2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJänner 2021

ua Verlängerung diverser „Corona-Maßnahmen“; weitere Stundung von SV-Beiträgen; Reduktion der SV-Verzugszinsen ab April 2021; Beitragsfreiheit für Gutscheine; Berechnung des Wochengeldes bei Kurzarbeit, Begrenzung der Sonderpensionen

Inkrafttreten

1.1.2021

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

29.12.2020

Betroffene Normen

APG, ASVG, B-KUVG, BSVG, GSVG, SVSG

Betroffene Rechtsgebiete

 

Quelle

BGBl I 2020/158

Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Allgemeine Pensionsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz sowie das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 – 2. SVÄG 2020), BGBl I 2020/158 vom 23. 12. 2020 (AB 617 BlgNR 27. GP ; 198/BNR BlgNR 27. GP ; AA-112 BlgNR 27. GP ; AB 519 BlgNR 27. GP ; IA 1105/A BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Mit dem 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 werden neben einigen redaktionellen Änderungen ua die Regelungen über die Stundung und Ratenzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ausgeweitet, um den Betrieben auch für die Fortdauer der Corona-Pandemie Erleichterungen gewähren zu können, die SV-Verzugszinsen ab April 2021 temporär gesenkt und Sonderregelungen für beitragsfreie Gutscheine an Dienstnehmer und die Berechnung des Wochengeldes bei Kurzarbeit getroffen.

Nachdem der Bundesrat die Gesetzesnovelle wegen eines formalen Fehlers in den Inkrafttretens-Bestimmungen (fehlender Hinweis auf eine Verfassungsbestimmung) beeinsprucht hat, musste das Gesetz nach enstprechender Abänderung neuerlich im Nationalrat beschlossen werden. Dies wurde auch dazu genutzt, eine Reihe von Maßnahmen zur Dämpfung der Folgen der Coronakrise über das Jahresende 2020 zu verlängern. Zwar wurde diese Verlängerung bereits im Rahmen des (1.) Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2020 beschlossen, das Inkrafttreten dieses Gesetzes verzögert sich jedoch durch die mangelnde Zustimmung des Bundesrates bis Mitte Jänner 2021. Für die zeitliche Lücke zwischen dem Auslaufen der geltenden Regelungen mit 31. 12. 2020 und dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen in der Fassung des SVÄG 2020 wurden nun die maßgeblichen Regelungen durch das 2. SVÄG verlängert.

2. Verlängerung diverser „Corona-Maßnahmen“

2.1. Stundung und Ratenzahlung von SV-Beiträgen

Aufgrund der Fortdauer der Coronavirus-Pandemie wird die Möglichkeit für Stundungen und Ratenzahlungen für Sozialversicherungsbeiträge verlängert. Die bestehenden Corona-bedingten Stundungen und Ratenvereinbarungen werden zum 31. 3. 2021 „zusammengezogen“, danach kann ein neuer Antrag auf Ratenzahlungen bis längstens Juni 2022 gestellt werden. Diese Stundungs- und Ratenzahlungsmöglichkeiten werden auch für die Beitragszeiträume Jänner und Februar 2021 verankert.

Im Detail sieht die Neuregelung wie folgt aus:

  • Beitragszeiträume Februar bis April 2020: Das gesetzliche Zahlungsziel für verzugszinsenfrei gestundete Beiträge der Beitragszeiträume Februar bis April 2020 wird (vom 15. 1. 2021) auf den 31. 3. 2021 verlängert. Eine freiwillige Zahlung vor dem 31. 3. 2021 ist möglich. Ist absehbar, dass das gesetzliche Zahlungsziel per 31. 3. 2021 nicht erfüllt werden kann, sind Ratenzahlungen nunmehr bis längstens 30. 6. 2022 möglich. Das Vorliegen von coronabedingten Liquiditätsproblemen ist dabei gegenüber der ÖGK glaubhaft zu machen.
  • Beitragszeiträume Mai bis Dezember 2020: Mit den Dienstgebern wurden bisher unterschiedliche Stundungs- und Ratenpakete individuell vereinbart. Anstelle dieser unterschiedlichen Pakete tritt folgende Regelung: Die Beiträge, für die Stundungen und Ratenzahlungen gewährt wurden, sind abweichend von diesen bereits getroffenen Vereinbarungen spätestens am 31. 3. 2021 einzuzahlen, danach kann ein neuer Antrag auf Ratenzahlungen bis längstens Juni 2022 gestellt werden.
  • Beitragszeiträume Jänner und Februar 2021: Auch für die Beitragszeiträume Jänner bis Februar 2021 ist es bei glaubhaften coronabedingten Liquiditätsproblemen möglich, Stundungen bis 31. 3. 2021 in Anspruch zu nehmen, danach ist ein Antrag auf Ratenzahlung bis längstens Juni 2022 möglich.
  • Beitragszeiträume ab März 2021: Für die Beiträge ab dem Beitragszeitraum März 2021 gelten wieder die herkömmlichen Fälligkeiten und Zahlungsfristen. Die laufenden Beiträge sind somit unaufgefordert bis zum 15. des Folgemonates unter Berücksichtigung einer dreitägigen Respirofrist zu entrichten.

Bestehen trotz nachweislicher intensiver Bemühungen der Unternehmen zum 30. 6. 2022 noch teilweise Beitragsrückstände aus den Beitragszeiträumen Februar 2020 bis Februar 2021, kann sich nach Ablauf des maximalen Ratenzahlungszeitraumes bis 30. 6. 2022 ein weiterer Ratenzahlungszeitraum anschließen, wenn die vollständige Abtragung des Beitragsrückstandes nicht bis 30. 6. 2022 möglich war und kein Terminverlust eingetreten ist. Unter der Voraussetzung, dass 40 % der ursprünglichen Beitragsschuld in angemessenen Raten beglichen wurden und der Antragsteller die zur Erfüllung der Ratenvereinbarung erforderliche Liquidität anhand von Unterlagen entsprechend glaubhaft machen kann, kann für den zum 30. 6. 2022 ausgewiesenen Restrückstand aus der Ratenvereinbarung vor dem 31. 5. 2022 eine sich daran anschließende weitere Ratenzahlung für die Dauer von längstens 21 Monaten beantragt werden.

Die Ausnahmeregelung für Beiträge von Dienstnehmern in Kurzarbeit, wegen Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe freigestellte Dienstnehmern und nach dem Epidemiegesetz 1950 abgesonderte Dienstnehmern, für die der Dienstgeber eine Beihilfe, Erstattung oder Vergütung erhält, gilt weiterhin (vgl § 733 Abs 9 ASVG).

2.2. Verlängerung sonstiger Maßnahmen

Bis zum Inkrafttreten des SVÄG 2020 werden folgende mit der COVID-19-Pandemie in Zusammenhang stehende Maßnahmen verlängert:

  • Unfallversicherungsschutz im Home-Office,
  • Freistellungsmöglichkeit von Risikopatienten (durch Verordnung – siehe dazu bereits die Verordnung BGBl II 2020/609),
  • Verlängerung der Schutzfrist in der Krankenversicherung (durch Verordnung),
  • Nichtentrichtung von Beiträgen bei der Studenten-Selbstversicherung,
  • Anspruchsberechtigung in der Kranken- und Pensionsversicherung für Kinder und Enkel,
  • Verlängerung der Beitragsfreiheit von steuerfreien pauschalen Reiseaufwandsentschädigungen für nebenberuflich tätige Sportler, Schiedsrichter sowie Trainer.

3. Absenkung der Verzugszinsen

Im Zusammenhang mit Verzugszinsen für rückständige SV-Beiträge finden sich im 2. SVÄG 2020 zwei Maßnahmen:

  • Mit dem SVÄG 2020 wird in § 733 Abs 15 ASVG normiert werden, dass für gestundete Beiträge für die Beitragszeiträume Mai bis Dezember 2020 keine Verzugszinsen anfallen. Diese Bestimmung wird nun wieder aufgehoben, sodass die bisher geltenden Regelungen über die Verzugszinsen betreffend das Jahr 2020 unverändert bleiben.
  • Im Zeitraum vom 1. 4. 2021 bis zum 30. 6. 2022 wird der Verzugszinsensatz um 2 % verringert – somit belaufen sich die Verzugszinsen bis 31. 3. 2021 auf 3,38 % und ab 1. 4. 2021 auf 1,38 %. Eine Nachsicht der Verzugszinsen ist möglich (§ 59 Abs 2 ASVG).

4. Beitragsfreie Gutscheine für Mitarbeiter

Mit dem COVID-19-Steuermaßnahmengesetz wird eine Steuerfreiheit für Gutscheine im Wert von bis zu € 365,-, die der Arbeitgeber im Zeitraum von 1. 11. 2020 bis 31. 1. 2021 ausgibt, normiert, wenn im Kalenderjahr 2020 der Freibetrag für die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen gemäß § 3 Abs 1 Z 14 EStG nicht oder nicht zur Gänze ausgeschöpft ist (§ 124b Z 371 EStG).

Mit der neuen Regelung des § 746 Abs 3 ASVG wird der Katalog der nicht als Entgelt geltenden Bezüge an die einkommensteuerrechtliche Bestimmung angeglichen: Vorteile aus der Teilnahme an Betriebsveranstaltungen (zB Betriebsausflüge, kulturelle Veranstaltungen, Betriebsfeiern) sind schon bislang bis zur Höhe von € 365,- jährlich und die hiebei empfangenen Sachzuwendungen bis zur Höhe von € 186,- jährlich vom sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff ausgenommen und damit beitragsfrei (§ 49 Abs 3 Z 17 ASVG). Diese Regelung wird nun auf Gutscheine ausgeweitet, die vom Dienstgeber im November oder Dezember 2020 oder im Jänner 2021 gewährt werden, sofern der vom Entgelt ausgenommene Betrag für die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen (maximal € 365,-) im Kalenderjahr 2020 nicht oder nicht zur Gänze ausgeschöpft wurde.

5. Wochengeld und Kurzarbeit

Nach § 162 Abs 3 ASVG gebührt das Wochengeld in der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen (bzw in den letzten drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes. Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes sind bestimmte Zeiten – darunter unter anderem Zeiten der Kurzarbeit –, die im Bemessungszeitraum liegen und in denen kein oder ein geringeres Entgelt bezogen wurde, bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung außer Betracht bleiben.

Diese Bestimmung wurde als Schutzbestimmung für Versicherte geschaffen, um nicht den für die Berechnung des Wochengeldes heranzuziehenden durchschnittlichen Arbeitsverdienst zu schmälern. Der Fall, dass jemand durch die Kurzarbeit (derzeit in der spezifischen Form der Kurzarbeit während der COVID-19-Pandemie) bzw während der Kurzarbeit mehr verdient als zuvor (etwa im Fall des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld), wurde vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Dies kann jedoch zu unbilligen Ergebnissen bei der Berechnung der Höhe des zu erhaltenden Wochengeldes, in machen Konstellationen sogar zu einem Wochengeldanspruch in der Höhe von € 0,-, führen.

Um dieses unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, wurde nun normiert, dass für die Dauer der COVID-19-Pandernie ein Günstigkeitsvergleich erfolgt. Beim dafür heranzuziehenden Arbeitsverdienst sind sowohl das konkrete, während der Kurzarbeit gebührende Arbeitsentgelt als auch die Kurzarbeitsunterstützung zu berücksichtigen.

Der Günstigkeitsvergleich ist rückwirkend auf jene Versicherungsfälle der Mutterschaft anzuwenden, die ab dem 11. 3. 2020 eingetreten sind. Dem Krankenversicherungsträger sind die für die Durchführung des Günstigkeitsvergleiches erforderlichen Unterlagen von der Versicherten vorzulegen, da dem KrV-Träger derzeit auf der Arbeits- und Entgeltbestätigung weder die Kurzarbeitsunterstützung noch das Entgelt während der Kurzarbeit gemeldet wird.

6. Sonstige Änderungen

Weitere beschlossene Maßnahmen:

  • Übergangsgeld und Notstandshilfe: Gemäß § 306 ASVG wird einem Versicherten für die Dauer der Gewährung von medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation oder einer beruflichen Ausbildung gemäß § 198 Abs 2 Z 1 ASVG vom Pensionsversicherungsträger ein Übergangsgeld gewährt, wenn kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld oder Umschulungsgeld besteht. Für Zeiträume ab Mai 2020 ist nun die Notstandshilfe auf das Übergangsgeld anzurechnen, dafür erfolgt jedoch keine Anrechnung von Übergangsgeld auf die Notstandshilfe mehr.
  • Anpassung von Sonderpensionen: Wie schon im Zuge der Pensionsanpassungen für die Jahre 2018 und 2020 wird auch im Rahmen der Pensionsanpassung für das Jahr 2021 die Anpassung der Sonderpensionen nach dem Sonderpensionenbegrenzungsgesetz mit dem Höchstmaß für die Anpassung der gesetzlichen Pensionen (das ist für 2021 der Betrag von € 35,-) limitiert.
  • COVID-19-Impfstrategie: Die Impfung gegen SARS-CoV-2 soll durch die im niedergelassenen Bereich tätigen Ärzte, Gruppenpraxen bzw Primärversorgungseinheiten sowie selbständige Ambulatorien erfolgen. Der Impfstoff wird vom Bund zur Verfügung gestellt und finanziert, die Impfung ist kostenlos. Der Gesundheitsminister hat durch Verordnung für die Durchführung der Impfung eine Priorisierung der Zielgruppen festzulegen.

 



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