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III. Zivilrechtliche Verantwortung jenseits des klassischen Unternehmerrisikos (Harrer)

Harrer1. AuflJuni 2022

Die unternehmerische Leitungstätigkeit ist risikobehaftet. Das unternehmerische Risiko und die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme des Leitungsorgans werden in einem engen Zusammenhang gesehen. Aus diesem Grund war der Gesetzgeber bemüht, bei „unternehmerischen Entscheidungen“ helfend einzugreifen.3535Die Diskussion betreffend die Business Judgment Rule (§ 25 Abs 1 a GmbHG, § 84 Abs 1 a AktG) kann hier nicht im Detail aufgegriffen werden. Die Legislative hat weithin anerkannte Regeln in das GmbHG bzw AktG transferiert. Über Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieser Strategie kann man offensichtlich unterschiedliche Standpunkte vertreten (skeptisch zB Harrer, Kritisches zur Business Judgment Rule, wbl 2016, 709 ff; vgl auch Scholz, Haftungsprivileg, safe harbor oder verbindliche Konkretisierung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs?, AG 2018, 173 ff). Der vorliegende Beitrag verdeutlicht, dass die Fokussierung auf die unternehmerische Entscheidung ein Fehlgriff im Rahmen der ohnehin verfehlten Idee war, die Business Judgment Rule zu kodifizieren; eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Business Judgment Rule bieten Told/Warto (s o S 22 ff); aus dem neueren Schrifttum s noch Mitterecker, Organhaftung bei unklarer Rechtslage, GesRZ 2022, 14 ff. Der OGH hat sich mit der Business Judgment

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Rule in einem privatstiftungsrechtlichen Zusammenhang befasst.3636OGH 23.2.2016, 6 Ob 160/15w, GesRZ 2016, 293. Als einen Beleg für die praktische Bedeutung der neuen Regelungen wird man diesen Beschluss allerdings nicht qualifizieren können.3737Nach der hier vertretenen Auffassung (Harrer, wbl 2016, 709 ff) enthalten § 25 Abs 1a GmbHG, § 84 Abs 1 a AktG Maßstäbe und Standards, die längst allgemein akzeptiert waren. Für eine Kodifizierung bestand also kein Anlass. In dem Beschluss vom 23.2.2016 befasste sich der OGH eingehend mit der Business Judgment Rule iS der §§ 25 Abs 1a GmbHG, 84 Abs 1 a AktG. Weniger klar ist, warum das Höchstgericht dies tat. Den Anlass lieferte ein Antrag auf Abberufung von Stiftungsorganen nach § 27 PSG. Dieser Antrag setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus (§ 27 Abs 2 PSG). Einen wichtigen Grund bildet insb die grobe Pflichtverletzung (§ 27 Abs 1 Z 1 PSG). Der OGH nahm an, dass den Funktionären Pflichtverletzungen nicht vorzuwerfen sind bzw dass jedenfalls von grober Pflichtverletzung nicht ausgegangen werden könne. Deshalb erhebt sich die Frage, welche Rolle die Business Judgment Rule spielen sollte.

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