Die Frage der Erkennbarkeit von Gefahren ist Thema in zahlreichen Rechtsbereichen. Im insolvenzrechtlichen Kontext findet sich die Problematik bei der Insolvenzantragspflicht (§ 69 Abs 2 IO). Nach § 69 Abs 2 IO ist spätestens 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen.1027 Dieser Zeitraum soll einen außergerichtlichen Sanierungsversuch ermöglichen.1028 Würde man die Frist schon mit dem tatsächlichen Eintritt des Insolvenzgrunds beginnen lassen, so würde dies in der Regel zur Vereitelung des Zwecks des § 69 Abs 2 IO führen, weil die Frist schon abgelaufen wäre, ehe die antragspflichtige Person diesen überhaupt erkennen konnte.1029 Darüber hinaus wäre auch demjenigen Schuldner, der vom Insolvenzgrund völlig unverschuldet keine Kenntnis erlangt hat, jegliche vorinsolvenzliche Sanierungsmöglichkeit verwehrt.1030 Daher zieht die Lehre unterschiedliche Regulative für die Entstehung der Insolvenzantragspflicht (bzw für den Beginn des Laufs der 60-Tage-Frist1031) ein: Manche fordern die objektive Erkennbarkeit der Krise.1032 Es wäre absurd, „an nicht einmal bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt erkennbare Umstände eine Handlungsfrist oder irgendwelche Pflichten zu knüpfen, weil eine Verhaltensausrichtung nach solchen Umständen definitionsgemäß nicht möglich ist“.1033 Andere fordern die positive Kenntnis des Insolvenzgrunds.1034 Schumacher will auf die „manifeste Insolvenz“ abstellen. Dies bedeute, dass alle relevanten Fakten und Zahlen (zB aufgrund einer Bilanz) zutage liegen würden.1035

