1: Die §§ 1301 f ABGB können auf eine langjährige Entwicklungsgeschichte zurückblicken. Das römische Deliktsrecht zeichnete sich dabei durch eine mitunter sehr kasuistische Normierung von Einzeltatbeständen aus, wobei auch schon die Schädigermehrheitsfälle (schon damals teilweise strittig) Berücksichtigung fanden. Es wurde dabei versucht, im Einzelfall der Gerechtigkeit angemessene Lösungen zu finden, ohne dabei zwingend nach allgemein gültigen Aussagen zu suchen. Dem älteren Recht war die Personenmehrheit im Schuldrechtsverhältnis ebenfalls durchaus vertraut. Ab dem Codex Theresianus zeigt sich klar, wie die anfänglich sehr vielen einzelfallbezogenen Normen und Tatbestände über die Schädigermehrheit im Laufe der Zeit mit jeder weiteren Kodifikation abstrahiert wurden, bis letztlich der Normtext der §§ 1301 f ABGB in seiner heutigen Gestalt (dieser ist schon seit 1812 unverändert) entstanden ist. Die Entstehungsgeschichte und der letztliche Wortlaut der §§ 1301 f ABGB lassen erkennen, dass die Haftung mehrerer über die Grenzen der nachweisbaren Verursachung hinausgehen kann: Wer etwa als Mittäter fungiert, haftet solidarisch – ebenso in den Fällen, in denen die Anteile am Schaden nicht bestimmt werden können (Kapitel II).

