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B. Sonstige (Verpflichtungs-)Wirkungen (Koller)

Koller1. AuflJuli 2011

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Im (prozessualen) Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, eine Schiedsvereinbarung begründe keine materiellrechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien. Es folge bereits aus der prozessualen Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung, dass diese ausschließlich prozessuale Wirkungen entfaltet. Materiellrechtliche Pflichten, die Schiedsvereinbarung zu erfüllen – wie bsp die Pflicht, Schiedsrichter zu bennen, am Verfahren mitzuwirken oder Kostenvorschüsse zu leisten –, seien ebenso abzulehnen wie Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung der Schiedsvereinbarung.12151215 Böhm, ZfRV 1968, 267 ff; Fasching, Kommentar IV 738; ders, Schiedsgericht 35 f; ders, JBl 1993, 551; Hausmaninger in Fasching/Konecny2 § 581 ZPO Rz 261; Zeiler § 581 Rz 18; differenzierend Fremuth-Wolf in Arbitration Law of Austria § 581 ZPO Rz 55 f; auch diese Autorin verneint jedoch, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung spezifische – im Vergleich zu staatlichen Gerichtsverfahren gesteigerte – Loyalitäts- oder Verfahrensförderungspflichten begründet. In diesem Punkt besteht eine beachtliche Antinomie zwischen österreichischem und deutschem Meinungsstand: Nach der deutschen Lehre12161216Vgl Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit Rz 205; Lachmann, Handbuch3 Rz 441 ff; Münch in MünchKomm ZPO3 § 1029 dZPO Rz 117; Schlosser in Stein/Jonas IX22 § 1029 dZPO Rz 30; Steinbrück, Unterstützung 281; Trittmann/Hanefeld in Böckstiegel/Kröll/Nacimiento, Arbitration in Germany § 1029 Rz 43; Voit in Musielak7 § 1029 dZPO Rz 26; ebenso Geimer in Zöller28 § 1029 dZPO Rz 17, der die (Verfahrens-)Förderungspflichten allerdings prozessual qualifiziert; teilweise aA Schwab/Walter 7 Kap 7 Rz 20, nach dem die Schiedsvereinbarung nur prozessuale Lasten begründet; der Autor anerkennt jedoch eine Verpflichtung der Parteien zur Zahlung eines Kostenvorschusses. und

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Rsp12171217BGH VII ZR 110/69, BGHZ 55, 344 = NJW 1971, 888 (Verfahrensförderungspflicht allg); OLG Oldenburg 8 U 103/70, NJW NJW 1971, 1461 (Breetzke 2080) (Pflicht zur Zahlung eines Kostenvorschusses); BGH III ZR 169/83, BGHZ 94, 92 = NJW 1985, 1903 (Pflicht zur Zahlung eines Kostenvorschusses); BGH III ZR 29/87, NJW 1988, 1215 (Mitwirkungspflichten allg). wurzeln in der Schiedsvereinbarung zahlreiche Pflichten der Parteien, deren Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen kann. Ganz allgemein wird eine Verfahrensförderungspflicht und spiegelbildlich dazu auch die Pflicht, alles zu unterlassen, was den ordnungsgemäßen Ablauf des Schiedsverfahrens obstruieren könnte (Loyalitätspflicht), bejaht; umstritten ist zum einen jedoch der genaue Umfang dieser Verpflichtungen12181218Vgl Lachmann, Handbuch3 Rz 440 ff. und zum anderen die Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflichten im Wege einer Erfüllungsklage12191219Ausführlich hierzu Steinbrück, Unterstützung 282. Sofern die ZPO subsidiäre Mechanismen bereithält, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern, wird das Rechtsschutzinteresse für eine Erfüllungsklage verneint; dies schließt freilich Schadenersatzansprüche für Pflichtverstöße nicht aus. Einigkeit besteht jedoch über die Klagbarkeit der Kostenvorschusspflicht (s dazu Rz 3/367 ff).. In der Praxis werden durch Verfahrensobstruktionen verursachte Verzögerungsschäden vielfach im Rahmen der Kostenentscheidung des Schiedsgerichts berücksichtigt.12201220Vgl Sandrock, IDR 2004, 111; Wenger/Müller in Honsell/Vogt/Schnyder/Berti2 Art 178 Rz 79; Wilske, SchiedsVZ 2006, 188. Zu den regelmäßig angeführten Pflichten zählen insbesondere: die Mitwirkung an der Konstituierung des Schiedsgerichts, die Zahlung von (anteiligen) Vorschüssen für die Kosten des Verfahrens, die Pflicht zu wahrheitsgemäßem Vorbringen sowie die Pflicht, die Vertraulichkeit über Einleitung und Fortgang des Schiedsverfahrens zu wahren. Zum Teil wird darüber hinaus die aus der Schiedsvereinbarung resultierende Verpflichtung der Parteien erörtert, die Anrufung staatlicher Gerichte zu unterlassen.12211221Vgl zum Ganzen die Nachweise in FN 1260; vereinzelt wird auch eine Pflicht der Parteien, den Schiedsspruch zu erfüllen, in Erwägung gezogen; die Begründung einer solchen Verpflichtung durch den Abschluss einer Schiedsvereinbarung hat der OGH bereits früh verneint; vgl OGH 2 Ob 388/31, ZBl 1931/222, 620; s dazu auch Fremuth-Wolf, Schiedsvereinbarung 149 FN 261; aA Stacher, Rechtsnatur Rz 362 ff, der einen dahingehenden Parteiwillen bejaht, die Umsetzungspflicht jedoch als nicht klagbar qualifiziert.

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