108. Bundesgesetz, mit dem das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert wird (Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil II – BBKG 2024 Teil II)
Der Nationalrat hat beschlossen:
Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz, BGBl. I Nr. 113/2015, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2019, wird wie folgt geändert:
1. In § 3 Abs. 2 wird am Ende der Z 4 das Wort „und“ durch einen Beistrich ersetzt, wird am Ende der Z 5 das Wort „und“ angefügt und wird folgende Z 6 angefügt:
- „6. das Arbeitsmarktservice.“
2. In § 3 Abs. 3 wird am Ende der Z 2 der Beistrich durch das Wort „und“ ersetzt, wird am Ende der Z 3 das Wort „und“ durch einen Punkt ersetzt und entfällt die Z 4.
3. § 4 Abs. 3 lautet:
„(3) Zur Erleichterung der Kontaktaufnahme und der Umsetzung der in Abs. 2 genannten Verpflichtungen haben das Amt für Betrugsbekämpfung, die Träger der Krankenversicherung, die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, die Insolvenz-Entgelt-Fonds-Service GmbH, die Sicherheitsbehörden und das Arbeitsmarktservice jeweils einen/eine Sozialbetrugsbekämpfungsbeauftragte/n für jedes Bundesland zu bestellen.“
4. § 5 Abs. 1 und 2 lautet:
„(1) Zur Bekämpfung von gerichtlich strafbarem Sozialbetrug im Sinne des § 2 durch Unternehmen haben bei Vorliegen eines solchen Sozialbetrugsverdachts sowie bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens nach § 8 die Kooperationsstellen und die Staatsanwaltschaften einander alle für dessen Prüfung erforderlichen Informationen und Daten zur Verfügung zu stellen, soweit deren Kenntnis für die Erfüllung der gesetzmäßigen Aufgaben der jeweiligen Kooperationsstelle oder Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer gesetzmäßigen Zuständigkeit erforderlich ist. Der Datenaustausch hat über die Datenbank gemäß Abs. 2 zu erfolgen und ist auf die im Abs. 2 genannten Datenarten beschränkt.
(2) Das Bundesministerium für Finanzen hat zum Zweck des Erfassens und der erleichterten Ermittlung von gerichtlich strafbaren Sozialbetrugsfällen nach § 2 durch Unternehmen sowie für die Ermittlung von Scheinunternehmen eine Sozialbetrugsdatenbank zu führen. In dieser Datenbank sind die Daten über natürliche und juristische Personen zu verarbeiten, wenn sich Anhaltspunkte für das Vorliegen von gerichtlich strafbarem Sozialbetrug im Sinne des § 2 durch Unternehmen sowie für das Vorliegen von Scheinunternehmen nach § 8 ergeben. Die zu erfassenden Datenarten sind:
- 1. (früherer) Familienname, Geburtsname, Aliasnamen, Vornamen, Sozialversicherungsnummer und Geburtsdatum, Steuernummer, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, sonstige Geschäftszahl, Geburtsort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Aufenthalts- und Arbeitsberechtigungen, ausgeübte Tätigkeit sowie Entlohnung,
- 2. bei Unternehmen: Firmennamen, Betriebsnamen, Firmensitz, Betriebssitz, Betriebsstätten, Firmenbuchnummer, Steuernummer, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, ZVR-Zahl, Gewerberegisternummer, DG-Nummer, Beitragskontonummer, Kennziffer des Unternehmensregisters nach § 25 Abs. 1 Z 7 des Bundesstatistikgesetzes, BGBl. I Nr. 163/1999, sonstige Geschäftszahl, Struktur des Betriebes (zB Konzern-, Stamm-, Filialbetrieb), Betriebsgegenstand, Branchenzugehörigkeit, sowie Personaldaten gemäß Z 1 der das Unternehmen vertretenden Person, bei der Anhaltspunkte für das Vorliegen von Sozialbetrug bestehen,
- 3. die Darlegung der Anhaltspunkte für das Vorliegen von Sozialbetrug oder Scheinunternehmen,
- 4. Schriftverkehr mit den Kooperationsstellen sowie weiteren Personen, Unternehmen und Behörden in Zusammenhang mit Ermittlungen und Nichtabwicklung von Geldtransaktionen sowie Zeitpunkt der Einleitung und der Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens durch das Amt für Betrugsbekämpfung und Zeitpunkt und die Art der Erledigung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft,
- 5. sonstige erforderliche Beweismittel (Niederschriften mit Zeugen, Beschuldigten, Dokumente, Rechnungen),
- 6. Daten zu den einschlägigen Straftatbeständen sowie Höhe der nicht entrichteten Lohn- und Sozialabgaben, Zeitraum der Beschäftigung oder der sich aus der Sozialversicherungsanmeldung ergebende Beschäftigungszeitraum.“
5. § 5 Abs. 5 lautet:
„(5) Der Informations- und Datenaustausch erfolgt zwischen den Kooperationsstellen und den Staatsanwaltschaften über die Datenbank gemäß Abs. 2. Dabei haben die einzelnen Kooperationsstellen und die einzelnen Staatsanwaltschaften im Zusammenhang mit dem Erfassen der Daten und der dem Erfassen gleich zu haltenden Verarbeitung unter Berücksichtigung der Erforderlichkeit nach Abs. 1 die Entscheidung zu treffen, welche Daten an welche andere Kooperationsstelle oder Staatsanwaltschaft weitergegeben wird. Zum Zwecke der Durchführung von konkreten Ermittlungen, Amtshandlungen und Maßnahmen bei der Bekämpfung von gerichtlich strafbarem Sozialbetrug im Sinne des § 2 durch Unternehmen sind die Kooperationsstellen und die Staatsanwaltschaften berechtigt, in die Sozialbetrugsdatenbank auf automationsunterstütztem Weg Einsicht zu nehmen.“
6. § 5 Abs. 7 lautet:
„(7) In der Datenbank gemäß Abs. 2 verarbeitete personenbezogene Daten eines konkreten Sozialbetrugsverdachts sowie eines Scheinunternehmensverdachts sind nach Ablauf von fünf Jahren nach der Verarbeitung des ersten Datums in der Sozialbetrugsdatenbank zu löschen. Personenbezogene Daten von durch Strafgerichte in Bezug auf Sozialbetrug im Sinne des § 2 Verurteilten sind nach Ablauf von zehn Jahren ab der Verurteilung zu löschen. Sofern ersichtlich ist, dass sich der Sozialbetrugsverdacht oder Scheinunternehmensverdacht nicht bestätigt, sind die entsprechenden Daten unverzüglich zu löschen. Diese Löschungsverpflichtungen gelten auch für die bei den Kooperationsstellen verarbeiteten Daten. Die den Kooperationsstellen in anderen Rechtsvorschriften eingeräumten datenschutzrechtlichen Ermächtigungen und auferlegten datenschutzrechtlichen Pflichten werden jedoch nicht berührt.“
7. § 6 lautet:
„§ 6. (1) Die Staatsanwaltschaft kann bei der Verfolgung von gerichtlich strafbaren Sozialbetrugshandlungen nach § 2 durch Unternehmen die Hilfe des Amtes für Betrugsbekämpfung und seiner Organe in Anspruch nehmen.
(2) Die im Abs. 1 genannten Behörden und Organe der Bundesfinanzverwaltung sind im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, Ermittlungen zu jedem ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht betreffend Straftaten nach Abs. 1 zu führen. In diesem Umfang werden sie im Dienste der Strafrechtspflege (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG) tätig und haben die in der Strafprozessordnung den Sicherheitsbehörden zukommenden Aufgaben und Befugnisse unter sinngemäßer Anwendung des § 196 Abs. 4 des Finanzstrafgesetzes, BGBl. Nr. 129/1958, wahrzunehmen.“
8. § 7 lautet:
„§ 7. Den Trägern der Krankenversicherung, dem Amt für Betrugsbekämpfung und der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse kommen im Ermittlungsverfahren sowie im Haupt- und Rechtsmittelverfahren nach den §§ 153c bis 153e StGB kraft Gesetzes im Rahmen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs die Stellung eines Privatbeteiligten zu.“
9. In § 8 Abs. 1 wird am Ende der Z 2 der Punkt durch die Wendung „ , oder“ ersetzt und folgende Z 3 angefügt:
- „3. Belege zu verfälschen, zu verwenden, herzustellen, oder einem anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die dazu dienen, einen Geschäftsvorgang vorzutäuschen oder dessen wahren Gehalt zu verschleiern.“
10. In § 8 wird nach Abs. 2 folgender Abs. 2a angefügt:
„(2a) Ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens ist auch gegeben, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, die ihrem Gewicht, ihrer Bedeutung und ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach vermuten lassen, dass die Geschäftsbeziehungen des Unternehmens vorrangig den Zweck verfolgen, andere Unternehmen zu unterstützen, die in Abs. 1 Z 1 oder 2 genannten Handlungen zu setzen. Eine solche Unterstützung liegt insbesondere vor, wenn Rechnungen gelegt werden, denen keine ausreichenden Leistungen zugrunde liegen.“
11. § 8 Abs. 3 Z 5 lautet:
- „5. Nichtvorhandensein von dem angegebenen Geschäftszweig angemessenen Betriebsmitteln oder Betriebsvermögen oder Dienstnehmern,“
12. § 8 Abs. 4 und 5 lautet:
„(4) Für die Feststellung der Scheinunternehmerschaft ist das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig, welches bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens diesen dessen Rechtsträger/in schriftlich mitzuteilen hat. Zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts nach § 7 Abs. 1a Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), BGBl. Nr. 324/1977, sowie nach § 34, § 37b bis 38 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG), BGBl. Nr. 313/1994, hat das Amt für Betrugsbekämpfung die IEF-Service GmbH und die Bundesgeschäftsstelle des AMS über das Bestehen eines Verdachts im Sinne des ersten Satzes schriftlich zu informieren.
(5) Die Zustellung dieser Mitteilung hat nach dem 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, elektronisch ohne Zustellnachweis zu erfolgen. Dabei gelten § 35 Abs. 6 zweiter Satz ZustG, § 35 Abs. 7 und, soweit er sich auf eine elektronische Zustelladresse bezieht, § 37 ZustG nicht. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsträgersbewirkt – auch nach Abs. 6 – keine Änderung hinsichtlich der unmittelbaren Zustellung an den Rechtsträger . Eine Abschrift der Mitteilung ergeht nachrichtlich an den Insolvenzverwalter.“
13. § 8 Abs. 7 lautet:
„(7) Gegen den mitgeteilten Verdacht kann binnen einer Woche ab Zustellung Widerspruch beim Amt für Betrugsbekämpfung erhoben werden. Der Widerspruch kann nur durch persönliche Vorsprache des/der Rechtsträgers/Rechtsträgerin oder dessen/deren organschaftlichen Vertreters/Vertreterin erfolgen. Die Verpflichtung zur persönlichen Vorsprache bleibt auch im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine unmittelbare Pflicht des Rechtsträgers bzw. dessen organschaftlichen Vertreters und kann diese nicht durch den Insolvenzverwalter vorgenommen werden.“
14. § 8 Abs. 10 lautet:
„(10) Das Bundesministerium für Finanzen hat eine Liste der rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen im Internet zu veröffentlichen (Identität, Firmenbuchnummer, Geburtsdatum des Einzelunternehmers, UID-Nummer, Kennziffer des Unternehmensregisters nach § 25 Abs. 1 Z 7 Bundesstatistikgesetz, Veröffentlichungsdatum, Datum der Rechtskraft des Bescheides, Zeitpunkt, ab dem das Unternehmen als Scheinunternehmen gilt und Anschrift des Scheinunternehmens). Veröffentlichungen, die sich auf natürliche Personen beziehen, sind nach Ablauf von fünf Jahren nach der Veröffentlichung zu löschen.“
15. Nach § 8 wird folgender § 8a samt Überschrift eingefügt:
„Nicht-Abwicklung von Geldtransaktionen
§ 8a. (1) Das Amt für Betrugsbekämpfung kann mit Bescheid einem Kredit- oder Finanzinstitut die vorübergehende Nicht-Abwicklung von Geldtransaktionen anordnen, wenn
- 1. die Transaktion ein Unternehmen betrifft, das als Scheinunternehmen rechtskräftig festgestellt wurde, oder
- 2. die Transaktion im Zusammenhang mit Vermögensbestandteilen steht, welche von einem Unternehmen herrühren, das als Scheinunternehmen rechtskräftig festgestellt oder für das eine Mitteilung gemäß § 8 Abs. 4 erstellt wurde.
Das Amt für Betrugsbekämpfung kann – auch nachträglich – vorsehen, dass ein bestimmter Betrag davon ausgenommen ist, wenn Anhaltspunkte für durch Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistungen vorliegen. Bei diesem Betrag ist auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt abzustellen.
(2) Die Dauer der vorübergehenden Nicht-Abwicklung der Geldtransaktionen darf 30 Tage nicht überschreiten. Im Falle des Abs. 1 Z 1 kann dieser Zeitraum vom Amt für Betrugsbekämpfung nach Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit auf höchstens 90 Tage verlängert werden.
(3) Das zuständige Finanzamt und die Geldwäschemeldestelle gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 des Bundeskriminalamt-Gesetzes (BKA-G), BGBl. I Nr. 22/2002, sind über Maßnahmen nach Abs. 1 zu verständigen.
(4) Der Bescheid nach Abs. 1 ist dem Kredit- oder Finanzinstitut sowie den Kontoinhabern zuzustellen. Die Ausfertigung an das Kredit- oder Finanzinstitut hat keine Begründung zu enthalten.
(5) Auf das Verfahren sind die Vorschriften der BAO sinngemäß mit den vorgenannten und folgenden Besonderheiten anzuwenden: Gegen den Bescheid nach Abs. 1 steht den aus der Geschäftsverbindung verfügungsberechtigten Personen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zu. Die Beschwerde ist beim Amt für Betrugsbekämpfung einzubringen. Der Beschwerde kommt keine aufschiebende Wirkung zu.“
16. Der bisherige Text des § 9 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“; der nunmehrige Abs. 1 lautet:
„(1) Ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens haftet der/die Auftrag gebende Unternehmer/in, wenn er/sie zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen oder einem nachfolgend beauftragten Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürg/e/in und Zahler/in nach § 1357 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches – ABGB, JGS Nr. 946/1811, für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer/innen.“
17. Dem § 9 wird folgender Abs. 2 angefügt:
„(2) Die Haftung des Auftrag gebenden Unternehmers nach Abs. 1 erstreckt sich auf die Arbeitnehmer jedes weiteren beauftragten Unternehmens, das vom rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen oder von einem nachfolgenden Unternehmen beauftragt wurde.“
18. § 11 Z 2 lautet:
- „2. des § 5 Abs. 2 und des § 8a der Bundesminister für Finanzen,“
19. Dem § 12 wird folgender Abs. 5 angefügt:
„(5) § 3 Abs. 2 und 3, § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 1, 2, 5 und 7, § 6, § 7, § 8 Abs. 1 bis 5, 7 und 10, § 8a samt Überschrift, § 9 und § 11 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 108/2024 treten mit 1. September 2024 in Kraft. Das AMS hat spätestens ab 1. Juli 2025 die Datenbank nach § 5 zu nutzen.“
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