Als Grundlage für die Ablehnung von Krisenwarnpflichten des Steuerberaters verwies der BGH auf den Umstand, dass es die „originäre Aufgabe des Geschäftsführers [ist], die Zahlungsunfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren“,1104 und erntete für diese Feststellung etwa die Zustimmung von Müller.1105 Diese Aussage des BGH ist in abstracto zwar zutreffend; der Umstand, dass die organschaftlichen Vertreter insolvenzspezifische Pflichten grds selbst einzuhalten haben, kann aber nicht als Argument gegen die Existenz einer Warnpflicht im Hinblick auf die Pflicht zur Insolvenzprüfung und Insolvenzantragstellung (bzw sonstige insolvenzspezifische Verhaltenspflichten) fruchtbar gemacht werden,1106 denn diese Pflichten bestehen – wie viele andere Pflichten – zunächst gegenüber der Gesellschaft. Wie das OLG Schleswig diesbezüglich richtig ausführt, sind diese Pflichtenkreise also nicht voneinander abhängig.1107 Im Rahmen eines Beratungsmandats ist die Aufgabenverteilung zwischen Geschäftsführer und Berater primär eben nicht komplementär, sondern in weiten Teilen kongruent, weil jener aus verschiedenen Gründen1108 Aufgaben- und Verantwortungsbereiche auslagern möchte. Die konsequente Einhaltung der referierten Rechtsansicht des BGH würde dazu führen, dass sich ein Geschäftsführer, der sich – dem anzulegenden Sorgfaltsmaßstab genügend – einen fachkundigen Rat einholt, niemals beim Berater für dessen Beratungsfehler schadlos halten könnte. Dies hat der BGH mit Sicherheit nicht beabsichtigt. In diesem Sinne ist der BGH in der Entscheidung IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 ausdrücklich von dieser Linie abgegangen und hat zwar neuerlich erwähnt, dass die Insolvenzprüfung originäre Pflicht des Geschäftsführers ist, das Bestehen von Krisenwarnpflichten aber nicht deswegen abgelehnt, sondern bejaht.

