Mithilfe des Vorrangs des Unternehmensinteresses lassen sich viele, aber nicht alle Interessenkonflikte zufriedenstellend lösen. Die Maxime der Verpflichtung auf das Unternehmenswohl ermöglicht bei bloßen Interessengegensätzen im Sinne einer Befangenheit des Aufsichtsratsmitglieds im Regelfall eine adäquate Lösung. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat im Zuge der Meinungsfindung und Entscheidung im Aufsichtsrat allfällige Partikularinteressen offenzulegen (siehe unten Rz 27), in offener Diskussion zu diskutieren und zu klären, wie weit diese Partikularinteressen mit dem Unternehmensinteresse in Einklang gebracht werden können. Der Vorrang des Unternehmensinteresses hilft jedoch immer dann nicht weiter, wenn es nicht um bloße Interessengegensätze, sondern darüber hinaus um echte Pflichtenkollisionen geht, also dann, wenn sich das Aufsichtsratsmitglied zwei oder mehr widerstreitenden Interessen ausgesetzt sieht, zu dessen Wahrnehmung jeweils eine Rechtspflicht besteht.54 Hier kann die Pflichterfüllung im Pflichtbereich Aufsichtsratsamt zwangsläufig nur zu einer Pflichtverletzung in der anderen Funktion führen, die das Aufsichtsratsmitglied bekleidet. Es liegt somit ein unauflösbarer Interessenkonflikt vor. Während sich der Betreffende in dem einen Bereich korrekt verhält, verstößt er zugleich gegen Pflichten aus dem anderen Bereich und macht sich dadurch schadenersatzpflichtig. Mit dieser schwierigen Situation verbunden ist naturgemäß die Gefahr, dass das Aufsichtsratsmitglied bei der Beschlussfassung im Aufsichtsrat nicht ausschließlich die Interessen der Gesellschaft berücksichtigt. Beispielhaft sei hier die Situation eines Rechtsanwalts angeführt, der im Kreditausschuss einer Bank sitzt, der mit der Kreditvergabe an einen Mandanten des Rechtsanwalts befasst ist.
