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XV. Schädigermehrheit im Strafrecht

Bürkl1. AuflMärz 2023

A. Allgemeines

ISd Einheit der Rechtsordnung scheint es unumgänglich, die Verantwortlichkeit mehrerer Schädiger nicht nur aus zivilrechtlicher Sicht, sondern auch im strafrechtlichen Kontext zu betrachten. Trotz weitgehender Annäherung des Zivil- und Strafrechts im Bereich der objektiven Zurechnung, kommt es in der Praxis bei den Entscheidungen mitunter durchaus zu Divergenzen13961396 S zB Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht AT16 Rz 28.15. Sa Koziol, Grundfragen Rz 2/87.. Von großer Bedeutung ist dabei, dass zivilrechtliche Instrumente (wie bspw das Mitverschulden) ab und an flexiblere Lösungen bieten als das Strafrecht, wo es generell nur eine Entweder-Oder-Lösung gibt13971397 Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht AT16 Rz 28.15. So kann demnach bspw in manchen Fällen ein Schädiger zivilrechtlich zur Haftung herangezogen werden und gleichzeitig aber wegen derselben Tat unter dem Aspekt des fehlenden Risikozusammenhangs strafrechtlich nicht belangt werden.. Des Weiteren kann das Zivilrecht auch zB iSd § 1302 ABGB auch dort eine Solidarhaftung vorsehen, wo im Strafrecht wegen ungeklärter Kausalität iSd Grundsatzes „in dubio pro reo“ die Erfolgszurechnung gerade entfallen würde. Diese Abweichung beruht ua darauf, dass nur die strafrechtlichen Verhaltenspflichten in das Deliktsrecht einbezogen werden, nicht aber die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen13981398 Karollus, Schutzgesetzverletzung 244.. Derartige Unterschiede ergeben sich mitunter aber auch aus den unterschiedlichen Zielsetzungen des Straf- bzw Zivilrechts: Das Strafrecht richtet sich nicht auf den Ausgleich des dem Verbrechensopfer zugefügten Nachteils, sodass es dort nicht den Eintritt eines Schadens bedarf. Mit der Verhängung bestimmter Sanktionen bezweckt das Strafrecht va den Rechtsgüterschutz und die Umsetzung des Präventionsgedankens – nicht die Kompensation negativer Folgen sozialschädlichen Handelns (wie etwa eines eingetretenen Schadens) steht im Vordergrund, sondern das Bestreben, gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten als deren Ursache hintan zu halten13991399 Koziol, Grundfragen Rz 2/79; Till/Zwettler, SPRW 2014, 539.. Im Schadenersatzrecht steht somit der entstandene Schaden im Fokus, wohingegen im Strafrecht eher der Unwert der getätigten Handlung (bzw Unterlassung) in den Vordergrund gerückt wird14001400 F. Bydlinski, Schadensverursachung 24; Häusler, Haftung ohne Kausalitätsnachweis 52.. Konsequenz der unterschiedlichen Funktionen und Ziele von Schadenersatz- und Strafrecht ist, dass Haftung und Strafe als grundsätzlich voneinander losgelöst zu betrachten sind14011401 Koziol, Grundfragen Rz 2/80.. Die teilweise divergierenden Ergebnisse, die sich aus den unterschiedlichen Stoßrichtungen ergeben, werden mitunter auch bei der Strafbarkeit bei versuchter Beteiligung deutlich: Bleibt es beim Versuch, kommt mangels Schadens kein Schadenersatzanspruch in Frage – dennoch kann dagegen im Strafrecht eine Strafbarkeit bestehen.

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