1. Einleitende Bemerkungen
Die Unternehmensinsolvenz stellt in Bezug auf ihre umsatzsteuerlichen Konsequenzen nicht nur den bzw die betroffenen Unternehmer selbst, sondern auch die FinVw vor zahlreiche Probleme. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht Hand in Hand mit der Frage nach den (materiell-)steuerrechtlichen Auswirkungen der Insolvenzsituation.329 Im Vordergrund steht hierbei zunächst das – bislang unzureichend geklärte – Verhältnis zwischen (Umsatz-)Steuer- und Insolvenzrecht. Die mangelnde Abstimmung der beiden Rechtsgebiete führt nämlich insb im Bereich der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit den unionsrechtlichen Anforderungen zu zahlreichen Zweifelsfragen. Das österreichische Umsatzsteuerrecht ist maßgeblich durch die MwStSyst-RL geprägt. Die Vorgaben des unionalen Mehrwertsteuerrechts beeinflussen damit die Behandlung von Umsatzsteuerforderungen in der Unternehmensinsolvenz. Die MwStSyst-RL – wie auch das UStG – sieht allerdings keine expliziten Bestimmungen vor, die etwa das Schicksal von Umsatzsteuerforderungen in der Insolvenz regeln, sondern bestimmt lediglich – ganz abstrakt und allgemein – die Auswirkungen der Nichtbezahlung des Entgelts einerseits auf das Vorsteuerabzugsrecht des Leistungsempfängers und andererseits auf die Bemessungsgrundlage und damit die Steuerschuld des leistenden Unternehmers.330Auch der Rechtsprechung des EuGH waren Vorgaben hinsichtlich der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Unternehmensinsolvenzen lange Zeit nicht zu entnehmen. Vielmehr beschränkte sich dieser zunächst auf die Beschreibung der Stellung des Unternehmers im Mehrwertsteuersystem der Union und hielt lediglich fest, dass dieser als „Steuereinnehmer für Rechnung des Staates“ tätig wird und „öffentliche Gelder“ einsammelt.331 Die umsatzsteuerlichen Folgen der Unternehmensinsolvenz sind auch vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass sich die Europäische Union zum Teil über das unionsweite Mehrwertsteueraufkommen finanziert. Denn zu den Eigenmittel der Union zählen ua auch die Einnahmen, die sich aus der Anwendung eines einheitlichen Prozentsatzes auf die harmonisierte Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer eines jeden Mitgliedstaates ergeben.332Zudem sind die Mitgliedstaaten nach stRsp des EuGH gem Art 2, Art 250 Abs 1 und Art 273 MwStSyst-RL in Verbindung mit Art 4 Abs 3 EUV verpflichtet, alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die geeignet sind, die Erhebung der gesamten in ihrem Hoheitsgebiet geschuldeten Mehrwertsteuer sicherzustellen.333 Diese Verpflichtung der Mitgliedstaaten gilt grundsätzlich auch im Insolvenzfall.334 Damit ergibt sich mit Blick auf das Unionsrecht ein Spannungsverhältnis zu nationalen Insolvenzregimen, die regelmäßig Forderungsverzichte für die Insolvenzgläubiger (und somit auch für den Fiskus) vorsehen.335

