Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil II

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJuli 2024

ua Erweiterung des Begriffs Scheinunternehmen; Aufnahme von Scheinunternehmen und Verdachtsfällen von Scheinunternehmen in die Sozialbetrugsdatenbank; vorläufige und zeitlich beschränkte Sicherung von Geldtransaktionen bei Banken und Kreditinstituten in Bezug auf Scheinunternehmen; Erweiterung der Haftung des auftraggebenden Unternehmers für kollektivvertragliche Entgeltansprüche bei Einbindung von Scheinunternehmen

Inkrafttreten

1.9.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

20.7.2024

Betroffene Normen

SBBG

Betroffene Rechtsgebiete

 

Quelle

BGBl I 2024/108

Bundesgesetz, mit dem das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert wird (Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil II – BBKG 2024 Teil II);  BGBl I 2024/108 vom 19.7. 2024 (AB 2675 BlgNR 27. GP RV 2599 BlgNR 27. GP 339/ME NR 27. GP )

1. Überblick

Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) ist im Jahr 2016 in Kraft getreten (siehe BGBl I 2015/113, ARD 6463/15/2015). Änderungen in der Vorgangsweise durch rechtswidrig agierende Unternehmen und Erfahrungswerte mit den im SBBG vorgesehenen Instrumenten machen gesetzliche Anpassungen notwendig.

Die Änderungen treten mit 1. 9. 2024 in Kraft. Für das AMS wurde allerdings eine Vorbereitungszeit im Hinblick auf die Datenbank nach § 5 SBGG vorgesehen; bis zum Ablauf der Vorbereitungszeit kann die Zusammenarbeit des AMS mit anderen Stellen wie bislang erfolgen. Das AMS hat spätestens ab 1. 7. 2025 die Sozialbetrugsdatenbank nach § 5 SBGG zu nutzen.

Im SBGG kommt es insbesondere zu folgenden Änderungen:

2. Erweiterung der Sozialbetrugsdatenbank

Die Sozialbetrugsdatenbank wird um gerichtlich strafbaren Sozialbetrug iSd § 2 SBBG durch Unternehmen sowie um den Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens nach § 8 SBBG erweitert:

2.1. Erweiterung um den Leistungsmissbrauch

Aktuell dient die Sozialbetrugsdatenbank gemäß § 5 SBBG nur der Bekämpfung von Sozialbetrug iSd §§ 153c bis 153e StGB, insbesondere im Rahmen der sogenannten Beitragsverkürzung (Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem BUAG). Hingegen ist der in § 2 SBBG angesprochene Leistungsmissbrauch (betreffend Bezug von Versicherungs-, Sozial- oder sonstigen Transferleistungen), der durch Scheinunternehmen und sonstige Unternehmen erfolgt, nicht von den genannten Sozialbetrugstatbeständen und somit auch nicht von der Datenbank umfasst. Die mittlerweile gewonnenen Erfahrungswerte mit der Datenbank sprechen jedoch dafür, diese auch für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs durch Unternehmen zu nutzen. Daher wird der Anwendungsbereich der Datenbank auf Sozialbetrug iSd § 2 SBBG durch Unternehmen erweitert.

Im Rahmen der Beitragsverkürzung ist auch weiterhin der Sozialbetrug iSd §§ 153c bis 153e StGB wie bisher umfasst. Dabei wären etwa Sozialbetrugshandlungen umfasst, die zwar auch unter § 153d StGB zu subsumieren sind, aber bislang regelmäßig und unzureichend nur aus dem Blickwinkel etwa der §§ 146 oder 148a StGB verfolgt wurden und deshalb nicht Eingang in die Datenbank gefunden haben, wodurch der Zweck der effizienten Betrugsbekämpfung nicht im vollen Ausmaß erreicht werden konnte. Da künftig gerichtlich strafbarer Sozialbetrug iSd § 2 SBBG durch Unternehmen maßgeblich ist, ist damit die gerichtlich strafbare Verkürzung von Beiträgen/Zuschlägen durch Unternehmen auch dann für die Datenbank relevant, wenn sie nur aus dem Blickwinkel etwa der §§ 146 oder 148a StGB verfolgt würde.

2.2. Erweiterung um Scheinunternehmensverdacht

Scheinunternehmen nach § 8 SBBG sind auf die Begehung von Sozialbetrug ausgerichtet. Bislang können sie jedoch – wie auch andere Unternehmen – nur bei Vorliegen eines Sozialbetrugsverdachts nach den §§ 153c bis 153e StGB in die Datenbank aufgenommen werden. Wenn zwar ein Scheinunternehmensverdacht und damit auch der Verdacht künftiger Sozialbetrugshandlungen besteht, allerdings – mangels konkreter Handlungen wie Anmeldung von Dienstnehmern zur Sozialversicherung – mitunter noch nicht im strafrechtlich relevanten Sinne, so ergeben sich Hindernisse zur Eintragung in die Datenbank. Damit werden allerdings eine frühzeitige Sammlung von Anhaltspunkten für die zu erwartenden Sozialbetrugshandlungen und eine frühzeitige Informierung anderer Stellen verhindert. Künftig wird daher bereits der Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens eingetragen, um damit eine noch effizientere Sozialbetrugsbekämpfung zu ermöglichen (zur – künftig erweiterten – Definition von Scheinunternehmen siehe unter Pkt 3).

3. Erweiterung des Begriffs Scheinunternehmen

3.1. Erweiterung des Ausrichtung von Scheinunternehmen

Bei Schaffung des SBBG im Jahr 2015 erfolgten die in § 8 Abs 1 SBBG angesprochenen Verkürzungshandlungen (etwa Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen) oder der Leistungsmissbrauch insofern beim – in Subvergabekonstruktionen in unteren Ebenen befindlichen – Scheinunternehmen, als die maßgeblichen Arbeitnehmer beim/vom Scheinunternehmen beschäftigt bzw (an-)gemeldet waren. Mittlerweile jedoch agieren Scheinunternehmen vermehrt in einer Rolle, in der die maßgeblichen Arbeitnehmer nicht beim/vom Scheinunternehmen beschäftigt bzw (an-)gemeldet werden. Vielmehr erstellen Scheinunternehmen vermehrt sogenannte Schein- und Deckungsrechnungen, um Schwarzlohnzahlungen von Arbeitnehmern zu ermöglichen, die von/bei anderen Unternehmen – mit zu wenigen Stunden bzw unrichtiger fachlicher Einstufung – unrichtig (an-)gemeldet bzw ohne Anmeldung beschäftigt werden. Insbesondere über vorgetäuschte Überlassungen, mitunter auch über vorgetäuschte Subvergaben, erfolgen dann die vorgenannten Rechnungen der als Vertragspartner auftretenden Scheinunternehmen, wobei mitunter Scheinunternehmen als Durchleiter fungieren und schließlich ein weiteres Scheinunternehmen die aufgrund der Rechnung erhaltenen Kontogutschriften in bar behebt, womit dann die genannten Schwarzlohnzahlungen getätigt werden. In manchen Fällen werden die Subunternehmen trotz Barzahlungsverbot in bar bezahlt. Betroffen von dieser Vorgangsweise sind eine Vielzahl an Wirtschaftssektoren wie Bau und Baunebengewerbe, Reinigungs-, Securitybereiche, Eventveranstalter, Spezialdienstleister sowie der Bereich der Arbeitskräfteüberlassung.

Nach § 8 Abs 1 SBBG ist ein Scheinunternehmen vorrangig darauf ausgerichtet, Lohnabgaben, Beiträge zur Sozialversicherung, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von Arbeitnehmern zu verkürzen (Z 1) oder Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen (Z 2). Auch wenn die oben genannten neuen Entwicklungen im Bereich der Scheinunternehmen von § 8 SBBG umfasst sind, wird aus Gründen der Rechtssicherheit diesen Entwicklungen, aber auch künftigen allfälligen weiteren Entwicklungen, durch eine gesetzliche Klarstellung Rechnung getragen.

In § 8 Abs 1 Z 3 SBBG wird daher klargestellt, dass eine Ausrichtung von Scheinunternehmen auch umfasst, Belege zu verfälschen, zu verwenden, herzustellen, oder einem anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die dazu dienen, einen Geschäftsvorgang vorzutäuschen oder dessen wahren Gehalt zu verschleiern.

In einem neuen § 8 Abs 2a wird klargestellt, dass ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens auch gegeben ist, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, die ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach vermuten lassen, dass die Geschäftsbeziehungen des Unternehmens vorrangig den Zweck verfolgen, andere Unternehmen zu unterstützen, die in Abs 1 Z 1 oder 2 genannten Handlungen zu setzen. Eine solche Unterstützung liegt insbesondere vor, wenn Rechnungen gelegt werden, denen keine ausreichenden Leistungen zugrunde liegen, etwa in vorgetäuschten Subvergabekonstruktionen oder Überlassungen.

3.2. Weitere Ergänzungen/Anpassungen

In § 8 SBBG wird außerdem Folgendes angepasst:

  • Ergänzung der demonstrativen Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens um das Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Dienstnehmern (Abs 3)
  • Bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens Information der Bundesgeschäftsstelle des AMS im Hinblick auf möglichen Missbrauch von Beihilfen (Abs 4)
  • Im Verfahren zur Feststellung von Scheinunternehmen Schaffung von Bestimmungen, wonach auch im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Zustellung der Verdachtsmitteilung unmittelbar an den Rechtsträger erfolgt (und der Insolvenzverwalter informiert wird) und die Verpflichtung zur persönlichen Vorsprache eine unmittelbare Pflicht des Rechtsträgers bzw dessen organschaftlichen Vertreters bleibt; die Parteistellung des Insolvenzverwalters soll jedoch unberührt bleiben (Abs 5 und Abs 7)
  • Präzisierung bzw Ergänzung der Daten von rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen bei der schon bislang vorgesehenen Veröffentlichung, insbesondere Veröffentlichung auch des Datums des Zeitpunkts, ab dem das Unternehmen als Scheinunternehmen gilt (Abs 10)

4. Vorläufige Sicherung bei Geldtransaktionen

Ein neuer § 8a SBBG dient der vorläufigen Sicherung von Geldtransaktionen bei Banken und Kreditinstituten und soll einmal identifizierte inkriminierte Gelder dem Zugriff der Tätergruppen entziehen. Mit der Anordnung der Nichtdurchführung von Geldtransaktionen wird Behördenorganen die Möglichkeit gegeben, erforderliche Ermittlungsmaßnahmen zu treffen und entsprechende Sicherungsmaßnahmen im gerichtlichen oder abgabenrechtlichen Verfahren durchzuführen. Die Regelung orientiert sich an § 17c ZollR-DG und eröffnet die Möglichkeit, mittels Bescheid Banken zu verpflichten, Geldtransaktionen kurzfristig nicht abzuwickeln („Freezing“). Geldabflüsse von festgestellten Konten von ermittelten Scheinunternehmen oder Konten, deren Vermögen von ermittelten Scheinunternehmen stammt, sollen damit für den Geltungszeitraum des Bescheides wirksam unterbunden werden.

Das Amt für Betrugsbekämpfung kann – allenfalls auch nachträglich mittels Bescheidänderung – vorsehen, dass ein bestimmter Betrag vom „Freezing“ ausgenommen ist, wenn Anhaltspunkte für durch Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistungen vorliegen. Damit soll die Zahlung von Entgelt an Arbeitnehmer oder Zuschlägen nach dem BUAG ermöglicht werden, ohne dass Banken und Kreditinstitute Adressaten oder Zweck der Zahlung überprüfen müssen.

Der Bescheid richtet sich an das Bankinstitut, ergeht aber auch an den Kontoinhaber; beschwerdeberechtigt sind alle Rechtsträger, die von der Maßnahme betroffen sind. Aufgrund des Charakters einer Sicherungsmaßnahme kommt Beschwerden gegen diese Maßnahme naturgemäß keine aufschiebende Wirkung zu. Bescheide nach § 8a SBBG treten nach Ablauf der jeweils gesetzten Frist automatisch außer Kraft, bei Wegfall der Verdachtsmomente kann auch eine Bescheidaufhebung verfügt werden. Das Amt für Betrugsbekämpfung führt bereits seit Jahren die Ermittlungshandlungen samt Feststellungsbescheiden für Scheinunternehmen gemäß § 8 SBBG durch und soll daher auch diese Bescheiderstellung unter sinngemäßer Anwendung der BAO übernehmen.

5. Sonstige Änderungen

Darüber hinaus kommt es durch das Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil II ua noch zu folgenden Änderungen:

  • Nennung des Arbeitsmarktservice (AMS) als Kooperationsstelle (bisher Informationsstelle), um die Nutzung der Sozialbetrugsdatenbank zu ermöglichen (§ 3 Abs 2 SBBG)
  • Erweiterung der Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragten: § 4 Abs 3 SBGG regelte bislang, dass zur Erleichterung der Kontaktaufnahme und der Umsetzung der in Abs 2 genannten Verpflichtungen das Amt für Betrugsbekämpfung, die Träger der Krankenversicherung, die BUAK und die Sicherheitsbehörden jeweils einen Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragten für jedes Bundesland zu bestellen haben. Diese Regelung zur Bestellung eines Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragten wird nun auf die Insolvenz-Entgelt-Fonds-Service GmbH und das AMS ausgeweitet. Wesentlich ist, dass für jedes Bundesland die Kontaktaufnahme gesichert ist und ein Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragter bestellt ist. In diesem Sinne ist es nicht erforderlich, dass die jeweilige Kooperationsstelle für alle Bundesländer unterschiedliche Personen bestellen müsste. Vielmehr kann eine Person als Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragter für mehrere oder – wenn organisatorisch sinnvoll – auch für alle Bundesländer bestellt werden. (§ 4 Abs 3 SBGG)
  • Erweiterung der Ermittlungskompetenz des Amtes für Betrugsbekämpfung auf gerichtlich strafbaren Sozialbetrug gemäß § 2 durch Unternehmen (§ 6 SBBG)
  • Erweiterung der Privatbeteiligtenstellung auf die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 7 SBBG)
  • Erweiterung der Haftung des auftraggebenden Unternehmers für gewisse Entgeltansprüche von Arbeitnehmern, die aus der Einbindung eines rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmens resultieren, wenn der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Auftragserteilung um die Eigenschaft des Scheinunternehmens wusste oder wissen musste; dh Haftung für Entgeltansprüche von Arbeitnehmern, die keine Arbeitnehmer des direkt beauftragten Scheinunternehmens sind, sondern Arbeitnehmer eines in der Auftragskette weiter „unten“ befindlichen Scheinunternehmens. Außerdem Erstreckung der Haftung des Auftrag gebenden Unternehmers auf die Arbeitnehmer jedes weiteren beauftragten Unternehmens, das vom rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen oder von einem nachfolgenden Unternehmen beauftragt wurde. (§ 9 Abs 1 und Abs 2 SBBG)



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