Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Selbständigen-Sozialversicherungsgesetz und das Sozialversicherungs-Ergänzungsgesetz geändert werden sollen; BGBl I 2024/46 vom 30. 4. 2024 (941/BNR , AB 2516 BlgNR 27. GP , 3983/A BlgNR 27. GP )
1. Überblick
Mit der vorliegenden Sammelnovelle werden eine Reihe kleinerer Änderungen im Sozialversicherungsrecht umgesetzt. Es wurden verschiedene ältere Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs in das ASVG und andere Sozialversicherungsgesetze eingearbeitet und Adaptierungen beim Rehabilitationsgeld vorgenommen (rein organisationsrechtliche Änderungen die Sozialversicherungsträger betreffend werden hier nicht angeführt). Zudem werden nun Währungsschwankungen zeitnaher berücksichtigt.
Die Änderungen treten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft, so insbesondere zum 1. 5. 2024.
2. Zuschüsse für die Nutzung CO2-emissionsfreier Fahrzeuge im Rahmen von Carsharing
Die mit dem Teuerungs-Entlastungspaket Teil II, BGBl I 2022/163, vorgesehene Begünstigung (dh Steuerfreiheit) für Zuschüsse des Dienstgebers für nicht beruflich veranlasste Fahrten von Dienstnehmern im Rahmen von Carsharing bis zu € 200 pro Kalenderjahr führt nun auch zur Beitragsfreiheit dieser Zuschüsse (§ 49 Abs 3 Z 33 ASVG; Inkrafttreten mit 1. 7. 2024).
Carsharing ist die Nutzung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern oder Krafträdern, die einer unbestimmten Anzahl von Fahrern auf der Grundlage einer Rahmenvereinbarung und einem die Energiekosten miteinschließenden Zeit- oder Kilometertarif oder Mischformen solcher Tarife angeboten und vom Dienstnehmer selbstständig reserviert und genutzt werden können. Der Zuschuss darf nur für die Nutzung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern oder Krafträdern mit einen CO2-Emissionswert von Null verwendet werden. Der Zuschuss muss direkt an den Carsharing-Anbieter oder in Form von Gutscheinen geleistet werden.
3. Rehabilitationsgeld
3.1. Erlöschen des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld
In Anlehnung an die Regelung im Arbeitslosenversicherungsgesetz (§ 22 Abs 1 AlVG) wurde nun geregelt, dass der Anspruch auf Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG nicht nur bei Anfall einer (vorzeitigen) Alterspension, sondern auch bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine (reguläre) Alterspension erlischt. (§ 100 Abs 3 ASVG; Inkrafttreten mit 1. 7. 2024)
Das Rehabilitationsgeld wurde im Rahmen des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2012 eingeführt. Zentrale Herausforderung dabei war, eine Antwort auf das – auch im internationalen Vergleich – frühe Pensionszugangsalter vor allem bei Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen zu finden. Zielsetzung war, durch rechtzeitige Interventionen gesundheitliche und soziale Risiken erst gar nicht oder zumindest später eintreten zu lassen, und so Menschen länger im aktiven Erwerbsprozess zu halten. Präventive Sozialpolitik und Reintegration in den Arbeitsmarkt traten dabei in den Vordergrund. Als Ersatz für die befristete Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension wurde für Personen, deren Pensionsantrag mangels dauernder Invalidität (Berufsunfähigkeit) abgelehnt wird, bei denen jedoch bescheidmäßig das Vorliegen vorübergehender Invalidität (Berufsunfähigkeit) im Ausmaß von mindestens 6 Monaten festgestellt wird, ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld geschaffen. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzungen soll ab dem Zeitpunkt, ab dem eine (reguläre) Alterspension bezogen werden kann, kein Rehabilitationsgeld gebühren.
Durch einen Verweis in § 100 Abs 3 ASVG auf § 100 Abs 2 letzter Satz ASVG ist geregelt, dass Beträge an Rehabilitationsgeld, die nach Erlöschen des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld mit dem Anfall einer (vorzeitigen) Alterspension oder mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine (vorzeitige) Alterspension noch geleistet wurden, von den aus dem Anspruch auf (vorzeitige) Alterspension für den gleichen Zeitraum zu leistenden Beträgen einzubehalten und gegebenenfalls dem aus dem früheren Anspruch verpflichteten Versicherungsträger zu überweisen sind.
3.2. Entzug des Rehabilitationsgeldes bei Erwerbsunfähigkeit nach GSVG/BSVG
Ist eine Person neben dem Bezug von Rehabilitationsgeld weiter selbstständig erwerbstätig, erwirbt sie Pflichtversicherungszeiten nach dem GSVG oder BSVG. Es kann demnach vorkommen, dass die Leistungszuständigkeit für eine Pension wegen dieser Zeiten zur SVS wandert. Für diese Situation wurde in § 99 Abs 3 Z 1 lit b sublit dd ASVG eindeutig klargestellt, dass das Rehabilitationsgeld zu entziehen ist, wenn Erwerbsunfähigkeit nach § 133 GSVG oder § 124 BSVG festgestellt wird. Die Entziehung wird mit dem auf die Zustellung des Entziehungsbescheids folgenden Monatsersten wirksam.
Unter einem ist im GSVG und BSVG wie in § 86 Abs 6 ASVG sichergestellt, dass die Erwerbsunfähigkeitspension nahtlos an den Rehabilitationsgeldbezug anschließt (ohne neuerlichen Antrag, mit besonderem Pensionsstichtag und der Annahme, dass die Wartezeit erfüllt ist). Die Erwerbsunfähigkeitspension fällt mit dem auf die Wirksamkeit der Entziehung des Rehabilitationsgeldes folgenden Tag an. Dazu wurde nun klargestellt, dass auch für diesen Anfall der Pensionsleistung bei Entziehung des Rehabilitationsgeldes grundsätzlich die Aufgabe der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit (die für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit maßgeblich war) erforderlich ist. Die Erwerbsunfähigkeitspension fällt jedoch auch in diesen Fällen erst an, wenn die Wiedereingliederung in das Berufsleben durch gewährte medizinische oder berufliche Maßnahmen der Rehabilitation, die der versicherten Person unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie der von ihr bisher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sind, nicht bewirkt werden kann. Das grundsätzliche Erfordernis der Aufgabe oder Karenzierung der Tätigkeit, aufgrund welcher die versicherte Person als invalid gilt, wurde in § 86 Abs 6 ASVG ergänzt.
4. Hinterbliebenenpensionen
4.1. Waisenpension
Hinterbliebenenpensionen fallen grundsätzlich mit dem auf den Versicherungsfall folgenden Tag an, wenn der Antrag binnen 6 Monaten nach dem Versicherungsfall gestellt wird, bei späterer Antragstellung mit dem Tag der Antragstellung. Um Härtefälle bei verspäteter Antragstellung zu entschärfen und den Schutz Minderjähriger zu stärken, wurde im Sozialrechts-Änderungsgesetz, BGBl I 1993/335, vorgesehen, dass Waisenpensionen bereits mit dem auf den Versicherungsfall folgenden Tag anfallen, sofern der Antrag längstens bis zum Ablauf von 6 Monaten nach dem Eintritt der Volljährigkeit gestellt wird. Diese Regelung trat am 1. 7. 1993 in Kraft (§ 551 Abs 1 Z 1 ASVG).
Im Erkenntnis VfGH 4. 12. 2017, G 125/2017, ARD 6589/12/2018, führte der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang aus, dass sich eine aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung geschäfts- oder prozessunfähige (volljährige) Person in einer rechtlich vergleichbaren Lage mit einer minderjährigen Person befinde, weshalb kein sachlicher Grund dafür zu erkennen sei, dass der Gesetzgeber zwar weitreichende Schutzvorschriften für Minderjährige vorsieht, nicht aber für den genannten Personenkreis. Im Rahmen des Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetzes, BGBl I 2018/59, ARD 6612/12/2018, wurde daher die bis dahin für minderjährige Personen geltende Fristverlängerung auf eingeschränkt geschäftsfähige Personen ausgeweitet. Diese Ausweitung trat im Anwendungsbereich des ASVG am 15. 8. 2018 in Kraft (§ 86 Abs 3 Z 1 und § 716 Abs 1 ASVG).
Um Härtefälle zu vermeiden, wurde nun sichergestellt, dass künftig auch in den Fällen, in denen der Versicherungsfall vor dem 15. 8. 2018 eingetreten ist, die Frist für die Antragstellung auf Waisenpension erst mit Ablauf von 6 Monaten nach dem Wiedererlangen der Geschäftsfähigkeit endet. (§ 799 Abs 2 ASVG)
4.2. Witwen-/Witwerpension
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 4. 12. 2017, G 258-259/2017, entschieden, dass die Verschiedengeschlechtlichkeit für den Zugang zur Ehe keine Voraussetzung mehr ist. Aufgrund dieses Erkenntnisses können seit 1. 1. 2019 auch gleichgeschlechtliche Personen eine rechtsgültige Ehe schließen. Dies kommt nunmehr im Wortlaut der Bestimmungen über den Anspruch auf Witwen- bzw Witwerpension eindeutig zum Ausdruck kommen. (§ 258 Abs 1 ASVG; Inkrafttreten mit 1. 5. 2024)
5. Währungsumrechnung von Beträgen in Fremdwährungen
Beträge in Fremdwährungen sind bei vielen Sozialversicherungsleistungen bei Auslandsbezug (zB Pensionen, Ausgleichszulage) und zB auch bei der Ermittlung des Krankenversicherungsbeitrags nach § 73a ASVG zu berücksichtigen und spielen im zwischenstaatlichen Bereich eine immer größere Rolle. Die Berechnung bestimmter Leistungen und Beiträge erfordert daher eine Umrechnung der in ausländischer Währung bezifferten maßgebenden Beträge.
Im Verhältnis zu jenen Staaten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen und deren Währung nicht der Euro ist, gelten unmittelbar die VO (EG) Nr 883/2004 und 987/2009. Nach Art 90 VO (EG) 987/2009 ist für die Währungsumrechnung der jeweilige Referenzwechselkurs der Europäischen Zentralbank heranzuziehen und die Verwaltungskommission hat den konkreten Bezugszeitpunkt für die Festlegung des Wechselkurses zu bestimmen. Mit Beschluss Nr H12 (ABl C 93, vom 28. 2. 2022, S 6) ist die Verwaltungskommission dieser Verpflichtung nachgekommen. Für die Berücksichtigung von Währungsschwankungen wurde in diesen Regelungen allerdings keine Vorsorge getroffen. Es ist daher erforderlich, im nationalen Bereich Regelungen für die Berücksichtigung von Währungsschwankungen im Anwendungsbereich des Unionsrechts vorzusehen. Diese Regelungen müssen einerseits den vom EuGH genannten Aspekten zur Berücksichtigung von Währungsschwankungen Rechnung tragen und andererseits einen nicht gerechtfertigten, unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand vermeiden. In § 8e Abs 1 SV-EG wurde nun vorgesehen, dass im Fall, dass Beträge in Fremdwährungen im Anwendungsbereich der Verordnung und der Durchführungsverordnung umgerechnet wurden, eine neue Umrechnung dieser Beträge erfolgt, sobald eine Kursveränderung von mehr als 10 % gegenüber der letzten Umrechnung eintritt. Der neue Umrechnungskurs ist ab dem ersten Tag des Monats zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, in welchem die Kursveränderung eingetreten ist.
Für die Umrechnung von Fremdwährungen aus Staaten, für die das Unionsrecht nicht gilt, fehlen vergleichbare Regelungen betreffend die Währungsumrechnung, da auch die von Österreich geschlossenen bilateralen Sozialversicherungsabkommen idR keine derartigen Regelungen enthalten. Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten wurden bisher vom Dachverband der Sozialversicherungsträger jährliche Fixkurse ermittelt und den Trägern zur Verfügung gestellt. Diese aus den 1970er Jahren stammende Praxis entspricht nicht mehr dem Ziel der Ermittlung möglichst realer Gegenwerte. Daher ist auch im Verhältnis zu diesen Staaten eine gesetzliche Klarstellung erforderlich. In § 8e Abs 2 SV-EG gibt es nun eine Regelung, die dieselben Grundsätze wie nach dem Unionsrecht für anwendbar erklärt. Dies gewährt einerseits Rechtssicherheit und stellt andererseits unter Berücksichtigung verwaltungsökonomischer Grundsätze eine zeitgemäße Umrechnungsmethode durch Ermittlung möglichst realer Gegenwerte sicher. Abweichende Regelungen in Abkommen über soziale Sicherheit (zB im AbkSozSi-Albanien) oder auf deren Grundlage geschlossenen Verwaltungsvereinbarungen bleiben ausdrücklich unberührt.