I. Ertragsteuerrechtliche Grundlagen
1. Liquidationen im Einkommen- und im Körperschaftsteuerrecht
1.1. Liquidation als Doppelveräußerungsvorgang
Nach § 201 Abs 2 Z 4 lit a UGB sind in der Unternehmensbilanz nur die am Abschlussstichtag verwirklichten Gewinne auszuweisen. Dieses sog (imparitätische) Realisationsprinzip wirkt jedoch als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung über das Unternehmensrecht aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs 1 EStG hinaus auf die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung1 und ist aufgrund des § 7 Abs 3 KStG insbesondere für rechnungslegungspflichtigen Körperschaften von Relevanz. Bei unter § 7 Abs 3 KStG fallenden Körperschaften sind daher nicht realisierte Gewinne grundsätzlich nicht zu besteuern, bis zur Realisation dieser nicht verwirklichten Gewinne kommt es daher zur Bildung stiller Reserven im Vermögen der jeweiligen Körperschaft. Erfolgt bei einer Körperschaft die Auflösung und anschließende Abwicklung (Liquidation)2, ist gesellschaftsrechtlich im Zuge des Abwicklungsvorgangs eine Versilberung des Vermögens der Körperschaft geboten, die im Idealfall3 durch Veräußerung der einzelnen Vermögensgegenstände vor sich gehen soll. Wird während des Abwicklungsverfahrens Vermögen der untergehenden Körperschaft veräußert, werden dadurch die im Vermögen der Körperschaft enthaltenen stillen Reserven aufgedeckt und die letzte Möglichkeit eröffnet4, diese stillen Reserven steuerlich auf Ebene der untergehenden Körperschaft zu erfassen, bevor das versilberte Vermögen von der untergehenden Körperschaft an ihre Anteilsinhaber ausgekehrt wird.

