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B. Wozu Gläubigerschutz? - Eine funktionale Annäherung

Bachner1. AuflJänner 2007

1. Publizität als Basis für den Selbstschutz der informierten Gläubiger

Die funktionalen Aufgaben, für die gesetzliche Normen zum Gläubigerschutz geschaffen werden, umfassen (zumindest) zwei Aspekte. Den einen Aspekt bilden Maßnahmen zur Erzwingung unternehmerischer Publizität, wodurch eine bestehende Informationsassymmetrie abgebaut werden und Gläubiger eine bessere Grundlage für die privatautonome Einschätzung des Ausfallsrisikos erhalten sollen. Das ist jener Aspekt, bei dem das Gemeinschaftsrecht einen hohen Grad an Harmonisierung erreicht hat, namentlich durch die Publizitätsanforderungen der Ersten66Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl L 65, S 8 idF der Richtlinie 2003/58/EG vom 15. Juli 2003, ABl L 221, S 13 (elektronische Register). und Elften77Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl L 395, S 36. Gesellschaftsrechtlichen RL sowie, beschränkt auf Aktiengesellschaften, der Zweiten RL88Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl 1977 L 26, S 1. (letztere dürfte insoweit, als es bloß um die Publizität der Kapitalverhältnisse geht, auch nicht wirklich umstritten sein), und selbstverständlich durch die umfangreichen Rechnungslegungsnormen99Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl L 222, S 11; Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss, ABl L 193, S 1; Verordnung (EG) 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl L 243, S 1; Verordnung (EG) 1725/2003 der Kommission vom 29. September 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl L 261, S 1.,1010Kollisionsrechtlich knüpfen die Bestimmungen über die Rechnungslegung an das Gesellschaftsstatut an: Gelter, RdW 2005, 134; Eidenmüller/Rehberg, Rechnungslegung von Auslandsgesellschaften, ZVglRWiss 2006, 427, 437 ff.; in einem weiteren Sinn gehören auch Teile des kapitalmarktrechtlichen RL-Bestands1111Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG , ABl L 345, S 64; Verordnung (EG) 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl L 215, S 3 (soweit diese auch Schuldtitel erfassen). hierher. Nicht zuletzt die vergleichsweise intensive Harmonisierung dürfte den EuGH veranlasst haben, diesen einen Aspekt des Gläubigerschutzes in Centros und Inspire Art besonders herauszustreichen.1212EuGH 9.3.1999, C-212/97 , Centros, Slg 1999, I-1459, Tz 36; 30.9.2003, C-167/01 , Inspire Art, Slg 2003, I-10155, Tz 135. Damit verbindet sich freilich die Gefahr, die Bedeutung und Effektivität dieser Publizität zu überschätzen. Ein System des Gläubigerschutzes, das allein auf Publizität und informierten Entscheidungen eigenverantwortlich handelnder Gläubiger aufbaut, dürfte sich empirisch in kaum einer entwickelten Volkswirtschaft nachweisen lassen.

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