vorheriges Dokument
nächstes Dokument

3.5.4 Originäre Pflichten des Klienten bzw seiner organschaftlichen Vertreter zur Krisenerkennung und Krisenabwehr

1. AuflSeptember 2018

Als Grundlage für die Ablehnung von Krisenwarnpflichten des Steuerberaters verwies der BGH auf den Umstand, dass es die „originäre Aufgabe des Geschäftsführers [ist], die Zahlungsunfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren“,11041104 BGH 07.03.2013, IX ZR 64/12 Rz 21; ähnlich OLG Celle 06.04.2011, 3 U 190/10. und erntete für diese Feststellung etwa die Zustimmung von Müller.11051105 H. Müller, ZInsO 2013, 2182 f; siehe auch Abschnitt 3.5.6.3.2. Diese Aussage des BGH ist in abstracto zwar zutreffend; der Umstand, dass die organschaftlichen Vertreter insolvenzspezifische Pflichten grds selbst einzuhalten haben, kann aber nicht als Argument gegen die Existenz einer Warnpflicht im Hinblick auf die Pflicht zur Insolvenzprüfung und Insolvenzantragstellung (bzw sonstige insolvenzspezifische Verhaltenspflichten) fruchtbar gemacht werden,11061106 Gräfe, DStR 2010, 620; Zugehör, Haftung des Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden, NZI 2008, 652 (654); aA H. Müller, ZInsO 2013, 2182; Zugehör, WM 2013, 1970 f. denn diese Pflichten bestehen – wie viele andere Pflichten – zunächst gegenüber der Gesellschaft. Wie das OLG Schleswig diesbezüglich richtig ausführt, sind diese Pflichtenkreise also nicht voneinander abhängig.11071107 OLG Schleswig 02.09.2011, 17 U 14/11; ebenso LG Saarbrücken 28.11.2011, 9 O 261/10 (aufgehoben durch OLG Saarbrücken 09.12.2015, 1 U 13/12); zuvor noch gegenläufig: OLG Schleswig 28.05.1993, 10 U 13/92. Im Rahmen eines Beratungsmandats ist die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Berater primär eben nicht komplementär, sondern in weiten Teilen kongruent, weil jener aus verschiedenen Gründen11081108 Dazu ausführlich Abschnitt 1.2.1. Aufgaben- und Verantwortungsbereiche auslagern möchte. Die konsequente Einhaltung der referierten Rechtsansicht des BGH würde dazu führen, dass sich ein Geschäftsführer, der sich – dem anzulegenden Sorgfaltsmaßstab genügend – einen fachkundigen Rat einholt, niemals beim Berater für dessen Beratungsfehler schadlos halten könnte. Dies hat der BGH mit Sicherheit nicht beabsichtigt. In diesem Sinne ist der BGH in der Entscheidung IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 ausdrücklich von dieser Linie abgegangen und hat zwar neuerlich erwähnt, dass die Insolvenzprüfung originäre Pflicht des Geschäftsführers ist, das Bestehen von Krisenwarnpflichten aber nicht deswegen abgelehnt, sondern bejaht.

Sie möchten den gesamten Inhalt lesen?

Melden Sie sich bei Lexis 360® an.
Anmelden

Sie haben noch keinen Zugang?
Testen Sie Lexis 360® zwei Wochen kostenlos!
Jetzt testen!

Stichworte