Zivilverfahrens-Novelle 2023

GesetzgebungPersonalrechtLindmayrJuli 2023

Ermöglichung von Videoverhandlungen in Zivilverfahren

Inkrafttreten

14.7.2023

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

31.7.2023

Betroffene Normen

AußStrG, EO, GOG, HeimAufG, IO, UbG, ZPO

Betroffene Rechtsgebiete

Zivilverfahrensrecht, Exekutionsrecht, Insolvenzrecht

Quelle

BGBl I 2023/77

Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Insolvenzordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2023 – ZVN 2023), BGBl I 2023/77 vom 19. 7. 2023 (AB 2155 BlgNR 27. GP ; RV 2093 BlgNR 27. GP )

1. Überblick

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde temporär die Möglichkeit geschaffen, Anhörungen, mündliche Verhandlungen und Beweisaufnahmen in Zivilsachen unter bestimmten Voraussetzungen ohne physische Anwesenheit über technische Kommunikationsmittel zur Ton- und Bildübertragung durchzuführen (§ 3 1. COVID-19-JuBG). Diese Regelung ist nach mehreren Verlängerungen mit 30. 6. 2023 ausgelaufen.

Mit der Zivilverfahrens-Novelle 2023 (ZVN 2023) wurde die Möglichkeit zum Einsatz von Videokonferenzen in einer beschränkteren Variante in das Dauerrecht übernommen. Nach den Gesetzesmaterialien sollen Videoverhandlungen aber die Ausnahme bleiben (ErlRV 2093 BlgNR 27. GP 4.). Insbesondere werden die bestehenden Möglichkeiten zur Beweisaufnahme per Videokonferenz (§ 277 ZPO) nur behutsam erweitert.

Die neuen Regelungen sind rückwirkende mit 14. 7. 2023 in Kraft getreten.

2. Erweiterung der Videokonferenzen

Nach der neuen Rechtslage kann das Gericht sowohl im streitigen Verfahren als auch im allgemeinen Außerstreitverfahren allen oder einzelnen Beteiligten die Teilnahme an einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung per Videokonferenz ermöglichen (§ 132a Abs 1 ZPO; § 18 Abs 2 AußStrG). Dabei handelt es sich zwangsläufig um hybride Verhandlungen, weil zumindest der Richter persönlich im Verhandlungssaal anwesend sein muss. Der Einsatz von Videokonferenzen liegt im Ermessen des Gerichts, wobei der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie und die technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen sind. Die Parteien haben kein Antragsrecht, sondern können die Vorgangsweise lediglich anregen. Auf der anderen Seite kann jede Partei den Einsatz einer Videokonferenz im Verfahren verhindern. Das Gericht muss entweder die ausdrückliche Zustimmung der Parteien einholen oder den Einsatz unter Setzung einer angemessenen Widerspruchsfrist ankündigen. Im Fall eines rechtzeitigen Widerspruchs einer Partei scheidet der Einsatz von Videotechnologie aus.

Beweisaufnahmen per Videokonferenz sind grundsätzlich weiterhin nur unter den Voraussetzungen des unberührt gebliebenen § 277 ZPO (Einvernahme von Parteien, Zeugen und Sachverständigen statt im Rechtshilfeweg per Videokonferenz) zulässig. Darüber hinaus erlaubt die neue Rechtslage den Einsatz von Videotechnologie bei der Beweisaufnahme nur im Fall

  • der Gutachtenserstattung und -erörterung durch Sachverständige sowie
  • der Einvernahme von Parteien und informierten Personen in der vorbereitenden Tagsatzung (§ 132a Abs 1 ZPO).

Im Fall von technischen Problemen bei der Bild- und/oder Tonübertragung erleichtert die ZVN 2023 die Erstreckung der Tagsatzung (§ 134 Z 1 ZPO). Weiters enthält die Novelle besondere Regelungen für den Vergleichsabschluss (§ 132a Abs 3 ZPO) und die Vorlage des Kostenverzeichnisses (§ 132a Abs 2 ZPO) bei einer Videoverhandlung.



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