Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 (KaWeRÄG 2021)

GesetzgebungWirtschaftsrechtKriwanek/TumaSeptember 2021

va Berücksichtigung typischer Tatbestände der Plattformökonomie und von Kooperationen zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft sowie Aufwertung der Wettbewerbskommission; Umsetzung der RL (EU) 2019/1 ua durch  Anpassungen betr Geldbußen und Zwangsgelder (Erweiterung der Tatbestände, Sonderbestimmungen für Unternehmensvereinigungen, Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung), Schutz von Kronzeugenerklärungen,  Rechtshilfe im Kartellrechtsvollzug und Vollstreckungshilfe 

Inkrafttreten

10.9.2021

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

10.9.2021

Betroffene Normen

KartG 2005, WettbG

Betroffene Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht, Kartellrecht

Quelle

BGBl I 2021/176, RV 951 BlgNR 27.GP ; AB 976; 344/BNR

Bundesgesetz, mit dem das Kartellgesetz 2005 und das Wettbewerbsgesetz geändert werden (Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 – KaWeRÄG 2021) (BGBl I 2021/176, 344/BNR , AB 976 , RV 951 BlgNR 27. GP , 114/ME)

Hauptgesichtspunkte der Novelle:

Die Novelle dient ua der Umsetzung der  RL  (EU) 2019/1 [zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts].

1. Wichtige Änderungen iZm Marktmacht und Fusionen:

  • Freistellung unternehmerischer Kooperationen vom Kartellverbot zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft: Erweiterung der allgemeinen Ausnahmebestimmung vom Kartellverbot in § 2 Abs 1 KartG 2005 (Kartelle „unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn“)  dahingehend, dass eine „angemessene Beteiligung der Verbraucher“ am „Gewinn aus der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts“ immer dann anzunehmen ist, wenn diese Effizienzgewinne zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft beitragen.
  • Erweiterung der demonstrativen Aufzählung von Marktmachtkriterien in § 4 Abs 1 Z 2 KartG 2005 um einige typische Tatbestände der Plattformökonomie. Konkret werden die Intermediationsmacht (Vermittlungsleistungen für den Zugang anderer Unternehmer zu Beschaffungs- und Absatzmärkten), der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten und der Nutzen aus Netzwerkeffekten ausdrücklich als berücksichtigungswürdige Parameter genannt.
  • Klarstellung, dass das Konzept der relativen Marktmacht vom Konzept der absoluten Marktmacht unabhängig ist, und Erweiterung der relativen Marktmacht: Unsicherheiten, ob die bisher in § 4 Abs 3 KartG 2005 geregelte relative Marktmacht ein eigener Tatbestand ist, soll durch Überführung dieses Absatzes in einen eigenen § 4a begegnet werden. Für Vermittler auf mehrseitigen digitalen Märkten soll künftig nicht bloß die Aufrechterhaltung, sondern auch schon die Angewiesenheit auf die Begründung von Geschäftsbeziehungen im Fall sonst drohender schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile den Tatbestand der relativen Marktbeherrschung erfüllen und damit im Fall eines Verstoßes zu einer Abstellung führen können.
  • Zusammenschlüsse:
    • Einführung einer (international üblichen) zweiten Inlandsumsatzschwelle  iHv einer Mio Euro für die Pflicht zur Anmeldung von Zusammenschlüssen  (Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr im Inland somit nunmehr „im Inland insgesamt mehr als 30 Millionen Euro, davon mindestens zwei Unternehmen jeweils mehr als eine Million Euro“; § 9 KartG).
    • Erweiterung des österreichischen Fusionskontrollrechts um das Prüfkriterium der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs: Unter Beibehaltung des Prüfmaßstabs des Entstehens oder Verstärkens einer marktbeherrschenden Stellung wird als zusätzlicher Tatbestand das so genannten „SIEC (Significant Impediment of effective Competition) – Kriterium“ eingeführt; damit ist künftig ein Zusammenschluss auch dann zu untersagen, wenn – abseits von Marktbeherrschungsfällen – wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird (§ 12 Abs 1 Z 2 lit b KartG).
    • Erweiterte Möglichkeiten der ausnahmsweisen Genehmigung von Fusionen: Künftig sollen Zusammenschlüsse trotz vorliegender Versagungsgründe auch dann vom Kartellgericht genehmigt werden können, wenn die volkswirtschaftlichen Vorteile die Nachteile des Zusammenschlusses erheblich überwiegen (§ 12 Abs 2 Z 3 KartG).
    • Erhöhung der Pauschalgebühr für die Anmeldung von Zusammenschlüssen auf 6.000 € (bisher: 3.500 €; § 10a WettbG).
  • Schaffung einer effizienteren Missbrauchskontrolle von Unternehmern auf mehrseitigen digitalen Märkten: Ein ex-post-Missbrauchsverfahren gegen Unternehmer, die auf mehrseitigen digitalen Märkten agieren, wird aufgrund der Spezifika der Plattformökonomie oft als zu wenig effizient und schwerfällig beurteilt. Den Amtsparteien und Regulatoren soll daher mit dem neuen § 28a KartG die Möglichkeit gegeben werden, bei berechtigtem Interesse die marktbeherrschende Stellung solcher Unternehmer gerichtlich feststellen zu lassen. Eine solche Entscheidung erfüllt auf dem betroffenen Markt eine Warn- und Signalfunktion für den Unternehmer und die anderen Marktteilnehmer (Veröffentlichung auf der Website der Bundeswettbewerbsbehörde; § 10b WettbG). Bei entsprechender Feststellung kann ein allfällig anschließendes Missbrauchsverfahren rasch und effizient durchgeführt werden.

2. Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden:

  • Aufwertung der Wettbewerbskommission durch Einbeziehung bei der Amtshilfe.
  • Stärkung ihrer Unabhängigkeit und Erweiterung ihrer Mitwirkungsbefugnisse in Angelegenheiten der Zusammenschlusskontrolle.
  • Stärkung der Investitionskontrolle durch Weiterleitung von Zusammenschlussanmeldungen von der BWB an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Sowie in Umsetzung der RL (EU) 2019/1 :

  • Regelung der Rechtshilfe im Kartellrechtsvollzug und Vollstreckungshilfe für Geldbußen und Zwangsgelder (neuer Abschnitt 3a – §§ 35a ff KartG).
  • Anpassungen der Bestimmungen über Geldbußen und Zwangsgelder (Erweiterung der Tatbestände, Sonderbestimmungen für Geldbußen von Unternehmensvereinigungen, Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung).
  • Anpassungen beim Schutz von Kronzeugenerklärungen.

Hinweis:

Bislang war das Kronzeugenprogramm in Österreich sehr flexibel gestaltet. Die RL verrechtlicht nun diese Materie und sieht detaillierte Vorgaben vor,,die tlw auch über eine Verordnungsermächtigung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort umgesetzt werden sollen (vgl § 11b WettbG).

Wie den ErläutRV zu entnehmen ist, wurden im Begutachtungsverfahren zahlreiche Fragen aufgeworfen, die nicht in dieser Novelle gelöst werden können, weil sie weitergehender Beratungen bedürfen (ua Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen bei der Bemessung von Geldbußen,  Verhältnis des Kartellrechts zum Strafrecht ua im Bereich Kronzeugenregelung des § 209b StPO und Verwendung von Kronzeugenerklärungen als Beweismittel in Strafverfahren). Laut ErläutRV wird sich das BMJ dieser strafrechtlichen Fragen unabhängig von diesem Entwurf annehmen (RV 951 BlgNR 27. GP ) .

3. Inkrafttreten

Die Novelle tritt mit dem Tag nach Kundmachung im BGBl in Kraft .

 

 

 

 



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