das Haftungsrisiko für den Haftenden abschätzbar war. Dies umso mehr, als es beim Haftungspflichtigen selbst gelegen ist, mit Hilfe von Vertragsgestaltungen eine Risikolimitierung zu erreichen und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken Schad- und Klaglosstellungen für abgabenrechtliche Haftungsinanspruchnahmen nicht unüblich sind. Nachdem bei den vorliegenden Konstellationen einem Wertpapierkäufer bedenklich erscheinen musste, dass die beim Kauf der Anleihe ausgewiesenen Kapitalertragsteuergutschriften im Verhältnis zum Kaufpreis unangemessen hoch sind, kann sowohl eine Vereinbarung als auch eine Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nicht als ein die Geschäftsbeziehung zerstörender Vertrauensbruch angesehen werden, zumal der Kunde bei derartigen "Geschäften" mit einer Schad- und Klaglosstellung auch bei den Konkurrenzbanken rechnen musste.
4. §117 BAO
§117 BAO in der Fassung BGBl. I Nr.97/2002 lautet:
Liegt eine in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder in als Richtlinien bezeichneten Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen vertretene Rechtsauslegung dem Bescheid einer Abgabenbehörde, der Selbstberechnung von Abgaben, einer Abgabenentrichtung in Wertzeichen (Stempelmarken), einer Abgabenerklärung oder der Unterlassung der Einreichung einer solchen zu Grunde, so darf eine spätere Änderung dieser Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der betroffenen Partei berücksichtigt werden.
Im Zeitpunkt der Selbstberechnung der Kapitalertragsteuern für die berufungsgegenständlichen Zeiträume standen noch die KESt-Richtlinien 1993 in Geltung. Die EStR 2000 (Erlass des BM für Finanzen vom 8. November 2000, GZ. 060104/9-IV76/00) wurden im AÖF Nr. 232/2000 am 21. Dezember 2000 veröffentlicht. Wie oben ausführlich dargestellt, durfte das Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung der Haftungs- und Abgabenbescheide zur Ermittlung der Stückzinsen keine Methode anwenden, die den Grundsätzen der Schätzung im Sinne von § 184 BAO nicht entspricht und zu unvertretbaren wirtschaftlichen Ergebnissen führt.
Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 117 BAO muss es sich aber auch um Änderungen von "Rechtsauslegungen" - im Sinne der Interpretation rechtlicher Normen - handeln.
Mit der Formulierung in Punkt 4. 5. Abs. 2 iVm Punkt 5. 1. Abs. 1 KESt-Richtlinien 1993, dass "keine Bedenken" gegen eine pauschale Zinsertragsermittlung durch lineare Verteilung des Unterschiedsbetrages über die Laufzeit bestehen würden, wird eine vereinfachte pauschale Schätzungsmethode unter Einhaltung der allgemeinen abgabenrechtlichen Schätzungsvoraussetzungen gestattet. Dies konnte - wie oben ausgeführt - jedoch nicht so ausgelegt werden, dass die lineare Methode ohne Rücksicht auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten angewendet werden kann. Die Ausführungen in EStR 2000 (Rz 6186) behandeln erstmals Stellungnahmen zum Begriffsverständnis der "kalkulatorischen Zinsen" und einem sich daraus schlüssig ergebenden Ermittlungsverfahren, welches vorher im Wege der Auslegung zu ermitteln war. Die Gestattung einer pauschalen vereinfachten Berechnungsmethode zur Ermittlung der Steuergrundlagen stellt keine Rechtsauslegung im Sinne von § 117 BAO dar.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, 16. Dezember 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Nullkuponanleihen, Zero-Bonds, Stückzinsen, finanzmathematische Berechnung, Depotentnahme, Vertrauensschutz |