Werden Trennungsgelder nur für Arbeitstage unversteuert ausbezahlt, können die Kosten für Familienheimfahrten an arbeitsfreien Tagen ungekürzt als Werbungskosten berücksichtigt werden
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 2. und 20. Bezirk in Wien betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2001 (Arbeitnehmerveranlagung) entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber Bw, ein polnischer Staatsbürger, arbeitet in Österreich im Baugewerbe und beantragt für das Jahr 2001 die Berücksichtigung von Familienheimfahrten von W nach Z in Polen als erhöhte Werbungskosten im Ausmaß von S 34.560,-. Am Familienwohnsitz leben seine Ehefrau AM und die vier gemeinsamen Kinder. Die Gattin ist am Ort des Familienwohnsitzes seit 15.9.1992 in einem unbefristeten Dienstverhältnis als Intendantin der öffentlichen Grundschule tätig, das durchschnittliche Monatseinkommen der Ehefrau beträgt PZl 1.260,- plus PZl 203,30 Familienzuschlag.
Der Bw bringt vor, dass in seinem Fall eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung anzuerkennen sei, weil die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung in W wegen der steuerlich relevanten Einkünfte seiner Ehefrau am Ort des Familienwohnsitzes in Z unzumutbar sei.
Das Finanzamt erkennt weder im Erstbescheid noch in der Berufungsvorentscheidung die Kosten für Familienheimfahrten als Werbungskosten an. Im Vorlagebericht weist das Finanzamt auf den Umstand hin, dass der Bw von seinem Arbeitgeber im Jahr 2001 Trennungsgelder von S 56.168,54 erhalten habe, was aus dem vom Lohnverrechner angeforderten Lohnkonto hervorgehe. Das Finanzamt führt im Vorlagebericht zwar aus, dass infolge der Erwerbseinkünfte der Ehefrau des Bw die doppelte Haushaltsführung anzuerkennen sei, vertritt jedoch die Auffassung, dass die Trennungsgelder von den gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 begrenzt abzugsfähigen Kosten der Familienheimfahrten in Abzug zu bringen seien, sodass sich im konkreten Fall keine steuerlich absetzbaren Aufwendungen ergäben.
Anlässlich einer telefonischen Auskunft des Lohnverrechners, Dkfm. FS, vom 24. April 2003 gibt dessen Angestellte, Frau T, bekannt, dass der Arbeitgeber des Bw, die Firma N-GesmbH, das Baugewerbe ausübe. Dem Bw seien nach dem Kollektivvertrag für dieses Gewerbe das Trennungsgeld und das Nächtigungsgeld nur für Arbeitstage, nicht jedoch für die Zeit des Urlaubs und nicht für Wochenenden, ausbezahlt worden. Die Fahrtvergütungen seien nicht für Familienheimfahrten ausbezahlt worden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.
Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müsste. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben (dies insbesondere aus der Sicht einer sofortigen Wohnsitzverlegung), als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehegatten (zB VwGH vom 22.2.2000, 96/14/0018).
Die Ehefrau des Bw erzielte im Jahr 2001 am Ort des Familienwohnsitzes Einkünfte aus einer nachhaltigen beruflichen Tätigkeit von monatlich PZl 1.260,-, per anno daher PZl 15.120,-, was unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Jahreskassenwertes von 3,665 PZl je Euro ATS 56.768,- ergibt. Im gegenständlichen Fall ist die berufliche Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung daher gegeben, weil der Ehepartner des Bw am Ort des Familienwohnsitzes einkommensteuerlich relevante Einkünfte bezieht (zB VwGH vom 27.2.2002, 98/13/0122). Das hat das Finanzamt auch in seinem Vorlagebericht eingeräumt.
Gemäß § 9 II Kollektivvertrag (KV) für die Arbeiter in Bauindustrie und Baugewerbe gebührt Trennungsgeld allen Arbeitnehmern, die so weit weg von ihrem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeiten, dass ihnen eine tägliche Rückkehr zu ihrem Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann. Als nichtentsendetem, jedoch verheiratetem Arbeitnehmer gebührt dem Bw lt. KV das sog. kleine Trennungsgeld (ARD 5048/8/99).
Trennungsgelder stellen regelmäßig Tagesgelder dar (siehe VwGH vom 29.10.1985, 85/14/0068, und die darin genannte Judikatur). Sie sollen daher jenen Verpflegungsmehraufwand abdecken, der einem Bauarbeiter dadurch entsteht, dass er nicht am ständigen Wohnort nächtigen kann.
Das Trennungsgeld gilt daher nach seinem Sinn und Zweck die ebenfalls aus einer doppelten Haushaltsführung resultierenden Kosten für Familienheimfahrten nicht ab. Lediglich für den Fall, dass das Trennungsgeld auch für Tage unversteuert ausbezahlt wird, an denen der Abgabepflichtige aber an den Familienwohnsitz heimkehrt, ergeben sich steuerliche Konsequenzen, weil diesfalls der Grund, für den das Trennungsgeld ausbezahlt wird, wegfiele. Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 25.11.1997, 93/14/0163, die vom Finanzamt vertretene Aufrechnung von Kosten für Familienheimfahrten mit Trennungsgeldern für solche Tage als nicht rechtswidrig erkannt.
Erhält ein Abgabepflichtiger das Trennungsgeld nicht für Tage, an denen er zum Familienwohnsitz heimkehrt, stellt sich die Frage der Aufrechnung wie im Erkenntnis vom 25.11.1997, 93/14/0163, nicht. Die Kosten für Familienheimfahrten sind diesfalls in der pauschalierten Höhe des § 20 Abs. 1 lit. e EStG 1988 als Werbungskosten absetzbar. Der Rechtsansicht des Finanzamtes, wonach die gemäß § 26 Z 4 lit. b EStG 1988 untersteuert ausgezahlten Trennungsgelder mit den Werbungskosten für Familienheimfahrten zu kompensieren seien, kann im konkreten Fall daher nicht gefolgt werden.
Zur vom VwGH mit Erkenntnis 93/14/0163 als nicht rechtswidrigen erkannten Kürzung von Kosten für Familienheimfahrten um unversteuert ausbezahlte Trennungsgelder für Wochenenden, an denen der Bf zum Familienwohnsitz heimgekehrt ist, ist jedoch Folgendes zu bemerken: In diesem Erkenntnis bezog sich der VwGH auf sein Erkenntnis vom 29.10.1985, 85/14/0068, in welchem der VwGH über die Beschwerde eines Arbeitgebers gegen einen Haftungs- und Zahlungsbescheid zu entscheiden hatte. Dabei ging aus dem angefochtenen Bescheid hervor, dass sich die Arbeitnehmer des Bf während der Wochenenden an ihrem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) aufgehalten hatten. Demzufolge führte der VwGH aus: "Bei dieser Sachlage widerspräche es dem Sinn des Gesetzes, die Trennungsgelder als zufolge § 26 Z 7 EStG 1972 nicht steuerbar zu behandeln; denn eine solche Behandlung lässt sich nur rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer am Dienstort verbleibt und wegen der damit verbundenen Mehraufwendungen eine in § 26 Z 7 EStG genannte Vergütung erhält (vgl. VwGH vom 14. Oktober 1980, 2759/80 und 2829/80). Dieser Gedanke hat nicht nur (gemäß der eben zitierten Rechtsprechung) für die Rückkehr an den Wohnort während der Arbeitswoche seine Gültigkeit, sondern erst recht für den Aufenthalt am Wohnort an arbeitsfreien Wochenenden, weil während dieses Aufenthaltes dienstortbedingte Mehraufwendungen jedenfalls wegfallen." Im Falle der Inanspruchnahme des Arbeitgebers gemäß § 82 EStG hat der VwGH daher entschieden, dass für die Wochenenden unversteuert ausbezahlte Trennungsgelder, an denen der Arbeitnehmer jedoch zum Familienwohnsitz zurückgekehrt ist, steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen.
Nun führt zwar die im Erkenntnis vom 25.11.1997, 93/14/0163, vorgenommene Kompensation aus steuerlicher Sicht zum selben Ergebnis, wie die im Erkenntnis 85/14/0068 erfolgte Erfassung der für Wochenenden, an denen der Arbeitnehmer zum Familienwohnsitz zurückgekehrt ist, unversteuert ausbezahlten Trennungsgelder in den Einnahmen, weil diesfalls die Kosten für Familienheimfahrten zur Gänze als Werbungskosten anzuerkennen wären, doch sind neben der steuerlichen Auswirkung auch sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen sowie die Auswirkung auf die Lohnnebenkosten wie DB, DZ etc. zu beachten. Eine Kompensation wie im Erkenntnis 93/14/0163 lässt diese Auswirkungen außer Acht.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH hat beim Lohnsteuerabzug während des Jahres hinsichtlich laufender Bezüge unterlaufener Fehler beim durch das Finanzamt durchzuführenden Jahresausgleich, nunmehr (Arbeitnehmer)Veranlagung, die entsprechende Korrektur zu erfolgen. Damit bringt der VwGH zum Ausdruck, dass ein Lohnzettel im Rahmen der (Arbeitnehmer)Veranlagung ein Beweismittel wie jedes andere auch ist, d. h. es können vom Wohnsitzfinanzamt Feststellungen dazu getroffen werden. Es besteht sohin keine Bindungswirkung des Wohnsitzfinanzamtes an die im Lohnzettel enthaltenen Daten (VwGH vom 26.6.1990, 89/14/0172). Es hat daher auch das Wohnsitzfinanzamt bei Durchführung einer (Arbeitnehmer)Veranlagung die Berechtigung, im Sinne des § 144 BAO sogar die Verpflichtung, die steuerpflichtigen Trennungsgelder durch Korrektur der übermittelten Lohnzetteldaten des der Veranlagung zu Grunde zu legenden Lohnzettels als Arbeitslohn gemäß § 25 EStG 1988 zu erfassen. Die Werbungskosten für Familienheimfahrten sind zutreffendenfalls sodann insoweit ungekürzt zu berücksichtigen.
Auch wenn die oben erwähnten Abgaben und Beiträge bei einer (Arbeitnehmer)Veranlagung vom Wohnsitzfinanzamt nicht festgesetzt werden können, sollten auch vom Wohnsitzfinanzamt die Feststellungen zu dem Bereich getroffen werden, wo sie aufgrund gegebener Rechtsgrundlage erfolgen haben. Zum einen ist nicht einsichtig, weshalb sich zu ein und demselben Sachverhalt im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung die rechtlichen Auswirkungen zu den Einnahmen (Arbeitslohn gemäß § 25 EStG 1988) ergeben, während bei einer (Arbeitnehmer)Veranlagung die rechtlichen Auswirkungen die Werbungskosten betreffen. Zum anderen ist zu bedenken, dass in Zeiten von Diskussionen über Durchrechnungszeitraum für Pensionsansprüche Arbeitnehmer mit einer Kompensation wie im Erkenntnis 93/14/0163 in sozialversicherungsrechtlichen Rechten verletzt werden können.
Zum Erkenntnis 93/14/0163 wird bemerkt, dass dieses zum Jahresausgleich 1991 ergangen ist. Die Durchführung des Jahresausgleiches war nach der damals gültigen Rechtslage jedoch in vielen Fällen vom Arbeitgeber durchzuführen. Vor Durchführung des Jahresausgleiches war jener Betrag in der Lohnsteuerkarte einzutragen, um den die Bemessungsgrundlage der laufenden Bezüge bei dessen Durchführung zu vermindern war. Während das Finanzamt gemäß § 73 Abs. 2 EStG 1988, BGBl. 1988/400 idF BGBl. 1990/281, verpflichtet war, bei der Neuberechnung der Lohnsteuer im Rahmen eines Jahresausgleiches den tatsächlich zugeflossenen Arbeitslohn (§ 25) als Ausgangsbasis heranzuziehen, und daher auch nach der damals gegebenen Rechtslage steuerpflichtige Trennungsgelder als Arbeitslohn behandeln konnte, war es dem Wohnsitzfinanzamt im Falle der Zuständigkeit des Arbeitgebers für den Jahresausgleich des Arbeitnehmers nicht möglich, den Arbeitgeber dazu zu verhalten, dass er den Arbeitslohn beim Jahresausgleich des Arbeitnehmer erhöht und die Werbungskosten ungekürzt in Abzug bringt. Der VwGH wird bei der in seinem Erkenntnis 93/14/0163 als nicht rechtswidrig anerkannten Kompensation diese Rechtslage bedacht haben.
Seit Einführung der (Arbeitnehmer)Veranlagung sind Werbungskosten jedoch ausschließlich vom Wohnsitzfinanzamt in einem Abgabenbescheid zu erfassen, sodass Sachverhaltsfeststellungen, die Auswirkungen auf den steuerpflichtigen Arbeitslohn haben, jedenfalls zu diesem wie oben dargestellt zu treffen sind.
Zu der vom Finanzamt vertretenen Rechtsansicht wird bemerkt, dass die für Wochenenden, an denen der Arbeitnehmer jedoch zum Familienwohnsitz heimgekehrt ist, unversteuert ausbezahlten Trennungsgelder als Arbeitslohn (§ 25) zu erfassen sind. Dies gilt für die Lohnsteuerprüfung und die (Arbeitnehmer)Veranlagung gleichermaßen. Dafür sind Werbungskosten für Familienheimfahrten bei der (Arbeitnehmer)Veranlagung insoweit ungekürzt in Abzug zu bringen.
Wien, 5. Mai 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Trennungsgeld, Tagesgeld, Dienstreise, doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten, Arbeitslohn |
Verweise: |