Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil I

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJuli 2024

Erleichterte Anwendung des Verkürzungszuschlages; Verschärfung der Strafbarkeit iZm Scheinunternehmen und Scheinrechnungen; Einführung einer Sanktion für die Erstellung und Verwendung von Schein- und Deckungsrechnungen; Entfall der Widerrufsmöglichkeit des Einspruchsverzichts bei vereinfachten Strafverfügungen iZm Zollvergehen; Regelung des Entfalls einer Berichtspflicht von Finanzstrafbehörden; Ausweitung der Aufgaben der Finanzpolizei; Bündelung der Verantwortlichkeiten bei Kontrollen iZm Registrierkassen

 

Inkrafttreten

20.7.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

20.7.2024

Betroffene Normen

ABBG, ASVG, FinStrG, GMSG

Betroffene Rechtsgebiete

 

Quelle

BGBl I 2024/107

Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz geändert werden (Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil I – BBKG 2024 Teil I), BGBl I 2024/107 vom 19. 7. 2024 (AA-401 BlgNR 27. GP , AB 2674 BlgNR 27. GP , RV 2598 BlgNR 27. GP , 341/ME NR 27. GP )

1. Überblick

Aufgrund von Abgabenhinterziehung durch Scheinunternehmen entgehen der öffentlichen Hand und der Sozialversicherung jährlich Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in erheblichem Ausmaß. Nach Hochrechnungen des Amtes für Betrugsbekämpfung auf Basis der Geldwäscheverdachtsmeldungen des Bundeskriminalamtes wird von einem ungeklärten Abfluss von Bargeld in Höhe von jährlich bis zu 800 Mio € über Scheinunternehmen ausgegangen. Einerseits werden diese Mittel zur Auszahlung von Schwarz- oder Teilschwarzlöhnen verwendet, andererseits werden Gewinne gezielt geschmälert und Gewinnentnahmen sowie -verschiebungen ermöglicht. Das Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil I (zum sv-rechtlichen Teil II siehe BGBl I 2024/108) hat die Förderung der Steuergerechtigkeit und Bekämpfung von Steuerbetrug zum Ziel.

2. Änderung des FinStrG

2.1. Erleichterte Anwendung des Verkürzungszuschlages

Durch die Bestimmungen des § 30a FinStrG werden die Abgabenbehörden berechtigt, bei sich im Zuge einer abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahme ergebenden Nachforderungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgabenerhöhung iHv 10 % festzusetzen (Verkürzungszuschlag). Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, durch Bezahlung der Abgabennachforderung und Abgabenerhöhung binnen Monatsfrist eine finanzstrafrechtliche Verfolgung abzuwenden. Die Festsetzung eines Verkürzungszuschlags steht – bei Erfüllung aller Voraussetzungen – im Ermessen der Abgabenbehörde.

Zu den Voraussetzungen zählen, dass sich der Abgabe- oder Abfuhrpflichtige spätestens 14 Tage nach Festsetzung der Abgabennachforderung mit dem Verkürzungszuschlag einverstanden erklärt oder diesen beantragt und er auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Festsetzung der Abgabenerhöhung wirksam verzichtet. Zudem darf die Nachforderung € 33 000,- nicht übersteigen; die Voraussetzung, dass der Betrag für ein Jahr (einen Veranlagungszeitraum) insgesamt € 10.000,- nicht übersteigen darf, ist entfallen. Der Wegfall der bisherigen strikten jährlichen Betragsgrenzen von € 10.000,- sowie die Schaffung der Möglichkeit, auch im Falle der Gewährung von Zahlungserleichterungen im Ausmaß von höchstens 6 Monaten für die betroffenen Abgabennachforderungen die Festsetzung einer Abgabenerhöhung zuzulassen, sollen die Anwendung der Bestimmung erleichtern.

In § 30a Abs 5 FinStrG wird klargestellt, dass die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nur bei jenen Finanzvergehen unzulässig sein soll, bei denen im Tatbestand eine Mindeststrafdrohung vorgesehen ist. Dies ist derzeit jedoch nur bei § 11 Abs 3 MinStG 2022 der Fall. (§ 30a Abs 1 und Abs 5, § 265 Abs 7 FinStrG; tritt mit 20. 7. 2024 in Kraft)

2.2. Verschärfung der Strafbarkeit iZm Scheinunternehmen und Scheinrechnungen

Scheinunternehmen stellen Scheinrechnungen aus, die von sogenannten Durchleiterfirmen bezahlt werden. Sobald das Geld am Konto eingeht, wird es behoben und in Folge als Schwarzgeld an das tatsächlich die Arbeiten ausführende Unternehmen übergeben (sog „Kick-back-Zahlungen“). Ebenso werden Scheinrechnungen für zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuern verwendet.

Mit einem neuen § 51b FinStrG soll der finanzstrafrechtlichen Sanktionslücke im Zusammenhang mit Scheinunternehmen und den von ihnen ausgestellten Schein- und Deckungsrechnungen entgegengewirkt werden. Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich gemäß § 51b FinStrG schuldig, wer mit dem Vorsatz, einen Geschäftsvorgang vorzutäuschen oder dessen wahren Gehalt zu verschleiern, für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen Belege verfälscht, falsche oder unrichtige Belege herstellt oder verfälschte, falsche oder unrichtige Belege verwendet. Die Finanzordnungswidrigkeit wird mit einer Geldstrafe bis zu € 100.000,- geahndet.

Unter Schein- und Deckungsrechnungen sind verfälschte, falsche oder unrichtige Belege zu verstehen, die einen Geschäftsvorgang vortäuschen oder dessen wahren Gehalt verschleiern. Einen echten Beleg verfälscht, wer dessen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme sein jetziger Inhalt vom Aussteller. Ein Beleg ist falsch, wenn scheinbarer und wirklicher Aussteller nicht identisch sind. Ein Beleg ist unrichtig, wenn eine inhaltlich unrichtige Tatsache als richtig dargestellt wird („Lugurkunde). Unter den Begriff „verwendet“ fällt auch das Aushändigen oder Überlassen solcher Belege an dritte Personen.

Mit der Einführung der Finanzordnungswidrigkeit wird aufgrund der Kurzlebigkeit der meisten Scheinunternehmen und damit einhergehender fehlender Greifbarkeit von Verantwortlichen und Vermögenswerten ein zeitnahes und wirksames Vorgehen gewährleistet. Dies kann faktisch nur durch Vorverlegung des strafbaren Deliktsbereichs in das bisher finanzstrafrechtlich straflose Vorbereitungsstadium wirksam erreicht werden. Die Finanzordnungswidrigkeit ist nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar.

Die Verjährungsfrist beträgt wie für die Finanzordnungswidrigkeiten nach §§ 49 bis 49e FinStrG 3 Jahre. (§ 31 Abs 2 und § 51b FinStrG; tritt mit 20. 7. 2024 in Kraft)

2.3. Finanzstrafbehörden – keine Berichtspflicht ohne Anfangsverdacht

§ 100 Abs 3a StPO wurde mit 1. 1. 2015 eingeführt (BGBl I 2014/71). Diese Bestimmung sieht eine Berichtspflicht der Kriminalpolizei auch bei Nichtvorliegen eines Anfangsverdachts vor. Ziel des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes war ua die eindeutige Abgrenzung des Begriffs des Beschuldigten von Personen, die ohne hinreichendes Tatsachensubstrat angezeigt werden, und damit der Definition des zur Führung eines Ermittlungsverfahrens hinreichenden Anfangsverdachts nicht entsprechen (ErlRV 181 BlgNR 25. GP 1). § 1 Abs 3 StPO bestimmt daher seitdem, dass ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist. Gemäß § 196 Abs 1 FinStrG werden die Finanzstrafbehörden bei der Aufklärung und Verfolgung gerichtlich strafbarer Finanzvergehen im Dienste der Strafrechtspflege tätig.

Die Berichtspflicht nach § 100 Abs 3a StPO hinsichtlich Finanzvergehen, bei denen aus Sicht der mit besonderem juristischen Fachwissen ausgestatteten Finanzstrafbehörden kein Anfangsverdacht vorliegt, soll nunmehr entfallen, um eine Fülle von Erledigungen gemäß § 35c Staatsanwaltschaftsgesetz (Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) zu vermeiden. Weiterhin unterliegen die Finanzstrafbehörden unverändert den Berichtspflichten des § 100 Abs 2 StPO. (§ 200b FinStrG; tritt mit 20. 7. 2024 in Kraft)

2.4. Sonstige Änderungen

3. Änderung des ABBG

Um weiterhin zielgerichtete und erfolgreiche Kontrollen im Kampf gegen Steuer- und Abgabenhinterziehung, Sozialbetrug und organisierte Schattenwirtschaft sicherzustellen, kommt es zur Ausweitung der Aufgaben der Finanzpolizei:

  • Aufnahme der bereits in § 28c Abs 5 AuslBG der Finanzpolizei übertragenen Aufgabe der Strafrechtspflege in den Aufgabenkatalog der Finanzpolizei. Nach dieser Bestimmung kann die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten, bei denen gleichzeitig eine größere Zahl von (minderjährigen) Ausländern ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet beschäftigt werden, die Hilfe des Amtes für Betrugsbekämpfung und seiner Organe in Anspruch nehmen.
  • Klarstellung, dass das Amt für Betrugsbekämpfung im Geschäftsbereich Finanzpolizei Kontrollen der Verpflichtungen des ASVG, des AlVG, der GewO 1994 und des AZG auch außerhalb der abgabenrechtlichen Tätigkeiten als Aufgabe wahrnehmen kann. Dieser Punkt soll auf Verfahren anzuwenden sein, für die eine Verfolgungshandlung nach dem 1. 9. 2024 vorgenommen wird.
  • Implementierung der Parteistellung der Abgabenbehörde des Bundes bzw des Amtes für Betrugsbekämpfung in Verwaltungsstrafverfahren wegen Verstößen gegen das AlVG, die GewO 1994 oder das AZG.
  • Die vorsätzliche Verletzung der Verpflichtung zur Verwendung eines technisch vor Manipulation gesicherten Aufzeichnungssystems (§ 131b BAO) oder der Belegerteilungsverpflichtung (§ 132a BAO) stellen jeweils eine Finanzordnungswidrigkeit dar, die mit Geldstrafe bis zu € 5.000,- bestraft werden kann. Die Befugnisse der Finanzpolizei werden dahingehend ausgeweitet, dass bei Vergehen gegen diese Registrierkassen- und Belegerteilungspflichten vereinfachte Strafverfügungen ausgestellt werden können.

(§ 3 Z 2 und § 8 Abs 5 ABBG)

4. Änderung des ASVG

Abgestimmt auf die Regelung in § 3 Abs 2 lit i ABBG in der vorgeschlagenen Fassung über die Aufgaben des Amtes für Betrugsbekämpfung soll eine einheitliche Anpassung der Parteistellung der Abgabenbehörden des Bundes bzw des Amtes für Betrugsbekämpfung in Verwaltungsstrafverfahren nach § 111a ASVG erfolgen. Die Parteistellung soll auf jene Fälle erstreckt werden, in denen durch deren Organe eine der Verwaltungsübertretung zugrundeliegende Ordnungswidrigkeit nach § 111 Abs 1 ASVG festgestellt wurde. (§ 111a Abs 1 ASVG; tritt mit 1. 9. 2024 in Kraft)

5. Änderung des Gemeinsamen Meldestandard-Gesetzes

Hinsichtlich der im Gesetz enthaltenen Aufbewahrungspflichten werden Klarstellungen vorgenommen, zusätzlich wird eine Strafbestimmung bei Verletzung hiervon aufgenommen.



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