BFG RV/3100339/2022

BFGRV/3100339/202219.12.2022

Erfassung eines Verwendungseigenverbrauches als Voraussetzung für die Geltendmachung sämtlicher Vorsteuern bei untergeordnet privat genutztem Gebäudeteil

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100339.2022

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterDr. Nicolaus Pomaroli MASin der Beschwerdesache***Bf1***, ***Bf1-Adr***,im fortgesetzten Verfahren nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 2022 zuRa 2020/15/0085-10über die Beschwerden gegen die Bescheide desFA Landeck Reuttevom 24. November 2008 betreffend Umsatzsteuer 2007, vom 21. April 2010 betreffend Umsatzsteuer 2008 sowie vom 16. August 2010 betreffend Umsatzsteuer 2009 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der im jeweiligen Besteuerungszeitraum festgesetzten Abgabe sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz(B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer errichtete in den Jahren 2007 bis 2009 ein Hotel, das im Beschwerdezeitraum zu 97,24% betrieblichen Zwecken und zu 2,76% privaten Zwecken diente. Der Beschwerdeführer machte einen Vorsteuerabzug von den Baukosten in Höhe von 100% geltend.

Das Finanzamt versagte mit Bescheid vom 24. November 2008 betreffend die Umsatzsteuer 2007 den Vorsteuerabzug für den privat genutzten Teil des Gebäudes. In der dagegen erhobenen Beschwerde stützte sich der Beschwerdeführer auf EuGH-Judikatur. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte er einen Vorlageantrag.

In den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 2008 und 2009, gegen die ebenfalls Beschwerde erhoben wurde, versagte das Finanzamt gleichermaßen den Vorsteuerabzug. Mit Erkenntnis vom 20. Mai 2015 gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden Folge. Begründend führte es aus, das Gebäude diene zu 2,76% privaten Zwecken und stelle somit zur Gänze Betriebsvermögen dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nach der im Beschwerdefall geltenden Rechtslage bei Gebäuden im Betriebsvermögen die Vorsteuer zur Gänze abzugsfähig.

Gegen diesesErkenntnis richtete sich die am 24. Juni 2015 beim Bundesfinanzgericht eingelangte Revision des Finanzamtes.

Mit Erkenntnis vom 14. Juni 2022 hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision des Finanzamtes für zulässig und auch begründet erklärt und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Für die Rechtslage vor Inkrafttreten des Art. 168a MwStRL habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. März 2013, 2010/15/0085, VwSlg. 8796/F, ausgesprochen, dass die Regelung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 dahingehend auszulegen ist, dass sie für einen solchen untergeordneten Teil eines Gebäudes des Betriebsvermögens keinen Vorsteuerausschluss normiert.

Die mit BGBl. I Nr. 27/2004 eingefügte Z 4 des § 12 Abs. 3 UStG 1994 schließe mit ihrem Verweis auf § 3a Abs. 1a Z 1 Vorsteuern, die im Zusammenhang mit der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für private Zwecke stehen, ab 1. Mai 2004 vom Abzug aus. Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. September 2017, Ra 2015/15/0045, ausgesprochen habe, war dieser Vorsteuerausschluss insoweit nicht durch das unionsrechtliche Beibehaltungsrecht gedeckt, als davon die in Rede stehenden, untergeordnet privat genutzten Gebäude des Betriebsvermögens betroffen waren. Wenn sich ein Steuerpflichtiger dafür entschieden habe, für ein solches Gebäude zur Gänze den Vorsteuerabzug geltend zu machen, könne er nicht zugleich gestützt auf nationales Recht die Nichtbesteuerung der privaten Verwendung des untergeordneten Gebäudeteils in Anspruch nehmen (vgl. auch VwGH 28.5.2019, Ra 2018/15/0058).

Das Bundesfinanzgericht sei von einer untergeordneten privaten Verwendung des Betriebsgebäudes ausgegangen, ohne Erwägungen zum Vorliegen steuerpflichtiger Umsätze (Verwendungseigenverbrauch unter "Ausblendung" des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994, vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2018/15/0058) anzustellen, und habe damit sein Erkenntnis mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Das Bundesfinanzgericht hatte nunmehr den der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 2022 dargelegten Rechtsanschauung entsprechenden Rechtszustand herzustellen und hierzu folgende Erwägungen zum Vorliegen steuerpflichtiger Umsätze angestellt.

Erwägungen:

Da das Gebäude unstrittig im Ausmaß von 2,76% seiner Nutzfläche privaten Wohnzwecken dient und das gesamte Gebäude Betriebsvermögen darstellt, ist im Beschwerdezeitraum 2007 bis 2009 jeweils die gesamte Vorsteuer abzugsfähig.

Für das Jahr 2009 war jedoch für den privat genutzten Gebäudeteil ein auf § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 gestützter Verwendungseigenverbrauch zu erfassen.

Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch sind die auf die nichtunternehmerische Nutzung des Gegenstandes - hier die auf den privat genutzten untergeordneten Teil eines Gebäudes des Betriebsvermögens - entfallenden Kosten (vgl. Ruppe, UStG3, § 4 Tz 170); nach der Rechtsprechung umfasst der Begriff Ausgaben "die - wie die Abschreibungen für die Abnutzung des Gegenstands oder die Ausgaben des Steuerpflichtigen, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt haben - mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind" (EuGH 26.9.1996, Enkler, C-230/94 , Rn 36) bzw. "Ausgaben wie die Aufwendungen für den Erwerb oder die Herstellung des Gegenstands, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben und ohne die die fragliche private Nutzung nicht möglich gewesen wäre (14.9.2006, Wollny, C-72/05 , Rn 27; vgl. Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG, § 4 Rz 334).

Die Abschreibung für Abnutzung von den Baukosten hatim Jahr 2007 3.621,42 Euro, im Jahr 2008 72.121,44 Euro sowie im Jahr 2009 76.921,62 Euro betragen. Dem Anlagenverzeichnis 2009 zufolge wurde das Gebäude allerdings erst mit 30.06.2009 in Verwendung genommen. Ein zeitliches Auseinanderfallen von Fertigstellung und Inverwendungnahme ist hier nicht gegeben, weshalb die Ausgaben, welche ertragsteuerlich als "Gebäude-AfA" in Abzug gebracht werden können,zur Gänze erst im Jahr 2009 angesetzt werden konnten; dies jedoch, wie vom Finanzamt ausgeführt, auf der rechnerischen Basis der Errichtungskosten aller drei Jahre.

Die Bemessungsgrundlage für den Verwendungseigenverbrauch ermittelt sich für das Jahr 2009 daher wie folgt:

152.664,48 Euro x 2,76% = 4.213,54 Euro.

Mit diesem Betrag war daher ein Verwendungseigenverbrauch zu erfassen und als solcher gleich einer sonstigen Leistung gemäß § 3a Abs. 1a UStG 1994 steuerpflichtig zu behandeln.

Die Privatnutzung war nach herrschender Rechtsprechung und Literatur als fiktive Dienstleistung dem Normalsteuersatz von 20% zu unterwerfen (Bürgler/Stifter in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON3.02 § 3a (Stand 1.12.2021, rdb.at) Rz 31; Mayr/Ungericht, UStG4 (2014), § 3a Anm 47).

Für die Jahre 2007 und 2008 haben die Berechnungen im fortgesetzten Verfahren keine Veränderung gegenüber dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Vorerkenntnis erfahren.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes gebunden war, konnte sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dergestalt nicht stellen.

Innsbruck, am 19. Dezember 2022

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

Verweise:

VwGH 28.05.2019, Ra 2018/15/0058
VwGH 14.06.2022, Ra 2020/15/0085

Stichworte