A. Das Verwaltungsstrafrecht
1. Allgemeines
Das Verwaltungsstrafrecht stimmt in vielen Bereichen mit dem gerichtlichen Strafrecht überein, zwischen beiden Bereichen besteht kein „Wesensunterschied“.585 Gleichzeitig ist das Verwaltungsstrafrecht im Gegensatz zum gerichtlichen Strafrecht wissenschaftlich wenig durchdrungen. Vielmehr wird die Dogmatik des gerichtlichen Strafrechts im Wesentlichen übernommen.586 Dies trifft auch auf die Begründung und den Ausschluss verwaltungsstrafrechtlichen Unrechts zu: Erfüllt jemand einen Verwaltungsstraftatbestand, verwirklicht er verwaltungsstrafrechtliches Unrecht.587 Dieses kann jedoch wie im gerichtlichen Strafrecht durch das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen ausgeschlossen werden: Gem § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie „obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist“. Das VStG enthält keine verwaltungsrechtsspezifischen Rechtfertigungsgründe. Die allgemeinen Rechtfertigungsgründe des gerichtlichen Strafrechts finden auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechts Anwendung.588 Hinsichtlich der objektiven Voraussetzungen bestehen zwischen gerichtlichem und Verwaltungsstrafrecht jedenfalls keine Unterschiede. Begeht etwa eine Person in einer Notstandssituation eine Verwaltungsübertretung, etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung, ist sie gerechtfertigt, wenn eine Notstandsituation vorlag, das gerettete Rechtsgut höherwertig ist und auch die sonstigen objektiven Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands vorliegen.589

