I. Systematik der Liquidationsgewinnermittlung
1. Liquidationsgewinnermittlung bei unter § 19 Abs 1 KStG fallenden Körperschaften
Der Gewinn einer unter § 7 Abs 3 KStG fallenden Körperschaft ist grundsätzlich nach § 5 Abs 1 EStG (Maßgeblichkeitsgrundsatz) zu ermitteln. § 19 Abs 2 bis 6 KStG enthält jedoch spezielle Regelungen über die Ermittlung des Liquidationsgewinns einer unter § 19 Abs 1 KStG fallenden, aufgelösten und abzuwickelnden Körperschaft. § 19 KStG verdrängt somit im Falle einer untergehenden Körperschaft als lex specialis413 zwingend die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des EStG und des KStG, somit insbesondere das Prinzip der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für die steuerrechtliche Gewinnermittlung. § 19 Abs 2 KStG bestimmt, dass der Liquidationsgewinn auf Ebene der untergehenden Körperschaft durch Vergleich des Abwicklungsendvermögens414 mit dem Abwicklungsanfangsvermögen415 zu erfolgen hat und der Liquidationsgewinn somit den Unterschiedsbetrag zwischen beiden bildet.416 Vom Spezialcharakter der § 19 Abs 2 bis 5 KStG macht § 19 Abs 6 KStG wiederum eine Gegenausnahme bzw Klarstellung, wonach für Zwecke der Gewinnermittlung während der Liquidation die speziellen Liquidationsgewinnermittlungsvorschriften des § 19 Abs 2 bis 5 KStG von den „allgemeinen Vorschriften“ ergänzt werden.417 In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass obwohl § 19 KStG stets vom „Liquidationsgewinn“ spricht und es sich beim Liquidationsgewinn um den Hauptbestandteil des Liquidationseinkommens handelt, die Liquidationsbesteuerung nach hA das gesamte, während der Abwicklung erzielte Einkommen umfasst418 , womit mE nicht nur die in § 19 Abs 6 KStG erwähnten „Gewinnermittlungsvorschriften“ sondern auch die sonstigen Einkommensermittlungsvorschriften des KStG (wie zB § 8 Abs 4 KStG) - somit das gesamte sonstige Einkommen- und Gewinnermittlungsrecht - für Zwecke der Liquidationsbesteuerung als leges generales heranzuziehen sind419, sofern das Liquidationsbesteuerungsregime des § 19 KStG nichts Gegenteiliges vorsieht. Was die Veranlagung des ermittelten Liquidationseinkommens betrifft, ist schließlich § 19 Abs 3 KStG von großer Bedeutung, da diese Bestimmung für den Fall der Liquidation einer untergehenden inländischen - und mE auch ausländischen über Inlandsbetriebsstätten verfügenden beschränkt steuerpflichtigen420 - Körperschaft einen verlängerten Besteuerungszeitraum vorsieht.421

