UFS RV/0225-K/02

UFSRV/0225-K/0224.2.2003

Finanzmathematische Berechnung der Stückzinsen von Zero-Bonds mit langer Laufzeit für Zwecke der KESt-Gutschrift bei Verkauf durch die Bank

 

Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 581/03 eingebracht. Mit Beschluss vom 29.6. 2004 wird die Verfassungsmäßigkeit des § 117 BAO idF BGBl. I 97/2002 von Amts wegen geprüft. Mit Erk. v. 2.12.2004, G 95-K/04, G 143/04, G 144/04, G 145/04, G 162/04 wird § 117 BAO idF BGBl. I 97/2002 als verfassungswidrig aufgehoben. Mit Beschluss vom 3. 3 2005, B 581/03, an den VwGH abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/15/0057 (früher 2005/14/0042) eingebracht. Mit Erk. v. 27.8.2008 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt betreffend die Haftung für zu hoch erstattete Kapitalertragsteuer für den Zeitraum von August bis Dezember 2000 vom 24. April 2001 entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Gleichzeitig wird der angefochtene Bescheid abgeändert.

Die Höhe der Abgabe beträgt nunmehr S 1,247.530,-- / € 90.661,54.

Die Fälligkeit der Abgabe erfährt keine Änderung.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Entscheidungsgründe

Anlässlich einer über den Zeitraum von Juli 1998 bis Dezember 2000 umfassenden Kapitalertragsteuer(KESt)-Nachschau stellte der Prüfer fest, dass die Bw., eine Bank, beim Verkauf von Nullkuponanleihen (Zero-Bonds) die Berechnung der (Stück-)Zinsen für Zwecke der KESt-Erstattung nach der Linearmethode ohne Zinseszinseffekt vorgenommen habe. Bei langen Laufzeiten würde diese Berechnung in Verbindung mit hohen Zinssätzen zum Ergebnis führen, dass der gutzuschreibende Steuerbetrag ein Vielfaches des finanzmathematischen Zinsenzuwachses betrage. Nach Ansicht des Prüfers sei im Falle des Erwerbes von Nullkuponanleihen vor Endfälligkeit bei Ermittlung der zu erstattenden KESt grundsätzlich finanzmathematisch vorzugehen, da es bei Nullkuponanleihen mit langer Laufzeit nach der Linearmethode gegenüber einer finanzmathematischen Berechnung zu beachtlichen Abweichungen komme. Dem Einwand, es gebe eine erlassmäßige Regelung, auf Grund derer unabhängig vom erzielten Ergebnis immer die Linearmethode zur Anwendung zu kommen habe, sei zu entgegnen, dass die vereinfachte Berechnungsmethode der KESt-Richtlinien selbstverständlich nur dann anzuwenden sei, wenn keine wesentlichen Abweichungen zum Ergebnis nach einer finanzmathematischen Berechnung bestehen würden und somit eine solche Schätzung dem tatsächlichen Ergebnis nahe komme. Der vom Erlassgeber dieser Vereinfachungsbestimmung zugedachte Anwendungsbereich umfasse im Übrigen nicht die nunmehr strittigen Fälle, sondern sollte diese Bestimmung in der Einführungsphase der KESt die Abgrenzung der Zinsen mit unterschiedlichen KESt-Sätzen erleichtern. Die BP wende daher eine entsprechende finanzmathematische Berechnung an. Im Haftungswege sei der Bw. die zu hoch erstattete KESt in Höhe von S 1,313.628,-- vorzuschreiben. Diesem Betrag würden folgende Geschäftsfälle zu Grunde liegen:

 

a. 230525 PLN/LIT Zero-MTN

 

Nominale Fremdwährung

Tag der Emission

20. März 1998

1,00

Tilgung

20. März 2028

100,00

Fremdwährung

PLN

 

 

Erwerbs-tag

PLN/LIT ZERO-MNT 1998/2028Nominale = Tilgungswert

Kaufpreis am Erwerbstag

 

in S

auf Grund linearer Ber. erstattete KESt in S

KESt bei kalkulatorischer Ermittlung der Stückzinsen in S

24.11.00

2.000.000,--

109.744,--

162.433,--

9.198,--

18.10.00

1.350.000,--

80.325,--

102.272,--

5.745,--

12.10.00

1.500.000,--

89.250,--

113.116,--

6.334,--

10.08.00

500.000,--

7.743,--

34.980,--

1.931,--

10.08.00

500.000,--

29.928,--

34.980,--

1.931,--

20.10.00

3.500.000,--

208.877,--

265.506,--

14.889,--

18.10.00

135.000,--

8.033,--

10.227,--

574,--

 

b. 19448 Eskom ZERO-NOTES 1997/2032

Nominale Fremdwährung

Tag der Emission

8. Sept. 1997

2,14

Tilgung

31. Dez. 2032

100,00

Fremdwährung

ZAR

 

 

 

Erwerbs-tag

Eskom Nominale = Tilgungswert

Kaufpreis am Erwerbstag

 

in S

auf Grund linearer Ber. erstattete KESt in S

KESt bei kalkulatorischer Ermittlung der Stückzinsen in S

29.12.00

5.000.000,--

288.550,--

229.274,--

23.071,--

18.10.00

2.000.000,--

109.500,--

94.816,--

9.443,--

01.11.00

3.000.000,--

165.000,--

144.555,--

14.436,--

06.12.00

5.000.000,--

303.850,--

232.365,--

23.343,--

 

In der gegen den vom Finanzamt in der Folge über den Zeitraum vom August bis Dezember 2000 Haftungsbescheid vom 24. April 2001 eingebrachten Berufung begehrte die Bw., die Berechnung der Stückzinsen linear vorzunehmen. Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift sei § 93 Abs. 4 Z 2 Einkommensteuergesetz (EStG), die wiederum an § 27 Abs. 2 Z 2 EStG anknüpfe. Der Wortlaut der erwähnten Vorschriften bringe nicht gerade deutlich zum Ausdruck, nach welcher Formel der Kapitalertrag zu ermitteln sei. Dies könne aber nicht dazu führen, den Interpretationsvorgang bereits abzubrechen. Vielmehr sei nach systematischen, teleologischen und historischen Abgrenzungen zu fragen, die geeignet sein könnten, den Wortlaut zu erhellen. Aus systematischer Sicht sei nahe liegend, andere ertragsteuerliche Vorschriften zu betrachten. Im Steuerrecht stelle sich nämlich häufig die Frage, ob eine Abgrenzung linear oder den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechend vorzunehmen sei. Das Ertragsteuerrecht habe eine Präferenz für die lineare Abgrenzung und nehme dabei in Kauf, dass die Abgrenzungsmethode nicht immer mit den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten im Einklang stehe. Beispiele hiefür seien die Absetzung für Abnutzung nach § 7 EStG. Auch bei der Halbjahres-Afa des § 7 Abs. 2 EStG nehme der Gesetzgeber beispielsweise in Kauf, dass bei einer Nutzung eines Wirtschaftsgutes in den letzten Wochen eines Wirtschaftsjahres noch die Hälfte des auf das Wirtschaftsjahr entfallenden Afa-Betrages abgesetzt werden könne. Weitere Beispiele seien die Afa-Sätze des § 8 Abs. 1 EStG und die Verteilungsregelung des § 8 Abs. 2 EStG. Der Firmenwert bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und bei Gewerbebetrieben sei ebenfalls gleichmäßig verteilt auf 15 Jahre abzusetzen. Ähnliche Regelung gäbe es im § 14 Abs. 3 EStG, § 29 Abs. 1 UmgrStG betreffend die gleichmäßige Verteilung des Ausgleichspostens sowie § 19 Abs. 3 EStG betreffend die gleichmäßige Verteilung von Vorauszahlungen über den Zeitraum der Vorauszahlung. Eine lineare Verteilung sei auch im § 26 Hypothekenbankgesetz vorgesehen. Diese Regelungen würden deutlich die Präferenz des Gesetzgebers für eine lineare Abgrenzung vorsehen, wofür offenbar Gründe der Praktikabilität maßgeblich seien. Im Rahmen einer systematischen Interpretation strahle dieses Ergebnis auch auf die kapitalertragsteuerrechtlichen Vorschriften aus. Auf Grund der einwandfreien nachweisbaren Gesetzessystematik sei daher auch für kapitalertragsteuerliche Zwecke von der linearen Abgrenzungsmethode auszugehen.

 

Ebenso spreche die teleologische Interpretation für die lineare Methode. Die kapitalertragsteuerlichen Vorschriften seien im Wesentlichen nicht vom Fiskus, sondern von Dritten zu administrieren. Die Einhaltung der kapitalertragsteuerlichen Vorschriften werde durch Haftungsbestimmungen sichergestellt. Durch die Verlagerung der Erhebung der Steuer weitgehend durch Dritte müsse sichergestellt sein, dass die Steuereinhebung auch einfach administriert werden könne. Wenn bei von den Finanzämtern zu vollziehenden steuerlichen Vorschriften lineare Verteilungsmöglichkeiten zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung vorgesehen seien, müsse dies erst recht für Steuervorschriften gelten, die von Dritten zu vollziehen seien. Dem Gesetz sei zu unterstellen, eine möglichst einfache Form der Berechnung der zu erhebenden Steuer gewählt zu haben. Den kapitalertragsteuerlichen Vorschriften sei daher die lineare Verteilungsmethode zwingend zu unterstellen. Nicht nur die einfache Administrierbarkeit, sondern auch die Notwendigkeit einer klaren und eindeutigen Regelung spreche für die lineare Abgrenzungsmethode. Dem Haftungspflichtigen könne nicht zugemutet werden, eine äußerst unbestimmte Regelung zunächst anzuwenden, deren Anwendung dann von der Verwaltung nachgeprüft werde, so dass dem Haftungspflichtigen letztendlich das Risiko verbleibe, dass die Finanzverwaltung den unbestimmten Gesetzesbegriff anders verstehe. Dieses teleologische Argument spreche dafür, der Regelung jedenfalls ein eindeutiges Verständnis beizumessen. Aus diesem Blickwinkel sei es undenkbar, der Regelung zu unterstellen, ein Auswahlermessen einzuräumen, da dieses Ermessen zwar zunächst vom Haftungspflichtigen ausgeübt, aber dann letztendlich von der Verwaltung im Rahmen der Geltendmachung einer Haftung zu beurteilen sei. Da es nicht nur eine richtige finanzmathematische Methode gäbe, sondern die Finanzmathematik unterschiedliche Möglichkeiten der Berechnung offen lasse, könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, sich ohne jede Präzisierung für die Anwendung finanzmathematischer Methoden ausgesprochen zu haben. Die einzig verbleibende Auslegungsmöglichkeit sei die lineare Abgrenzung. Die Notwendigkeit einer Regelung, die völlig klar und eindeutig sei, werde auch deutlich, wenn man sich vor Augen halte, welche Auffassungen die Finanzverwaltung aus dem Gesetz ableite. Die "Unverhältnismäßigkeit" werde offenbar als entscheidungswesentliches Abgrenzungskriterium angesehen. Wäre das Ergebnis "verhältnismäßig", wäre die lineare Methode anwendbar. Ein Anhaltspunkt, was als verhältnismäßig angesehen werde, lasse sich jedoch nicht finden. In eine ähnliche Richtung gehe Niescher, KESt beim Erwerb von Nullkuponanleihen während der Laufzeit, ÖStZ 2001, 102, 103, der dem Gesetz offenbar entnehme, dass die lineare Methode bei sehr kurzer Laufzeit und kleinen Zinsen anzuwenden sei, sonst aber die finanzmathematische Methode. Er gäbe aber keinen Anhaltspunkt, was er unter einer "eher kurzen Laufzeit" und einem "kleinen Zinsfuß" verstehe. Dem Gesetz seien diese Unbestimmtheiten, die dann letztendlich auf dem Rücken des Haftungspflichtigen ausgetragen würden, wohl nicht zu unterstellen. Eine derart unbestimmte Rechtslage, die der Haftungspflichtige anzuwenden hätte, würde das Gesetz wohl verfassungswidrig erscheinen lassen. Auch dies spreche für die generelle Anwendung der linearen Methode.

 

Es würden auch die historischen Argumente eindeutig für die lineare Abgrenzungsmethode sprechen. Die Gesetzesmaterialien zum EStG 1988 würden nämlich an verschiedenen Stellen klar und zweifelsfrei zum Ausdruck bringen, dass die Regelungen über die KESt vom seinerzeitigen Zinsertragsteuergesetz und vor allem den dazu ergangenen Zinsertragsteuer-Richtlinien (Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung (AÖF) 30/1984) geprägt seien. Daher sei auch für die Fragen der zeitlichen Abgrenzung auf die Zinsertragsteuer-Richtlinien zurückzugreifen. Dies würden die Erläuterungen zum Ministerialentwurf unzweifelhaft zum Ausdruck bringen, in denen es heißt:

 

"Den Beginn der KESt-Pflicht regelt § 128. Abgrenzungsfragen sind nach den Grundsätzen der Zinsertragsteuer-Richtlinien zu lösen."

 

Diese Richtlinien würden wiederum in Punkt 15 vorsehen, dass sich der aliquotierende Zinsertrag nach derselben Formel berechne, die sich auch in den KESt-Richtlinien finde, also linear. Eine finanzmathematische Abgrenzung sei nach den Zinsertragsteuer-Richtlinien nicht vorgesehen gewesen (Schönstein, SWK 2001, 404). Die Abgrenzungsregel der Zinsertragsteuer-Richtlinien hätte im damaligen Kontext der zeitlichen Abgrenzung von Einlagenzinsen, die in den Anwendungsbereich der eingeführten Zinsertragsteuer fallen sollten, gedient. Die Bezugnahme auf § 128 EStG in der damaligen Entwurffassung mache deutlich, dass diese Regelung im Anwendungsbereich des EStG auch für die Abgrenzung der KESt auf Wertpapierzinsen gelte. Es sei nicht anzunehmen, dass für die zeitliche Zurechnung von Zinsen für individuelle Besitzzeiten andere Reglungen anzuwenden seien, als jene, die für die Ermittlung von Zinsanteilen gelten, die in den Anwendungsbereich der KESt oder in einem bestimmten Steuersatz fallen.

 

Im jüngsten Schrifttum sei von Moritz (SWK 2001, 361, 364 f) die These aufgestellt worden, dass die entscheidende gesetzliche Vorschrift § 95 Abs. 6 EStG wäre. Gemäß dieser Bestimmung dürften im Fall von rückgängig gemachten Kapitalerträgen die gutgeschriebenen Beträge an KESt die von diesen Beträgen erhobene oder zu erhebende KESt nicht übersteigen. Aus dieser Regelung schließe Moritz, dass die Anwendung der linearen Methode nicht dem Gesetz entsprechen würde. Eine Begründung dafür gebe er aber nicht. Schönstein (SWK 2001, 406) habe demgegenüber daher auch zutreffend eingewendet, dass § 95 Abs. 6 überhaupt keinen Hinweis dahingehend enthalten würde, dass die lineare Methode nicht dem Gesetz entsprechen würde. Sinn des Gesetzes sei es nämlich, eine übereinstimmende Vorgangsweise bei allen Beteiligten sicherzustellen. § 95 Abs. 6 EStG setze die einheitliche Vorgangsweise eben voraus (Schönstein, SWK 2001, 406, vgl. auch Moritz, SWK 2001, 364 f). Wenn alle Beteiligten einheitlich vorgehen und daher dieselbe Methode anwenden würden, sei den Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 EStG jedenfalls entsprochen. Daher stehe § 95 Abs. 6 EStG dem bisher gewonnenen Interpretationsergebnis überhaupt nicht entgegen, sondern unterstreiche es noch dadurch, indem diese Vorschrift vorauszusetzen scheine, dass eine einheitliche - die lineare - Methode zu wählen sei. Dazu käme noch, dass man nicht von einer finanzmathematischen Methode sprechen könne, weil es eine Reihe von verschiedenen finanzmathematischen Abgrenzungsformeln gäbe (vgl. die Beispiele bei Schönstein, SWK 2001, 404). Abgesehen von der erlaubten Berechnungsbandbreite in der neu gefassten Rz 6186 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2000 sei vor allem der einjährige Kapitalisierungszeitraum fraglich, da verschiedene laufend erzielte Emissionen in verschiedenen Währungen häufig oder üblicherweise kürzere als einjährige Zinszahlungszeiträume vorsehen würden. Denkbar seien weiters zB Laufzeiterstreckungen (Rückbeziehungen der Laufzeit auf den Beginn von Rechnungsperioden) oder Verfahren mit kundgemachten Emissionsrenditen.

 

Hätte der Gesetzgeber eine bestimmte finanzmathematische Abgrenzung vor Augen gehabt, wäre es ihm wohl auch zuzustimmen gewesen, Anhaltspunkte auszugeben, welche Form der finanzmathematischen Abgrenzung heranzuziehen sei (Schönstein, SWK 2001, 404). Es verwundere daher nicht, dass auch die Finanzverwaltung immer die lineare Form der Abgrenzung als die sich aus dem Gesetz ergebende Interpretation betrachtet habe. Beispielsweise würden Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 94 zu § 95 EStG 1988, ganz klar davon ausgehen, dass die lineare Abgrenzungsmethode die dem Gesetz entnehmbare Methode sei. Eine alternative Abgrenzungsmöglichkeit würden die beiden Autoren nicht einmal diskutieren. Auch die KESt-Richtlinien seien dann selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Kapitalertrag bei Nullkuponanleihen nach der im Punkt 5.1. Abs. 1 dargestellten Formel, die die lineare Methode vorsehe, abgegrenzt werden könne. Bis die Finanzbehörde vor wenigen Monaten begonnen habe, in Erlässen und Richtlinien eine neue Auffassung zu vertreten, sei die lineare Abgrenzung als völlig unbestrittener Gesetzesinhalt angesehen worden. Diese neue Auffassung sei nicht begründet worden, sondern sei vielmehr lediglich als taktische Maßnahme abseits und jenseits des Gesetzes zu verstehen, um die derzeit anhängigen Betriebsprüfungen und Rechtsmittelverfahren "vorzubereiten". Der bekämpfte Bescheid gehe im Übrigen sogar selbst davon aus, dass die lineare Methode eine Methode sei, die sich aus dem Gesetz ergeben würde. Die Behörde erachte diese Methode im konkreten Fall nur deshalb nicht anwendbar, weil das Ergebnis unverhältnismäßig von der finanzmathematischen Ermittlung abweiche. Somit gehe die Behörde offenbar davon aus, dass im Regelfall die lineare Methode und im Ausnahmefall die finanzmathematische Methode zur Anwendung käme. Ein derartiges Regel-Ausnahmeverhältnis sei aber dem Gesetz keinesfalls entnehmbar. Wenn - wie die Behörde offenbar annehme - zutreffend sei, dass aus dem Gesetz zumindest im Regelfall die lineare Abgrenzung abgeleitet werden könne, müsse dies generell gelten, da eben kein Anhaltspunkt dafür bestehe, unter welchen Voraussetzungen eine andere Methode zum Tragen kommen solle. Selbstverständlich bringe die lineare Methode als ein pauschales und einfaches Verfahren der Abgrenzung mit sich, dass das Ergebnis der Abgrenzung nicht in allen Fällen den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu 100 % entspreche. Es liege eben im Wesen einer linearen Abgrenzung der zeitanteiligen Kapitalerträge, die ein pauschales, dem wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht immer völlig entsprechendes Verfahren darstelle, dass es im Einzelfall zu Vorteilen für den Abgabepflichtigen, im Einzelfall aber auch zu Vorteilen für den Fiskus kommen könne. So sei beispielsweise die KESt-Belastung bei Besitzzeiten, die in die erste Laufzeithälfte einer über mehrere Jahre laufende Nullkuponanleihe fallen würden, bei linearer Abgrenzung in der Regel höher als bei einer finanzmathematischen Abgrenzung. Der Gesetzgeber nehme dieses Ergebnis in Kauf, indem er eben keine "wie auch immer geartete" finanzmathematische Methode vorgeschrieben habe, sondern von der Maßgeblichkeit der linearen Abgrenzung ausgehe. Der Fiskus habe Nachteile im Einzelfall hinzunehmen. Angesichts der vorgebrachten Argumente und des bis zum Jahr 2000 einheitlichen Meinungsstandes innerhalb der Finanzverwaltung, der sich mit dieser Auffassung gedeckt habe, erweise sich der Bescheid jedenfalls als rechtswidrig. Dem Gesetz - verstanden in einem historischen, systematischen und teleologischen Kontext - könne aber nur die lineare Methode entnommen werden. Den KESt-Vorschriften sei weder zu entnehmen, dass eine der verschiedenen finanzmathematischen Methoden zum Tragen käme, noch eine Einschränkung dahingehend, dass die lineare Methode nur dann zum Tragen kommen solle, wenn das Ergebnis nicht verhältnismäßig - was immer das bedeuten mag - von der finanzmathematischen Methode abweichen würde.

 

In eventu werde die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben geltend gemacht. Die hiezu entwickelten Grundsätze würden dazu zwingen, in den Fällen, in denen man dem Gesetz verschiedene Methoden entnehmen könne, die Behörde auch noch eine dieser Interpretationen ausdrücklich als zulässig erkläre, der Abgabepflichtige sich daran orientiere und die von der Behörde als zulässig angesehene Vorgangsweise gewählt habe, diese auch zu akzeptieren. Auch die im Schrifttum vertretenen Auffassungen würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Auffassung gehe nämlich dahin, den Grundsatz von Treu und Glauben mittelbar aus der Verfassung abzuleiten (vgl. Sammeli, ZSR 1977/II, 288 ff). Dieser Auffassung zufolge stehe das Prinzip von Treu und Glauben über dem einfachen Gesetz und sei daher bei der Rechtsanwendung jedenfalls zu beachten. Folglich dürfe die Verwaltung von Verfassungswegen nicht eine bestimmte Auslegung für zulässig erklären, um - nachdem sich der Steuerpflichtige an dieser Auffassung orientiert hat - diese Auffassung im Nachhinein für rechtswidrig zu erklären. Auch wenn man den Grundsatz von Treu und Glauben auf derselben Stufe wie das einfache gesetzliche Recht sehe (Stoll, Steuerschuldverhältnis, 80), führe dies zum selben Ergebnis, da in diesem Fall aus eben einfach gesetzlichen Gründen die Verwaltung zu ihrem Wort stehen müsse. Gleiches würde gelten, wenn man davon ausgehe, dass der Grundsatz von Treu und Glauben jede Rechtsnorm innewohnt (Matern, DStz A 1959, 43f). Die jüngere, von Werndl (in W. Doralt und andere, Hrsg. Steuern im Rechtstaat, FS Stoll, 1990, 375, 380ff) begründete Auffassung, sehe die Frage von Treu und Glauben als Interpretationsproblem. Demnach decke sich der Anwendungsbereich von Treu und Glauben mit dem Bereich der interpretationsfähigen Vorschriften. Treu und Glauben habe daher immer dann Bedeutung, wenn ein Auslegungsspielraum verbleibe. Dieser Auslegungsspielraum sei durch die Grundsätze von Treu und Glauben zu füllen. Angewendet auf den konkreten Fall bedeute dies, dass dann wenn man - gestützt auf den bloßen Wortlaut des Gesetzes - einen Auslegungsspielraum sehe, ob die lineare Methode oder die finanzmathematische Methode zur Abgrenzung heranzuziehen sei, jene Auslegung als dem Gesetz entsprechend anzusehen habe, die von der Verwaltung nahe gelegt worden sei und an der sich der Steuerpflichtige orientiert habe. Wenn daher sowohl die EStR 1984 als auch die KESt-Richtlinien ausdrücklich die lineare Methode als dem Gesetz entsprechend ansehen, könne dem Steuerpflichtigen nicht entgegengetreten werden, wenn er sich an diesem Verständnis orientiert habe. Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte liege unter bestimmten Voraussetzungen sogar dann ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn die Behörde von einer zuvor vertretenen rechtswidrigen Auffassung abgehe (vgl. zB VwGH 27. 6.1991, 90/13/0156). Wenn aber die von der Verwaltung früher vertretene Auffassung nicht rechtswidrig sei, sondern sich eindeutig im Rahmen des Auslegungsspielraumes bewege, dann liege noch umso mehr eine Verletzung des Prinzips von Treu und Glauben vor, wenn die Behörde von einer einmal bezogenen Auffassung wiederum abgehe. Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechtes, Band II, 3. Auflage, 1996, 174, würden die Rechtsprechung wie folgt zusammenfassen:

 

"Stand die bisherige Vorgangsweise der Behörde mit dem Gesetz nicht im Widerspruch, weil ein Ermessensspielraum gegeben war, oder weil, wie dies zB bei den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der Fall ist, unterschiedliche Auslegungen möglich waren, so kann ein unbegründetes Abweichen von einer einmal eingenommenen vertretbaren Auffassung einen Verstoß gegen Treu und Glauben, damit ein Willensakt und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstellen."

 

Dass es das Bundesministerium für Finanzen (BMF) in den EStR und den KESt-Richtlinien war, das die lineare Abgrenzung ausdrücklich für zulässig erklärt habe, könne den Schutz von Treu und Glauben im vorliegenden Fall nicht beeinträchtigen. Zwar werde gelegentlich die Auffassung vertreten, dass eine dem Grundsatz von Treu und Glauben erfolgende Bindung an einen Teil der Auskunft nur jene Behörde treffen könne, die die entsprechende Auskunft gegeben habe

(eindeutig ablehnend W. Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, Band II, 173), doch habe der VwGH in einem völlig vergleichbaren Fall die Bindungswirkung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch im Fall eines Erlasses bejaht. Im Erkenntnis vom 31. 5. 1963, 1796/61, sei es um einen Erlass gegangen, dass von Vergütungen bestimmter Mitglieder eines Kuratoriums keine Aufsichtsratabgabe einzubehalten sei. Der VwGH sei davon ausgegangen, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn einem Kuratoriumsmitglied nach Aufhebung des gesetzwidrigen Erlasses die Aufsichtsratabgabe vorgeschrieben werde. In diesem Fall sei es um einen im Amtsblatt veröffentlichten Erlass gegangen, der eine gesetzwidrige Auffassung vertreten habe. Noch vielmehr müsse aber die Bindungswirkung zum Tragen kommen, wenn es um eine in Erlässen vertretene Auffassung gehe, die nicht gesetzwidrig gewesen sei, sondern sich im möglichen Auslegungsspielraum bewegt habe.

 

Die Bindungswirkung von Auffassungen, die in den EStR und in den KESt-Richtlinien festgeschrieben worden seien, müsse auch deshalb gegeben sein, da nach allen praktischen Erfahrungen zu erwarten sei, dass die dem BMF nachgeordneten Dienststellen die in den Richtlinien vertretene Auffassung des BMF entweder als Weisung betrachten oder aber dieser Auffassung jedenfalls faktisch folgen würden. Richtlinien würden ja gerade der Durchsetzung einer einheitlichen Vorgangsweise dienen. Es würde zu einer besonderen Belastung führen, wenn man in jedem Fall bei jeder einzelnen in EStR oder KESt-Richtlinien festgehaltenen Auffassung beim jeweiligen Finanzamt nachfragen würde, ob das Finanzamt der im Weisungszusammenhang übergeordneten Behörde folge. Die Antwort würde selbstverständlich so lauten, dass jedes Finanzamt der Auffassung des BMF folge. Es habe kein Zweifel bestanden, dass das Finanzamt auch in diesem Fall der Auffassung des Ministeriums folgen werden, da die jahrelang verfolgte Praxis der linearen Abgrenzung im Betriebsprüfungsbogen niemals beanstandet worden sei. Der Bescheid würde auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen und daher rechtswidrig sein.

 

Auch wenn die Grundsätze von Treu und Glauben nicht anzuwenden seien, sei der Bescheid rechtswidrig, weil ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BAO vorliege, der aus teleologisch-systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen hier sinngemäß heranzuziehen sei. Formal sei keine Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben, da eben seinerzeit kein Bescheid ergangen sei, der nunmehr nach der erfolgten Prüfung durch die Abgabenbehörde wieder aufgenommen werden könne. Dies liege aber einzig und allein daran, dass es sich bei der KESt um eine Selbstbemessungsabgabe handle. Wäre dies nicht der Fall, sondern hätte die Behörde die KESt von vornherein mit Bescheid vorzuschreiben gehabt, wäre klar, dass sich die Abgabenbehörde an der früheren Rechtsauffassung des Ministeriums orientiert hätte und daher - entsprechend dem Antrag des Steuerpflichtigen - bescheidmäßig die lineare Abgrenzung angewendet hätte. Wenn es nunmehr zu einer Wiederaufnahme gekommen wäre, wäre völlig klar, dass der Schutz des § 307 Abs. 2 BAO zum Tragen komme, schließlich sei eine "Änderung der Rechtsauslegung" eingetreten, die sich auf eine "allgemeine Weisung des BMF" stütze. Das BMF habe schließlich in den EStR 2000 die gegenüber den EStR 1984 und den KESt-Richtlinien völlig geänderte Rechtsauffassung vertreten, wonach primär die finanzmathematische Methode anzuwenden wäre und nur im Ausnahmefall die lineare Methode zum Tragen kommen könne. Dass die KESt seinerzeit nicht durch Bescheid vorgeschrieben worden sei, könne dem Steuerpflichtigen keineswegs zum Nachteil gereichen. Daher müsse auch in diesen Fällen § 307 Abs. 2 BAO sinngemäß angewendet werden. Es würde sonst einen unerträglichen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn der durch § 307 Abs. 2 BAO gegebene Schutz nur dann greifen würde, wenn es sich um eine Steuererhebung handle, die zuvor durch Bescheid erfolgt sei. Ein Steuerpflichtiger, der sich an der Rechtsauffassung der Behörde orientiere, sei noch schutzwürdiger, als in einem Veranlagungsverfahren, in dem es von vornherein an der Behörde liege, eine bestimmte Rechtsauffassung zu vertreten und durchzusetzen. Die sinngemäße Anwendung des § 307 Abs. 2 BAO sei daher aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, da die sonst bestehende Rechtschutzlücke zur Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes führen würde.

 

Selbst wenn man ausblende, dass die Abgabenbehörden die von den Steuerpflichtigen gewählte Vorgangsweise ausdrücklich für zulässig erklärt und die Steuerpflichtigen damit geradezu angeleitet hätten, die lineare Abgrenzung zu wählen,

oder wenn die Abgabenbehörde niemals eine diesbezügliche Auffassung vertreten hätte, sei der Bescheid dennoch als rechtswidrig zu betrachten, da es sich um einen eklatanten Ermessensmissbrauch handle. Ob die Abgabenbehörde jemanden zur Haftung heranziehe oder nicht, sei eine Frage des Ermessens. Die Behörde dürfe nicht beliebig vorgehen, sondern müsse die im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertungen beachten. Wenn sich die Behörde nicht von den Interpretationen des Gesetzes leiten lasse, liege Ermessensmissbrauch vor (siehe Ritz, BAO-Kommentar, 2. Auflage, 1999, Tz 10 zu § 20 BAO).

 

Bei der Erhebung der KESt würden Aufgaben auf Private - wie Banken - überwälzt, die sonst von den Abgabenbehörden erledigt würden. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei eine derartige Übertragung von sonst hoheitlich ausgeübten Aufgaben auf Dritte zulässig, jedoch nicht ohne Grenzen. Der Gesetzgeber könne derartige Aufgaben nur dann auf Dritte übertragen, wenn dafür eine sachliche Rechtfertigung bestehe. Aus diesem Grund sei beispielsweise die Haftung des Verpächters für Getränke- oder Vergnügungssteuerschulden des früheren Pächters sachlich gerechtfertigt (VfSlg. 2.896/1955, 11.921/1988, 12.572/1990), nicht aber die Haftung des Pächters für Getränkesteuerschulden des früheren Pächters (VfSlg. 11.771/1988). Gerechtfertigt werden könne die Haftung des Grundeigentümers für Abwassergebühren für Personen, die auf seinem Grundstück Wasser nehmen und in einem öffentlichen Kanal einleiten (VfSlg. 6.903/1972) oder die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens für die bestehenden Abgabenschulden (VfSlg. 12.764/1991, 12.844/1991). Keine sachliche Rechtfertigung bestehe hingegen für die Haftung des Herausgebers eines Druckwerkes für die Anzeigenabgabe, da der Herausgeber an der Unternehmensgestion im Anzeigenbereich nicht mitwirke (VfSlg. 13.583/1993). Zu beachten sei, dass die konkreten Folgen einer bestimmten Haftungsbestimmung nicht unverhältnismäßig sein dürften (VfSlg. 14.380/1995; VfGH vom 15. 3. 2000, G 141-150/99). Selbst wenn die Haftung dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt sei, müsse eine adäquate Begrenzung des Haftungsumfanges bestehen. Korinek-Holoubek (in Gassner-Lechner, Hrsg. Steuerbilanzreform und Verfassungsrecht, 1991, 73, 89f) würden dazu festhalten: "Selbst wenn für die Haftung an sich ein sachlich objektiver Grund, d. h. im konkreten Fall, eine sachlich begründete Nahebeziehung zwischen dem Primärschuldner und dem in Haftung genommenen vorliegt, darf die konkrete Ausgestaltung der Haftungsregelung dennoch nicht übermäßig erfolgen."

 

Vor diesem Hintergrund sei es nicht als verhältnismäßig - und daher mit dem Gleichheitsgrundsatz als unvereinbar - anzusehen, wenn eine Bank dann zur Haftung herangezogen werde, wenn sie eine Rechtsauffassung vertrete, die sich im Rahmen des Auslegungsspielraumes bewege. Die Abgabenbehörde habe eben im Rahmen ihrer Ermessensübung zur Kenntnis zu nehmen, dass jede im Rahmen des Interpretationsspielraumes befindliche Auslegung hinzunehmen sei. Es dürfe nicht zur Inanspruchnahme der Haftung nur deshalb kommen, weil der zur Einbehaltung und Abfuhr der KESt verpflichtete Steuerpflichtige eine Rechtsauffassung vertrete, die sich - wie sich nachträglich herausstelle - von der Rechtsauffassung der Behörde unterscheide. Eine Unbestimmtheit des Gesetzes dürfe keineswegs zu Lasten des Haftungspflichtigen gehen. Es wäre unverhältnismäßig und daher eindeutig gleichheitswidrig, wenn das Haftungsrisiko eines Haftungsverpflichteten sich dadurch erhöhe, weil die gesetzlichen Grundlagen, in denen dem Haftenden die Steuer vorgeschrieben würde, verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulassen würden. Wenn der Gesetzgeber Normen schaffe, die mehrere vertretbare Auslegungsergebnisse nebeneinander zulassen würden, müsse eben auch hingenommen werden, dass dem zur Abfuhr der Steuer Verpflichteten die Entscheidung überlassen bleibe, welche der vertretbaren Rechtsauffassungen er sich anschließe. Jedes andere Ergebnis würde zu einem unverhältnismäßigen Umfang der Haftung führen. Das Finanzamt habe dies nicht berücksichtigt und würde dieser Ermessensmissbrauch den Bescheid rechtswidrig machen. Verschärft werde die Rechtswidrigkeit dadurch, dass der zur Haftung herangezogene Steuerpflichtige nicht ausschließlich aus eigener Beurteilung zu der von ihm verfolgten Rechtsauffassung gekommen sei, sondern weil diese Rechtsauffassung von der Abgabenbehörde in den EStR und den KESt-Richtlinien sowie in Einzelerledigungen ausdrücklich als zulässig erachtet worden sei. Daher sei es völlig willkürlich und grob unsachlich, jemanden zur Haftung heranzuziehen, der sich auf den Boden einer Rechtsauffassung gestellt habe, die von der Abgabenbehörde geradezu nahe gelegt worden sei. Es gehe im gegenständlichen Fall nicht um ein zweiseitiges Abgabenrechtsverhältnis zwischen der die KESt einhebenden Bank und dem Fiskus, sondern es liege eine Dreiecksbeziehung zwischen Fiskus, Bank und dem eigentlichen Steuerpflichtigen vor. Die Bank habe im Wege der KESt die Steuer des eigentlichen Steuerpflichtigen zu erheben. Sie sei daher auch bestimmten Erwartungen des Steuerpflichtigen ausgesetzt. Diese Erwartungen würden sich verständlicherweise ebenfalls auf die - nicht nur Banken, sondern auch Steuerpflichtigen bekannten - Einkommensteuer- und KESt-Richtlinien gründen. Von der Bank könne nicht erwartet werden, dass sie diese Rechtsauffassung ablehne und ihre Handhabung verweigere, wenn diese Rechtsauffassung ausdrücklich in den EStR und KESt-Richtlinien als gesetzeskonform angesehen werde. Dies würde die der Bank auferlegten weit gehenden Verpflichtungen bei weitem überspannen.

 

Jede Bank, die von sich aus die finanzmathematische Abgrenzungsmethode gewählt hätte, hätte sich einem äußerst großen Risiko ausgesetzt. Nach allem bis zum Jahr 2000 bekannten Verwaltungsauffassungen und Interpretationen sei davon auszugehen gewesen, dass auch die Finanzverwaltung die Auffassung vertrete, dass dem Gesetz einzig und allein die lineare Methode zu entnehmen sei. Eine Bank, die von sich aus die finanzmathematische Methode angewendet hätte, wäre daher das Risiko eingegangen, dass die Abgabenbehörde im Haftungswege die lineare Methode angewendet hätte, zumal die lineare Methode ja in vielen Fällen für den Fiskus ein deutlich besseres Ergebnis bringe, als die finanzmathematische Abgrenzungsmethode. Es wäre nicht nur weltfremd gewesen, sondern dem Haftungspflichtigen auch gar nicht zumutbar, sich einer Methode zu bedienen, die nach der damalig völlig einheitlichen Verwaltungspraxis und der herrschenden Auffassung gesetzwidrig gewesen sei. Daher müsse die Behörde im Rahmen der Ermessensübung jedenfalls berücksichtigen, dass dem Steuerpflichtigen nicht zugemutet werden könne, sich gegen die völlig herrschende Lehre und Verwaltungspraxis zu stellen.

 

Die Bank müsse sich auch am Markt bewegen. Wenn eine Bank eine viel strengere als die vom Finanzministerium in diversen Richtlinien vertretene Rechtsauffassung vertrete, sei anzunehmen, dass die Kunden mit einer anderen Bank kontrahieren würden. Es wäre daher völlig unverhältnismäßig, von den Banken zu erwarten, "päpstlicher als der Papst" zu agieren, und dem Kunden die Anwendung einer Rechtsauffassung zu verweigern, die vom Ministerium ausdrücklich als zulässig angesehen werde. Diese Umstände hätte die Abgabenbehörde im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen gehabt und hätte kein Haftungsbescheid erlassen werden dürfen. Die Behörde habe daher das ihr eingeräumte Ermessen grob missbraucht.

Über die Berufung wurde erwogen:

 

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 auch Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, wenn diese 2% des Wertpapiernominales übersteigen. Im Falle des vorzeitigen Rückkaufes tritt an die Stelle des Einlösungswertes der Rückkaufpreis.

 

Gemäß § 93 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 unterliegen Unterschiedsbeträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 einem KESt-Abzug. Dieser KESt-Abzug ist bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen von der kuponauszahlenden Stelle, das ist das Kreditinstitut, das die Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung eines Forderungswertpapiers auszahlt, vorzunehmen.

 

Schuldner der KESt ist gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 der Empfänger der Kapitalerträge. Die KESt ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung der KESt.

 

Zum Abzug der KESt bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (§ 93 Abs. 3) ist gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 die kuponauszahlende Stelle verpflichtet. Kuponauszahlende Stelle ist

 

- das Kreditinstitut, das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt,

- der inländische Emittent, der an den Kuponinhaber solche Kapitalerträge auszahlt.

 

Bei Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs. 3 EStG 1988 hat der zum Abzug Verpflichtete gemäß § 96 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 die in einem Kalendermonat einbehaltenen Steuerbeträge abzüglich gutgeschriebener Beträge unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer'' spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonates abzuführen.

 

Werden Kapitalerträge rückgängig gemacht, dann sind gemäß § 95 Abs. 6 EStG 1988 von dem zum Abzug Verpflichteten die entsprechenden Beträge an KESt gutzuschreiben. Die gutgeschriebene KESt darf die von den rückgängig gemachten Kapitalerträgen erhobene oder zu erhebende KESt nicht übersteigen.

 

Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist gemäß § 201 Abs. 1 BAO idF vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (AbgRmRefG), BGBl. 97/2002, ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.

 

Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gilt § 201 BAO sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1 BAO) geltend zu machen.

 

Gemäß dem mit AbgRmRefG, BGBl. 97/2002, aufgehobenen § 307 Abs. 2 BAO durfte in einer Sachentscheidung eine seit Erlassung des früheren Bescheides eingetretene Änderung der Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf eine allgemeine Weisung des BMF stützte, nicht zum Nachteil der Partei berücksichtigt werden.

 

Liegt eine in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder in als Richtlinien bezeichneten Erlässen des BMF vertretene Rechtsauslegung dem Bescheid einer Abgabenbehörde, der Selbstberechnung von Abgaben, einer Abgabenentrichtung in Wertzeichen (Stempelmarken), einer Abgabenerklärung oder der Unterlassung der Einreichung einer solchen zu Grunde, so darf gemäß § 117 BAO in der Fassung des AbgRmRefG, BGBl. 97/2002, eine spätere Änderung dieser Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf einen Erlass des BMF stützt, nicht zum Nachteil der betroffenen Partei berücksichtigt werden.

 

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Stückzinsen nach der linearen oder nach der finanzmathematischen Berechnungsmethode zu ermitteln sind und ob, sollte die finanzmathematische Berechnung richtig sein, die Heranziehung der Bw. zur Haftung für die nach Ansicht des Finanzamtes zu viel erstattete KESt zu Recht erfolgte.

 

Ein Zero Bond stellt eine Anleiheform dar, die eine Nominalverzinsung von Null aufweist. Anstatt der jährlichen Zinszahlungen fällt der gesamte Zahlungsstrom, bestehend aus Kapitaltilgung und Zinserträgen, am Ende der Laufzeit an. Die gesamte Verzinsung kommt in der begebenen Anleihe in einem hohen Disagio zum Ausdruck, wobei das Nominale mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzins abgezinst wird (Schiestl, Nullkuponanleihen in Österreich, ÖBA 1991, 114).

 

Wird eine Nullkuponanleihe vor dem Ende der Laufzeit veräußert, so werden im Kaufpreis auch anteilige Kapitalerträge abgegolten. Diese unterliegen ebenfalls grundsätzlich dem KESt-Abzug, sofern die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Österreich vorliegen.

 

Für den Erwerber der Nullkuponanleihe stellen die vom Veräußerer verrechneten anteiligen Kapitalerträge einen vorweggenommenen Kapitalertrag dar. Dies ergibt sich daraus, dass der zur Kuponfälligkeit erhaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der bisher angefallenen Zinsen vorbelastet ist. Der Erwerber erhält daher eine KESt-Gutschrift. Da am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe KESt für den gesamten Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabepreis und Einlösungswert anfällt, soll durch diese Gutschrift erreicht werden, dass die Steuerbelastung nur den Kapitalerträgen jenes Zeitraumes entspricht, in dem ein Steuerpflichtiger die Nullkuponanleihe auch tatsächlich gehalten hat. Der Erwerber erhält die KESt-Gutschrift allerdings nach der Verwaltungspraxis auch dann, wenn der Veräußerer in Österreich nicht kapitalertragsteuerpflichtig ist und daher bei ihm kein KESt-Abzug erfolgt ist.

 

Bei hochverzinsten und langfristigen Nullkuponanleihen führt die lineare Verteilung der Zinsen auf die gesamte Laufzeit regelmäßig zu unverhältnismäßigen Gutschriften, d.h. zu Gutschriften, die höher sind als der gesamte Kurswert samt Spesen. Somit hat der Erwerber der Anleihe nicht nur nichts zu bezahlen, sondern durch den Kauf der Anleihe sogar noch ein Guthaben erworben.

 

In den gesetzlichen Bestimmungen sind keine ausdrücklichen Regelungen getroffen, wie - linear oder progressiv - die Stückzinsen (im Falle des Verkaufes vor dem Einlösungstag) zu berechnen sind. Wenn die Bw. meint, es würden systematische Gründe für die lineare Methode sprechen, weil im EStG und in diversen anderen Gesetzen Pauschalregelungen in Form von linearen Abschreibungen vorgesehen seien, so ist dem zu entgegnen, dass eben in diesen vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Fällen die von den wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichende gesetzliche Regelung getroffen wurde. Wäre es im Sinne des Gesetzgebers gewesen, für die Berechnung der Stückzinsen im Falle des Verkaufes vor dem Einlösungstag die von den wahren wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichende lineare Berechnungsmethode vorzusehen, hätte er auch eine solche ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen.

 

Der Auffassung der Bw. folgend würden die leichte Administrierbarkeit und die Notwendigkeit einer eindeutigen und klaren Regelung auch aus teleologischer Sicht nur die lineare Berechnung erlauben. Zweifellos ist eine lineare Berechnung einfacher durchzuführen als eine finanzmathematische, jedoch erlaubt es dieser Umstand aber nicht, auch dann eine von den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichende lineare Berechnung aus Vereinfachungsgründen vorzunehmen, wenn dies in den einzelnen Abgabengesetzen nicht vorgesehen ist.

 

Was nun die ins Treffen geführten historischen Gründe anlangt, so fielen die Stückzinsen unter § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1972. Mit BGBl. 587/1983 wurde die Zinsertragsteuer eingeführt. Der von der Bw. angeführte Pkt. 15 der Zinsertragsteuerrichtlinien, AÖF 30/1984, ausgegeben am 25. Jänner 1984, hat folgenden Wortlaut:

 

" 15. Sparbrief, Kapitalsparbuch, Wertpapiere (§ 7 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Z 2)

 

(1) Der Zinsertragsteuer unterliegen im Bereich der Zinserträge aus Einlagen bei Kreditunternehmungen sowie sonstigen Forderungen gegenüber Kreditunternehmungen nur Kapitalerträge, die als Entgelt für die Zurverfügungstellung von Kapital nach dem 31. Dezember 1983 anzusehen sind. Bei Zinserträgen aus Spareinlagen sowie aus Sichteinlagen wird es dabei zu keinen Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern errechnet sich der auf Zeiträume nach dem 31. Dezember 1983 entfallende Zinsertrag nach folgender Formel:

 

monatlicher Zinsertrag x Anzahl der vollen Kalendermonate 1. Jänner 1984 bis zum Auflösungszeitpunkt = steuerpflichtiger Zinsertrag"

 

Bezüglich dieser Stückzinsen waren in den EStR 1984 folgende Ausführungen in den Abschnitten 67 (2) und 80(8) enthalten:

 

"Abschnitt 67 (2), "Sparbrief" und "Nullanleihe":

Bei Sparbüchern, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern erlangt der Erwerber erst im Zeitpunkt des Endes der Laufzeit bzw. im Zeitpunkt der vorzeitigen Auszahlung der Einlage die Verfügungsmacht über den Zinsertrag. Ein Zufluss der Zinserträge ist daher erst in einem dieser Zeitpunkte gegeben. Dies gilt grundsätzlich auch bei den so genannten Nullkuponanleihen (Zufluss im Zeitpunkt der Tilgung). Wird eine derartige Anleihe verkauft, fließen dem Verkäufer in diesem Zeitpunkt die auf den Zeitraum des Anleihebesitzes entfallenden kalkulatorischen Zinsen zu. Diese Zinsen sind beim Erwerber nicht noch einmal als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen. Zum Zufluss von solchen Stückzinsen siehe Abschn. 80 Abs. 8.

 

Abschnitt 80 (8), "Stückzinsen":

Die anlässlich der Veräußerung von festverzinslichen Wertpapieren gesondert in Rechnung gestellten, auf die Zeit von der letzten Kuponfälligkeit bis zum Verkaufstermin entfallenden (noch nicht fälligen) Kuponzinsenanteile (Stückzinsen) stellen ihrem wirtschaftliche Gehalt und ihrer Funktion nach Früchte eines Geldkapitals dar. Sie gehören beim Veräußerer, sofern sie nicht zu einem Betriebsvermögen zu rechnen sind, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 1 Z 4, da es für die Eigenschaft als Zinsen aus Kapitalforderungen ohne Bedeutung ist, ob sie vom Schuldner oder von einem Dritten entrichtet werden. Sind die Voraussetzungen des § 107 bzw. des § 104 EStG 1967 bis zum Zeitpunkt der Veräußerung gegeben, so sind die Stückzinsen steuerfrei. Da der Erwerber des Wertpapiers durch die Zahlung der Stückzinsen dem Schuldner der Zinsen gegenüber in Vorlage tritt, stellen beim Erwerber die Stückzinsen keine Werbungskosten bzw. die den Stückzinsen entsprechenden Teile der bei der nächsten Fälligkeit vereinnahmten Wertpapierzinsen keine Einnahmen i.S. des § 15 dar. Zur steuerlichen Erfassung der Nullanleihen siehe Abschn. 67 Abs. 2."

 

Im Zusammenhang mit der Erhöhung der KESt auf 22% bei Einlagen bei Banken und Forderungswertpapieren ab dem 1. Jänner 1993 gestattete das BMF im Hinblick auf die Abgrenzung der Zinsen für Zeiträume vor und nach dem 1. Jänner 1993 in den Richtlinien zur Erhebung der KESt von Kapitalerträgen aus Einlagen und Forderungswertpapieren des BMF vom 12. Feber 1993, 14 0602/1-IV/14/93, AÖF 1993/158, für die Ermittlung des KESt-Abzuges einfachheitshalber die Berechnung in folgender Art und Weise:

"4.5 Steuerabzug bei Unterschiedsbeträgen zwischen Ausgabe- und Einlösungswert

(1) Bei Unterschiedsbeträgen im Sinne des Punktes 3.3 entsteht die Abzugspflicht grundsätzlich erst am Ende der Laufzeit bzw. bei vorzeitiger Einlösung des Wertpapiers. Dies gilt sowohl für Unterschiedsbeträge, die neben laufenden Zinsen anfallen, als auch für Unterschiedsbeträge, die als einziger Kapitalertrag anfallen (also für Nullanleihen).

(2) Wird ein Wertpapier vor dem Ende der Laufzeit verkauft, dann ist für den zeitanteiligen Kapitalertrag des Veräußerers im Zeitpunkt der Veräußerung Abzugspflicht gegeben. Es bestehen keine Bedenken, wenn der zeitanteilige Kapitalertrag unter sinngemäßer Anwendung der in Punkt 5.1 dargestellten Formel ermittelt wird. Der Steuerabzug ist im Sinne des Punktes 4.3 Abs. 2 und 3 vorzunehmen.

 

5.1 Geldeinlagen und sonstige Forderungen bei Banken

(1) Der Abzugspflicht von 22 Prozent unterliegen erst Kapitalerträge, die als Entgelt für die Überlassung von Kapital für die Zeit ab 1. Jänner 1993 anzusehen sind. Bei Kapitalerträgen aus Einlagen, die mit 31. Dezember 1992 abgeschlossen werden, besteht erst für Kapitalerträge aus Abschlüssen nach dem 31. Dezember 1992 eine Abzugspflicht von 22 Prozent. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern kann der auf die Zeit ab dem 1. Jänner 1993 anfallende Kapitalertrag einfachheitshalber nach folgender Formel berechnet werden:

 

Einlösungswert abzüglich Ausgabewert monatl.

----------------------------------------------------- = Kapital-

Anzahl der vollen Monate zwischen ertrag

Ausgabe u Einlösung

 

Mit 22 Prozent abzugspflichtiger Kapitalertrag = monatlicher Kapitalertrag x Anzahl der vollen Kalendermonate vom 1. Jänner 1993 bis zum Auflösungszeitpunkt. Als Auflösungszeitpunkt gilt der letzte Tag, für den Zinsen gezahlt werden. Für jenen Teil des Kapitalertrages, der auf Zeiträume vor dem 1. Jänner 1993 entfällt, beträgt der Steuersatz 10 Prozent. Sollten Teile von Kapitalerträgen auf die Zeit vor dem 1. Jänner 1989 entfallen, wäre insoweit überhaupt keine Abzugspflicht gegeben (siehe Beispiel Punkt 2 Abs. 6). In all diesen Fällen ergibt sich im Endeffekt ein Mischsteuersatz innerhalb einer Bandbreite von 10 Prozent bis 22 Prozent."

 

Seitens des BMF wurde aber in Anfragebeantwortungen auch die Auskunft erteilt, dass ebenso eine exakte Berechnung der zeitanteiligen Kapitalerträge möglich ist und die im Erlass dargestellte vereinfachende Abgrenzung hinter eine angestrebte genaue Berechnung zurückzutreten hat (vgl. BMF vom 23.7.1996 zitiert in Schönstein, KESt und Zero-Bonds, SWK 14/2001, 404).

 

In den EStR 2000, ausgegeben am 21. Dezember 2000 im AÖF 232/2000, 127. Stück, heißt es unter Rz 6186 wie folgt:

 

"Nullkuponanleihen sind Anleihen, mit denen üblicherweise kein Anspruch auf laufende Zinsen verbunden ist. An Stelle dessen liegt der Ausgabepreis unter dem Einlösewert. Mit fortschreitender Laufzeit steigt jedoch der innere Wert der Nullkuponanleihe und erreicht am Ende der Laufzeit den Einlösewert. Dieser Differenzbetrag, der wirtschaftlich betrachtet nicht ausbezahlten und neuerlich verzinsten Zinsen gleichkommt, führt bei Einlösung zum Zufluss von Kapitaleinkünften im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988. Wird hingegen das Wertpapier vorzeitig verkauft, tritt an die Stelle des Einlösewertes der Veräußerungspreis. Kapitaleinkünfte liegen jedoch nur in Höhe der Differenz zwischen dem Ausgabewert und dem inneren Wert im Veräußerungszeitpunkt vor. Dieser innere Wert errechnet sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises mit dem Renditezinssatz. Ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen zu dem sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises ermittelten Zinsertrag, bestehen jedoch keine Bedenken, den anteiligen Zinsertrag durch folgende Formel zu ermitteln.

 

Einlösungswert abzüglich Ausgabewert dividiert durch die Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung = monatlicher Kapitalertrag."

 

Wie bereits erwähnt, gehen Verwaltungspraxis und Lehre (vgl. Doralt Einkommensteuer Kommentar, Bd. II Tz 53 zu § 95) davon aus, dass der Erwerber eines Forderungswertpapiers auf Grund der im Kaufpreis enthaltenen anteiligen Kapitalerträge eine KESt-Gutschrift erhält, wobei dies auch dann erfolgt, wenn anlässlich des Erwerbsvorganges keine KESt einbehalten und abgeführt wird. Es wird dies als ein Fall des § 95 Abs. 6 EStG 1988 angesehen.

 

Bemessungsgrundlage für den KESt-Abzug sind die erzielten Kapitalerträge. Dabei ist allgemein bekannt und dem Bankengeschäft geradezu immanent, dass Kapital- bzw. Zinserträge von den Banken nach finanzmathematischen Methoden ermittelt werden.

 

Die Bw. stützt ihre Rechtsansicht auch auf Pkt. 5. (1) bzw. Pkt. 4. 5 (2) des Erlasses des BMF vom 12. Februar 1993, GZ. 14 0602/1-IV/14/93. Wie bereits dem Erlasstext zu entnehmen ist, handelt es sich um eine im Zuge der Erhöhung der KESt von 10 % auf 22% auf Einlagen bei Banken und Forderungspapiere ab 1.1.1993 vom BMF getroffene Maßnahme zur Vereinfachung der Abgrenzung der Zinserträge. Die lineare Abgrenzung war unter den damaligen EDV-Verhältnissen die einzige Möglichkeit, dass alle - auch kleinere Kreditinstitute - den damals übertragenen Steuereinbehaltungsaufgaben nachkommen konnten. Sie entspricht aber nicht der wirtschaftlich getreuen Abbildung der auf die einzelnen Zeiträume entfallenden Zinsenanteile und ist gesetzlich nicht vorgesehen.

 

Wenn im gegenständlichen Fall gegen die "Unverhältnismäßigkeit" eingewendet wird, es sei kein Anhaltspunkt gegeben, was noch unter die "Verhältnismäßigkeit" fällt bzw. was unter "eher kurzer Laufzeit" und "kleinem Zinsfuß" zu verstehen ist, und dem Gesetz eine solche Unbestimmtheit nicht zu unterstellen sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei der gegebenen Konstellation bezüglich der unter Pkt. a. angeführten Wertpapiere auch einem nicht erfahrenen Bankkunden und "schlichtem" Konsumenten auffallen musste, dass für die Anschaffung der unter Pkt. a angeführten Wertpapiere nicht nur nichts zu bezahlen war, sondern zudem noch eine KESt-Gutschrift erstattet wurde. Bei den unter Punkt b. angeführten Wertpapieren waren die Anschaffungskosten unter Berücksichtigung der KESt-Gutschrift auch nur sehr gering. Hält man sich einen üblichen "Kauf" vor Augen, so wird es hiebei wohl doch immer zu einem vom Konsumenten zu bezahlenden Kaufpreis kommen.

 

Da auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise darauf abstellt, ungeachtet anders lautender zivilrechtlicher Vereinbarungen die tatsächlichen wirtschaftlichen Geschehnisse zu erfassen, kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass bei der gegebenen Konstellation die von den wirtschaftlichen Verhältnissen völlig abweichende lineare Methode als die vom Gesetz gewollte angesehen wird und "unstrittiger Gesetzesinhalt" war.

 

Zumal das auf Grund der finanzmathematischen Berechnungsmethode ermittelte Ergebnis des Finanzamtes der Höhe nach nicht bestritten wird, bedarf es keines weiteren Eingehens auf das Vorbringen, dass es nicht nur eine, sondern verschiedene finanzmathematische Berechnungsmethoden gebe und der Gesetzgeber im Fall der Präferenz für die finanzmathematische Methode Anhaltspunkte gegeben hätte, welche dieser Methoden anzuwenden sei.

 

Da - auch nach Ansicht der Bw. - das Gesetz keine ausdrückliche Regelung betreffend die lineare bzw. finanzmathematische Methode trifft, und - wie erörtert - die lineare Methode dem Gesetz keineswegs immanent ist, kann der Einwand, dass ein Regel-Ausnahmeverhältnis dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, nicht für die Anwendung der den wirtschaftlichen Verhältnissen widersprechenden linearen zu Lasten der den wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende finanzmathematischen Methode sprechen.

 

Im Hinblick auf die Ausführungen in Pkt. 5. (1) bzw. Pkt. 4. 5 (2) des Erlasses des BMF vom 12. Februar 1993, GZ. 14 0602/1-IV/14/93, ist zu prüfen, ob das nunmehrige Abgehen von dieser Auffassung im Einzelfall als ein Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben anzusehen ist. Dass die lineare Berechnung nur aus Vereinfachungsgründen zugelassen wurde und die finanzmathematische Berechnung allein den gegenständlichen wirtschaftlichen Vorgängen gerecht wird und grundsätzlich für die Berechnung der Stückzinsen anzuwenden ist, wurde bereits ausführlich dargelegt.

 

Die berufungsgegenständlichen Zero-Bonds sind hinsichtlich ihrer Ausgestaltung (Laufzeit von 30 bzw. 35 Jahren, Verhältnis Ausgabewert zu Einlösungswert von 1: 100 bzw. 2,14:100) mit den zum Zeitpunkt der Abfassung der KESt-Richtlinien am Markt befindlichen Nullkuponanleihen nicht vergleichbar. Im Vordergrund stand, wie bereits mehrmals erwähnt, die Absicht, bei den damaligen EDV-Verhältnissen auch kleineren Kreditinstituten den Vollzug der neuen Bestimmungen beim KESt-Abzug ohne unverhältnismäßigen Aufwand zu ermöglichen. Im Hinblick darauf wurden seitens des BMF die sich daraus ergebenden Unrichtigkeiten gegenüber der genaueren finanzmathematischen Methode hingenommen.

 

Nur auf Grund der von den damaligen am Markt befindlichen Nullkuponanleihen extrem abweichenden Parametern hinsichtlich Laufzeit und Zinssatz konnte es gegenständlich zu der abstrusen Situation kommen, dass der Erwerber der Anleihen bei Ermittlung der Stückzinsen einen höheren Betrag an KESt erstattet bekommt als er selbst für den Kauf des Wertpapiers aufwenden musste. Wäre auch der Verkäufer kapitalertragsteuerpflichtig gewesen, hätte bei einer linearen Berechnung der Stückzinsen andererseits auch der Verkäufer anlässlich des Verkaufes nicht nur nichts erhalten, sondern noch zusätzlich mit KESt belastet werden müssen.

 

Allenfalls war der Bw., aber auch anderen Banken auf Grund von Anfragebeantwortungen des BMF auf diesbezügliche Anfragen betreffend den Verkauf von Nullkuponanleihen bekannt, dass die "konkrete Berechnung" - die finanzmathematische Berechnung - der Stückzinsen und der darauf entfallenden KESt zulässig ist. Das heißt, es wurde von Banken sehr wohl, wenn es für den Kunden vorteilhaft war, eine finanzmathematische Ermittlung der Stückzinsen vorgenommen.

 

Von der Bw. wurden die Zero-Bonds nicht beworben. Im gegenständlichen Fall soll es sich um einen einzigen Kunden gehandelt haben, der diese Wertpapiere haben wollte. Angesichts der bei Banken üblichen EDV-gestützten standardisierten Abwicklung des Wertpapiergeschäftes hat diese Abweichung auffallen müssen. Denn dass jemand anlässlich des Kaufes eines Wertpapiers eine KESt-Gutschrift erhält, die höher ist als der Kaufpreis, kann wohl niemand ernstlich für rechtens halten und dürfte der Erwerber über ein entsprechendes Wissen bezüglich der "speziellen Konstellation" der Zero-Bonds verfügt haben.

 

Es ist wohl richtig, dass bei Ablauf der Laufzeit des Papiers eine potenzielle Steuerpflicht für den Erwerber gegeben ist. Auf Grund der langen Laufzeit - im Zeitpunkt des Erwerbes noch rund 28 bzw. 32 Jahre - und des Umstandes, dass die Fremdwährungen gegenüber dem Schilling bzw. Euro weicher werden könnten, ist aber keineswegs sicher, ob der Erwerber jemals überhaupt mit KESt in Höhe des beim Erwerb erstatteten Betrages belastet werden wird. Im Übrigen genügt es, wenn der Erwerber einfach auf sein Wertpapier verzichtet bzw. es vernichtet und so eine weitere Steuerpflicht ausschließt und den beim Erwerb erstatteten Betrag als bleibenden Vorteil lukrieren kann.

 

Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen eines Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung. Die Abgabenbehörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Es sei in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des VwGH vom 26. 7. 2000, 97/14/0040, verwiesen, wonach eine für Vorjahre vorgenommene rechtliche Beurteilung, die sich zu Gunsten des Abgabepflichtigen ausgewirkt hat, bei diesem zwar die Hoffnung wecken kann, die Abgabenbehörde werde diese Beurteilung auch in den Folgejahren beibehalten, sie schafft aber kein schutzwürdiges Vertrauen, die Behörde werde diese Beurteilung - wenn sie sich als unrichtig herausstellt - auch für die Folgezeiträume beibehalten.

 

In Anbetracht dieser Umstände ist durch das Vorgehen des Finanzamtes, in denen es in diesen krassen Fällen eine lineare Berechnung der Stückzinsen nicht zugelassen hat, sondern eine finanzmathematische Berechnung vorgenommen hat, nicht der Grundsatz von Treu und Glauben gegenüber der Bw. verletzt worden.

 

Was die begehrte analoge Anwendung des § 307 Abs. 2 BAO anlangt, so wurde dieser mit BGBl. I 97/2002 aufgehoben und ist nunmehr der mit selbigen BGBl. eingeführte § 117 BAO seit 26. Juni 2002 in Kraft.

 

Der § 117 BAO gebietet eine Bindung an frühere günstigere Weisungen in Richtlinien. Eine solche Bindung an Weisungen steht jedoch der im § 271 BAO normierten Weisungsfreiheit der Mitglieder des UFS vollkommen entgegen.

 

Selbst wenn man grundsätzlich eine solche Bindung bejahen wollte, ist zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall § 117 BAO dem Berufungsbegehren zum Erfolg zu verhelfen mag.

 

Die EStR 2000 - und somit auch die oben festgehaltenen Ausführungen unter Rz 6186 zur Nullkuponanleihe - wurden am 21. Dezember 2000 im AÖF kund gemacht. Die KESt-Anmeldung für Oktober 2000 langte am 18. Dezember 2000, jene für November 2000 am 17. Jänner 2001 und jene für Dezember 2000 am 16. Feber 2001 beim Finanzamt ein. Der angefochtene Haftungsbescheid erging am 24. April 2001.

 

Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Selbstberechnung gegenüber dem Finanzamt für die Monate November und Dezember 2000 waren die Ausführung unter Rz 6186 der EStR 2000 schon in Geltung und wären diese der Selbstberechnung der KESt für die Monate November und Dezember 2000 bereits zu Grunde zu legen gewesen. Von einer "späteren Änderung der Rechtsauslegung zum Nachteil der Partei" kann somit für die Monate November und Dezember 2000 nicht gesprochen werden.

 

Die Selbstberechnung für Oktober 2000 erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem die EStR 2000 noch nicht kundgemacht waren. Wie aber bereits oben festgehalten, diente die vereinfachte lineare Berechnungsmethode der KESt-Richtlinien der Abgrenzung der unterschiedlichen KESt-Sätze. Wenn - wie die Bw. - die Ausführungen generell und nicht nur für die Abgrenzung der unterschiedlichen KESt-Sätze dienen sollten, so gingen aber auch die am Geschäft Beteiligten davon aus, dass eine solche "spezielle Konstellation" des vorliegenden Sachverhaltes - der Erwerber der Zero-Bonds bekam bei den unter Pkt. a angeführten Wertpapieren eine KESt-Gutschrift und hatte für jene unter Pkt. b nur einen geringen Erwerbspreis zu zahlen - nicht von den KESt-Richtlinien erfasst und "abgesegnet" sein sollte. Wäre nämlich die lineare Berechnung als allgemeine Berechnungsmethode zweifelsfrei festgestanden, dann hätten es sich die Banken nicht nehmen lassen, solche Zero-Bonds mit entsprechendem Aufwand zu bewerben.

 

Die Bw. bringt weiters vor, ihre Inanspruchnahme durch einen Haftungsbescheid sei aus dem Blickwinkel des § 20 BAO rechtswidrig. Die Behörde hätte sich an die einzelnen Anleger halten müssen. Es sei unbillig, dass die Finanzbehörde, mangels Zugriffsmöglichkeit auf die Kunden der Bw, die auf Grund des Bankgeheimnisses deren Namen nicht bekannt geben dürfe, nunmehr die Bw. zur Haftung heranziehe. Die Inanspruchnahme der Bw. als Haftungsträger sei daher unbillig.

 

Dem ist entgegenzuhalten, dass § 95 Abs. 2 EStG 1988 eine spezielle Haftungsnorm ist und im Zusammenhang mit Abs. 5 leg.cit. praktisch kein Ermessensspielraum der Behörde im Hinblick auf die Heranziehung zur Haftung besteht. Liegen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Inanspruchnahme des Steuerschuldners nicht vor, so ist nach Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988, Tz 3 zu § 95 EStG 1988, die Inanspruchnahme des Haftenden überhaupt nicht in das Ermessen der Behörde gestellt. Der zum Abzug Verpflichtete haftet demnach zwingend und jedenfalls für die KESt. Aber selbst wenn man einen Ermessensspielraum der Behörde bezüglich der Heranziehung zur Haftung als gegeben ansieht, erscheint die Heranziehung im gegenständlichen Fall im Lichte der schon zum Prinzip von Treu und Glauben angeführten Umstände nicht unbillig.

 

Soweit die Bw. vermeint, durch die Heranziehung zur Haftung würde letztlich der Gleichheitsgrundsatz verletzt werden, weil sie gezwungen wäre sich an ihren Kunden schadlos zu halten, wodurch das besondere Vertrauensverhältnis zu den Kunden - die Grundlage ihrer Tätigkeit - zerstört würde, so ist dem entgegenzuhalten, dass das besondere Vertrauensverhältnis nicht zuletzt auch auf dem strengen österreichischen Bankgeheimnis beruht. Es erscheint daher in diesem Zusammenhang nicht unsachlich, wenn demgegenüber die Banken auch entsprechende Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Haftung treffen, insbesondere dann, wenn wie im vorliegenden Fall die Unverhältnismäßigkeit der KESt-Gutschrift auffallen musste. Die Haftung geht in diesem Fall nicht "zu Lasten" eines "Unkundigen", sondern wird ein zweifellos "fachkundiger" Dritter herangezogen, was gegen die von der Bw. ins Treffen geführte Unverhältnismäßigkeit spricht.

 

Wenn die Bw. die Rechtswidrigkeit damit zu stützen versucht, dass ihr ein solches Vorgehen durch die Ausführungen in den Richtlinien geradezu nahe gelegt worden sei, so ist ihr zu entgegnen, dass weder den Richtlinien, noch einer Anfragebeantwortung eine dem gegenständlichen Sachverhalt entsprechende Konstellation - ein "Kauf" von Wertpapieren, für den man nichts bzw. nur einen äußerst geringen Preis zu zahlen hat bzw. sogar noch etwas "dazu bekommt" - zu Grunde gelegen sein wird, zu der seitens des BMF die "Zustimmung" erteilt worden wäre.

 

Zielführend sind auch nicht die Überlegungen der Bw., dass bei Anwendung der finanzmathematischen Methode durch die Bw. die Behörde eine Korrektur in Form der linearen Methode vorgenommen hätte, weil diesfalls dies nur Vorteile für die Bw. bzw. deren Kunden gebracht hätte. Dass die lineare Methode allenfalls in anderen Fällen von Vorteil sein könnte, ist - weil dem doch ein anderer Sachverhalt zu Grunde liegen wird - nicht von Belang.

 

Wie bereits ausgeführt, ermöglicht nur eine finanzmathematische Berechnung der Stückzinsen die wirtschaftlich getreue Abbildung der auf die einzelnen Zeiträume entfallenden Zinsenanteile und knüpft das Abgabenrecht im Bereich des KESt-Abzuges an den wirtschaftlich geprägten Begriff "Kapitalertrag" an. Der Inhalt der diesbezüglichen Regelungen ist daher auch im Licht von Art 18 B-VG bestimmbar.

 

Nach all dem Gesagten war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen.

 

Gleichzeitig ist aber der Bescheid zum Vorteil der Bw. abzuändern. In der bisherigen Nachforderung sind zwei Erwerbe per 10. August 2002, Auftragsnummer "617013 9. 8. 2000", 230525 WELTBANK PLN/LIT ZERO-MNT, mit einem Einlösungswert von je S 500.000,-- enthalten. Es handelt sich jedoch um einen Erwerb und die Stornierung dieses Erwerbes, die aber beide irrtümlich als Nachforderung angesetzt wurden. Von der bisherigen KESt-Nachforderung sind daher S 66.098,-- (je S 33.049,--) auszuscheiden und beträgt nunmehr die KESt-Nachforderung S 1,247.530,--/ € 90.661,54 (anstatt bisher S 1,313.628,--/ € 95.465,07).

 

Klagenfurt, 24. Feber 2003

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 96 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 202 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 117 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Stückzinsen, Zero-Bonds, KESt, Haftung, Erstattung, Erwerbspreis, finanzmathematische Berechnung, lineare Berechnung, Verletzung von Treu und Glauben, spätere Änderung der Rechtsauslegung zum Nachteil der Partei

Stichworte