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3. Haftung des „Bergführers aus reiner Gefälligkeit“ (Schickmair)

Schickmair2. AuflFebruar 2020

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Die Frage, ob es zu einer Haftungsbefreiung bzw –milderung kommt, wenn die Schädigung bei der Erbringung einer reinen Gefälligkeitsleistung erfolgt, wird vor allem im Zusammenhang mit Bergtouren diskutiert. Der OGH848848OGH 1 Ob 293/98i, JBl 2000, 305. bejahte den Anspruch des verletzten unerfahrenen Bergwanderers, der beim Abstieg auf einem Schneefeld ausrutschte, gegenüber seinem Begleiter, der über große Berg- und Gletschererfahrung verfügte und die Tour „führte“. Im vorliegenden Fall hätte der Beklagte – so das Höchstgericht – angesichts der von ihm zu erwartenden und vom Kläger auch erwarteten Sachkenntnis das abschüssige Schneefeld als gefährlich einstufen und deshalb für dessen gefahrlose Querung die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen. Dem entgegen machte er dem Kläger vor, der Abstieg über das Schneefeld sei nahezu ungefährlich, verschwieg die für ihn erkennbare Gefahr und überredete den Kläger sogar zum schwierigen Abstieg. Der Beklagte verletzte dadurch seine Sorgfaltspflicht. Dass er den Kläger nur aus Gefälligkeit auf die Bergtour mitgenommen hat, spielte für den OGH keine Rolle: Bei einem Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Bergtour könne zwar nie der Geübtere oder Erfahrenere allein deshalb verantwortlich gemacht werden, weil er die Führung übernommen, das Unternehmen geplant oder die Route ausfindig gemacht oder während der Tour eine deutlich erkennbare Initiative entwickelt hat. Übernimmt aber jemand faktisch die Führung oder aus Gefälligkeit, kennt er den Routenverlauf und verschweigt er die erst später auftretenden, für seine unerfahrenen Begleiter vorher nicht erkennbaren Gefahren

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und Schwierigkeiten oder überredet ihn zu schwierigen Unternehmungen, haftet der „Bergführer“ für diesen Sorgfaltsverstoß.849849OGH 1 Ob 293/98i, JBl 2000, 305; so schon OGH 7 Ob 580/78. Besondere Sorgfaltspflichten können sich aber nicht nur aus der Übernahme einer „Führerrolle“, sondern ganz allgemein aus der Übernahme von Pflichten ergeben. Sie können somit auch zwischen „gleichrangigen“ Gruppenmitgliedern bestehen. Dabei ist schadenersatzrechtlich lediglich die freiwillige Pflichtenübernahme entscheidend; die rechtliche Qualifikation des Verhältnisses zwischen den Parteien als bloße Gefälligkeit oder Vertrag ist für den anzulegenden Sorgfaltsmaßstab ohne Bedeutung.850850OGH 6 Ob 91/12v, EvBl 2013, 171 (Denk); dazu auch Kocholl, ZVR 2013, 234; Kind, ZVR 2013, 241.

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