I. Einführung
Der Untersuchungsrichter, in seiner Bedeutung als prozessuale (und literarische1) Kultfigur nur vergleichbar mit der anglo-amerikanischen Jury, hat in Europa kontinuierlich an Boden verloren. In Deutschland hat man die verbliebenen Reste der gerichtlichen Voruntersuchung schon 1975 abgeschafft2, Italien tat diesen Schritt im Rahmen seiner grundlegenden Prozessreform 19893. Österreich folgte vor kurzem4, und in der schweizerischen Diskussion um ein einheitliches Strafprozessrecht wird in der Botschaft der Regierung an das Parlament, sprich dem Regierungsentwurf, das sog „Staatsanwaltschaftsmodell“ favorisiert5. Mehr noch: Selbst in ihrem Heimatland Frankreich ist die Institution einmal mehr ins Schussfeld der Kritik geraten6. Zwar hat sie dort die Attacke durch die „Kommission Delmas-Marty“ überstanden, die für seine Abschaffung plädiert hatte7. Ein neuerlicher Anlauf erfolgte jüngst im Zusammenhang mit dem Justizskandal um das Verfahren von Outreau und seine parlamentarische Aufarbeitung. Denn hier konzentrierte sich die Kritik am Verfahren in erster Instanz wegen des Vorwurfs der sexuellen Misshandlung von Kindern prompt auf den Untersuchungsrichter. Noch schreckt man freilich vor dem radikalen Schritt zurück. Die „suppression du juge d‘instruction“ gerät zur Bekenntnisfrage und reformerischen Mutprobe; denn immerhin geht es dabei um die „vitrine du procès pénal français“.