VwGH 85/14/0068

VwGH85/14/006829.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde der X-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Erhart Weiss, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 1, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 6. März 1985, Zl. B 9-4/85, betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 1979 bis 1983, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §26 Z7;
EStG 1972 §26 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft (Beschwerdeführerin) führt Asphaltierungsarbeiten durch. Im Rahmen dieses Betriebszweiges beschäftigte sie in den Streitjahren (1979 bis 1983) in ihrer G. Betriebsstätte fünf in der weiteren Umgebung von G. wohnhafte Arbeitnehmer.

Anläßlich einer Lohnsteuerprüfung in der G. Betriebsstätte stellte der Prüfer fest, daß ein Teil der diesen Arbeitnehmern bezahlten "Trennungsgelder" zu Unrecht nach § 26 Z. 7 EStG 1972 als nicht einkommensteuerbar behandelt worden wäre. Es handelt sich um die auf die Wochenenden, an denen nachweislich keine Dienstreisen durchgeführt worden seien, entfallenden Trennungsgebühren. Das Finanzamt erließ einen der Auffassung des Lohnsteuerprüfers entsprechenden Haftungs- und Zahlungsbescheid.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, die fraglichen Arbeitnehmer hätten nach dem Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe unabhängig davon, ob sie an ihren Wohnsitz zurückkehrten oder nicht, auch für das arbeitsfreie Wochenende Anspruch auf das Trennungsgeld, weil diese Vergütung nach dem Kollektivvertrag kalenderjährlich zu berechnen gewesen sei. Nur die tägliche Rückkehr zum ständigen Wohnort bewirke nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Steuerpflicht der Trennungsgebühren. Daß die Trennungsgelder die Voraussetzungen des § 26 Z. 7 EStG 1972 grundsätzlich - von jenen für die arbeitsfreien Wochenenden abgesehen - erfüllten, habe auch der Lohnsteuerprüfer anerkannt.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und legte zur Begründung dar, tägliche Rückkehr an den ständigen Wohnort stehe der Anwendung des § 26 Z. 7 leg. cit. entgegen. Dies gelte grundsätzlich auch, wenn Trennungsgelder für arbeitsfreie Tage gezahlt würden. Zwar könnten auch Kostenersätze für Familienheimfahrten nach § 26 Z. 7 EStG 1972 behandelt werden, nicht jedoch dann, wenn das Kraftfahrzeugpauschale in Anspruch genommen werde, weil dann keine Dienstreisen, sondern Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (§ 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1972) vorlägen. Bei einer Erhebung im Zuge des Berufungsverfahrens sei aber festgestellt worden, daß die fraglichen Arbeitnehmer großteils das Kraftfahrzeugpauschale in Anspruch genommen, im Firmenquartier am Betriebsort - wenn überhaupt - nur gelegentlich übernachtet hätten und vom Betriebsort in einer für die tägliche Heimfahrt zumutbaren Entfernung wohnten. Im Beschwerdefall seien zwar an den Arbeitstagen Dienstreisen nach dem ersten Dienstreisetatbestand des § 26 Z. 7 EStG 1972 gegeben. An den arbeitsfreien Wochenenden werde jedoch keiner der "Dienstreisetatbestände" erfüllt.

Der Berufungsvorentscheidung hielt die Beschwerdeführerin im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz entgegen, daß zwei der fünf Arbeitnehmer das Kraftfahrzeugpauschale nicht in Anspruch nähmen. Die restlichen drei beanspruchten nur das "kleine" Kraftfahrzeugpauschale aufgrund der Entfernung der Arbeitsstelle zur Firmenunterkunft in G., die hin und zurück weniger als 40 km betragen habe. Wären die betroffenen Arbeiter tatsächlich täglich zu ihrem mehr als 20 km entfernten Wohnort zurückgekehrt, wäre ihnen das "große" Kraftfahrzeugpauschale zugestanden. Für die Frage der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr zum Wohnort sei nicht nur die Entfernung zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, daß die Arbeiter oft täglich an verschiedenen Baustellen eingesetzt würden und die Dauer ihrer Beschäftigung sehr schwanke. Sie könne oft schon um 6 Uhr früh beginnen und ende manchmal erst gegen 22 Uhr. Das bewirke, daß den Arbeitern die tägliche Rückkehr zu ihrem Wohnort nicht zumutbar sei.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie ging dabei sachverhaltsmäßig davon aus, daß die der "Gußasphaltpartie" angehörenden vier Arbeitnehmer oft täglich an verschiedenen Baustellen eingesetzt worden seien. Dorthin würden sie mit einem Lastkraftwagen gebracht, ihr Dienst beginne und ende täglich in der G. Betriebsstätte. Auch der Dienst des fünften Arbeitnehmers beginne und ende täglich an diesem Ort, von wo aus er mit einem Kleinlastkraftwagen Baustoffe zustelle. Sämtliche der betroffenen Arbeitnehmer tätigten demnach an den Arbeitstagen Dienstreisen im Sinne des ersten der beiden Tatbestände des § 26 Z. 7 EStG 1972. An den arbeitsfreien Wochenenden hingegen seien keine Dienstreisen im Sinne des § 26 Z. 7 EStG 1972 getätigt worden, wobei es auf das Gesetz und nicht auf den Kollektivvertrag oder die Bezeichnung "Trennungsgeld" ankomme. Die Beschwerdeführerin hätte auch nie behauptet, daß die betroffenen Arbeitnehmer an den arbeitsfreien Wochenenden nicht an ihren ständigen Wohnort zurückgekehrt seien.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführerin meint, daß auch die an die fünf jeweils zirka 40 km von der Betriebsstätte in G. entfernt wohnhaften Arbeitnehmer für arbeitsfreie Wochenende ausbezahlten Trennungsgelder unter § 26 Z. 7 EStG 1972 fielen, und zwar sowohl nach dem Kollektivvertrag, der ein Trennungsgeld für Kalendertage, "an denen sich der Arbeitnehmer während des Wochenendes an seinem ständigen Wohnort aufhält", nicht ausschließe, als auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die belangte Behörde beantragte in der am 19. Juli 1985 eingebrachten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde, wobei sie einen Aufwandersatz in Höhe von insgesamt S 2.400,-- begehrte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auch "Trennungsgelder" können im Sinne des § 26 Z. 7 leg. cit. Beträge sein, die den im privaten Dienst angestellten Personen aus Anlaß einer Dienstreise gezahlt werden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1980, Zl. 2759/80 und Zl. 2829/80, sowie vom 25. Juni 1985, Zl. 85/14/0028). Entsprechend ihrem Zweck, durch die "Trennung" vom Wohnort bzw. der Familie bedingte Mehraufwendungen abzugelten, stellen sie regelmäßig - der Beschwerdefall zeigt nichts anderes - Tagesgelder (und nicht Reisewegvergütungen) im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle dar (siehe nochmals die Erkenntnisse Z. 2759/80 und Zl. 2829/80).

2.1. Trennungsgelder werden dem Tatbestand des § 26 Z. 7 EStG 1972 allerdings nur dann gerecht, wenn sie, wie schon aufgezeigt, "anläßlich einer Dienstreise" gezahlt werden. Wann nun eine Dienstreise vorliegt, besagt allein das Gesetz (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1978, Zlen. 16/77, 1282/78, Slg. Nr. 5277/F, und vom 25. Juni 1985, Zl. 85/14/0028, Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer, Abschnitt 4, Tz 63). Lohngestaltende Vorschriften sind für den Dienstreisebegriff erst seit dem Abgabenänderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 531, maßgeblich (siehe den nunmehr letzten Satz des § 26 Z. 7 EStG 1972).

2.2. Ob eine Dienstreise vorliegt, ist grundsätzlich für jeden einzelnen Tag zu untersuchen. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Begriff des "Tagesgeldes", sondern auch aus der Anordnung des § 26 Z. 7 lit. b leg. cit. über die Verrechnung bloß anteiliger Tagesgelder bei einer sich nicht über den ganzen Tag erstreckenden Dienstreise.

3. Nach § 26 Z. 7 EStG 1972 liegt eine Dienstreise vor, wenn

a) ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verläßt oder

b) so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, daß ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

4. Im Beschwerdefall besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die fünf fraglichen Arbeitnehmer an den allein umstrittenen arbeitsfreien Wochenenden über Auftrag des Arbeitgebers den Dienstort zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlassen und so den ersten Dienstreisetatbestand erfüllt hätten. Zweifelhaft kann allein sein, ob an den arbeitsfreien Wochenenden Dienstreisen nach dem zweiten Tatbestand gegeben waren. Hier ist nun der Beschwerdeführerin zuzubilligen, daß der angefochtene Bescheid ungeklärt läßt, ob den fünf Arbeitnehmern an den Arbeitstagen (während der "Arbeitswoche") eine tägliche Rückkehr an den ständigen Wohnort zugemutet werden konnte bzw. ob sie im Sinne der der Beschwerdeführerin bekannten (im folgenden zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Zeit tatsächlich an den Wohnort zurückkehrten. Dies verhilft der Beschwerde aber noch nicht zum Erfolg. Geht doch aus ihr selbst im Einklang mit einer entsprechenden Feststellung im angefochtenen Bescheid hervor, daß sich die Arbeitnehmer während des Wochenendes an ihren ständigen Wohnorten aufhielten. Bei dieser Sachlage widerspräche es dem Sinn des Gesetzes, die Trennungsgelder als zufolge § 26 Z. 7 EStG 1972 nicht steuerbar zu behandeln; denn eine solche Behandlung läßt sich nur rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer am Dienstort verbleibt und wegen der damit verbundenen Mehraufwendungen eine im § 26 Z. 7 EStG 1972 genannte Vergütung erhält (hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1980, Zl. 2759/80 und Zl. 2829/80). Dieser Gedanke hat nicht nur (gemäß der eben zitierten Rechtsprechung) für die Rückkehr an den Wohnort während der Arbeitswoche seine Gültigkeit, sondern erst recht für den Aufenthalt am Wohnort an arbeitsfreien Wochenenden, weil während dieses Aufenthaltes dienstortbedingte Mehraufwendungen jedenfalls wegfallen. In Rechnung zu stellen ist hier auch, daß nach dem ersten Satz des § 26 Z. 7 EStG 1972 durch Dienstreisen veranlaßte Arbeitgeberleistungen nur insoweit nicht einkommensteuerbar sind, als sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Dies bedeutet unter Bedachtnahme auf die pauschalen Reisekostenersätze nach dem zweiten Unterabsatz des § 26 Z. 7 EStG 1972, daß wenigstens dem Grunde nach der Anfall tatsächlicher Aufwendungen in Betracht kommen muß, soll deren Abgeltung durch den Arbeitgeber nicht steuerbar sein. Wollte man allein darauf abstellen, ob den Arbeitnehmern während der Arbeitswoche (oder gar nur während eines Teiles derselben?) eine tägliche Rückkehr an ihren ständigen Wohnort nicht zugemutet werden kann, so müßte in Fällen wie dem vorliegenden letztlich unterstellt werden, daß sich die Arbeitnehmer überhaupt nur noch - nicht nur an den Wochenenden und an Feiertagen, sondern z. B. auch während des Urlaubs - auf Dienstreisen befinden. Eine Regelung in diesem Sinne ist dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen.

5. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 1964, Zl. 1407/63, Slg. Nr. 3078/F, und vom 11. Jänner 1968, Zl. 647/66, Slg. Nr. 3701/F, betreffen die Rechtslage nach dem Einkommensteuergesetz 1953. Dieses Gesetz (§ 19 Abs. 2 Z. 2) enthielt einerseits keine Umschreibung des "Dienstbegriffes", andererseits waren aber für die Höhe des nicht steuerbaren Reisekostenersatzes auch lohngestaltende Vorschriften maßgebend. Damit unterscheidet sich die frühere Rechtslage von der (ab dem Einkommensteuergesetz 1967) geltenden derart grundlegend, daß die von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnisse zur Lösung des Beschwerdefalles nichts beitragen.

6. Die Beschwerdeführerin vermochte sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf dessen § 59 Abs. 1.

Wien, am 29. Oktober 1985

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