BFG RV/3100389/2013

BFGRV/3100389/20139.7.2019

Eigenverbrauchsbesteuerung bei privat genutztem Gebäudeanteil; anzuwendender Steuersatz

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100389.2013

 

Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/15/0126. Mit Erk. v. 30.12.2020 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/3100006/2021 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch Stb, Adr_Stb, über die Beschwerde vom 06.02.2013 gegen die Bescheide der belangten Behörde FA Landeck Reutte vom 28.01.2013, betreffend Umsatzsteuer 2009 und 2010 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2009 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2010 wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

 

Eingangs wird darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit für das gegenständliche Verfahren aufgrund des Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses vom 26. Februar 2018 übergegangen ist.

 

I) Verfahrensgang

1) Bei der Beschwerdeführerin (Bf) wurde 2013 eine Betriebsprüfung durchgeführt. Aufgrund der getroffenen Feststellungen wurde der Vorsteuerabzug iZm "Gebäude" für die Jahre 2009 und 2010 um den auf den privaten Gebäudeteil entfallenden Anteil im Ausmaß von 18,51 % gekürzt.

2) Im dagegen erhobenen Rechtsmittel vom 5. Februar 2013 wurde unter Berufung auf Rechtsprechung und Literatur zum Thema der untergeordneten Privatnutzung von Gebäuden der volle Vorsteuerabzug begehrt.

3) Diesem Begehren wurde mit den Berufungsvorentscheidungen zur Umsatzsteuer 2009 und 2010 vom 19. August 2013 zwar entsprochen, jedoch wurde eine Vorsteuerberichtigung gem. § 12 Abs. 10 iVm Abs. 10a UStG 1994 durchgeführt, da der für den privaten Gebäudeteil zu gewährende Vorsteuerabzug mit einem späteren, nicht steuerbaren Eigenverbrauch im direkten Zusammenhang stehe.

4) Im Vorlageantrag vom 26. August 2013 wird einerseits ins Treffen geführt, dass aufgrund der überwiegend betrieblichen Nutzung des Gebäudes der volle Vorsteuerabzug zustehe, andererseits aber die Besteuerung als Nutzungsentnahme (Eigenverbrauchsbesteuerung) am Wortlaut des § 3a Abs. 1a letzter Satz UStG 1994 scheitere.

5) Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 8. September 2015 wurde die Bf darüber in Kenntnis gesetzt, dass zwar der Berufung hinsichtlich der Gewährung des vollen Vorsteuerabzuges stattzugeben sein werde, jedoch an Stelle der in der Berufungsvorentscheidung vorgenommenen Vorsteuerkorrektur der Verwendungseigenverbrauch als fiktive Dienstleistung zum Normalsteuersatz zum Ansatz zu bringen sei. Gleichzeitig wurde aufgetragen, den Verwendungseigenverbrauch bekanntzugeben.

6) Dem wurde in der dazu eingebrachten Anfragebeantwortung vom 18. September 2015 entgegengehalten, dass der Beschwerdepunkt des Vorsteuerabzuges den Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens begrenze. Nichtsdestotrotz wurden weiters Argumente zum überwiegenden Interesse der Beschwerdeführerin an der Unterbringung des Geschäftsführers in der Betriebstätte unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung dargetan sowie erneut - unter Hinweis auf den Vertrauensschutz in einem Rechtsstaat - auf den Ausschluss der Eigenverbrauchsbesteuerung bei Grundstücken verwiesen. Es wurde außerdem vorgebracht, dass die Eigenverbrauchsbesteuerung allenfalls mit 10 % gem. § 10 Abs. 2 Z. 4 UStG 1994 zu erfolgen habe sowie dass das Betriebsgebäude der Bf erst ab 2010 bewohnt worden sei. Abschließend wurde die Kostenbasis nach § 4 Abs. 8 UStG 1994 mit € 6.340,42 bekanntgegeben. Berechnet wurde die Kostenbasis in der Form, dass, ausgehend von Herstellungskosten des Gebäudes iHv € 2.283.601,14, der Privatanteil von 18,51 % mit € 422.694,57 errechnet und mit einem AfA-Satz von 1,5 % (in Anlehnung an § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG 1988) mulitipliziert wurde.

7) Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 29. Juni 2018 wurde das gegenständliche Verfahren gem. § 271 BAO ausgesetzt, da gegen das Erkenntnis des BFG vom 20. März 2018, RV/3100863/2017 eine außerordentliche Revision eingebracht worden war, die die Lösung einer Rechtsfrage anstrebte, welche auch im gegenständlichen Verfahren aufgeworfen worden war.

8) Mit Erkenntnis des VwGH vom 28. Mai 2019, Ra 2018/15/0058, wurde diese außerordentliche Revision als unbegründet abgewiesen. Das gegenständliche Verfahren war somit gem. § 271 Abs. 2 BAO fortzusetzen.

 

II) Sachverhalt

Das Betriebsgebäude der Bf, in welchem sich auch die Privatwohnung der Geschäftsführer HG und EG (Ehemann und Ehefrau) befindet, wurde 2009 errichtet und in Betrieb genommen. Dafür wurde in den Wirtschaftsjahren 2009 (01.09.2008 - 31.08.2009) und 2010 (01.09.2009 - 31.08.2010) der volle Vorsteuerabzug, auch für den privat genutzten Teil des Gebäudes, in Anspruch genommen.

2010 wurde unter dem Titel "Gebäude" AfA in Höhe von insgesamt € 108.338,09 geltend gemacht.

Das Ausmaß der Privatnutzung beträgt 18,51 %; die Wohnung ist 262 m2 groß und besteht (Aufzählung nicht abschließend) aus Elternschlafzimmer mit begehbarem Schrank und eigenem Bad, drei Kinderzimmern - jeweils mit Dusche und WC, einem nahezu 50 m2 großen Wohnzimmer, sowie Terrasse.

Der Geschäftsführer und seine Familie sind seit 05. Jänner 2010 mit Hauptwohnsitz in der im Betriebsgebäude der Bf befindlichen Wohnung gemeldet, vorher lebte die gesamte Familie ebenfalls in S, A_Str; die Ehegattin des damaligen Alleingeschäftsführers ist seit 2012 ebenfalls als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragen.

 

III) Beweiswürdigung

Das Verhältnis der betrieblich und privat genutzten Teile des Gebäudes ergibt sich aus dem BP-Bericht vom 03. Jänner 2013, welcher auf die Nutzflächenermittlung laut BP-Bericht vom 17. Februar 2010 aufbaut. Die dort getroffene Aufteilung der Nutzflächen wurde in den eingebrachten Rechtsmitteln nicht bestritten.

Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Betriebsgebäudes ist dem Jahresabschluss zum 31.08.2010 zu entnehmen, die Wohnsitzbegründung des Geschäftsführerehepaares ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister.

Die Kostenbasis für die Nutzungsentnahme ist in Höhe der AfA für den privat genutzten Gebäudeteil anzunehmen; die geltend gemachte AfA wurde dem Jahresabschluss der Bf zum 31.08.2010 entnommen; ebenfalls im Veranlagungsakt befinden sich Grundrisse des gesamten Gebäudes inklusive des 2. Obergeschosses, also des privat genutzten Anteiles.

IV) Rechtslage

Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1994 in der für die Streitjahre geltenden Fassung kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11 UStG 1994) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.

Gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 in der für die Streitjahre geltenden Fassung gelten nicht als für das Unternehmen ausgeführt Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 5 EStG 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z. 1 bis 5 des KStG 1988 sind, (…).

Gemäß § 12 Abs. 3 Z. 4 UStG 1994 in der für die Streitjahre geltenden Fassung ist die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen sowie für die Einfuhr von Gegenständen, soweit sie im Zusammenhang mit der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für die in § 3a Abs. 1a Z. 1 genannten Zwecks steht, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Gemäß § 3a Abs. 1a Z. 1 UStG 1994 in der in der für die Streitjahre geltenden Fassung wird die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen oder für den Bedarf seines Personals - sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt; diese Bestimmung gilt nicht für die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes.

Gemäß § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 in der für die Streitjahre geltenden Fassung bemisst sich der Umsatz im Falle des § 3a Abs. 1a Z. 1 und 2 UStG 1994 nach den auf die Ausführung dieser Leistungen entfallenden Kosten.

 

V) Über die gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde zu behandelnde Berufung wurde erwogen:

1) Dem Begehren, den vollen Vorsteuerabzug geltend machen zu können, wurde bereits mit den Berufungsvorentscheidungen vom 19. August 2013 Folge geleistet. Strittig ist nunmehr, ob die in den BVE´s vorgenommenen Vorsteuerberichtigungen zu Recht erfolgt sind; weiters ist auch die Frage des Verwendungseigenverbrauchs zu behandeln.

2) Streitgegenständlich sind die Jahre 2009 und 2010. Für diese Zeiträume ist nach der Rechtsprechung des VwGH von einem Vorrang des § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 vor § 12 Abs. 3 Z. 4 iVm § 3a Abs. 1a letzter Satz auszugehen (VwGH 19.03.2013, 2010/15/0085 und die dort zitierten Erkenntnisse vom 28.05.2009, 2009/15/0100, sowie vom 28.06.2012, 2009/15/0217). Im erstgenannten Erkenntnis hat der VwGH ausgesprochen, dass ungeachtet der Regelung des § 20 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 lit. a EStG 1988 privat genutzte Gebäudeteile von untergeordneter Bedeutung einkommensteuerlich zum notwendigen Betriebsvermögen zählen und damit zu (abzugsfähigen) Betriebsausgaben (AfA, etc.) führen, welche erst in der Folge durch den korrespondierenden Ansatz einer so genannten "Nutzungsentnahme" im Ergebnis neutralisiert werden.

Eine von § 12 Abs. 3 Z. 4 UStG 1994 losgelöste Anwendung des § 3a Abs. 1a letzter Satz, wie sie im Vorlageantrag begehrt wird, führt zu einem verfassungsrechtlich unvertretbaren Ergebnis. Die beiden Bestimmungen wurden mit BGBl. I Nr. 27/2004, infolge des Urteils des EuGH vom 8. Mai 2003, RsC-269/00, Seeling, gemeinsam eingeführt. Den dazu gehörigen Gesetzesmaterialien [AB 496 d.B. (XXII. GP)] ist Folgendes zu entnehmen:

(…) Es wird daher von der im Artikel 6 Abs. 2 zweiter Satz der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, wonach die Mitgliedstaaten Abweichungen vom Eigenverbrauch vorsehen können, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

Von dieser Bestimmung wird insofern Gebrauch gemacht, als die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für private Zwecke nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung unterzogen wird. Dementsprechend wird im § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Auch dies entspricht der 6. EG-Richtlinie, wonach ein Vorsteuerabzug gemäß Artikel 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich nur im Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen zusteht.

In seinem Erkenntnis vom 27.09.2017, 2015/15/0045, hat der VwGH ausgesprochen, dass im Fall dass der Steuerpflichtige sein Recht auf Vorsteuerabzug auf Unionsrecht stütze, weil der Eigenverbrauch nach der durch das BGBl. I Nr. 27/2004 gestalteten nationalen Rechtslage zu Unrecht als nicht steuerpflichtig behandelt und aus diesem Grund der Vorsteuerabzug versagt werde, er nicht zugleich gestützt auf nationales Recht die Nichtbesteuerung des Eigenverbrauchs in Anspruch nehmen kann.

3) Dass das Bundesfinanzgericht dieses Thema aufzugreifen hat, ergibt sich aus § 279 Abs. 1 BAO, wonach das Verwaltungsgericht berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. So ergeben sich insbesondere aus den Beschwerdepunkten keine Grenzen der Änderungsbefugnis (Ritz, BAO6, § 279 Tz 17).

4) In der Anfragebeantwortung vom 18. September 2015 wurde als weiteres Argument für einen vollen Vorsteuerabzug ohne Eigenverbrauchsbesteuerung ins Treffen geführt, dass die Bf ein unternehmerisches Interesse daran habe, dass der Geschäftsführer in der Betriebstätte in S wohnte, also für Kunden und Mitarbeiter durchgehend erreichbar sei. Auch Fremdgeschäftsführern müsse aufgrund der Öffnungszeiten während der Wintersaison eine Wohnung in S zur Verfügung gestellt werden.

Nach dem, auch in der Anfragebeantwortung erwähnten Urteil des EuGH vom 16.10.1997 C-258/95 , Fillibeck, erfüllt zwar die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte durch den Arbeitgeber grundsätzlich den privaten Bedarf der Arbeitnehmer und dient damit unternehmensfremden Zwecken. Eine solche Leistung wird demnach nur dann nicht zu unternehmensfremden Zwecken erbracht, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, und wechselnde Arbeitsstätten, es gebieten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitsgeber übernommen wird (Rn 29).

Umgelegt auf den gegenständlichen Sachverhalt wäre demnach keine Eigenverbrauchsbesteuerung im Zusammenhang mit dem privat genutzten Teil des Betriebsgebäudes vorzunehmen, wenn die Zurverfügungstellung der betreffenden Wohnung keinen unternehmensfremden Zwecken dient, bzw. dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers dient oder dem Geschäftsführer kein verbrauchsfähiger Nutzen übertragen wird (VwGH 23.01.2013, 2010/15/0051).

Ebenfalls im Urteil Fillibeck führte der EuGH unter Rn 26 aus, dass es normalerweise Sache des Arbeitnehmers sei, unter Berücksichtigung seiner Arbeitsstätte den Standort seiner Wohnung, nach dem sich die Länge seines Weges zur Arbeit bemesse, und das geeignete Verkehrsmittel zu wählen. Der Arbeitgeber greife in diese Entscheidung nicht ein, da der Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet sei, während der vereinbarten Zeit an der Arbeitsstätte zu sein.

Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 08.10.2014, V R 56/13, ausgesprochen, dass die Überlassung einer Wohnung an den Geschäftsführer einer GmbH auch dann nicht im überwiegenden unternehmerischen Interesse liege, wenn im Rahmen des Einkommensteuerrechts die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben wären.

Dem Argument des überwiegenden unternehmerischen Interesses an einer Unterbringung am Arbeitsort kann gegenständlich nicht gefolgt werden: Es handelt sich bei der betreffenden Wohnung um den (alleinigen) Familienwohnsitz des Geschäftsführers der Bf in S. Vor Begründung dieses Familienwohnsitzes lebte die gesamte Familie laut Zentralem Melderegister ebenfalls in S. Weshalb daher nur die Bf eine geeignete Wohnung bieten konnte bzw. weshalb der Geschäftsführer nicht in der Lage war, selbst für eine Unterbringung in unmittelbarer Nähe zu sorgen, kann nicht nachvollzogen werden. Die Wohnung dient der Befriedigung des privaten Wohnbedürfnisses des Geschäftsführers und seiner Familie. Dafür spricht insbesondere auch, dass laut Anfragebeantwortung vom 18. September 2015 sämtliche Betriebskosten vom Geschäftsführer getragen werden. Auch die Einrichtung der Wohnung erfolgte durch den Geschäftsführer selbst, zumal im Anlagenverzeichnis der Bf nichts darauf hindeutet, dass diese die Ausstattung übernommen hätte und ein solches Vorbringen auch nicht erstattet wurde.

Es liegt daher eine Leistung iSd § 3a Abs. 1a UStG vor, welche die Eigenverbrauchsbesteuerung auslöst. Was die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Grundstücke betrifft, so wurde darüber bereits oben abgesprochen. Dass gegenständlich ein schutzwürdiges Vertrauen auf diese gesetzliche Bestimmung verletzt wird, ist im Hinblick auf die oben zitierte aktuelle Rechtsprechung des VwGH zu verneinen.

5) Was den für die Eigenverbrauchbesteuerung anzuwendenden Steuersatz betrifft, so verweist die Anfragebeantwortung dazu auf die verfassungsrechtlich und nach EuGH-Rechtsprechung gebotene Gleichbehandlung der Wohnraumüberlassung mit der Vermietung für Wohnzwecke gem. § 10 Abs. 2 Z. 4 lit. a UStG 1994.

Dem ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der gegenständlichen Überlassung der Wohnung an den Geschäftsführer der Bf um keine Vermietung handelt (Ruppe/Achatz, UStG5, § 10 Tz 76). Vielmehr ist es so, dass die Nutzung der Privatwohnung nach herrschender Lehre und Rechtsprechung als fiktive Dienstleistung zu behandeln und als solche dem Normalsteuersatz zu unterwerfen ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des BFG vom 20.03.2018, RV/3100863/2017 und die dort angeführte Rechtsprechung und Literatur, insbesondere BFG 10.08.2009, RV/0353-S/08, welches wiederum auf das Urteil des EuGH vom 08.05.2003, RsC-269/00Wolfgang Seeling, verweist. Demnach kann die Verwendung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen nicht als Vermietung oder Verpachtung eines Grundstückes behandelt werden. Nichts anderes kann auch für die im Betriebsgebäude einer GmbH befindliche Privatwohnung des Geschäftsführers gelten, welcher - mittelbar - 100%iger Eigentümer dieser GmbH ist.

Es darf ausdrücklich erwähnt werden, dass die zum Erkenntnis des BFG vom 20.03.2018, RV/3100863/2017, eingebrachte außerordentliche Revision mit Erkenntnis des VwGH vom 28.05.2019, Ra 2018/15/0058, abgewiesen wurde. Geltend gemacht wurde in der Revision, die Nutzung von Gebäuden für private Wohnzwecke des Unternehmers sei "systematisch konsistent und richtlinienkonform" gleich der Vermietung von Gebäuden für Wohnzwecke mit dem ermäßigten Steuersatz von 10 % zu besteuern. Der VwGH erachtete jedoch die Voraussetzungen einer Vermietung, nämlich Zahlung eines Mietzinses sowie eine wirkliche Vereinbarung über die Dauer des Nutzungsrechts und über das Recht, die Wohnung in Besitz zu nehmen und andere von ihr auszuschließen, als nicht erfüllt.

6) Der nächste Punkt der Anfragebeantwortung betrifft die Kostenbasis für die Eigenverbrauchsbesteuerung. Diese wurde dort in der Form berechnet, dass von den anteiligen Herstellungskosten (18,51 % von € 2.283.601,14) 1,5 % AfA in Anlehnung an § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. e EStG 1988) in Anschlag gebracht wurden.

Dem kann aus folgendem Grund nicht gefolgt werden: Gemäß § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 bilden die auf die Ausführung der betreffenden Leistung entfallenden Kosten die Bemessungsgrundlage für die Eigenverbrauchsbesteuerung. Zu diesen Kosten zählt insbesondere die AfA, welche gegenständlich laut Anlagenverzeichnis mit 3 %, teilweise auch 3,33 % bis 3,36 %) in Ansatz gebracht wurde (vgl. auch BFG 20.03.2018, RV/3100863/2017).

Weiters betrugen die Anschaffungskosten des Gebäudes nicht nur € 2.283.601,14, wie in der Vorhaltsbeantwortung angegeben, sondern laut Anlagenverzeichnis zum 31.08.2010 € 3.542.061,82. Die gesamte Gebäude-AfA betrug laut Anlagenverzeichnis für das Wirtschaftsjahr 2010 € 108.338,09. Die Bemessungsgrundlage für den Verwendungseigenverbrauch ermittelt sich daher folgendermaßen:

€ 108.338,09 x 18,51 % = € 20.053,38

7) Da das Vorbringen, eine Nutzung bereits 2009 sei nicht erfolgt, aufgrund der polizeilichen Meldung des Geschäftsführers und seiner Familie erst im Jänner 2010 glaubhaft erscheint, unterbleibt die Eigenverbrauchsbesteuerung für das Jahr 2009.

8) Berechnung der Umsatzsteuern

 

2009

2010

Gesamtbetrag der Bem.grd.lagen für Lieferungen und sonst. Leistungen

1.315.974,05 €

1.838.443,60 €

Eigenverbrauch

--

26.230,98 €

st.pfl. Umsätze insgesamt

1.315.974,05 €

1.864.674,58 €

Steuer 20 % v. (2009) 1.280.221,20 bzw. (2010) 1.795.705,23

256.044,24 €

359.141,05 €

Steuer 10 % v. (2009) 35.752,85 bzw. (2010) 68.969,35

3.575,29 €

6.896,94 €

Steuerschuld gem. § 19 UStG

1.958,86 €

915,20 €

Summe Umsatzsteuer

261.578,39 €

366.953,19 €

Erwerbsteuer

20.022,19 €

38.269,90 €

Gesamtbetrag der Vorsteuern

-273.430,49 €

-910.372,08 €

Einfuhrumsatzsteuer

-137,46 €

--

Vorsteuern aus ig Erwerb

-20.022,19 €

-38.269,90

Vorsteuern iZm § 19 UStG

-1.958,86 €

-915,20

Gutschrift/festgesetzte Umsatzsteuer

-13.948,41 €

-544.334,09 €

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall liegen keine Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung vor. bzw. sind die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung ausreichend geklärt.

 

 

Innsbruck, am 9. Juli 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 3a Abs. 1a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 10 Abs. 2 Z 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 4 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 20 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 16 Abs. 1 Z 8 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

Verweise:

§ 271 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VwGH 28.05.2019, Ra 2018/15/0058
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 323 Abs. 38 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
VwGH 19.03.2013, 2010/15/0085
EuGH 08.05.2003, C-269/00
EuGH 16.10.1997, C-258/95
VwGH 23.01.2013, 2010/15/0051
UFS 10.08.2009, RV/0353-S/08
BFG 20.03.2018, RV/3100863/2017

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