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J. Arbeitsverträge (Art 8 Rom I) (Lurger/Melcher)

Lurger/Melcher2. AuflJänner 2021

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Internationale Zuständigkeit: Für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen bestehen eigene Zuständigkeitsvorschriften in Art 20–23 Brüssel Ia, die der typischen Schwächerenstellung des Arbeitnehmers Rechnung tragen; der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem Art 7 Z 1 Brüssel Ia (sowie auch der allg Gerichtsstand) wird dadurch verdrängt. Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber vor den Gerichten in dessen Wohnsitzstaat211211Bei fehlendem Wohnsitz innerhalb der EU tritt die Zweigniederlassung oder sonstige Niederlassung in einem Mitgliedstaat an dessen Stelle, sofern es sich um Streitigkeiten aus ihrem Betrieb handelt (Art 20 Abs 2 Brüssel Ia). (Art 21 Abs 1 lit a), am gewöhnlichen Arbeitsort (Art 21 Abs 1 lit b, i) oder am Ort der einstellenden Niederlassung (Art 21 Abs 1 lit b, ii) verklagen – sofern diese

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Orte in einem EU-Mitgliedstaat liegen. Hinsichtlich der dort genannten Gerichtsstände bestimmt Art 21 Abs 1 lit b sowohl die internationale als auch die örtliche, lit a nur die internationale Zuständigkeit. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer hingegen nur im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers verklagen (Art 22 Abs 1) – ihm steht daher auch nach dieser Sondervorschrift nur der allg Gerichtsstand offen. Eine allfällige Widerklage kann der Arbeitgeber aber, abweichend von Art 22 Abs 1, auch bei jenen Gerichten erheben, bei denen die Klage anhängig ist (Art 22 Abs 2).212212EuGH 21.6.2018, Rs C-1/17 (Petronas Lubricants Italy). Eine Abweichung durch Gerichtsstandsvereinbarung ist nur zu Gunsten des Arbeitnehmers (dh durch Eröffnung zusätzlicher Gerichtsstände) möglich oder, ohne diese Einschränkung, nachdem die Streitigkeit bereits entstanden ist (Art 23). Für Entsendesachverhalte eröffnet Art 6 ArbeitnehmerentsendeRL 96/71/EG idF 2018/957 eine zusätzliche Gerichtszuständigkeit: Für Klagen zur Durchsetzung der durch die RL (den entsandten Arbeitnehmern) garantierten Rechte wird ein Gerichtsstand im Empfangsstaat (Staat, in den entsendet wird bzw wurde) begründet. Dadurch wird die Möglichkeit des Arbeitnehmers nicht berührt, am Gericht eines anderen Staates (nach LGVÜ, Brüssel Ia) Klage zu erheben. Der Empfangsstaatsgerichtsstand wird für den Arbeitnehmer aber insofern von Vorteil sein, als idR die Gerichte des Empfangsstaats eher bereit sein werden, ihre eigenen Arbeitnehmerschutzvorschriften anzuwenden, wozu sie nach der RL bzw nach § 1 Abs 4 LSD-BG verpflichtet sind. Die Umsetzung des Richtliniengerichtsstands erfolgte in § 4 Abs 1 lit e ASGG (BGBl 1985/104).

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