Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 (VersVG-Nov 2022)

GesetzgebungWirtschaftsrechtKriwanek/TumaJuni 2022

Beschränkung des § 176 Abs 1a VersVG auf den Regelungsgehalt, dass es bei einem Rücktritt nach § 5c VersVG nicht zur Erstattung des Rückkaufswerts nach § 176 Abs 1 VersVG kommt, ebenso wenig in den Fällen des § 176 Abs 2 VersVG

Inkrafttreten

1.8.2022

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Vorschlag

Letzte Änderung

10.6.2022

Betroffene Normen

VersVG

Betroffene Rechtsgebiete

Versicherungsrecht

Quelle

BGBl I 2022/70, 536/BNR , AB 1464 , RV 1446 BlgNR 27. GP , 181/ME

Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden soll (Versicherungsvertragsgesetz-Novelle 2022 – VersVG-Nov 2022) (BGBl I 2022/70, 536/BNR ,  AB 1464 , RV 1446 BlgNR 27. GP , 181/ME)

Der EuGH hat am 19. 12. 2019 in den verbundenen Rs C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18 , Rust-Hackner ua (=  RdW 2019/483), zu den Rechtsfolgen eines sog "Spätrücktritts" von einem Lebensversicherungsvertrag Stellung genommen. Im April 2020 übermittelte die Europäische Kommission ein Auskunftsersuchen betr die Vereinbarkeit des österreichischen VersVG mit den Art 185 und 186 der RL 2009/138/EG (RL Solvabilität II); die Kommission prüft dabei insb, wie im VersVG sichergestellt wird, dass die Vorgaben des EuGH zu den Rechtsfolgen des Rücktritts umgesetzt werden. Der EuGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass Art 185 Abs 1 RL  2009/138/EG einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Versicherer einem Versicherungsnehmer, der von seinem Vertrag zurückgetreten ist, lediglich den Rückkaufswert zu erstatten hat.

§ 176 Abs 1a VersVG ordnet auch bei einer Vertragsaufhebung wegen Rücktritts als Rechtsfolge die Erstattung des Rückkaufwerts an und nimmt damit auf die Vorgaben des EuGH noch keine Rücksicht. Der OGH hat im Gefolge des EuGH-Urteils  für die Fälle des sog "Spätrücktritts" bereits befriedigende Lösungen gefunden, die die Beibehaltung des Abs 1a in seiner bisherigen Form obsolet machen. § 176 Abs 1a VersVG wird somit auf den Regelungsgehalt beschränkt, dass es bei einem Rücktritt nach § 5c VersVG nicht zur Erstattung des Rückkaufswerts nach § 176 Abs 1 VersVG kommt, ebenso wenig in den Fällen des § 176 Abs 2 VersVG. Das hat zur Folge, dass auch in diesen Fällen die Rsp des OGH anwendbar wird, der schon bisher bei einem „Spätrücktritt“ § 176 Abs 1 VersVG unangewendet ließ und eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung vorgenommen hat (7 Ob 10/20a, RdW 2020/3807 Ob 19/20z uva, RdW 2020/379; zuvor bereits 7 Ob 107/15h, RdW 2016/77).

Ein Kritikpunkt im Pilotverfahren der Europäischen Kommission ist die Tatsache, dass sich aus § 5c VersVG  nicht ausdrücklich ergibt, dass eine grob fehlerhafte Belehrung den Beginn der Rücktrittsfrist nicht in Gang setzt. Das soll nun durch Anfügungen in Abs 3 und Abs 5 klargestellt werden. Durch die Gleichstellung einer grob fehlerhaften Belehrung, die dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit nimmt, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (Formulierung des EuGH), mit einer fehlenden Belehrung ist sichergestellt, dass die Frist nach § 5c Abs 2 nicht zu laufen beginnt. Damit ist auch die Frage, ob ein Versicherungsnehmer zurücktreten kann, getrennt zu betrachten von der Frage, was er im Fall eines berechtigten Rücktritts erhält. Ein Rücktritt ist immer möglich, wenn eine grob fehlerhafte Belehrung erfolgt ist, die einer fehlenden Belehrung gleichzuhalten ist. Die Frage, ob der Vertrag den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers entsprochen hat, stellt sich erst bei den Rechtsfolgen des Rücktritts.

§ 5c Abs 3 und Abs 5 sowie § 176 Abs 1a und Abs 2 treten idF VersVG-Nov 2022 mit 1. 8. 2022 in Kraft und sind auf Fälle anzuwenden, in denen der Rücktritt nach dem 31. 12. 2018 erklärt wurde.  § 176 Abs 1 ist auch nicht anzuwenden auf die Folgen eines Rücktritts von einer Kapitalversicherung nach den §§ 5b, 5c und 165a idF vor  BGBl I 2018/51, der nach dem 31. 12. 2018 erklärt wurde.

 

 

 

 



Stichworte