4.3.1. Rechnungslegungspflicht
Die Bedeutung der unternehmensrechtlichen Rechnungslegung im Insolvenzverfahren war lange umstritten:53 Nach Hierzenberger/Riel 54 verdrängen das Insolvenzverfahren und die insolvenzrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften nach „hA“ das gesellschaftsrechtliche Liquidationsverfahren und die unternehmensrechtlichen Rechnungslegungsbestimmungen.55 Nach Riel 56 ist (nur) für den Fall der Unternehmensfortführung eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu machen. Bei Unternehmensfortführung treffe den Insolvenzverwalter die Pflicht zur unternehmensrechtlichen Rechnungslegung. Nach anderer Ansicht57 bleibt die unternehmensrechtliche Rechnungslegungspflicht durch das Insolvenzverfahren grundsätzlich unberührt. Nach der älteren Judikatur des OGH (19.5.1988, 7 Ob 537/88) ist im Konkurs bei Zerschlagung des Unternehmens eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ausreichend. In der Entscheidung vom 29.3.2001 (6 Ob 25/01x)58 hat der OGH ausgesprochen, dass während des Konkurses einer GmbH die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten der Gesellschaft nicht den Geschäftsführer, sondern den Masseverwalter auch für den Zeitraum vor der Konkurseröffnung unabhängig davon treffen, ob das Unternehmen fortgeführt wird. Die unternehmensrechtlichen Prinzipien sind daher auch im Falle der Unternehmensschließung anzuwenden.59 Offengelassen wurde in der Entscheidung, ob während des Konkurses eine unternehmensrechtliche Offenlegungspflicht besteht. In mehreren nachfolgenden Entscheidungen (10.10.2002, 6 Ob 152/02z; 16.3.2007, 6 Ob 154/05y) hat der OGH ausgesprochen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts an der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Offenlegung für Geschäftsjahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert, wobei diese Verpflichtung im Insolvenzverfahren den Masseverwalter (nunmehr: Insolvenzverwalter) als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft iSd §§ 222 Abs 1 und 277 Abs 1 UGB trifft (vgl OGH 16.3.2007, 6 Ob 154/05y). In der Entscheidung vom 7.11.2007 (6 Ob 246/07f)60 hat der OGH die in der Literatur etwa von Hierzenberger/Riel und Chalupsky/Duursma-Kepplinger vertretene Auffassung, wonach die insolvenzrechtlichen Bestimmungen der §§ 121ff KO (nunmehr: 121 ff IO) die unternehmensrechtliche Rechnungslegungspflicht verdrängen sollen, im Hinblick auf den unterschiedlichen Zweck der insolvenzrechtlichen Rechnungslegungspflicht ausdrücklich verworfen. Auch bei Einstellung des Betriebes entfalle die Bilanzierungspflicht nicht automatisch. Allerdings kann die Pflicht des Masseverwalters (Insolvenzverwalters) zur Rechnungslegung entfallen, wenn die Rechnungslegung im Einzelfall unmöglich oder unwirtschaftlich bzw untunlich wäre, wobei jedoch die Voraussetzungen dafür vom Masseverwalter (Insolvenzverwalter) darzulegen sind.61 Die bloße Behauptung des Masseverwalters (Insolvenzverwalters), mangels ausreichender Unterlagen nicht in der Lage zu sein, die Jahresabschlüsse zu erstellen, ist nicht ausreichend.62 Offengelassen hat der OGH, ob auch außerhalb von Massearmut bei Vorliegen einzelner, von Fraberger 63 näher dargelegten Kriterien die Rechnungslegungspflicht für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausnahmsweise wegfallen könnte.64

