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IX. Insichgeschäfte und Rechtsgeschäfte mit Leitungsorganmitgliedern (Told/Warto)

Told/Warto1. AuflJuni 2022

A. Insichgeschäfte

1. Grundsatz: Unwirksamkeit

Ein Insichgeschäft liegt vor, wenn ein Vertreter Rechtswirkungen durch Abgabe zweier übereinstimmender Willenserklärungen für unterschiedliche Personen herbeiführen will. Im Detail werden zwei Arten differenziert: Im Fall des Selbstkontrahierens schließt das Vertretungsorgan einen Vertrag mit dem Vertretenen, konkret der Gesellschaft, und sich selbst ab, indem es sowohl im eigenen als auch im fremden Namen übereinstimmende Willenserklärungen abgibt. Sofern das Vertretungsorgan zugleich als Vertreter der Gesellschaft sowie auch als Vertreter einer anderen Person tätig wird, liegt eine Doppelvertretung vor.695695Vgl OGH 19.4.2021, 5 Ob 48/21a (Rz 6). In beiden Ausformungen ist das abgeschlossene Insichgeschäft grundsätzlich unwirksam (s aber Abschnitt IX.A.2.).696696 Reich-Rohrwig in WK GmbHG, § 25 Rz 160; Wünsch in FS Hämmerle 451 (454, 472); Wünsch § 25 Rz 85 aA aber in Rz 97; OGH 2.10.1996, 28 R 29/96y, NZ 1997, 295; 15.12.1982, 3 Ob 647/82, EvBl 1983/39; 2.3.1982, 5 Ob 4/82, JBl 1984, 315 (316); zum Management Buy Out s Koppensteiner, ZHR 155 (191) 97 (107). Der Grund dafür liegt in der typischen Interssenskollision des Vertreters, der zugleich zwei gegenläufige Interessen gleichermaßen wahrnehmen müsste, was selten gelingt. Die Richtigkeitsgewähr des Konsenspreises fällt beim Insichgeschäft daher typischerweise weg, weshalb es grundsätzlich unwirksam ist.697697OGH 28.11.1991, 8 Ob 527/91, GesRZ 1992, 51; 7.4.1992, 5 Ob 67/92, HS 22.788 = RdW 1992, 369; 25.3.2010, 5 Ob 179/09y; Thöni, wbl 1988, 102 (104); Reich-Rohrwig/Cl. Grossmayer/K. Grossmayer/Zimmermann in Artmann/Karollus, AktG6 § 84 Rz 234; wohl aA S.-F. Kraus/U. Torggler in Torggler, GmbHG § 25 Rz 18. Uneinheitlich werden die normativen Gründe für die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts beurteilt. Einerseits

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wird vertreten, dass es dem gesetzlichen Vertretungsorgan für Insichgeschäfte bereits an der Vertretungsmacht fehlt.698698Für eingeschränkte Vertretungsmacht OGH 2.3.1982, 5 Ob 4/82, JBl 1984, 315; Flume, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts II, Das Rechtsgeschäft § 48 1 (811). Andererseits werden Insichgeschäfte infolge Missbrauchs der Vertretungsmacht als sittenwidrig und daher nichtig qualifiziert.699699Für fehlende Geschäftsführungsbefugnis, die nach den Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht auf das Außenverhältnis durchschlägt Nowotny, RdW 1987, 35; U. Torggler, ecolex 2009, 920 (921); U. Torggler, Anm zu OGH 16.3.2007, 6 Ob 34/07d, GesRZ 2007, 271 (273); U. Torggler in WK GmbHG, § 18 Rz 34; S.-F. Kraus/U. Torggler in Torggler, GmbHG § 25 Rz 18. Da der Verkehrsschutzzweck der organschaftlichen Vertretungsmacht nicht auch bei Abschluss von Insichgeschäften trägt, sind für die Gesellschaft nachteilige Insichgeschäfte mit den Geschäftsleitern infolge teleologischer Reduktion der organschaftlichen Vertretungsmacht unwirksam. Der abschließende Geschäftsleiter haftet der Gesellschaft gegenüber für einen etwaigen Schaden, sofern er ein Insichgeschäft trotz Unwirksamkeit abwickelt. Aufgrund der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts sind im Hinblick auf dieses erbrachte Leistungen bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln (§ 1431 ABGB).700700 U. Torggler, Anm zu OGH 16.3.2007, 6 Ob 34/07d, GesRZ 2007, 271 (275 Punkt 5.3.).

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