Um die neue Rolle zu verstehen, die Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften auf europäischer Ebene zukommen sollte, muss ein Blick auf die Situation der Europäischen Gemeinschaft Mitte der 80er Jahre geworfen worden. Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre war die Aktivität der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Sozialpolitik praktisch zum Stillstand gekommen. Die meisten Länder hatten angesichts der Internationalisierung und Globalisierung der Wirtschaft und der Konkurrenz <i>Fuchs/Marhold/Friedrich</i>, Europäisches Arbeitsrecht<sup>Aufl. 6</sup> (2020), Seite 13 Seite 13
mit Japan und den Vereinigten Staaten eine Abstinenz auf dem Gebiet der Sozialpolitik zT im eigenen Land, vor allem aber erst recht auf europäischer Ebene gefordert. Die Rede war deshalb von einer Eurosklerose. Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsrechts waren – nicht zuletzt unter dem Einfluss der von Margaret Thatcher geführten britischen Regierung – die Orientierungsrichtlinien geworden. Eine Kehrtwendung erfolgte allmählich unter französischem Einfluss. Mitterand hatte Anfang der 80er Jahre ein Memorandum an den Rat gerichtet mit dem Inhalt der Schaffung eines europäischen Sozialraums. Mit ihm sollten drei Ziele verbunden sein: Förderung der Beschäftigungsmöglichkeiten durch die Gemeinschaft, verstärkte Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitungen und Gewerkschaften auf Gemeinschaftsebene und die Verbesserung von Informations- und Konsultationsverfahren auf dem Gebiet des Sozialschutzes. Als 1984 eine neue Kommission unter der Leitung von Jacques Delors berufen wurde, wurden diese Ideen unmittelbar umgesetzt. Delors verband seine Idee eines europäischen Sozialraums mit dem anderen großen Gedanken dieser Jahre, der Verwirklichung des Konzepts eines Europäischen Binnenmarktes. Seine Stoßrichtung war die Verhinderung eines Sozialdumpings mit Wettbewerbsvorteilen für Länder, die eine solche Politik verfolgten: „[...] die positiven Auswirkungen dieses großen Marktes würden verloren gehen, wenn einige Mitgliedstaaten versuchen sollten, sich gegenüber anderen Wettbewerbsvorteile um den Preis eines sozialen Rückschritts zu verschaffen“.