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Richter und Strafverfahren - am Beispiel des literarischen Werkes von Gerhard Roth (Heinz Müller-Dietz)

Müller-Dietz1. AuflSeptember 2006

I. Einleitung

Das Strafverfahren ist in zunehmendem Maße in den Sog praktischer und rechtlicher Veränderungen geraten. Die Gründe dafür - die an dieser Stelle nicht im Einzelnen erörtert werden können - sind vielfältiger Natur. Sie haben gewiss vor allem mit weitreichenden und einschneidenden Folgen des gesellschaftlichen Wandels zu tun, der sich schon seit geraumer Zeit auf die Entwicklung der Kriminalität und die Gestaltung der Kriminalpolitik auswirkt. Dabei bilden aktuelle Reformbestrebungen auf dem Gebiet des Strafverfahrens einmal mehr die Unterschiedlichkeit und Komplexität rechtspolitischer Interessenlagen und Zielvorstellungen ab, die sich keineswegs immer durch einfache und glatte Lösungen zur Deckung bringen lassen. Es geht nicht allein um eine effizientere, rationellere - und damit zugleich zeit- und kostensparende - Gestaltung des gesamten Verfahrensablaufs, sondern auch um die Gewährleistung internationaler menschenrechtlicher Standards in den verschiedenen Verfahrensabschnitten, wie sie etwa in der EMRK und in ihren Zusatzvereinbarungen grundgelegt sind und ihre nähere Konkretisierung durch die Rechtsprechung des EGMR erfahren (haben)11ZB Strasser, Zur Gewährleistung von Rechtsschutz im Strafverfahren, ÖJZ 2006, 155; Ratz, Grundrechte in der Strafjudikatur des OGH, ÖJZ 2006, 318; Eisele, Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für das deutsche Strafverfahren, JA 2005, 390.. Die Anforderungen an eine rechtsstaatliche Regelung und Handhabung des Strafverfahrens sind unter den obwaltenden Umständen hoch: Es gilt nicht nur die Garantien einzuhalten, die das Verfassungsrecht dem Beschuldigten, dem Angeklagten und dem Strafverteidiger22 Soyer, Strafverteidigung im europäischen Raum, ÖJZ 2005, 555; Schünemann, Verteidigung in Europa, StV 2006, 261. gewährt. Vielmehr gilt es spätestens seit der „Renaissance des Straftatopfers“ auch die legitimen Interessen und Bedürfnisse von Opferzeugen und -anwälten rechtlich wie faktisch in den Blick zu nehmen33 Jesionek, Die Stellung des Opfers im österreichischen Strafprozeß, in: Moos-FS (1997), 239; ders, Das Verbrechensopfer im künftigen österreichischen Strafprozessrecht, in: Burgstaller-FS (2004), 253; ders, Das Verbrechensopfer als Prozesspartei, in: BMJ (Hrsg), 33. Ottensteiner Fortbildungsseminar aus Strafrecht und Kriminologie (2005), 41; Eder-Rieder, Opferrecht (2005), 49; Kuhn, Opferrechte und Europäisierung des Strafprozessrechts, ZRP 2005, 125; Deckers, Verteidigung und Opferanwälte, StV 2006, 353.. Dieses schon an und für sich komplizierte Auseinanderdriften verschiedener, nicht selten gegensätzlicher Interessen muss im Strafprozess in eine sorgfältig ausgewogene, den Beteiligten und Betroffenen angemessene Balance gebracht werden. Dass sich die Problematik noch verschärft, wenn es sich um Strafverfahren mit schwieriger Beweislage (zB Wirtschaftsstrafsachen) oder der Eigenart der Tatverdächtigen oder der Besonderheit der angeklagten Delikte (zB sexuelle oder terroristische Gewalt) wegen aus dem Rahmen des zumeist Gewohnten herausfallende Prozesse handelt44Vgl FN 1-3., bedarf keiner näheren Darlegung.

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