Nach überkommener Rechtsauffassung waren juristische Personen zwar rechtsfähig, aber nicht selbst deliktsfähig. Es entsprach juristischem Basiswissen, dass Delikte nur natürliche Personen begehen können. Seit Inkrafttreten des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes sind auch juristische Personen strafrechtlich haftbar. Mit dem VbVG kam der österreichische Gesetzgeber zahlreichen internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung einer Verantwortlichkeit von juristischen Personen nach, wobei die Haftung der juristischen Person für Handlungen ihrer Mitarbeiter zusätzlich zur Haftung natürlicher Personen für alle gerichtlich strafbaren Handlungen des <i>Höhne/Jöchl</i> in <i>Höhne/Jöchl/Lummerstorfer</i> (Hrsg), Das Recht der Vereine<sup>Aufl. 6</sup> (2019) Haftung für Organe und Repräsentanten, Verbandsverantwortung, Seite 421 Seite 421
StGB, aber auch des Nebenstrafrechts sowie des Finanzstrafrechts gilt. Unter „Verbänden“ sind juristische Personen (grundsätzlich des privaten und des öffentlichen Rechts) sowie Personenhandelsgesellschaften, eingetragene Erwerbsgesellschaften und europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen zu verstehen. Keine Anwendung findet das VbVG auf Bund, Länder, Gemeinden und andere juristische Personen, soweit die Genannten in Vollziehung der Gesetze (also hoheitlich) handeln. In Ergänzung zum VbVG wurde für den Bereich des Finanzstrafrechts eine eigenständige Verantwortlichkeit von Verbänden eingeführt (durch das Abgabenänderungsgesetz 2005): Gem § 1 Abs 2 FinStrG können nunmehr auch Straftaten von Verbänden geahndet werden, wobei § 28a FinStrG für gerichtlich zu ahndende Finanzvergehen auf die Bestimmungen des ersten und zweiten Abschnittes des VbVG verweist. Da nach der Judikatur des OGH sich niemand im nachfolgenden Zivilprozess einer anderen Partei gegenüber darauf berufen kann, dass er die Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe, gleichviel ob der andere am Strafverfahren beteiligt war oder in welcher verfahrensrechtlichen Stellung er dort aufgetreten ist, kommt einer strafgerichtlichen Verurteilung (auch) nach dem VbVG entscheidende Bedeutung für einen nachfolgenden Zivilprozess zu. Da ein Verband naturgemäß nur über physische Personen Straftaten begehen kann, legt das VbVG fest, welche Personen überhaupt eine Verantwortlichkeit eines Verbandes begründen können, nämlich Entscheidungsträger und Mitarbeiter.