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A. § 603 ZPO (Heiss/Loacker)

Heiss/Loacker1. AuflJuli 2016

1. Entstehungsgeschichte

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Das SchiedsRÄG 2006 hat mit § 603 ZPO eine spezielle Kollisionsnorm betreffend das auf die „Streitigkeit“ anwendbare Recht geschaffen. Eine vergleichbare Norm war der ZPO idF vor dem SchiedsRÄG unbekannt.4040Vgl nur die Textgegenüberstellung in den ErlRV 1158 BlgNR 22 GP 3, § 603; sowie Hausmaninger in Fasching/Konecny2 § 603 ZPO Rz 8. Eine ähnliche Regelung fand sich lediglich im staatsvertraglichen Recht, konkret in Art VII EuÜ.4141Hierzu unten Rz 9/27 ff. Art VII EuÜ diente jedoch nicht als Regelungsmuster für § 603 ZPO. Vielmehr schlug schon die Arbeitsgruppe des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen in ihrem „Entwurf eines neuen Schiedsverfahrensrechts“ einen § 603 ZPO vor, welcher Art 28 ModG zum Vorbild hatte und sich sprachlich eng an § 1051 dZPO, der seinerseits dem ModG folgt, anlehnte.4242Vgl im Detail Oberhammer, Entwurf 108 ff; zu den Unterschieden im Vergleich zu Art 28 ModG unten Rz 9/14 bzw zu § 1051 dZPO unten Rz 9/16. Der Entwurf eines § 603 ZPO wich gegenüber dem ModG und damit auch § 1051 dZPO vor allem in drei Punkten ab. Zum einen beschränkte sich der Entwurf nicht auf die „internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit“, sondern erstreckte die Kollisionsnorm auf alle Schiedsverfahren.4343Ebenso § 1051 dZPO. Zum zweiten enthielt der Entwurf keinen Abs 4, der das Schiedsgericht jedenfalls – also ganz unabhängig vom anwendbaren Recht – an die vertraglichen Vereinbarungen und die Handelsbräuche bindet.4444Vgl demgegenüber Art 28 Abs 4 ModG sowie § 1051 Abs 4 dZPO. Zum dritten und wohl noch bedeutender gestaltete der Entwurf eines § 603 ZPO die objektive Anknüpfung grundsätzlich anders aus. Während Art 28 ModG das Schiedsgericht auf die Kollisionsnormen des Staates verweist, die es zur Lösung der kollisionsrechtlichen Fragen für anwendbar hält,4545Insofern sehr ähnlich der Regelung des Art VII Abs 1 S 2 EuÜ. und § 1051 Abs 2 dZPO das Schiedsgericht dem Grundsatz der „engsten Verbindung“ verpflichtet, räumte der Entwurf eines § 603 Abs 2 ZPO dem Schiedsgericht die Möglichkeit ein, ohne Anwendung eines bestimmten Kollisionsrechts diejenigen Rechtsvorschriften oder Rechtsregeln4646AA Hausmaninger in Fasching/Konecny2 § 603 ZPO Rz 71. anzuwenden, die es für „angemessen“ erachtet. Die Gesetzesfassung des § 603 ZPO folgt im Grundsatz wie auch in den drei beschriebenen Abweichungen von Art 28 ModG und § 1051d ZPO dem Entwurf. Von einer geringfügigen sprachlichen Änderung abgesehen,4747Die Gesetzesfassung des neuen § 603 ZPO hat in Abs 1 S 2 den im Entwurf für ein neues Schiedsrecht gebrauchten Ausdruck „Bezeichnung“ durch den Begriff „Vereinbarung“ ersetzt. Das ist folgerichtig, weil schon der Entwurf eines § 603 Abs 1 S 1 davon spricht, dass die Parteien das anwendbare Recht „vereinbart“ und nicht, wie § 1051 Abs 1 S 1 dZPO sagt, „bezeichnet“ haben. weicht die

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Gesetzesfassung des § 603 ZPO lediglich in einem, freilich gewichtigen Punkt vom Entwurf eines neuen Schiedsverfahrensrechts ab. Während nämlich der Entwurf eines § 603 Abs 2 den Schiedsrichtern im Rahmen objektiver Anknüpfung die Möglichkeit einräumen wollte, nicht nur Rechtsvorschriften, sondern an deren Stelle auch Rechtsregeln zur Anwendung zu berufen, schränkt die Gesetzesfassung des § 603 Abs 2 ZPO die objektive Anknüpfung durch das Schiedsgericht auf die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften ein. Eine Anwendung von „Rechtsregeln“ anstelle von „Rechtsvorschriften“ bleibt somit nach österreichischem Schiedsrecht auf Fälle der „Rechtsregelwahl“ durch die Parteien nach § 603 Abs 1 S 1 ZPO beschränkt.4848So auch Reiner § 603 ZPO FN 145.

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